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Entscheidungen

Gebühren/Kosten/Auslagen

Rahmengebühren, Mittelgebühr, Bemessung, zusätzliche Verfahrensgebühr, Einstellung, Hauptverhandlung

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Leipzig, Beschl. v. 09.04.2024 - 13 Qs 118/24

Eigener Leitsatz:

1. Auch bei Verkehrsordnungswidrigkeiten ist grundsätzlich von der Mittelgebühr auszugehen ist. Allerdings sind oft weder Aktenumfang, Schwierigkeit der Sach- und/oder Rechtslage oder mögliche Rechtsfolgen nach den Kriterien des § 14 RVG so ausgestaltet sind, die Mittelgebühr erreicht oder gar überschritten werden könnte.
2. Der Normzweck der Nr. 5115 VV RVG spricht dafür, dass eine Einstellung, die innerhalb der Hauptverhandlung erfolgt, eine Befriedungsgebühr nicht mehr auszulösen vermag. Dabei ist es gleichgültig, ob die Einstellung am Tag der Hauptverhandlung, oder an einem späteren Terminstag geschieht, insbesondere ob hierdurch Fortsetzungstermine vermieden werden.


13 Qs 118/24
BESCHLUSS
In dem Bußgeldverfahren
gegen pp.

Verteidiger:

Rechtsanwalt
wegen Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG

ergeht am 09.04.2024
durch das Landgericht Leipzig — 13. Strafkammer als Beschwerdekammer —
nachfolgende Entscheidung:

Die sofortige Beschwerde des Betroffenen gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichtes Grimma vom 23.11.2023 wird kostenpflichtig als unbegründet verworfen.

Gründe

Gegen den Betroffenen hatte der Landkreis Leipzig am 01.07.2022 einen Bußgeldbescheid wegen des Vorwurfs, ein Kraftfahrzeug mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,25 mg/I oder mehr geführt zu haben, erlassen und dabei als Rechtsfolge eine Geldbuße in Höhe von 1.000,00 € sowie ein Fahrverbot für die Dauer von drei Monaten ausgesprochen.

Nach fristgerechtem Einspruch fand am 30.11.2022 eine Hauptverhandlung statt, bei der (wohl) die Frage thematisiert wurde, welcher Zeitabstand zwischen letzter Alkoholaufnahme und Messung durch ein entsprechendes Messgerät erforderlich sei.

Nach Einholung der entsprechenden Auskünfte stellte das Amtsgericht Grimma das Verfahren durch Beschluss vorn 10.05.2023 gem. § 47 Abs. 2 OWiG ein.

Im Hinblick auf die Einstellung des Verfahrens begehrte der Betroffene mit Anwaltsschriftsatz vom 20.06.2023 die Erstattung der Kosten und notwendigen Auslagen in Höhe von 1.631,82 €, wobei folgende Gebühren für geboten erachtet wurden:

1. Anwaltsgebühren
Grundgebühr in Bußgeldsachen § 14 RVG, Nr. 5100 VV RVG 140,00 EUR Verfahrensgebühr für Verfahren vor Verwaltungsbehörde (Geldbuße von
60,00 bis 5000,00 C) § 14 RVG: Nr. 5103 VV RVG 250,00 EUR
Verfahrensgebühr für Verfahren vor Amtsgericht (Geldbuße von 60,00 bis 5000,00 EUR, § 14 RVG, Nr 5109 VV RVG 250,00 EUR
Terminsgebühr im Verfahren vor Amtsgericht (Geldbuße von 6000 bis 5000.00 EUR) § 14 RVG. Nr. 5110 RVG 450 i0 EUR
Mitwirkung am Verfahren zur Vermeidung der Hauptverhandlung,
Verfahrensgebühr für Verfahren vor Verwaltungsbehörde (Geldbuße von 6000 bis 5000,00 EUR) § 14 RVG: Nrn. 5115, 5103 VV RVG 176,00 EUR
Dokumentenpauschale für 42 Kopien aus Behörden- u Gerichtsakten 21,00 EUR
Geschäftsreise, Benutzung des eigenen Kfz Nr. 7003 VV RVG 14,28 EUR
Kfz-Benutzung am 30.11:2022 34,00 km Hin- und Rückweg x 0,42 EUR
Geschäftsreise, Tage- u. Abwesenheitsgeld bis zu 4 h Nr. 7005 Nr. 1 VV RVG 30,00 EUR
Pauschale Für Post und Telekommunikation Nr, 7002 VV RVG 40,00 ELIR,
Zwischensumme :netto 1.371,28 EUR
19 % Mehrwertsteuer Nr. 7008 VV RVG 260,54 EUR
Gesamtsumme 1.632,82 EUR
II. Parteiauslagen
Zeitversäumnis zum Verhandlungstermin am 30.11.2022 10,50 EUR
3 h a 3,50 EUR

