Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 24.07.2024 - 3 Ws 221/24
Eigener Leitsatz:
1. Nach § 100b Abs. 2 Nr. 5a StPO in der ab dem 01.04.2024 gültigen Fassung sind schwere Straftaten im Sinne des § 100b Abs. 1 Nr. 1 StPO u.a. nur noch die Verbrechenstatbestände des § 34 Absatz 4 Nr. 1, 3 oder 4 KCanG.
2. Für die Frage der Verwertbarkeit von vor dem 01.04.2024 gewonnenen Erkenntnissen aus der Überwachung von sog. Messengerdiensten (hier: SkyECC ) ist auf den Verwendungszeitpunkt – also ggf. der Verwertung der Erkenntnisse im Zwischen- und Hauptverfahren – abzustellen. Lag zu dem Zeitpunkt keine Katalogtat im Sinne des § 100b Abs. 2 Nr. 5a StPO mehr vor, scheidet die Verwertbarkeit der Daten aus.
3 Ws 221/24
Oberlandesgericht Karlsruhe
3. STRAFSENAT
Beschluss
In der Strafsache gegen pp.
Verteidiger;
Rechtsanwalt Patrick Welke, Fritz-Frey-Straße 17, 69121 Heidelberg, Gz.: 225/22PW32 pw
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
hier: sofortige Beschwerde und Beschwerde der Staatsanwaltschaft Mannheim
hat das Oberlandesgericht Karlsruhe - 3. Strafsenat - am 24. Juli 2024 beschlossen:
1. Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Mannheim wird Ziff. 3 des Beschlusses des Landgerichts -5. Große Strafkammer- Mannheim vorn 17. Juni 2024 aufgehoben, soweit die Eröffnung des Hauptverfahrens in Bezug auf die in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Mannheim vom 8. März 2024 vorgeworfenen Taten Ziff. 1, 4 und 5 abgelehnt wurde. Es wird festgestellt, dass die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Mannheim in Bezug auf diese Taten nicht begründet ist. •
Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde als unbegründet verworfen.
2. Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Mannheim gegen Ziff. 4 des Beschlusses des Landgerichts 5. Große Strafkammer - Mannheim vom 17. Juni 2024 wird als unbegründet verworfen.
3. Der Tatvorwurf Ziffer 2. des Haftbefehls des Amtsgerichts Mannheim vom 14.09.2023 (41 Gs 1957/23) entfällt.
4. Die Kosten d s Beschwerdeverfahrens sowie die dem Angeschuldigten im Beschwerde-verfahren entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe:
Die Staatsanwaltschaft Mannheim hat im Ermittlungsverfahren Az. 804 Js 36278/22 am 08.03.2024 Anklage zum Landgericht Mannheim wegen des Verdachts der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in vier Fällen sowie des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge erhoben. Zuständig ist insoweit die 5. Große Strafkammer. Dem Angeschuldigten wird in der Anklageschrift folgender Sachverhalt zur Last gelegt:
Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt, spätestens im April 2020, entschloss sich der zu diesem Zeitpunkt in Spanien aufhältige Angeschuldigte dazu, einen schwunghaften Drogenhandel zu betreiben und die Betäubungsmittel, insbesondere Marihuana und Kokain-, in großen Mengen bei seinen Lieferanten in Spanien zu erwerben, um sie sodann ebenfalls in großen Mengen an Abnehmer in Deutschland zu verkaufen und sie dazu in Lkws mit Hilfe von Transportpersonen von Spanien nach Deutschland zu transferieren. Die Absprachen der Verkäufe erfolgten mittels sogenannter Krypta-Handys unter Verwendung des als abhörsicher geltenden Messenger-Dienstes SkyECC. Hierbei nutzte der Angeklagte die Kennungen „K 1" und „K 2". Dadurch wollte sich der Angeschuldigte eine laufende Einnahmequelle von einigem Umfang und gewisser Dauer sichern und seinen Lebensunterhalt und Eigenkonsum finanzieren.
