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Entscheidungen

StPO

Pflichtverteidiger, Rückwirkung, Bestellung, Zulässigkeit, JGG-Verfahren

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Bad Kreuznach, Beschl. v. 15.5.2024 – 5 Qs 5/24 jug

Eigener Leitsatz:

1. § 68a Abs. 1 Satz 1 JGG bestimmt in den Fällen der notwendigen Verteidigung lediglich den Zeitpunkt, zu welchem dem Jugendlichen oder Heranwachsenden „spätestens" ein Pflichtverteidiger zu bestellen ist, nämlich bevor eine Vernehmung des Jugendlichen oder Heranwachsenden oder eine Gegenüberstellung mit ihm durchgeführt wird. Aus der Formulierung „spätestens" folgt, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 68 JGG dem Beschuldigten auch bereits vor dem in § 68a Abs. 1 Satz 1 JGG genannten Zeitpunkt ein Pflichtverteidiger bestellt werden kann.
2. Unter besonderen Umständen ist die rückwirkende Bestellung eines Pflichtverteidigers möglich, etwa wenn der Antrag auf Beiordnung rechtzeitig vor Abschluss bzw. Einstellung des Verfahrens gestellt wurde, die Voraussetzungen für eine Beiordnung vorlagen und die Entscheidung allein aufgrund justizinterner Vorgänge unterblieben ist, auf die der (ehemalige) Beschuldigte keinen Einfluss hatte, insbesondere die Entscheidung über den Beiordnungsantrag seitens der Justiz wesentlich verzögert bzw. das in § 141 Abs. 1 Satz 1 StPO statuierte Erfordernis der Unverzüglichkeit der Bestellung nicht beachtet wurde.


5 Qs 5/24 jug

Landgericht Bad Kreuznach

Beschluss
In dem Ermittlungsverfahren
gegen pp.

Verteidiger:

wegen Trunkenheit im Verkehr und Fahren ohne Fahrerlaubnis

hat die 5. Strafkammer (Jugendkammer) des Landgerichts Bad Kreuznach durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht, die Richterin am Landgericht und den Richter am Landgericht am 15.05.2024 beschlossen:

1. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bad Kreuznach vom 23.04.2024 wird als unbegründet verworfen.
2. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Die Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach wendet sich mit ihrer sofortigen Beschwerde gegen einen Beschluss des Amtsgerichts Bad Kreuznach vom 23.04.2024, durch welchen dem Beschuldigten pp. Rechtsanwalt pp. Pp. mit Wirkung ab Antragsstellung, dem 10.01.2024, als Pflichtverteidiger bestellt wurde.

Mit Schriftsatz vom 10.01.2024 (Blatt 40 der Akte) beantragte Rechtsanwalt Pp., dem zum Zeitpunkt der in Rede stehenden Tat (Trunkenheit im Verkehr und Fahren ohne Fahrerlaubnis am 22.09.2023) heranwachsenden Beschuldigten im gegenständlichen Verfahren als Pflichtverteidiger beigeordnet zu werden. Zur Begründung seines Antrages führte er aus, dass sein Mandant sich seit dem 07.01.2024 in der JVA Wiesbaden in Untersuchungshaft befinde.

Der Beschuldigte befand sich tatsächlich vom 06.01.2024 bis zum 23.01.2024 aus Anlass eines Haftbefehls des Amtsgerichts Frankfurt am Main in einem anderen Verfahren in der JVA Wiesbaden in Untersuchungshaft.

Mit Schriftsatz vom 12.03.2024 (Blatt 46 der Akte) teilte Rechtsanwalt Pp. mit, dass sein Mandant von Amtsgericht Frankfurt am Main in einem Haftprüfungstermin auf freien Fuß gesetzt worden sei, er jedoch weiterhin an seinem Antrag auf Beiordnung als Pflichtverteidiger festhalte.

