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Entscheidungen

StPO

Durchsuchungsbeschluss, Begrenzungsfunktion, Begründungsanforderungen, unbestimmter Zeitraum

Gericht / Entscheidungsdatum: VerfG Brandenburg, Beschl. v. 21.06.2024 - VfGBbg 35/21

Eigener Leitsatz:

Den Anforderungen an die verfassungsrechtlich erforderliche Begrenzungsfunktion von Durchsuchungsanordnungen trägt ein Durchsuchungsbeschluss nicht hinreichend Rechnung, wenn der Beschluss keine Angabe zum Tatzeitraum enthält und die Begründung des Beschlusses auch sonst keine Anhaltspunkte für eine Begrenzung des Tatzeitraums enthält. Denn dann ermöglicht die mit dem Beschluss getroffene Anordnung der Sache nach eine Durchsuchung und Beschlagnahme von Beweismitteln für einen unbestimmten Zeitraum und wird bereits deshalb seiner Begrenzungsfunktion nicht gerecht.


IM NAMEN DES VOLKES

Beschluss

VfGBbg 35/21

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren pp.

wegen Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 28. April 2021 22 Qs 6/21; Beschluss des Amtsgerichts Potsdam vom 21. Januar 2021 78 Gs 40/21

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 21. Juni 2024

durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter
beschlossen:

Der Beschluss des Amtsgerichts Potsdam vom 21. Januar 2021 78 Gs 40/21 und der Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 28. April 2021 22 Qs 6/21 verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 15 Abs. 1 der Verfassung des Landes Brandenburg.
Der Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 28. April 2021 22 Qs 6/21 wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung über die Kosten an das Landgericht Potsdam zurückverwiesen.
Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde verworfen.
Das Land Brandenburg hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.

Gründe:

A.


Der Beschwerdeführer wendet sich gegen einen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss des Amtsgerichts Potsdam und die hierzu ergangene Beschwerdeentscheidung des Landgerichts Potsdam.

I.

Die Staatsanwaltschaft Potsdam führte gegen den Beschwerdeführer ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern. Der Beschwerdeführer ist sorgeberechtigter Vater seiner im Jahr 2013 geborenen Tochter. Von der ebenfalls sorgeberechtigten Kindesmutter ist er seit Januar 2016 rechtskräftig geschieden. Seit der Trennung im Februar 2014 hatte der Beschwerdeführer zunächst regelmäßig Umgang mit seiner Tochter. Ab dem Jahr 2019 war das Umgangsrecht auf Veranlassung der Kindesmutter eingeschränkt. Am 12. Januar 2021 erstattete diese Strafanzeige gegen den Beschwerdeführer, woraufhin das vorgenannte Ermittlungsverfahren eingeleitet worden war, das zwischen-zeitlich mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt worden ist.

Am 21. Januar 2021 ordnete das Amtsgericht wegen des Verdachts des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern die Durchsuchung der Wohn- und Geschäfts-räume, einschließlich aller Nebenräume und Kraftfahrzeuge sowie der Person des Beschwerdeführers, an. Daneben wurde die Beschlagnahme eventuell vorgefundener Beweismittel, wie Computer, Laptops, Mobiltelefone, Digitalkameras und anderer Speichermedien, angeordnet. In der Begründung des Beschlusses wird ausgeführt:

„Es besteht gegen den Beschuldigten aufgrund der bisherigen Ermittlungsergebnisse der Verdacht des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern. Der Verdacht beruht auf den bisherigen Ermittlungsergebnissen, insbesondere auf Zeugenaussagen sowie zur Akte gereichten Berichte. Danach besteht der Anfangsverdacht gegen den Beschuldigten, zwei Kinder mit der weiteren Be-schuldigten pp. sexuell missbraucht zu haben, wobei Teile der Taten gefilmt worden sein sollen.“

Bei der Durchsuchung am 22. Januar 2021 sind von dem Beschwerdeführer mehrere Gegenstände freiwillig herausgegeben worden. Mit Schriftsatz vom 29. Januar 2021 legte der Beschwerdeführer gegen den Durchsuchungsbeschluss Beschwerde beim Amtsgericht ein und beantragte dort zugleich „eine gerichtliche Entscheidung bezüglich der Beschlagnahme der bei der Durchsuchung beschlagnahmten Gegenstände“.