In Umsetzung dieses Tatplans beging der Angeschuldigte folgende Taten:
1. Am 15.11.2020 vereinbarte der Angeschuldigte über SkyECC mit den gesondert verfolgten pp., der die Kennungen „K 3" und „K 4" verwendete, und pp., der die Kennung „K 5" verwendete, sowie einem nicht identifizierten Nutzer „K 6“ den Verkauf von 55 kg Marihuana zu einem Preis von 5100 Euro pro Kilogramm. Entsprechend der Vereinbarung sandte der Angeschuldigte einen Lkw mit mindestens 5ß kg Marihuana von Spanien nach St. Leon Rot zur Örtlichkeit „Driver Center" in der pp., wo der Lkw gegen 09:23 Uhr ankam. Ab 09:58 Uhr nahm pp. die Betäubungsmittel in Empfang und organisierte deren Weitertransport. PP. nahm die Bezahlung der Ware in der Folge am 18. und 19.11.2020 über Mittelsmänner an den Angeschuldigten vor.
2. Am 01.12 2020 vereinbarte der Angeschuldigte über SkyECC mit dem gesondert verfolgten pp., der die Kennung „K 7" verwendete, den Verkauf von 70 kg Marihuana zu einem Preis von 4.600 EUR pro Kilogramm. Entsprechend der getroffenen Vereinbarung sandte der Angeschuldigte einen Lkw mit den 70 kg Marihuana von Spanien zu der Ablademöglichkeit „pp-Spedition" in pp., wo der Lkw am Morgen des 16.12.2020 ankam. Ab 08:15 Uhr nahm pp. gemeinsam mit dem nicht identifizierten Nutzer „K 8“" die Betäubungsmittel in Empfang und veräußerte sie in der Folge an unbekannte Abnehmer weiter.
3. Am 07.12.2020 um 21:22 Uhr bot der Angeschuldigte über SkyECC den noch nicht identifizierten Nutzern „K 9“ " und „K 10“ über SkyECC verbindlich den Kauf von einem Kilogramm Kokain zu einem Preis von 33.000 EUR an, das in Hamburg lagerte.
4. Zwischen dem 05.01.2021 und dem 08.01.2021 vereinbarte der Angeschuldigte über SkyECC mit dem gesondert verfolgten pp. die Lieferung von 70 kg Marihuana von denen 30 kg an „pp“, 20 kg an „pp.", 10 kg an „pp." und 10 kg an „pp." verkauft werden sollten zu einem Preis von mindestens 4.600 EUR pro Kilogramm. Vorgefasster Absicht entsprechend sandte der Angeschuldigte am 12.01.2021 einen Lkw von Spanien nach Deutschland, der sodann am 14.01.2021 das Marihuana, deren Menge sich tatsächlich insgesamt auf 100 kg belief, zur pp., wo sie von pp. in Empfang genommen, abgeladen und an die benannten Abnehmer weiterveräußert wurde.
5. Zwischen dem 28.02.2021, 15:46 Uhr, und dem 02.03.2021, 12:03 Uhr, vereinbarte der Angeschuldigte über SkyECC mit dem gesondert verfolgten pp. der die Kennung „K 11“ verwendete, den Verkauf von 25 kg Marihuana zu einem Preis von 4.050 EUR pro Kilogramm. Entsprechend der getroffenen Vereinbarung sandte der Angeschuldigte einen Lkw von Spanien nach Deutschland, der am Morgen des 05.03.2021 die Betäubungsmittel zur Lagerörtlichkeit von pp. in pp. verbrachte.
Wie vom Angeschuldigten vorhergesehen und zumindest billigend in Kauf genommen, wies das Marihuana jeweils einen Wirkstoffgehalt von mindestens 13 % Tetrahydrocannabinol (THC) und das Kokain einen von mindestens 70 % Cocainhydrochlorid auf.
Das Amtsgericht Mannheim hat gegen den Angeschuldigten am 14.09.2023 unter dem AZ. 41 1957/23 wegen der vorgenannten Taten einen auf den Haftgrund der Fluchtgefahr und subsidiär auf den Haftgrund der Wiederholungsgefahr gestützten Haftbefehl erlassen. Aufgrund Haftbefehls befindet sich der Angeschuldigte seit dem 12.04.2024 in Untersuchungshaft, nachdem gegen ihn zuvor in einem anderen Verfahren Untersuchungshaft aufgrund eines Haftbefehls vom 16.11.2021 vollzogen worden war, der nach Freisprechung in jenem Verfahren mit Beschluss des Landgericht Mannheim vom 12.04.2024 aufgehoben wurde.
