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Entscheidungen

OWi

Entbindungsantrag, rechtzeitige Antragstellung, Verwerfungsurteil

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Oldenburg, Beschl. v. 22.05.2024 – 2 ORbs 79/24

Eigener Leitsatz:

Befindet sich der drei Tage vor einem Hauptverhandlungstermin per beA übermittelten Entbindungsantrag zwar erst am Ende eines mehrseitigen Schriftsatzes, wird aber auf der ersten Seite des Schriftsatzes auf den Gerichtstermin mit dem Zusatz „EILT SEHR !" hingewiesen, kann der Betroffene von der Berücksichtigung seines Antrags ausgehen.


Oberlandesgericht Oldenburg

Beschluss

In der Bußgeldsache
gegen pp.

Verteidiger:

Rechtsanwalt

hat das Oberlandesgericht Oldenburg (Oldenburg) durch den Richter am Oberlandesgericht am 22.05.2024 beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Westerstede vom 26.2.2024 wird zugelassen.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das vorbezeichnete Urteil aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Westerstede zurückverwiesen.

Gründe:

Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht den Einspruch des Betroffenen gegen einen Bußgeldbescheid des Landkreises Ammerland verworfen. Durch diesen Bußgeldbescheid ist gegen den Betroffenen eine Geldbuße in Höhe von 115,- € festgesetzt worden.

In den Gründen des angefochtenen Urteiles heißt es, dass der Betroffene in der Hauptverhandlung ohne Entschuldigung ausgeblieben sei, obwohl er von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen nicht entbunden gewesen sei.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seinem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde und rügt die Verletzung rechtlichen Gehörs.

Die Generalstaatsanwaltschaft hält die Rechtsbeschwerde für durchgreifend.

Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG zuzulassen, da das rechtliche Gehör des Betroffenen verletzt worden ist. Die Rüge ist insoweit ordnungsgemäß ausgeführt worden und führt zugleich zur Begründetheit der Rechtsbeschwerde.

Der Senat hat in der Entscheidung vom 14.11.2016 (2 Ss(OWi) 321/16) folgendes ausgeführt:

„Die Verfahrensrüge ist wegen eines Verstoßes des Amtsgerichts gegen die Verfahrensnorm des § 73 Abs.2 OWiG, der gleichzeitig einen Verstoß gegen den Anspruch auf die Gewährung rechtlichen Gehörs darstellt, begründet.

Das Gericht hat weder über den Antrag des Betroffenen, ihn von seiner Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden, entschieden noch hat es sich im Urteil mit den Gründen, die der Betroffene für seinen Antrag auf Entbindung vom persönlichen Erscheinen geltend gemacht hat, befasst. Der Tatrichter hat aber einem Entbindungsantrag zu entsprechen, wenn der Betroffene sich zur Sache geäußert hat und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts in der Hauptverhandlung nicht erforderlich ist. Daher ist der Anspruch des Betroffenen auf die Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, wenn der Tatrichter den Entbindungsantrag ablehnt, ohne nachvollziehbare Gründe dafür anzuführen und sich auch im Urteil nicht mit den für eine Entbindung geltend gemachten Gründen auseinandersetzt (zu vgl. BayObLG, DAR 2000, 578 m.w.N.). Im vorliegenden Fall hat das Gericht den Antrag des Betroffenen gar nicht beschieden. ...

Ein Gehörsverstoß seitens des Amtsgerichts ist auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil der Abteilungsrichterin der Entbindungsantrag vor der mündlichen Verhandlung tatsächlich nicht vorgelegen hat. Die Versagung des Anspruchs auf das rechtliche Gehör ist nur dann zu verneinen, wenn der Antrag auf Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen zum Zeitpunkt der Verwerfungsentscheidung durch den Tatrichter nicht berücksichtigt werden konnte und musste, weil er zu spät gestellt wurde (vgl. OLG Bamberg NStZ-RR 2009,149). In diesem Zusammenhang kommt es nicht allein darauf an, ob dem Tatrichter eine Pflichtwidrigkeit vorgeworfen werden kann. Auch wenn die Gründe für die Nichtbescheidung in einer unzureichenden Gerichtsorganisation liegen, ist davon auszugehen, dass der Entbindungsantrag hätte zur Kenntnis genommen werden können und müssen.