Der Beschwerdeführer machte im Wesentlichen geltend, der Durchsuchungsanordnung fehle es an einer Konkretisierung des Tatvorwurfs. Der Durchsuchungsbeschluss enthalte keine Darstellung eines Lebenssachverhalts oder konkreter Tat-handlungen, die unter einen gesetzlichen Straftatbestand subsumiert werden könnten. Der Tatvorwurf sei auch nicht in zeitlicher Hinsicht eingegrenzt worden. Darüber hinaus fehle es an der Darlegung von Tatsachen, auf die sich der Verdacht stütze. Er beruhe lediglich auf suggestiven Befragungen der Tochter durch die Kindesmutter und könne mit keinerlei Anhaltspunkten für erlebnisbasierte Angaben der Tochter belegt werden.

Mit Beschluss vom 12. April 2021 entschied das Amtsgericht, der Beschwerde nicht abzuhelfen und die Sache dem Landgericht zur Entscheidung vorzulegen. Zur Be-gründung führte das Amtsgericht aus, es bestehe gegen den Beschuldigten aufgrund der bisherigen Ermittlungsergebnisse der Verdacht des schweren sexuellen Miss-brauchs gemäß § 176a Strafgesetzbuch (StGB). Er solle in der Zeit vom 1. Januar 2018 bis 30. April 2019 seine Tochter gemeinsam mit einer weiteren Beschuldigten sexuell missbraucht haben und dabei in den Körper der Geschädigten eingedrungen sein, wobei Teile der Tat gefilmt worden sein sollen. In der Folge beschrieb das Amtsgericht konkrete Tathandlungen, ging auf die Verdachtsmomente ein und setzte sich mit der Beweislage auseinander. Mit Blick auf den in der Durchsuchungsanordnung angesprochenen Verdacht des schweren sexuellen Missbrauchs an einem zweiten Kind wies das Amtsgericht darauf hin, dass hieran nicht mehr festgehalten werde. Zu dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung bezüglich der Beschlagnahme der bei der Durchsuchung beschlagnahmten Gegenstände äußerte sich das Amtsgericht Potsdam nicht.

Das Landgericht verwarf mit Beschluss vom 28. April 2021 die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Potsdam vom 21. Januar 2021 „aus den zutreffen-den Gründen der angefochtenen Entscheidung in Verbindung mit dem Nichtabhilfebeschluss vom 12.04.2021“. Es könne dahinstehen, ob der Durchsuchungsbeschluss vom 21. Januar 2021 noch den formalen verfassungsmäßigen Anforderungen genüge. Dafür spreche jedenfalls, dass neben dem Tatvorwurf des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern auch Tatsachen zum Anfangsverdacht benannt worden seien, so insbesondere der Umstand, dass Teile der Taten gefilmt worden seien. Damit lägen gewichtige Umstände dafür vor, dass der äußere Rahmen der Zwangs-maßnahme - hier der Durchsuchung - ausreichend abgesteckt sei und diese Maßnahme der Auffindung von Filmmaterial gedient habe. Der Beschwerde sei jedenfalls mit der ausführlichen Begründung der Nichtabhilfeentscheidung vom 12. April 2021 der Boden entzogen worden.

Die von dem Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Landgerichts erhobene Anhörungsrüge nach § 33a Strafprozessordnung (StPO) verwarf das Landgericht mit Beschluss vom 20. Mai 2021.

II.

Mit der am 3. Juni 2021 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerde-führer eine Verletzung seines Grundrechts aus Art. 15 Abs. 1 Verfassung des Lan-des Brandenburg (LV) durch Missachtung der in Art. 15 Abs. 2 LV enthaltenen Eingriffsermächtigung. Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Anordnung der Durchsuchung der Wohnräume des Beschwerdeführers und die Beschlagnahme mehrerer elektronischer Speichermedien.