In einem weiteren unter dem Az. 804 Js 36314/22 geführten Ermittlungsverfahren, in dem das Amtsgericht Mannheim am 14.09.2023 unter dem Az. 41 Gs 2005/23 ebenfalls einen auf Fluchtgefahr bzw. subsidiär auf Wiederholungsgefahr gestützten Haftbefehl erlassen hat, hat die Staatsanwaltschaft am 25.04.2024 gegen den Angeschuldigten Anklage zum Landgericht Mannheim wegen bandenmäßiger Einfuhr von Cannabis in Tateinheit mit bandenmäßigem Handeltreiben mit Cannabis in acht Fällen erhoben. Das Verfahren fiel in die Zuständigkeit der 6. Großen Strafkammer. Dem Angeschuldigten wird zur Last gelegt, als Kopf einer arbeitsteilig organisierten Gruppierung im Zeitraum März 2021 bis Mai 2021 große Mengen - zwischen 40,7 kg und 114 kg – Cannabis an den gesondert verfolgten pp. gewinnbringend veräußert zu haben, wobei die Verkaufsabsprachen über so genannte Krypto-Handys unter Verwendung des als Messenger-Dienstes ANOM vereinbart wurden und das Cannabis im Wege einer hochstrukturierten Vertriebs- und Absatzorganisation nach Deutschland verbracht und in pp. an den pp. bzw. dessen Mittäter übergeben worden seien.
Unter Ziff. 1 und 2 des Beschlusses vom 17.06.2024 übernahm die 5. Große Strafkammer des Landgerichts Mannheim das bei der 6. Großen Strafkammer geführte Verfahren und ordnete die Verbindung der beiden Verfahren an. Mangels Verwertbarkeit der den hinreichenden Tatverdacht begründenden Kommunikation über den Krypto-Messengerdienst SkyECC hat die Strafkammer die Eröffnung des Hauptverfahrens hinsichtlich der Taten Ziff. 1, 2, 4 und 5 der Anklageschrift vom 8.3.2024 (Ziff. 3) abgelehnt. Hinsichtlich der Tat Ziff. 3 aus der Anklageschrift vom 08.03.2024 und der Taten aus der Anklageschrift vom 25.04.2024 stellte die Strafkammer ihre örtliche Unzuständigkeit fest (Ziff. 4).
Gegen Ziff. 3 und 4 des ihr am 21.06.2024 zugestellten Beschlusses legte die Staatsanwaltschaft Mannheim mit Schrift vom 26.06.2024, beim Landgericht Mannheim am 27.06.2024 eingegangen Rechtsmittel ein.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragte mit Schrift vom 08.07.2024, auf das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft den Beschluss des Landgerichts Mannheim in den Ziff. 3 und 4 aufzuheben, die Anklagen vom 0; 03.2024 und 25.04.2024 zuzulassen und das Hauptverfahren vor der 5. Großen Strafkammer des Landgerichts Mannheim zu eröffnen.
Der Angeklagte erhielt über seine Verteidiger Gelegenheit zur Stellungnahme.
II.
1. Der gemäß § 210 Abs. 2 StPO statthaften und auch im Übrigen zulässigen sofortigen Beschwerde der Staatsanwaltschaft bleibt in der Sache im Wesentlichen der Erfolg versagt Hinsichtlich der dem Angeschuldigten in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Mannheim vom 08.03.2024 vorgeworfenen Tat Ziff. 2 hat das Landgericht zutreffend die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt. Hinsichtlich der dem Angeschuldigten in der Anklageschrift vorgeworfenen Taten Ziff. 1, 4 und 5 war das Landgericht mangels örtlicher Zuständigkeit nichtbefugt, eine Sachentscheidung zur Eröffnung bzw. Nichteröffnung des Hauptverfahrens zu treffen, weshalb die Entscheidung insoweit aufzuheben und das Fehlen der örtlichen Zuständigkeit festzustellen ist.