Gemessen daran, wäre eine Entscheidung über den Entbindungsantrag möglich und erforderlich gewesen. So existiert nach allgemeiner Auffassung eine Aufklärungs- bzw. Fürsorgepflicht des Gerichts, die es gebietet, dass der Abteilungsrichter sich vor der Verkündung des Verwerfungsurteils bei der Geschäftsstelle informiert, ob dort eine entsprechende Nachricht vorliegt (vgl. OLG Bamberg NStZ-RR 2009,149 m.w.N.). Dies rechtfertigt sich aus der Erfahrung, dass häufig noch am Terminstag bei den Amtsgerichten Entbindungsanträge von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen eingehen. Allerdings erstreckt sich diese Nachforschungspflicht nicht auf die Überprüfung, ob bei der Eingangsgeschäftsstelle Entbindungsanträge eingegangen sind (vgl. OLG Bamberg NStZ-RR 2009,149 m.w.N.). Allerdings entspricht es nach der Auffassung des Senats bei einem Gericht mit der Größe und Struktur des Amtsgerichts .... der ordnungsgemäßen Gerichtsorganisation, dass ein am Freitagnachmittag außerhalb der Geschäftszeiten bei der Eingangsstelle eingehendes Fax mit dem ersten Zutrag bis um 11:15 Uhr zu der zuständigen Geschäftsstelle gelangt ist.

Damit kommt es nicht entscheidend darauf an, ob die Tatrichterin die Nachfrage bei der Geschäftsstelle unterlassen oder eine stattgefundene Nachfrage keinen Aufschluss über den eingegangenen Entbindungsantrag gegeben hat, weil entgegen der zu erwartenden Gerichtsorganisation dieser noch nicht bei der Geschäftsstelle eingegangen war. Eine der beiden Varianten hat zwingend vorgelegen, so dass die unterbliebene Kenntnisnahme und Bescheidung des Entbindungsantrages im Verantwortungsbereich des Amtsgerichts lag. Unerheblich ist damit, dass das Fax mit dem Entbindungsantrag bei der Eingangsgeschäftsstelle eingegangen ist und eine Nachforschungspflicht für dort eingehende Schreiben nicht besteht. Ferner war nicht entscheidend, dass der Entbindungsantrag keinen Hinweis auf die Eilbedürftigkeit oder den unmittelbar bevorstehenden Termin enthielt, weil er bei entsprechender Gerichtsorganisation sowie einer Nachfrage der Abteilungsrichterin auch ohne diese Zusätze aufgefallen wäre. Anhaltspunkte für ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen hat der Senat nicht; insbesondere beschränkte sich das Fax vom 09. September 2016 inhaltlich auf den Antrag, den Betroffenen von seiner Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen zu entbinden. Das Begehren war nicht in weitschweifigen weiteren Ausführungen „versteckt"."

Hier befand sich der am 23.2.2024 um 15:44 Uhr per beA übermittelte Entbindungsantrag zwar am Ende eines mehrseitigen Schriftsatzes, der dafür aber auf der ersten Seite den deutlichen Hinweis auf den Gerichtstermin am 26.2.2024 um 11.20 mit dem Zusatz „EILT SEHR !" enthielt. Damit durfte der Betroffene von dessen Berücksichtigung ausgehen.

Durch die Nichtbescheidung des Antrages, dem auch stattzugeben gewesen wäre, ist das rechtliche Gehör des Betroffenen verletzt worden.

Die Sache war daher unter Aufhebung des Urteils an das Amtsgericht zurückzuverweisen.


Einsender: RA O. Sahin, Berlin

Anmerkung:


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