Am 22.03.2024 erließ das Amtsgericht Bad Kreuznach unter dem Az: 41 Gs 379/24 jug (1042 Js 15241/23 StA Bad Kreuznach) einen Haftbefehl gegen den Beschuldigten wegen des dringenden Tatverdachts des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Blatt 48 bis 50 der Akte). Seit dem 22.03.2024 befindet sich der Beschuldigte auf Grundlage dieses Haftbefehls in Untersuchungshaft, nunmehr in der JSA Schifferstadt.

Mit Verfügung vom 11.04.2024 stellte die Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach das gegenständliche Verfahren im Hinblick auf die zu erwartende Verurteilung in dem Verfahren 1042 Js 15241/23 gemäß § 154 StPO vorläufig ein (Blatt 51 bis 53 der Akte).

Mit Schriftsatz vom 15.04.2024 (Blatt 55 der Akte) bat Rechtsanwalt Pp. um Entscheidung über seinen Beiordnungsantrag sowie um rückwirkende Beiordnung.

Mit Verfügung vom 16.04.2024 (Blatt 58 der Akte) übersandte die Staatsanwaltschaft Bad Kreuz-nach die Akte dem Amtsgericht Bad Kreuznach mit dem Antrag, die Beiordnung abzulehnen.

Das Amtsgericht Bad Kreuznach hat mit Beschluss vom 23.04.2024 (Blatt 59 bis 60 der Akte) dem Beschuldigten Rechtsanwalt Pp. mit Wirkung ab Antragsstellung, dem 10.01.2024, als Pflichtverteidiger bestellt. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Amtsgericht Bad Kreuz-nach ausgeführt, dass ein Fall der notwendigen Verteidigung nach § 140 StPO bei Antragsstellung am 10.01.2024 aufgrund der damaligen Inhaftierung des Beschuldigten in anderer Sache vorgelegen habe. Über den Antrag des Verteidigers des Beschuldigten vom 10.01.2024 sei gemäß § 141 Abs. 1 StPO unverzüglich zu entscheiden gewesen. Von der Bestellung eines Pflichtverteidigers habe nicht gemäß § 141 Abs. 2 Satz 3 StPO im Hinblick auf die alsbald beabsichtigte bzw. nunmehr erfolgte vorläufige Einstellung gemäß § 154 StPO abgesehen werden können. Auf Fälle der Bestellung auf Antrag (§ 141 Abs. 1 StPO) sei § 141 Abs. 2 Satz 3 StPO nämlich nicht anwendbar. Deshalb sei dem Beschuldigten Rechtsanwalt Pp. ab dem Zeitpunkt der Antragsstellung als Pflichtverteidiger beizuordnen gewesen.

Der Beschluss des Amtsgerichts Bad Kreuznach vom 23.04.2024 wurde der Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach am 25.04.2024 zugestellt.

Mit Verfügung vom 26.04.2024 (Blatt 62 bis 63 der Akte) hat die Staatsanwaltschaft Bad Kreuz-nach bezüglich des Beschuldigten pp. „gegen die Entscheidung des vom 10.01.2024" sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung der sofortigen Beschwerde hat die Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach in einer weiteren Verfügung vom 08.05.2024 (Blatt 71 bis 72 der Akte) ausgeführt, dass unzweifelhaft feststehe, dass sich der Beschuldigte vom 06.01.2024 bis zum 23.01.2024 sowie ab dem 22.03.2024 in anderer Sache in Untersuchungshaft befunden habe und damit gemäß § 68 Nr. 1 JGG i.V.m. § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO ein Fall der notwendigen Verteidigung vorgelegen habe. Davon zu trennen sei jedoch, wann eine Beiordnung geboten gewesen sei. Dies sei nicht allein dann bereits der Fall, wenn ein diesbezüglicher Antrag gestellt werde und ein Pflichtverteidigungsgrund vorliege. Vielmehr bestimme § 68a JGG eigenständig diesen Zeitpunkt. Dieser sei gekommen, wenn eine Vernehmung des Beschuldigten beabsichtigt sei, vor seiner Vernehmung. Eine solche Absicht habe aber nie vorgelegen und ergebe sich auch nicht aus den Akten. Vielmehr sei schon das Ermittlungsverfahren, wegen dessen der Beschuldigte zurzeit in Untersuchungshaft einsitze und auf welches sich die spätere Einstellung nach § 154 StPO bezogen habe, gelaufen. Sofern man eine verspätete Vorlage der Akte an das Amtsgericht Bad Kreuznach annehmen sollte, würde sich diese als nicht erheblich für die Entscheidung darstellen, da dem Antrag auf Beiordnung zu keinem Zeitpunkt stattzugeben gewesen sei. Selbstredend führe auch eine solche Verzögerung nicht zu einem selbstständigen Beiordnungsgrund. Würde man die Ansicht des Amtsgerichts Bad Kreuznach teilen, wäre, selbst wenn der Beschuldigte keinen Verteidiger gehabt hätte, ihm ein solcher jedenfalls im hiesigen JGG-Verfahren von Amts wegen beizuordnen gewesen, ohne das jemals beabsichtigt gewesen wäre, an ihn heranzutreten, sondern die Staatsanwaltschaft vielmehr ohne weiteres das Verfahren nach § 154 StPO einstellen wollte und deshalb auch keinen Wert auf eine Vernehmung gelegt habe. Dass sich jetzt zufällig ein Wahlverteidiger bestellt habe, könne nicht zu einem anderen Ergebnis führen.

