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Entscheidungen

StPO

Pflichtverteidiger, Rückwirkung, Bestellung, Zulässigkeit

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Amberg, Beschl. v. 27.05.2024 - 11 Qs 43/24

Eigener Leitsatz:

1. Liegt es allein an von dem Beschuldigten nicht zu beeinflussenden Abläufen, ob die Entscheidung über seinen Antrag – hier: Bestellung eines Pflichtverteidigers - vor dem Abschluss des Verfahrens ergeht, ist ihm faktisch die Möglichkeit der Herbeiführung einer Entscheidung im gerichtlichen Beschwerdeverfahren verwehrt, mit der Folge, dass er auch noch nach Abschluss des Verfahrens Beschwerde gegen die Ablehnung seines Antrags, ihm einen Pflichtverteidiger zu bestellen, einlegen kann.
2. Mit der Reform der §§ 141, 142 StPO durch das Gesetz zur Neuregelung der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019 (BT-Drucks. 19/13829, S. 36 ff.) und aufgrund der dieser Gesetzesänderung zugrundeliegenden RL 2016/1919/EU ist die Annahme eines Verbotes der rückwirkenden Bestellung eines Pflichtverteidigers nicht mehr begründbar.
3. Hat der der Betroffene (s)einen Antrag rechtzeitig gestellt und alle formalen Voraussetzungen für dessen Bewilligung erfüllt sind, soll es ihm und indirekt dem von ihm beauftragten Anwalt finanziell nicht zum Nachteil gereichen, dass aus von ihnen nicht zu vertretenden und einzig im Verantwortungsbereich der Justiz liegenden Umständen mit einer Entscheidung hierüber bis zum Abschluss der Instanz zugewartet worden ist.
4. Entgegenstehende Rechtsprechung wird aufgegeben.


Landgericht Amberg

11 Qs 43/24

In dem Ermittlungsverfahren
gegen pp.

Verteidiger:

wegen Vergehen nach § 29 BtMG
erlässt das Landgericht Amberg - 1. Strafkammer - durch die unterzeichnenden Richter am 27. Mai 2024 folgenden

Beschluss

1. Auf die sofortige Beschwerde wird der Beschluss des Amtsgerichts Amberg vom 17.04.2024 aufgehoben.
2. Dem Beschwerdeführer wird rückwirkend zum 27.02.2024 Rechtsanwalt pp. als Pflichtverteidiger bestellt.
3. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Beschwerdeführer insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

I.

In dem gegen den Beschwerdeführer wegen des Verdachts des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in zwei Fällen geführten Ermittlungsverfahren zeigte sich mit Schriftsatz vom 27.02.2024 gegenüber der Staatsanwaltschaft Amberg Rechtsanwalt pp. als Verteidiger des Beschwerdeführers an und beantragte, ihm dem Beschwerdeführer als Pflichtverteidiger bei-zuordnen. Zur Begründung führte er aus, dass sich der Beschwerdeführer in der JVA Amberg in Strafhaft befinde.

Mit Verfügung vom 26.03.2024 stellte die Staatsanwaltschaft Amberg das Verfahren gegen den Beschwerdeführer nach § 154 Abs. 1 StPO ein.

Per Beschluss vom 17.04.2024, auf den wegen seines Inhalts verwiesen wird, lehnte das Amts-gericht Amberg den Antrag auf Beiordnung ab. Der Beschluss wurde dem Beschwerdeführer am 21.04.2024 zugestellt.

Mit am 26.04.2024 eingegangenem Schriftsatz vom selben Tag legte der Verteidiger gegen den vorgenannten Beschluss sofortige Beschwerde ein.

Die Staatsanwaltschaft Amberg beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.

II.

1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig.

Die mit der ablehnenden Entscheidung verbundene Beschwer ist auch nicht deshalb als nicht eingetreten oder entfallen zu betrachten, weil das Verfahren gegen den Beschwerdeführer schon vor Entscheidung über den Beiordnungsantrag eingestellt wurde und damit die Notwendigkeit seiner Verteidigung nunmehr entfallen sei.