Die Eröffnung des Hauptverfahrens ist zu beschließen, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint (§ 203 StPO). Hinreichende Tatverdacht ist anzunehmen, wenn die nach Maßgabe des Akteninhalts vorzunehmende vorläufige Tatbewertung ergibt, dass die Verurteilung des Angeschuldigten wahrscheinlieh ist (Senat, Beschl. v. 21.07.2005 — 3 Ws 165/04, BeckRS 2005, 33531, beck-online). Auf diese Verdachtsprognose in Gestalt der strafprozessualen Reproduzierbarkeit der im Ermittlungsverfahren erarbeiteten Erkenntnisse in der Hauptverhandlung können auch Beweisverwertungsverbote Einfluss gewinnen (vgl.. BGH, Beschl. v. 01.12.2016 — 3 StR 230/16, NStZ 2017, Kk-StPO/Schneider, 9. Aufl. 2023, StPO § 203 Rn. 9 m.w.N.).
Gemessen hieran besteht hinsichtlich der dem Angeschuldigten in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Mannheim vom 08.03.2024 vorgeworfenen Tat Ziff. 2 keine Verurteilungswahrscheinlichkeit Das dem Angeschuldigten diesbezüglich zur Last gelegte Cannabisgeschäft lässt sich, wie im Sonderband „Fallakte 7" ausführlich und überzeugend dargestellt, in tatsächlicher Hinsicht ohne weiteres aus dem Inhalt der über Kryptohandys des Anbieters SkyECC mit den Kennungen „K 1" und „K 2“ ausgetauschten Nachrichten ableiten; welche von französischen Ermittlungsbehörden in einem dort geführten Verfahren erhoben und an die Staatsanwaltschaft Mannheim im Wege einer Europäischen Ermittlungsanordnung übermittelt wurden. Weitere einen Verdacht begründende Erkenntnisse liegen hingegen nicht vor.
Allerdings besteht hinsichtlich dieser Inhalte nach Inkrafttreten des Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften (Cannabisgesetz — CanG) vom 27.03.2024 (BGBl I, 2024 Nr. 109) am 01.04.2024 ein Beweisverwertungsverbot.
Gesetzliche Rechtsgrundlage für die Verwertung von in einer Hauptverhandlung zu erhebenden Beweisen ist § 261 StPO und zwar unabhängig davon, ob diese zuvor im Inland oder auf sonstige Weise - etwa im Wege der Rechtshilfe - erlangt worden sind. Denn die Frage, ob im Wege der Rechtshilfe erlangte Beweise verwertbar sind, richtet sich ausschließlich nach dem nationalen Recht des um Rechtshilfe ersuchenden Staates, soweit - wie hier - der um Rechtshilfe ersuchte Staat die unbeschränkte Verwendung der von ihm erhobenen und übermittelten Beweisergebnisse gestattet hat (vgl. BGH, Beschluss vom 02.03.2022 — 5 StR 457/21 —, juris, Rn. 25 ff.). Da die in Grundrechte eingreifende Ermittlungsmaßnahmen anders als bei inneren oder im Wege der europäischen Rechtshilfe ersuchten ausländischen Ermittlungsmaßnahmen nicht schon bei deren Anordnung, etwa durch Beschränkung auf besonders schwere Straftaten oder Fälle qualifizierten Verdachts, limitiert werden können, sind die dadurch möglichen Unterschiede bei den Eingriffsvoraussetzungen auf der Ebene der Beweisverwendung zu kompensieren. Hierfür kann auf die in strafprozessualen Verwendungsbeschränkungen verkörperten Wertungen zurückgegriffen werden, mit denen der Gesetzgeber dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei vergleichbar eingriffsintensiven Mitteln Rechnung trägt (vgl. BGH, Beschluss vom 02.03.2022, aaO., Rn. 68). Zur Verwertung von Daten von Nutzern des Kommunikationsdienstes EnchroChat, die von französischen Ermittlungsbehörden auf Grundlage einer Europäischen Ermittlungsanordnung übermittelt wurden, hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass hinsichtlich der Frage der Verwertbarkeit die Vorschrift des § 100e Abs. 5 StPO nach ihrem Wortlaut nicht ausdrücklich angewendet werden kann, da die