II.

Die gemäß § 2 Abs. 2 JGG i.V.m. 142 Abs. 7 Satz 1 StPO statthafte sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bad Kreuznach vom 23.04.2024 ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht binnen der Wochenfrist der §§ 311 Abs. 2, 35 Abs. 2 Satz 1 StPO eingelegt worden. Zwar ist die Entscheidung, gegen welche sich die mit Verfügung vom 26.04.2024 eingelegte sofortige Beschwerde richtet, mit der Formulierung „Entscheidung des vom 10.01.2024" nicht hinreichend konkret bezeichnet worden. Da sich in der Akte jedoch nur eine gerichtliche Entscheidung befindet, nämlich der Beschluss des Amtsgerichts Bad Kreuznach vom 23.04.2024, und in diesem Beschluss über einen Beiordnungsantrag des Verteidigers des Beschuldigten vom 10.01.2024 entschieden worden ist, ist die mit Verfügung vom 26.04.2024 von der Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach eingelegte sofortige Beschwerde dahingehend auszulegen, dass sie sich gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bad Kreuz-nach vom 23.04.2024 richten soll.

Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bad Kreuznach vom 23.04.2024 hat in der Sache keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung entspricht der Sach- und Rechtslage.

Im Ausgangspunkt ist zunächst festzustellen, dass sowohl im Zeitpunkt der Antragsstellung durch den Verteidiger des Beschuldigten am 10.01.2024 in Anbetracht der damaligen Inhaftierung des Beschuldigten in anderer Sache in der JVA Wiesbaden als auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Amtsgerichts Bad Kreuznach vom 23.04.2024 in Anbetracht der nunmehrigen Inhaftierung in anderer Sache in der JSA Schifferstadt ein Fall der notwendigen Verteidigung im Sinne des § 68 Nr. 1 JGG i.V.m. § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO vorgelegen hat.