Zwar bildet grundsätzlich die Aufhebung einer den Beschwerdeführer fortdauernd beeinträchtigenden Maßnahme das Ziel eines Rechtsmittels (Meyer-Goßner/Schmitt StPO 63. Aufl. vor § 296 Rn. 17 m.w.N). Allerdings ist anerkannt, dass die Beschwer durch den Vollzug einer Maßnahme ausnahmsweise nicht entfällt, wenn Wiederholungsgefahr oder ein Interesse des Betroffenen an der Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Maßnahme auch nach deren Erledigung fortbesteht (Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O. Rn. 18 m.w.N.). Eine Beschwerde bleibt daher beispielsweise zu-lässig in Fällen fortwirkender Grundrechtseingriffe, wenn sich die Belastung durch die Maßnahme nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene die gerichtliche Entscheidung im Beschwerdeverfahren kaum erlangen kann (Mey-er-Goßner/Schmitt a.a.O. Rn. 18a m.w.N.).

Vorliegende Konstellation ist dadurch gekennzeichnet, dass der Beschuldigte alles aus seiner Situation Mögliche für die umgehende Bestellung eines Pflichtverteidigers getan hatte. Lediglich den Zeitpunkt der Vorlage durch die Staatsanwaltschaft und die Entscheidung durch das zuständige Gericht und damit die Möglichkeit eines Rechtsmittels hatte er nicht in der Hand. Solange das zu-ständige Gericht nach Vorlage des Antrags durch die Staatsanwaltschaft nicht über das dem Rechtsstaatsprinzip entspringenden Recht eines Beschuldigten auf die schnellstmögliche unverzügliche Bestellung eines Pflichtverteidigers entscheidet (§ 141 Abs. 1 Satz 1 StPO), ist dieser zwar nicht durch eine positive Entscheidung, wohl aber durch das Unterbleiben einer Entscheidung beeinträchtigt, hat aber zunächst keine Möglichkeit, die Herbeiführung der Entscheidung zu erzwingen. Auf die Beendigung des Verfahrens, die die Mitwirkung eines Pflichtverteidigers obsolet macht, hat er typischerweise ebenfalls keinen Einfluss. Liegt es somit allein an von dem Be-schuldigten nicht zu beeinflussenden Abläufen, ob die Entscheidung über seinen Antrag vor dem Abschluss des Verfahrens ergeht, so ist ihm faktisch die Möglichkeit der Herbeiführung einer Entscheidung im gerichtlichen Beschwerdeverfahren verwehrt. Auch neben der Frage der Kostentragung eines bereits beauftragten (Wahl-) Verteidigers geht ein solcher Schwebezustand typischerweise mit erheblichen Eingriffen, beispielsweise dem Vollzug von Ermittlungsmaßnahmen, einher. Auch wenn im vorliegenden Fall keine derartigen Eingriffe erfolgten, ändert dies nichts an der Typizität der Fallgestaltung, mit der Folge, dass die Nichtbestellung eines Pflichtverteidigers auch außerhalb von Kostenfragen eine Beeinträchtigung der prozessualen Rechte eines Be-schuldigten, Angeklagten oder Verurteilten darstellt, die sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher dieser die gerichtliche Entscheidung im Beschwerdeverfahren kaum erlangen kann (LG Mainz -1. Strafkammer-, Beschluss vom 11.10.2022 -1 Qs 39/22, so auch OLG Bamberg Beschl. v. 29.4.2021 - 1 Ws 260/21, BeckRS 2021, 14711). Das gilt jedenfalls in Konstellationen wie vorliegender im frühen Stadium des Ermittlungsverfahrens. Den Beschwerdeführer insoweit auf die „Untätigkeitsbeschwerde" oder Verzögerungsrüge zu verweisen, verbietet sich.

Nicht zuletzt kann auch der Rechtsgedanke in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27.12.2006 - 2 BvR 803/05 NStZ 2007, 413 zur Thematik Rechtsschutz gegen erledigte strafprozessuale Maßnahmen nicht unberücksichtigt bleiben, wonach das aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG folgende Prozessgrundrecht auf ein faires Verfahren den Gerichten verbietet, in Fällen, in denen eine gerichtliche Entscheidung aufgrund von Verzögerungen, die der Justiz anzulasten sind, nicht vor Erledigung des ursprünglichen Rechtsschutzbegehrens zustande kommt, aus eigenen Fehlern, Unklarheiten oder Versäumnissen Nachteile für die Verfahrensbeteiligten abzuleiten und insbesondere Gründe für die Abweisung von Anträgen als unzulässig durch eigene verfahrensfehlerhafte Antragsbehandlung selbst herbeizuführen. Aus Gründen der Verfahrens-fairness sei es verfassungsrechtlich vielmehr geboten, dem Beschwerdeführer die nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit der angegriffenen Maßnahme durch ein Gericht zu ermöglichen.