in Rede stehenden Daten nicht durch Maßnahmen nach den §§ 100b, 100c StPO, sondern durch eigenständige Maßnahmen nach französischem Prozessrecht gewonnen wurden. Allerdings können aufgrund des Gewichts der Maßnahme zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – auch um jede Benachteiligung auszuschließen - die Grundgedanken des § 100e Abs. 6 StPO als Verwendungsschranke mit dem höchsten Schutzniveau fruchtbar gemacht werden (vgl. BGH Beschluss vom 02.03.2022 — 5 StR 457/21, aaO., Rn. 65 f.). Daraus folgt, dass eine Beweisverwertung von Erkenntnissen aus dem Kernbereich privater Lebensführung stets unzulässig ist (vgl. auch § 100d Abs. 2 Satz 1 StPO) und darüber hinaus nach der Wertung des § 100e Abs. 6 Nr. 1 StPO die im Wege europäischer Rechtshilfe erlangten Beweisergebnisse aus dem EncroChat-Komplex in einem Strafverfahren ohne Einwilligung der überwachten Person nur zur Aufklärung einer Straftat, auf Grund derer eine Maßnahme nach § 100b StPO hätte angeordnet werden können, oder zur Ermittlung des Aufenthalts der einer solchen Straftat beschuldigten Person verwendet werden dürfen. Hierbei sind auch die den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz konkretisierenden einschränkenden Voraussetzungen in § 100b Abs. 1 Nr. 2 und 3 StPO in den Blick zu nehmen, wonach die Straftat auch im Einzelfall besonders schwer wiegen und die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsorts auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos sein muss (vgl. BGH Beschluss vom 02.03.2022 — 5 StR 457/21, aaO, Rn. 68-69). Für die Prüfung, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist auf den Zeitpunkt der Beweisergebnisse abzustellen (BGH, Beschluss vom 02.03.2022 — 5 StR 457/21, aaO, Rn. 70).
Dieselben Maßstäbe gelten - da sich die Rahmenbedingungen für die Datenerhebung in Frankreich und die Übermittlung der Daten im Wege einer Europäischen Ermittlungsanordnung nicht wesentlich unterscheiden – auch für die Verwertung von im Wege. europäischer Rechtshilfe erlangter Beweisergebnisse hinsichtlich des Krypto-Messengers SkyECC. Ebenso wie die Encro-Chat-Daten sind diese in einem französischen Ermittlungsverfahren erhoben worden und auch die wesentlichen Rahmenbedingungen stimmen zwischen den beiden Anbietern überein. lnsbesondere befand sich - ausweislich der vorliegenden Beschlüsse des in beiden Fällen zuständigen Gerichts in Lille - bei beiden Anbietern der Server, über den die Kommunikation erfolgte, an einem Standort in Roubaix und das Angebot sowohl von Encrochat als auch von SkyECC war dadurch gekennzeichnet, dass die Geräte nicht über legale Vertriebswege verkauft wurden und für die verschlüsselten Geräte ein außergewöhnlich hoher Preis — etwa 1.500 Euro für eine sechsmonatige Nutzung - zu zahlen war, obwohl die Geräte selbst nur über einen sehr eingeschränkten Funktionsumfang verfügten (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 15.11:2021 — 2 HEs 24 – 30/21 -, Rn. 23, juris).
Gemessen an den genannten Grundsätzen wäre eine Verwertbarkeit der über den Krypto-Messenger SkyECC erlangten Erkenntnisse nur dann zu bejahen, wenn die betreffenden Taten im Verwertungszeitpunkt noch den Anforderungen des § 100b StPO genügten, insbesondere wenn sie auch nach Inkrafttreten des CanG noch Katalogtaten im Sinne des § 100b Abs. 2 StPO darstellten (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 06.06.2024 - 2 Ws 251/24 -, n.v.; KG Berlin, Beschluss s 67/24 - 121 GWs 38/24 juris zu EncroChat; OLG Stuttgart, Beschluss Ws 123/24 - Burhoff online zu Anom).