Soweit die Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach in der Begründung ihrer sofortigen Beschwerde darlegt, dass sich die Frage, wann im Falle des Vorliegens eines Beiordnungsgrundes die Beiordnung tatsächlich vorzunehmen sei, nach § 68a JGG richte, ist dies nur teilweise zutreffend. Die Vorschrift des § 68a Abs. 1 Satz 1 JGG, die vorliegend auf den heranwachsenden Beschuldigten gemäß § 109 Abs. 1 Satz 1 JGG Anwendung findet, bestimmt in den Fällen der notwendigen Verteidigung lediglich den Zeitpunkt, zu welchem dem Jugendlichen oder Heranwachsenden „spätestens" ein Pflichtverteidiger zu bestellen ist, nämlich bevor eine Vernehmung des Jugendlichen oder Heranwachsenden oder eine Gegenüberstellung mit ihm durchgeführt wird. Aus der Formulierung „spätestens" folgt, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 68 JGG dem Beschuldigten auch bereits vor dem in § 68a Abs. 1 Satz 1 JGG genannten Zeitpunkt ein Pflichtverteidiger bestellt werden kann (vgl. Kölbel, in: Eisenberg/Kölbel, Kommentar zum JGG, 25. Auflage 2024, § 68a JGG, Rn. 8). Zudem gilt in den Fällen, in denen der Beschuldigte bzw. dessen Verteidiger einen Antrag auf Pflichtverteidigerbeiordnung gestellt hat, nach § 2 Abs. 2 JGG i.V.m. § 141 Abs. 1 Satz 1 StPO auch im Jugendstrafverfahren weiterhin das Gebot der unverzüglichen Bestellung eines Pflichtverteidigers (Noak, in: BeckOK zum JGG, 32. Edition, Stand: 01.02.2024, § 68a JGG, Rn. 5).
Unter Berücksichtigung dessen ist es daher nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht Bad Kreuznach dem Beschuldigten, hinsichtlich dessen nach den obigen Darlegungen ein Fall der notwendigen Verteidigung im Sinne des § 68 Nr. 1 JGG i.V.m. § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO vorlag, bereits vor dem in § 68a Abs. 1 Satz 1 JGG statuierten Zeitpunkt, in welchem „spätestens" eine Pflichtverteidigerbestellung vorzunehmen gewesen wäre, einen Pflichtverteidiger bestellt hat.

Eine andere Beurteilung rechtfertigt sich nicht daraus, dass das Verfahren von der Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach mit Verfügung vom 11.04.2024 gemäß § 154 StPO noch vor Erlass des Beschlusses durch das Amtsgericht Bad Kreuznach vom 23.04.2024 vorläufig eingestellt worden ist. Zwar kann nach § 2 Abs. 2 JGG i.V.m. § 141 Abs. 2 Satz 3 StPO unter anderem dann, wenn sich der Beschuldigte - wie vorliegend - auf Grund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt befindet (§ 141 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO), die Bestellung eines Pflichtverteidigers unterbleiben, wenn beabsichtigt ist, das Verfahren alsbald einzustellen und keine anderen Untersuchungshandlungen als die Einholung von Registerauskünften oder die Beiziehung von Urteilen oder Akten vorgenommen werden sollen. Die über § 2 Abs. 2 JGG anwendbare Vorschrift des § 141 Abs. 2 Satz 3 StPO betrifft jedoch - auch im Jugendstrafverfahren - lediglich die Bestellung eines Pflichtverteidigers von Amts wegen, nicht hingegen die Bestellung eines Pflichtverteidigers auf Antrag gemäß § 2 Abs. 2 JGG i.V.m. § 141 Abs. 1 StPO (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 15.12.2022 - 4 Ws 529/22 - juris, Rn. 16; LG Mainz, Beschluss vom 11.10.2022 - 1 Qs 39/22 -, BeckRS 2022, 27767, Rn. 28; Kölbel, in: Eisenberg/Kölbel, Kommentar zum JGG, 25. Auflage 2024, § 68a JGG, Rn. 12; Sommerfeld, in: Ostendorf, Kommentar zum JGG, 11. Auflage 2021, § 68a JGG, Rn. 4a). Da vorliegend jedoch ein entsprechender Antrag des Verteidigers des Beschuldigten gestellt wurde und die Bestellung des Verteidigers durch das Amtsgericht Bad Kreuznach sodann auch auf diesen Antrag hin vorgenommen wurde, ist die Regelung des § 2 Abs. 2 JGG i.V.m. § 141 Abs. 2 Satz 3 StPO, die ein Absehen von der Bestellung eines Pflichtverteidigers gestattet, hier nicht anwendbar.

Schließlich ist auch nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht Bad Kreuznach dem Beschuldigten Rechtsanwalt Pp. rückwirkend ab Antragsstellung, dem 10.01.2024, als Pflichtverteidiger bestellt hat.