Der Beschluss des Amtsgerichts vom 21. Januar 2021 genüge nicht den Mindestanforderungen, die von Verfassungs wegen an den Inhalt der angeordneten Maßnah-me zu stellen seien. Dem Gewicht des Eingriffs und der verfassungsrechtlichen Be-deutung des Schutzes der räumlichen Privatsphäre entspreche es, dass Art. 15 Abs. 1 LV die Anordnung einer Durchsuchung grundsätzlich dem Richter vorbehalte. Diesen treffe als Kontrollorgan der Verfolgungsbehörden die Pflicht, durch eine geeignete Formulierung des Durchsuchungsbeschlusses im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren sicherzustellen, dass der Eingriff in die Grundrechte messbar und kontrollierbar bleibe. Eine richterliche Durchsuchungsanordnung müsse die Straftat, deren Begehung Anlass zu der Durchsuchung gebe, so genau umschreiben, wie es nach den Umständen des Einzelfalls möglich sei. Der Schutz der Privatsphäre, die auch von übermäßigen Maßnahmen im Rahmen einer an sich zulässigen Durchsuchung betroffen sein könne, dürfe nicht allein dem Ermessen der mit der Durchführung der Durchsuchung beauftragten Beamten überlassen bleiben. Der amtsgerichtliche Durchsuchungsbeschluss lasse diese erforderliche Konkretisierung nicht erkennen.

Soweit das Landgericht hinsichtlich der fehlenden zeitlichen Eingrenzung, der Be-zeichnung der Straftat sowie der Angaben von Tatsachen auf den Nichtabhilfebeschluss des Amtsgerichts vom 12. April 2021 abstelle, verkenne es die Kontrollfunktion des Richtervorbehalts. Diese Kontrollfunktion verbiete es, mangelhafte Um-schreibungen des Tatvorwurfes nachträglich zu heilen, denn beide Angaben dienten den durchsuchenden Beamten zur Begrenzung des Eingriffs auf das zur Zweckerreichung erforderliche Maß. Es sei lediglich möglich, die Begründung des Beschlusses des Amtsgerichts in den Grenzen zu ergänzen, die die Funktion der präventiven Kontrolle wahrten, oder eine andere rechtliche Beurteilung an die damals vorliegen-den tatsächlichen Erkenntnisse zu knüpfen. Die Beschwerdeentscheidung des Land-gerichts halte sich nicht innerhalb dieser Grenze. In dem Durchsuchungsbeschluss sei der Tatvorwurf nicht nur mangelhaft umschrieben worden, vielmehr fehle er gänzlich. Außerdem enthalte der Beschluss keine Angaben zum Tatzeitraum. Der Richtervorbehalt in Art. 15 Abs. 2 LV, der eine vorbeugende Kontrolle der Durchsuchung durch eine unabhängige und neutrale Instanz gewährleisten solle, verbiete es, Mängel nachträglich zu heilen, die die Begrenzungsfunktion des Durchsuchungsbeschlusses beträfen. Der Beschluss des Landgerichts beruhe auf dem Verstoß gegen das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 15 Abs. 1 und 2 LV, weil das Landgericht der Beschwerde hätte stattgeben müssen.

III.

Die Präsidenten des Amtsgerichts und des Landgerichts Potsdam hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft ist beigezogen worden.

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise zulässig (I.) und, soweit sie zulässig ist, auch begründet (II.). Der Beschluss des Amtsgerichts und der diesen bestätigende Beschluss des Landgerichts verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 15 Abs. 1 LV.

I.

1. Die Verfassungsbeschwerde ist, soweit sie die Durchsuchungsanordnung betrifft, zulässig.

a) Der Beschwerdeführer ist unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Verletzung des Art. 15 Abs. 1 LV beschwerdebefugt (vgl. Beschluss vom 25. September 2002 VfGBbg 79/02 , https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

b) Der Rechtsweg ist ausgeschöpft (§ 45 Abs. 2 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg VerfGGBbg -). Gegen den die Beschwerde gegen die Entscheidungen des Amtsgerichts zurückweisenden Beschluss des Landgerichts steht ein weiteres Rechtsmittel gemäß § 310 Abs. 2 StPO nicht zur Verfügung (Beschluss vom 21. November 2002 VfGBbg 94/02 , https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

c) Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht nicht entgegen, dass mit ihr die Verletzung eines Landesgrundrechts bei der Durchführung eines bundesrechtlich - durch die Strafprozessordnung - geordneten Verfahrens gerügt wird. Die Voraus-setzungen für ein Eingreifen des Landesverfassungsgerichts - keine Rechtsschutzalternativen zur Verfassungsbeschwerde, keine vorangegangene Befassung eines Bundesgerichts, Inhaltsgleichheit der Landes- und Bundesgrundrechte (vgl. Be-schluss vom 25. Oktober 2002 VfGBbg 87/02 , https://verfassungsgericht.brandenburg.de) - liegen vor. Das als verletzt gerügte Grundrecht aus Art. 15 Abs. 1 LV ist mit dem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 Grundgesetz (GG) inhalts-gleich. Ein Bundesgericht war nach Vortrag des Beschwerdeführers nicht befasst.

d) Die zweimonatige Frist zur Einlegung der Verfassungsbeschwerde (§ 47 Abs. 1 VerfGGBbg) ist gewahrt. Die den Rechtsweg abschließende Entscheidung des Landgerichts vom 28. April 2021 ist dem Beschwerdeführer nach eigenem Vortrag am 3. Mai 2021 zugegangen. Die am 3. Juni 2021 eingegangene Verfassungsbeschwerde ist damit rechtzeitig erhoben.

2. Im Hinblick auf die Beschlagnahmeanordnung, die der Beschluss des Amtsgerichts vom 21. Januar 2021 enthält, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, denn sie genügt nicht den Begründungsanforderungen gemäß § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg. Die Möglichkeit einer Verletzung von Grundrechten wird nicht auf-gezeigt. Gerügt wird ausschließlich eine Verletzung von Art. 15 Abs. 1 LV. Eine Beschlagnahme unterfällt aber, auch wenn sie das Resultat einer Wohnungsdurchsuchung ist, nicht mehr dem Schutzbereich des Wohnungsgrundrechts. Die mit ihr verbundene Belastung besteht in der Regel in der Entziehung des Besitzes an den betroffenen Beweisgegenständen und ist daher an Art. 41 LV zu messen (vgl. Be-schluss vom 25. September 2002 VfGBbg 79/02 , https://verfassungsgericht.brandenburg.de; BVerfG, Beschluss vom 31. Januar 2020 2 BvR 2992/14 -, Rn. 34, juris). Inwieweit diese oder andere Grundrechte des Beschwerdeführers verletzt sein sollen, wird nicht dargelegt. Darüber hinaus hat sich eine etwaige Beschlagnahmeanordnung inzwischen erledigt. Im Gegensatz zur ebenfalls erledigten Durchsuchungsanordnung ist ein Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellung einer Grundrechtsverletzung nicht erkennbar (vgl. BVerfG, a. a. O.).

II.

Die Verfassungsbeschwerde ist, soweit sie zulässig ist, begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 15 Abs. 1 LV.

1. Eine Durchsuchung stellt ihrer Natur nach regelmäßig einen schwerwiegenden Eingriff in die grundrechtlich durch Art. 15 Abs. 1 LV geschützte Lebenssphäre des Betroffenen dar. Dem Gewicht dieses Eingriffs und der verfassungsrechtlichen Be-deutung des Schutzes der räumlichen Privatsphäre entspricht es, dass Art. 15 Abs. 2 LV die Anordnung einer Durchsuchung grundsätzlich dem Richter vorbehält (vgl. Beschluss vom 20. September 2013 VfGBbg 75/12 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de; BVerfG, Beschluss vom 29. Juli 2020 2 BvR 1324/15 , Rn. 23 m. w. N., juris). Dieser Richtervorbehalt zielt auf eine vor-beugende Kontrolle der Maßnahme durch eine unabhängige und neutrale Instanz. Dies setzt eine eigenverantwortliche richterliche Prüfung der Eingriffsvoraussetzungen voraus. Die richterliche Durchsuchungsanordnung ist keine bloße Formsache (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. April 2004 2 BvR 2043/03 , Rn. 2, juris).