Im hier zu entscheidenden Fall unterfällt die dem Angeschuldigten in der Anklageschrift vom 08.04.204 zur Last gelegte Tat Ziff. 2, die alleine die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Mannheim nach § 7 StPO begründen könnte, nach dem zum 01.04.2024 als Art. 1 CanG in Kraft getretenen KCanG nicht mehr dem BtMG, sondern ist als Handeltreiben mit Cannabis in Tateinheit mit Einfuhr von Cannabis, gemäß §§ 1 Nr. 8, 2 Abs. 1 Nr. 4 und 5, 34 Abs. 1 Nr. 4 und 5 KCanG zu werten, wobei die Tat eine nicht geringe Mengen Cannabis betrifft und aufgrund der erheblichen Mengen und des Marktwerts eine gewerbsmäßige Begehungsweise nahe liegt, weshalb die Tat einen besonders schwereren Fall gemäß § 34 Abs. 3 Nr. 1 und 4 KCanG darstellt. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Tat einen Verbrechenstatbestand des § 34 Abs. 4 KCanG erfüllt, sind nicht gegeben.
Durch Art. 13a des CanG wurden zeitgleich mit Inkrafttreten des KCanG strafprozessuale Befugnisnormen, u.a. auch § 100b StPO, geändert. Nach § 100b Abs. 2 Nr. 5a StPO in der ab dem 01.04.2024 gültigen Fassung sind schwere Straftaten im Sinne des § 100b Abs. 1 Nr. 1 StPO die Verbrechenstatbestände des § 34 Absatz 4 Nr. 1, 3 oder 4 KCanG. Zu dem maßgeblichen Verwendungszeitpunkt - also der Verwertung der Erkenntnisse im Zwischen- und Hauptverfahren – lag demnach keine Katalogtat im Sinne des § 100b Abs. 2 Nr. 5a StPO mehr vor, weshalb die Verwertbarkeit der Daten ausscheidet und diese zur Begründung des hinreichenden Tatverdachts nicht mehr herangezogen werden können (vgl. OLG Köln aaO.; KG aaO.; OLG Stuttgart aaO).
Soweit im Hinblick auf die Verwertung von im Ausland erhobenen und nach Deutschland zum Zwecke der StrafverfoIgung übermittelten Daten von Krypto-Messengem vertreten wird, für die Frage der Verwertbarkeit sei allein auf den Zeitpunkt der Erhebung abzustellen, da rechtliche Veränderungen ebenso zu behandeln seien wie Veränderungen der Verdachtslage, für die anerkannt sei, dass es für die Prüfung der Verwertbarkeit auf den Zeitpunkt der Anordnung der Eingriffsmaßnahme oder der Verwendung in einem anderen Strafverfahren ankommt (vgl. - nicht tragend – Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 13. Mai 2024 -1 Ws 32/24 - Rn. 72) überzeugt dies nicht. Denn in der Verwendung der aus einem anderen Strafverfahren stammenden personenbezogenen Daten in einem anhängigen Verfahren und in deren Verwertung in einer in diesem Verfahren zu treffenden 'gerichtlichen Entscheidung liegt ein eigenständiger Grundrechtseingriff. Ob für diesen eine gesetzliche Grundlage besteht, kann und muss daher nach der für den Verwendungs- bzw. Verwertungszeitpunkt geltenden Rechtslage beurteilt werden (BGH, Beschluss vom 21 November 2012— 1 StR 310/12 —, juris, Rn. 45). Nach ständiger Rechtsprechung ist daher bei sich im Verlaufe eines anhängigen Strafverfahrens ändernden strafprozessualen Vorschriften für die Beurteilung der prozessualen Zulässigkeit die neue Rechtslage maßgebend (vgl. BGH, Beschluss. vom 19. Februar 1969 — 4 StR 357/68 -, juris, Rn11; BGH, Urteil vom 27. November 2008 — 3 StR 342/08 juris, Rn. 13; BGH, Beschluss vom 21. November 2012 — 1 StR 310/12, aaO., Rn. 45; BGH, Beschluss vom 02.03.2022 – 5 StR 57/21, aaO., Rn. 70).