Abweichend von dem Antrag setzte das Amtsgericht Grimma nach Anhörung des Bezirksrevisors die zu erstattenden Kosten und notwendigen Auslagen lediglich in Höhe von 1.019,36 € fest.

Zur Begründung für die Abweichung von dem Antrag führte insbesondere der Bezirksrevisor aus, dass für die verschiedenen Gebührentatbestände nicht - wie von dem Verteidiger begehrt - deutlich über der Mittelgebühr liegende Gebühren in Ansatz zu bringen seien. Vielmehr handele es sich um ein „durchschnittliches" Verfahren, bei dem auch unter Beachtung der Folgen für den Betroffenen im Falle einer Verurteilung ausschließlich von der Mittelgebühr aus-zugehen sei.

Die von dem Betroffenen begehrte Befriedungsgebühr gern. Nr. 5115 VV RVG könne nicht festgesetzt werden, da eine Hauptverhandlung durchgeführt wurden sei.

Gegen diesen Kostenfestsetzungsbeschluss wandte sich der Betroffene mit dem Verteidiger-schriftsatz vom 11.01.2024 erhobenen als sofortige Beschwerde zu wertenden „Rechtsmittel" mit der er zum einen argumentiert, dass das Verfahren schon aufgrund der Bedeutung für den Betroffenen überdurchschnittlichen Charakter habe. Auch sei die Befriedungsgebühr im Hinblick auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 14.04.2011 angefallen.

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die Ausführungen des Bezirksrevisors bzw. des Verteidigers Bezug genommen.

Das als sofortige Beschwerde zulässige Rechtsmittel ist jedoch unbegründet. Der angefochtene Beschluss entspricht der Sach- und Rechtslage.

Zu Recht hat das Amtsgericht Grimma die Gebühren lediglich in Höhe der Mittelgebühr festgesetzt, da die von dem Verteidiger begehrten Gebühren unbillig im Sinne des § 14 RVG und da-mit nicht gerechtfertigt sind.

a) Dem Verteidiger ist zuzustimmen, dass auch bei Verkehrsordnungswidrigkeiten grundsätzlich von der Mittelgebühr auszugehen ist. Allerdings eröffnen diese Verfahren in aller Regel „Spiel-raum nach unten", da sehr oft weder Aktenumfang, Schwierigkeit der Sach- und/oder Rechts-lage oder mögliche Rechtsfolgen nach den Kriterien des § 14 RVG so ausgestaltet sind, dass die Mittelgebühr erreicht oder gar überschritten werden könnte.

Unter Beachtung der Kriterien des § 14 RVG kann vorliegend auch unter Berücksichtigung der von dem Verteidiger versuchten Argumentation allenfalls von der Mittelgebühr ausgegangen werden. Für diese spricht im Wesentlichen nur die Rechtsfolge, ohne das sich in irgendeiner Weise ableisten ließe, dass Geldbuße und/oder Fahrverbot eine besondere Bedeutung für den Betroffenen gehabt hätten zumal der Gebührenrahmen auch eine Geldbuße von 60,00 bis 5.000,00 € umfasst.

Dagegen sprechen die weiteren Kriterien (teils deutlich) für ein unterdurchschnittliches Verfahren.

