Gericht / Entscheidungsdatum: AG Senftenberg, Beschl. v. 28.02.2024 - 50 OWi 1617 Js 22408/22
Eigener Leitsatz:
Aufwendungen für private Ermittlungen oder Beweiserhebungen sind in der Regel nicht notwendig. Die Kosten für die Einholung eines privaten Sachverständigengutachtens sind jedoch unter anderem dann ausnahmsweise als notwendige Kosten anzuerkennen, wenn schwierige technische Fragestellungen zu beurteilen sind oder wenn aus Sicht des Betroffenen ex ante ein privates Sachverständigengutachten erforderlich ist, da ansonsten eine erhebliche Verschlechterung der Prozesslage zu befürchten wäre.
50 OWi 1617 Js 22408/22
Amtsgericht Senftenberg
Kostenfestsetzungsbeschluss
In dem Bußgeldverfahren
gegen pp.
Verteidiger:
Rechtsanwalt
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit
hat das Amtsgericht Senftenberg durch die Rechtspflegerin pp. am 28. Februar 2024 beschlossen:
Die nach dem rechtskräftigen Beschluss des Amtsgerichts Senftenberg vom 02.03.2023 aus der Staatskasse zu erstattenden notwendigen Auslagen des Wahlverteidigers pp. der I. Instanz werden auf 2.415,15 € (in Worten: zweitausendvierhundertfünfzehn 15/100 Euro) festgesetzt.
Gründe
Mit rechtskräftigem Beschluss des Amtsgerichts Senftenberg vom 02.03.2023 wurden die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse auferlegt. Kostenantrag wurde durch Hr. Rechtsanwalt pp., Berlin am 06.03.2023 gestellt.
Gegen die beantragten Gebühren und Auslagen bestehen keine Einwände.
Der Betroffene hat gemäß § 464 a Abs. 2 StPO i.V.m. § 46 OWiG nur Anspruch auf Erstattung solcher Auslagen, die notwendig im Sinne des § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO waren. Nach überwiegender obergerichtlicher Rechtsprechung sind Aufwendungen für private Ermittlungen oder Beweiserhebungen in der Regel nicht notwendig, weil die Ermittlungsbehörden und das Gericht von Amts wegen zur Sachaufklärung verpflichtet sind und der Betroffene jederzeit Beweisanträge stellen oder Beweisanregungen geben kann.
Die Kosten für die Einholung eines privaten Sachverständigengutachtens sind jedoch unter anderem dann ausnahmsweise als notwendige Kosten anzuerkennen, wenn schwierige technische Fragestellungen zu beurteilen sind oder wenn aus Sicht des Betroffenen ex ante ein privates Sachverständigengutachten erforderlich ist, da ansonsten eine erhebliche Verschlechterung der Prozesslage zu befürchten wäre. (LG Göttingen , Beschluss vom 04.07.2022, 1 Qs 13/22) Dieser Sachverhalt ist hier gegeben. Dies wird u.a. daran deutlich, dass das Amtsgericht nach dem Eingang des Verfahrens bereits Termin zur Hauptverhandlung bestimmt hat und aus der Akte keine Anhaltspunkte ersichtlich sind, welche das Gericht an der Richtigkeit der Messdaten zweifeln lassen. Aus dem privaten Sachverständigengutachten vom 22.11.0222 ergibt sich jedoch, dass ein Defekt an der Messanlage nicht ausgeschlossen werden kann. Somit hatte der Betroffene durchaus eine Verschlechterung der Prozesslage zu befürchten. Ohne einen konkreten Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit der Messung wäre daher damit zu rechnen gewesen, dass das Gericht in der Hauptverhandlung einen Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens unter den erleichterten Voraussetzungen des § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG sowie § 244 Abs. 4 S. 2 StPO ablehnen würde. Zur Überprüfung dieses Sachverhalts war angesichts der technisch komplizierten Materie aber eben gerade die Überprüfung durch einen Sachverständigen notwendig. (LG Oldenburg, Beschluss vom 28.03.2022 - 5 Qs 108/20)
Zur Begründung obiger Entscheidung wird diesbezüglich u.a. auch auf die Rechtsprechungen des Landgerichts Dessau-Roßlau , Beschluss vom 04.05.2023, 6 Qs 394 Js 26340/21 (56/23) und des Landgerichts Göttingen , Beschluss vom 04.07.2022, 1 Qs 13/22 sowie die Ausführungen des Herrn Rechtsanwalts pp. vom 29.08.2023 verwiesen.
Einsender: RA S. Kabus, Bad Saulgau
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