Zwar ist eine rückwirkende Pflichtverteidigerbestellung nach Verfahrensabschluss grundsätzlich unzulässig, da die Bestellung eines Pflichtverteidigers nicht dem Kosteninteresse des Beschuldigten oder seines Verteidigers dient, sondern allein dem Zweck, im öffentlichen Interesse dafür zu sorgen, dass ein Beschuldigter in schwerwiegenden Fällen rechtskundigen Beistand erhält und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gewährleistet wird (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Juli 2009 — 1 StR 344/08 —, juris, Rn. 4). Unter besonderen Umständen ist jedoch ausnahmsweise eine rückwirkende Bestellung eines Pflichtverteidigers möglich, etwa wenn der Antrag auf Beiordnung rechtzeitig vor Abschluss bzw. Einstellung des Verfahrens gestellt wurde, die Voraussetzungen für eine Beiordnung vorlagen und die Entscheidung allein aufgrund justizinterner Vorgänge unterblieben ist, auf die der (ehemalige) Beschuldigte keinen Einfluss hatte, insbesondere die Entscheidung über den Beiordnungsantrag seitens der Justiz wesentlich verzögert bzw. das in § 141 Abs. 1 Satz 1 StPO statuierte Erfordernis der Unverzüglichkeit der Bestellung nicht beachtet wurde (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 15.12.2022 - 4 Ws 529/22 - juris, Rn. 17 ff.; LG Neuruppin, Beschluss vom 1. Dezember 2022 — 12 Qs 17/22 jug juris, Rn. 9 ff.; LG Bremen, Beschluss vom 28. Juni 2021 — 41 Qs 243/21 —, juris, Rn. 25 ff.; LG Hechingen, Beschluss vom 20. Mai 2020 — 3 Qs 35/20 —, juris, Rn. 13; LG Mannheim, Beschluss vom 26. März 2020 — 7 Qs 11/20 —, juris, Rn. 4; LG Arnsberg, Beschluss vom 7. August 2007 — 2 Qs 17/07 jug juris, Rn. 7; LG Magdeburg, Beschluss vom 20. Mai 2003 — 22 Qs 816 Js 77022/01 (38/03) —, juris. StraFo 2003, 420; ferner LG Neubrandenburg, Beschluss vom 12. Oktober 2016 — 82 Qs 58/16 jug juris, Rn. 83 ff. sowie Kölbel, in: Eisenberg/Kölbel, Kommentar zum JGG, 25. Auflage 2024, § 68a JGG, Rn. 15a) jedenfalls in Jugendstrafverfahren).
Besondere Umstände in diesem Sinne, die eine rückwirkende Bestellung von Rechtsanwalt Pp. ab Antragsstellung, dem 10.01.2024, gerechtfertigt haben, liegen hier vor. Der Verteidiger des Beschuldigten hat mit Schriftsatz vom 10.01.2024 rechtzeitig vor der vorläufigen Einstellung des Verfahrens gemäß § 154 StPO, die erst mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach vom 11.04.2024 erfolgte, einen Antrag auf Beiordnung als Pflichtverteidiger gestellt. Die Voraussetzungen für eine solche Beiordnung lagen, wie oben bereits dargelegt wurde, vor. Die gemäß § 2 Abs. 2 JGG i.V.m. § 141 Abs. 1 Satz 1 StPO unverzüglich zu treffende Entscheidung über den Beiordnungsantrag wurde letztlich wegen justizinterner Versäumnisse unterlassen, da die Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach den Beiordnungsantrag vom 10.01.2024 dem Amtsgericht Bad Kreuznach erst mit Verfügung vom 16.04.2024 vorgelegt hat und im Zuge dessen das Amtsgericht Bad Kreuznach eine Entscheidung über den Beiordnungsantrag erst zu einem Zeitpunkt treffen konnte, als die Staatsanwaltschaft das Verfahren bereits vorläufig nach § 154 StPO eingestellt hatte.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 473 Abs. 1 StPO.


Einsender: RA T. Scheffler, Windesheim

Anmerkung:


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