Die Akte umfasste zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung 41 Blatt, wobei sich die meisten Seiten davon mit Akteneinsichtsgesuchen, Verteidigungsanzeigen u.a. beschäftigen und für das Verfahren keine besondere Relevanz aufweisen. Die von dem Verteidiger thematisierte besondere Problematik der Beweisverwertung erschöpft sich darin, in welchem Abstand nach Trinkende die Messung mit dem Atemalkoholmessgerät durchgeführt worden ist.

Nach alledem sind in dem Verfahren eine Reihe von Gesichtspunkten zu erkennen, die diesem unterdurchschnittlichen Charakter verleihen. Insoweit ist das Amtsgericht in Übereinstimmung mit dem Bezirksrevisor den Belangen des Betroffenen durch die Zubilligung der Mittelgebühr bereits wohlwollend entgegengekommen. Für die vermeintlichen Gebührentatbestände sind die Berechnungen des Amtsgerichts auf der Grundlage der Mittelgebühr nicht zu beanstanden.

b) Entgegen der Auffassung des Betroffenen ist dem Verteidiger auch die Befriedungsgebühr gem. Nr. 5115 VV RVG nicht zuzubilligen. Auch unter Berücksichtigung der von dem Verteidiger zitierten Entscheidung vom 14.04.2011 (Az.: IX ZR 153/10) ist diese Gebühr vorliegend nicht angefallen.

Zwar hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung durchaus darauf hingewiesen, dass der Rechtsauffassung, wonach die Befriedungsgebühr niemals anfalle, wenn eine Hauptverhandlung schon begonnen habe, nicht möglich sei, eine Absage erteilt werde.

Insoweit wurde argumentiert, dass gerade auch bei Einstellung nach Aussetzung der Haupt-verhandlung durchaus die Möglichkeit bestehe, dass die Befriedungsgebühr entstehen könne, wenn durch neues Handeln/Vorbringen die neue Hauptverhandlung entbehrlich werde (vgl. BGH, a.a.O., Rz. 12).

Der Bundesgerichtshof hat aber auch ausgeführt, dass der Normzweck des dort thematisierten Nr. 4141 (bzw. hier entsprechend 5115) VV RVG entscheidend dafür spreche, dass eine Einstellung, die innerhalb der Hauptverhandlung erfolge, eine Befriedungsgebühr nicht mehr auszulösen vermag. Dabei ist es gleichgültig, ob die Einstellung am Tag der Hauptverhandlung, oder an einem späteren Terminstag geschieht, insbesondere ob hierdurch Fortsetzungstermine vermieden werden.

Selbst wenn man wohlwollend überlegen wollte, dass vorliegend eine neue Hauptverhandlung (nach Aussetzung) erforderlich sein könnte, muss jedoch berücksichtigt werden, dass der Verteidiger - wie von dem Bezirksrevisor zutreffend ausgeführt - seine Tätigkeit, die zur Ver-meidung einer Hauptverhandlung erforderlich sein könnte, ausschließlich im Rahmen der durchgeführten Hauptverhandlung erbracht hat, für die er auch eine Terminsgebühr beantragt hat und in angemessener Höhe erhält. Eine weitere Tätigkeit ist schlichtweg nicht zu erkennen.

Insoweit würden die Überlegungen der Verteidigung gerade den Gedanken des Bundesgerichtshofes zur Einheitlichkeit der Hauptverhandlung widersprechen, weshalb gerade auch unter Berücksichtigung der von dem Verteidiger zitierten Rechtsprechung - soweit auf Nr. 5115 VV RVG anwendbar - eine Absage zu erteilen wäre.

Nach alledem sind die von dem Verteidiger begehrten Gebühren überhöht bzw. die Befriedungsgebühr nicht angefallen.

Insoweit sind die von dem Amtsgericht errechneten Gebühren zutreffend ermittelt worden.

Die sofortige Beschwerde des Betroffenen war daher mit der Kostenfolge aus § 473 StPO als unbegründet zu verwerfen.


Einsender: RA A. Michl, Oschatz

Anmerkung:


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