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Entscheidungen

StPO

Pflichtverteidiger, Unfähigkeit der Selbstverteidigung, Betreuer

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Magdeburg, Beschl. v. 15.05.2024 - 21 Qs 21/24

Eigener Leitsatz:

Zur Beiordnung eines Pflichtverteidigers wegen Unfähigkeit der Selbstverteidigung, wenn dem Beschuldigten ein Betreuer bestellt ist.


Landgericht Magdeburg

21 Qs 21/24

Beschluss

In dem Ermittlungsverfahren
gegen pp.

Verteidiger:

wegen Bedrohung,

hat die 1. große Strafkammer — Beschwerdekammer — des Landgerichts Magdeburg durch die unterzeichnenden Richter am 15. Mai 2023 beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde des Beschuldigten wird ihm unter Aufhebung des Beschlusses des Amtsgerichts Halberstadt vom 19.02.2024 Rechtsanwalt pp. aus Braunschweig als Pflichtverteidiger bestellt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Beschuldigten hat die Landeskasse zu tragen.

Gründe:

Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

Das Amtsgericht hat die mit anwaltlichem Schriftsatz vom 20.11.2023 beantragte Beiordnung des Verteidigers, Rechtsanwalt pp., zu Unrecht abgelehnt. Dem Beschuldigten ist ein Pflichtverteidiger schon deshalb zu bestellen, da ersichtlich ist, dass er sich nicht selbst verteidigen kann (§ 140 Abs. 2 StPO).

Bei dem Beschuldigten liegt ausweislich des in seiner Betreuungssache erstellten psychiatrischen Gutachtens der Fachärztin für Psychiatrie Dipl. med. S. vom 12.11.2022 eine seelische Behinderung in Form einer psychotischen Störung durch multiplen Substanzgebrauch (ICD 10: F19.5) vor. Es wurde eingeschätzt, dass der Beschuldigte ständige Hilfe bei der Bewältigung der Aufgaben des täglichen Lebens benötige. Als Angelegenheit, die der Beschuldigte nicht selbst besorgen könne, wurde unter anderem die „Vertretung gegenüber Ämtern, Behörden und der Krankenkasse" benannt. Die Dauer des Unvermögens zur Besorgung der bezeichneten Angelegenheiten wurden als zeitlebens fortbestehend eingeschätzt. Mit Beschluss des Amtsgerichts Quedlinburg vorn 22.11.2022 wurde dem Beschuldigten daraufhin ein Betreuer für die Gesundheitssorge, die Vermögenssorge, die Durchsetzung sozialer Leistungen sowie für Wohnungsangelegenheiten bestellt. Auf den Antrag des zuletzt tätigen Betreuers vom 17.11.2023 wurde die Betreuung zwar aufgehoben. Hintergrund dieser Aufhebung ist jedoch nicht etwa die nicht mehr bestehende Notwendigkeit, sondern die aus Verhaltensweisen des Beschuldigten resultierende Unzumutbarkeit dieser für jeden Betreuer.

Vor diesem Hintergrund bestehen gravierende Zweifel daran, dass der Beschuldigte sich selbst verteidigen kann. Das im Betreuungsverfahren eingeholte psychiatrische Gutachten schätzt den Beschuldigten als dauerhaft unfähig ein, seine Angelegenheiten bei Behörden, Ämtern und der Krankenkasse selbst wahrzunehmen. Dementsprechend wurde vom Amtsgericht auch ein Betreuer, unter anderem für die Durchsetzung sozialer Leistungen, bestellt. Wurde einem Beschuldigten ein Betreuer mit dem Aufgabenkreis „Vertretung gegenüber Be¬hörden" bestellt, liegen in der Regel zugleich die Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 StPO vor (OLG Celle, Beschl. vom 04.05.2023 — 2 Ws 135/23 — mit weiteren Nachweisen, StV 2024, S. 151f.).

Die noch nicht beschiedene (einfache) Beschwerde des Verteidigers vom 02.02.2024 gegen die (zunächst) unterlassene Beiordnung ist durch die anschließend ergangene und mit sofortiger Beschwerde vom 22.02.2024 angefochtene — mit vorliegender Entscheidung aufgehobene — Entscheidung des Amtsgerichts Halberstadt vom 19.02.2024 prozessual überholt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO analog.


Einsender: RA J.-R. Funck, Braunschweig,

Anmerkung:


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