Soweit in der Literatur vertreten wird, dass für den Fall, dass nach bisherigem Recht rechtmäßige Maßnahmen für unzulässig erklärt werden, die Frage der Verwertbarkeit der Erkenntnisse - falls keine besondere Überleitungsvorschrift bestehe - jeweils im Einzelfall unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Zwecks der Neuregelung zu beantworten sei (vgl. Kühne/Gössel/Lüderssen in Löwe-Rosenberg StPO, 27. Aufl. 2016, Einleitung E, Rn. 22), führt auch diese Auffassung im vorliegenden Fall nicht zur Verwertbarkeit der von den französischen Ermittlungsbehörden übermittelten Erkenntnisse. Denn eine Prüfung durch den ersuchenden Staat, ob der ersuchte Staat dort vorhandene Beweismittel nach dem Maßstab seiner eigenen nationalen Verfahrensregeln rechtmäßig erlangt hat, ist nicht vorgesehen (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 06.06.2024, 2 Ws 251/24; BGH, Beschluss vom 02.03.2022 — 5 StR 457/21, aaO., Rn. 26).
Dürfen demgemäß die hier verfahrensgegenständlichen Chatnachrichten nur zur Verfolgung von auch im Einzelfäll besonders schwerwiegenden Straftaten im Sinne § 100b Abs. 2 StPO verwendet werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos und der Kernbereich privater Lebensführung nicht berührt ist, und ist zudem für die Prüfung, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, auf den Zeitpunkt der Verwertung der Beweisergebnisse im deutschen Strafverfahren abzustellen, unterliegen die hier relevanten Chat-Nachrichten der Kennungen „K 1" und „K 2" nach Inkrafttreten KCanG seit dem 01.04.2024 einem Beweisverwertungsverbot.
Ob auch hinsichtlich der dem Angeschuldigten in der Anklageschrift vom 08.03.2024 zur Last gelegten Taten Ziff. 1, 4 und 5 ein Beweisverwertungsverbot anzunehmen ist, kann jedenfalls derzeit dahinstehen. Denn aufgrund des nicht gegebenen Tatortes in Mannheim und in Ermangelung anderer Gerichtsstände ist hinsichtlich dieser Taten eine örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Mannheim nicht begründet. Da die örtliche Unzuständigkeit einer sachlichen Entscheidung über das Vorliegen der Eröffnungsvoraussetzungen entgegensteht (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 10.09.1998 - 2 Ws 6/98, NStZ-RR 1999, 16; KK-StPO/Gellhorn, 9. Aufl. 2023, StPO § 16 Rn. 8; 3 Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Auflage, § 16 Rn. 4 m.w.N.), war es dem Landgericht verwehrt, die Eröffnung des Hauptverfahrens hinsichtlich dieser Taten abzulehnen. Daher war auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Ziff. 3 des angegriffenen Beschlusses aufzuheben, soweit dort die Eröffnung des Hauptverfahrens hinsichtlich der dem Angeschuldigten in der Anklageschrift vom 08.03.2024 zur Last gelegten Taten Ziff. 1, 4 und 5 abgelehnt wurde, und insoweit die örtliche Unzuständigkeit des Landgerichts Mannheim festzustellen.
2. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft gegen die Entscheidung des Landgerichts, durch die es sich im Eröffnungsverfahren für örtlich unzuständig erklärt hat, ist als einfache Beschwerde gemäß § 304 statthaft (vgl. KK-StPO/Gellhorn, 9. Aufl. 2023, StPO § 16 Rn. 12 m.w.N.) und zulässig, hat aber in der Sache aber keinen Erfolg. Nachdem das Landgericht zutreffend die Eröffnung des Hauptverfahrens hinsichtlich der dem Angeschuldigten in der Anklageschrift vom 08.03.2024 zur Last gelegten Tat Ziff. 2 abgelehnt hat, ist aus den zutreffenden Gründen der angegriffenen Gründen der angegriffenen Entscheidung ein Gerichtsstand im Bezirk des Landgerichts Mannheim für die weiteren Tatvorwürfe nicht gegeben.
3. Da die teilweise Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens betreffend die in der Anklage vom 08.03.2024 vorgeworfenen Tat Ziff. 2 (entsprechend Tatvorwurf Ziff. 2 des Haftbefehls) sich gemäß § 120 Abs. 1 Satz 2 StPO auch auf den Haftbefehl vom 14.09.2023, Az. 41 Gs 1957/23, auswirkt, hat der Senat als Beschwerdegericht den Haftbefehl entsprechend angepasst. In Ermangelung der örtlichen Zuständigkeit hatte der Senat über den Fortbestand des Haftbefehls im Übrigen nicht zu entscheiden.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 und 4 StPO.
Einsender: RA P. Welke, Heidelberg
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