Als zentrales rechtsstaatliches Schutzinstrument hat der richterliche Durchsuchungs-beschluss hohen formalen Anforderungen zu entsprechen (vgl. Wolff, in: Hömig/Wolff, GG, 13. Aufl. 2022, Art. 13, Rn. 13). Den Richter trifft als Kontrollorgan der Verfolgungsbehörden die Pflicht, durch eine geeignete Formulierung des Durchsuchungsbeschlusses im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren sicherzustellen, dass der Eingriff in die Grundrechte messbar und kontrollierbar bleibt. Dazu muss der Beschluss insbesondere den Tatvorwurf so beschreiben, dass der äußere Rahmen sowohl in sachlicher als auch in zeitlicher Hinsicht abgesteckt wird, innerhalb dessen die Zwangsmaßnahme durchzuführen ist. Der Richter muss die aufzuklären-de Straftat, wenn auch kurz, doch so genau umschreiben, wie es nach den Umständen des Einzelfalls möglich ist. Dies versetzt den von der Durchsuchung Betroffenen zugleich in den Stand, die Durchsuchung seinerseits zu kontrollieren und etwaigen Ausuferungen im Rahmen seiner rechtlichen Möglichkeiten von vornherein entgegenzutreten. Der Schutz der Privatsphäre, die auch von übermäßigen Maßnahmen im Rahmen einer an sich zulässigen Durchsuchung betroffen sein kann, darf nicht allein dem Ermessen der mit der Durchführung der Durchsuchung beauftragten Be-amten überlassen bleiben (vgl. Beschlüsse vom 20. September 2013 VfGBbg 75/12 -, und vom 17. September 1998 VfGBbg 22/98 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de; BVerfG, Beschluss vom 29. Juli 2020 2 BvR 1324/15 , Rn. 23 m. w. N., juris).

Mängel insbesondere bei der ermittlungsrichterlich zu verantwortenden Umschreibung des Tatvorwurfs können im Beschwerdeverfahren nicht geheilt werden. Außer-halb der für den Vollzug einer Durchsuchungsgestattung verfassungsrechtlich unabdingbaren Umgrenzung des Tatvorwurfs können Defizite in der Begründung des zu Grunde liegenden Tatverdachts und der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme im Beschwerdeverfahren hingegen grundsätzlich nachgebessert werden (s. dazu BVerfG, Beschluss vom 11. Februar 2015 2 BvR 1694/14 -, Rn. 25 m. w. N., juris).

2. Die angegriffenen Entscheidungen tragen den aus Art. 15 Abs. 2 LV folgenden Anforderungen an die Begrenzungsfunktion von Durchsuchungsanordnungen nicht hinreichend Rechnung.

a) Der Beschluss des Amtsgerichts enthält zunächst keine Angabe zum Tatzeitraum (vgl. zu diesem Erfordernis BVerfG, Beschluss vom 4. April 2017 2 BvR 2551/12 -, Rn. 21 ff., juris). Die Begründung des Beschlusses vermittelt auch sonst keine Anhaltspunkte für eine Begrenzung des Tatzeitraums. Vielmehr ermöglicht die mit dem Beschluss getroffene Anordnung der Sache nach eine Durchsuchung und Beschlagnahme von Beweismitteln für einen unbestimmten Zeitraum und wird bereits deshalb seiner Begrenzungsfunktion nicht gerecht.

b) Darüber hinaus lassen sich der Begründung des Beschlusses des Amtsgerichts keine hinreichenden tatsächlichen Angaben über das dem Beschwerdeführer konkret vorgeworfene strafrechtswidrige Verhalten entnehmen, dessen Aufklärung die An-ordnung der Durchsuchung dienen soll.

Die Beschlussbegründung erwähnt nur schlagwortartig den „Verdacht des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern“, bezieht sich auf bisherige, allerdings nicht näher beschriebene Ermittlungsergebnisse, insbesondere auf Zeugenaussagen und zur Akte gereichte Berichte, und behauptet dann formelhaft, dass nach diesen Unterlagen der Anfangsverdacht gegen den Beschwerdeführer bestehe, zwei Kinder mit einer weiteren Beschuldigten sexuell missbraucht zu haben, wobei Teile der Tat gefilmt worden seien.

