Gericht / Entscheidungsdatum: LG Freiburg, Beschl. v. 17.06.2024 - 16 Qs 45/24
Eigener Leitsatz:
Der Bestellung eines Pflichtverteidigers steht im Strafbefehlsverfahren nicht entgegen, dass ein Strafbefehl zum Zeitpunkt der Pflichtverteidigerbestellung bereits erlassen ist.
16 Qs 45/24
Landgericht Freiburg im Breisgau
Beschluss
In dem Strafverfahren
gegen pp
Verteidiger:
Rechtsanwalt
wegen Wucher in sechs Fällen
hier: sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Freiburg im Breisgau
hat das Landgericht Freiburg im Breisgau - 16. Große Strafkammer - durch die unterzeichnenden Richter am 17. Juni 2024 beschlossen:
1. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Freiburg im Breisgau gegen den Beschluss des Amtsgerichts Waldkirch vom 17.04.2024 wird als unbegründet verworfen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten trägtdie Staatskasse.
Gründe:
Die Voraussetzung für eine Bestellung von Rechtsanwalt pp. als Pflichtverteidiger gem. § 408b StPO liegen vor.
1. Insbesondere ergab sich aus den weiteren Stellungnahmen der Rechtsanwälte pp. und vom 23.5.24 und 13.6.2024, dass Rechtsanwalt pp., tatsächlich nicht als Wahlverteidiger mandatiert war oder ist, sondern nur versehentlich in eigenem Namen als Vertreter des Angeklagten aufgetreten war.
2. Dass der Strafbefehl zum Zeitpunkt der Pflichtverteidigerbestellung bereits erlassen war, hindert die Bestellung nicht.
Zwar gebietet § 408b StPO eine Pflichtverteidigerbestellung grundsätzlich bereits vor Erlass eines Strafbefehls mit einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe, vgl. BeckOK StPO/Temming, 51. Ed. 1.4.2024, StPO § 408b Rn. 3. Vorliegend ist der erwogene Strafbefehl bereits am 15.4.2024, also zwei Tage vor der Pflichtverteidigerbestellung, unterzeichnet und damit erlassen worden.
Er war zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht zugestellt worden. Auch in dieser Konstellation ist nach dem Telos des § 408b StPO eine Nachholung der zunächst fehlerhafterweise unterbliebenen Pflichtverteidigerbestellung geboten. Die Mitwirkung eines Verteidigers soll sicherstellen, dass nicht erhebliche Freiheitsstrafen im schriftlichen Verfahren allein im Hinblick auf die Strafaussetzung zur Bewährung von Beschuldigten in Verkennung der möglichen belastenden Folgen hingenommen werden, vgl. KK-StPO/Maur, 9. Aufl. 2023, StPO § 408b Rn. 1. Diese Funktion kann ein Verteidiger auch nach Erlass und vor Ablauf der Einspruchsfrist, und damit erst recht vor Zustellung des Strafbefehls erfüllen.
Lediglich ergänzend merkt die Kammer an, dass sich in der hier vorliegenden Akte auch weiterhin kein Nachweis einer förmlichen Zustellung des Strafbefehls vom 15.4.2024 findet.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 2 Satz 1 StPO. Unerheblich ist dabei, warum das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft erfolglos war, vgl. MüKoStPO/Maier, 1. Aufl. 2019, StPO § 473 Rn. 86; Meyer/Goßner-Schmitt, StPO, 67. Auflage 2024, § 473 Rn. 14,15.
Einsender: RA P. Rinklin, Freiburg
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