Offen erscheint danach bereits, unter welchen der in § 176a StGB geregelten Qualifikationstatbestände in der bis zum 30. Juni 2021 geltenden Fassung der Tatvorwurf einzuordnen ist. Der Beschlussinhalt lässt sich zwar dahin deuten, dass das Amtsgericht seinen Tatvorwurf auf § 176a Abs. 2 Nr. 1 a. F. StGB stützt. Danach macht sich strafbar, wer als Person über achtzehn Jahren mit dem Kind den Beischlaf vollzieht oder ähnliche sexuelle Handlungen an ihm vornimmt oder an sich vornehmen lässt, die mit dem Eindringen in den Körper verbunden sind. An diesem Tatbestand orientierte konkrete Lebenssachverhalte werden in dem Durchsuchungsbeschluss nicht bezeichnet, obwohl dies, wie der Nichtabhilfebeschluss des Amtsgerichts vom 12. April 2021 zeigt, ohne Weiteres mit Hilfe der in der angefochtenen Durchsuchungsanordnung bezeichneten Unterlagen möglich gewesen wäre. Entsprechende Handlungen erschließen sich jedenfalls nicht aus der Bemerkung des Amtsgerichts, Teile der Taten seien gefilmt worden.

Soweit die in dem Durchsuchungsbeschluss enthaltene - möglicherweise versehentliche - Formulierung des Betreffs („wegen des Verdachts des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern durch Wiederholungstäter“) auf § 176a Abs. 1 a. F. StGB verweist, enthält der Beschluss des Amtsgerichts keine Angaben darüber, ob der Beschwerdeführer innerhalb der letzten fünf Jahre wegen einer Straftat nach § 176 Abs. 1 oder 2 StGB rechtskräftig verurteilt worden ist. Der in der Beschlussbegrün-dung enthaltene Hinweis des Amtsgerichts, dass Teile der Taten gefilmt worden sein sollen, könnte dahingehend verstanden werden, dass sich der Tatvorwurf auch auf § 176a Abs. 3 a. F. StGB stützen soll. Insoweit fehlt es aber an Angaben dazu, ob der Beschwerdeführer als Täter oder anderer Beteiligter in der Absicht gehandelt hat, die Tat zum Gegenstand eines pornographischen Inhalts (§ 11 Abs. 3 StGB) zu machen, der i. S. d. § 184b Abs. 1 oder 2 StGB verbreitet werden soll.

c) Die beschriebenen Mängel bei der ermittlungsrichterlich zu verantwortenden Um-schreibung des Tatvorwurfs in zeitlicher und sachlicher Hinsicht konnten weder durch den Nichtabhilfebeschluss des Amtsgerichts vom 12. April 2021 noch durch das Landgericht im Beschwerdeverfahren geheilt werden.

d) Stellt sich die Durchsuchungsanordnung des Amtsgerichts als Verletzung des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung dar, so gilt dies auch für den diese Entscheidung bestätigenden Beschluss des Landgerichts vom 28. April 2021 (vgl. Beschluss vom 21. November 2002 VfGBbg 94/02 , https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

e) Soweit die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts gerichtet ist, kommt eine Aufhebung des angegriffenen Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts wegen des bereits erfolgten Vollzugs und der damit eingetretenen prozessualen Überholung nicht in Betracht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. April 2017 2 BvR 2551/12 , Rn. 28, juris). Insoweit ist lediglich die Feststellung zu treffen, dass der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 15 Abs. 1 LV verletzt. Die Entscheidung des Landgerichts ist demgegenüber aufzuheben (§ 50 Abs. 3 VerfGGBbg). Die Sache ist an das Landgericht zurückzuverweisen, das noch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden hat (BVerfG, Beschluss vom 10. November 2017 2 BvR 1775/16 , Rn. 35, juris).

III.

Die Anordnung der Auslagenerstattung beruht auf § 32 Abs. 7 Satz 1 VerfGGBbg. Da der Beschwerdeführer mit seinem Begehren im Wesentlichen durchgedrungen ist, erscheint eine volle Auslagenerstattung angezeigt.

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.


Einsender: RiAG Dr. M. Strauß, Potsdam

Anmerkung:


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