Die Kammer vermag sich der Auffassung des OLG Hamburg, Beschluss vom 16.09.2020 - 2 Ws 112/20 StraFo 2020, 486, und des OLG Braunschweig, Beschl. v. 2.3.2021 - 1 Ws 12/21, BeckRS 2021, 3268, wonach die Beschwerde mangels Beschwer auch nach geänderter Gesetzeslage als unzulässig zu verwerfen sei, nach alledem nicht anzuschließen (umfassend hierzu: LG Mainz -1. Strafkammer-, Beschluss vom 11.10.2022 - 1 Qs 39/22).

2. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

a) Der Beschwerdeführer hat als vormals Beschuldigter die Beiordnung des Verteidigers gemäß § 141 Abs. 1 Satz 1 StPO bei der nach § 142 Abs. 1 StPO zuständigen Stelle bereits am 27.02.2024 beantragt, ohne dass dieser Antrag, vor Einstellung des Verfahrens, durch die Staatsanwaltschaft, wie § 142 Abs. 1 S. 2 StPO es fordert, dem Gericht unverzüglich vorgelegt worden wäre.

Der Bundesgerichtshof (BGH, Beschluss vom 20.07.2009 - 1 StR 344/08 NStZ-RR 2009, 348) hat unter Geltung der bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019 gültigen Rechtslage eine Beiordnung zum Pflichtverteidiger nach Verfahrensabschluss noch abgelehnt. Auch die obergerichtliche Rechtsprechung stand bis dahin übereinstimmend auf dem Standpunkt, dass die rückwirkende Bestellung eines Verteidigers schlechthin unzulässig und unwirksam sei, und zwar auch dann, wenn der Antrag rechtzeitig gestellt, aber versehentlich nicht über ihn entschieden worden war. Dies mit der Begründung, dass die Beiordnung eines Pflichtverteidigers der ordnungsgemäßen Verteidigung eines Angeklagten sowie einem ordnungsgemäßen Verfahrensablauf in der Zukunft diene. Eine Rückwirkung wäre auf etwas Unmögliches gerichtet und würde eine notwendige Verteidigung des Angeklagten in der Vergangenheit nicht gewährleisten. Eine Beiordnung erfolge insbesondere nicht, um dem Verteidiger einen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse zu verschaffen oder im Kosteninteresse eines Angeklagten (vgl. im Überblick Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O. § 142 Rn. 19 m.w.N.).

Mit der Reform der §§ 141, 142 StPO durch das Gesetz zur Neuregelung der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019 (BT-Drucks. 19/13829, S. 36 ff.) und aufgrund der dieser Gesetzesänderung zugrundeliegenden RL 2016/1919/EU ist die Annahme eines Rückwirkungsverbotes nicht mehr begründbar.

Nach Art. 4 Abs. 1 der RL 2016/1919/EU („PKH-Richtlinie") haben die Mitgliedstaaten sicher zu stellen, dass Verdächtige und beschuldigte Personen, die nicht über ausreichende Mittel zur Be-zahlung eines Rechtsbeistands verfügen, Anspruch auf Prozesskostenhilfe haben, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist. Mit „Prozesskostenhilfe" wird hierbei die Bereitstellung finanzieller Mittel durch einen Mitgliedstaat für die Unterstützung durch einen Rechtsbeistand be-zeichnet, so dass das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand wahrgenommen werden kann (Art. 3 der RL 2016/1919/EU). Über den rechtzeitigen und praktisch wirksamen Zugang zur Wahrnehmung der Verteidigerrechte hinaus (Art. 3 Abs. 1 der RL 2013/48/EU) regelt Art. 4 der RL 2016/1919/EU nunmehr also auch die finanziellen Grundlagen und zwar in der Weise, dass nicht nur die tatsächliche Verteidigung, sondern auch die Bezahlung des Rechtsbeistandes gesichert werden soll.

Die Umsetzung der PKH-Richtlinie ist nach dem Willen des Bundesgesetzgebers unter grundsätzlicher Beibehaltung des bewährten Systems der notwendigen Verteidigung erfolgt. Auch wenn die Richtlinie nach ihrem Grundgedanken von dem in Europa auch in Strafverfahren weit verbreiteten System der Prozesskostenhilfe und einer grundsätzlichen Verzichtbarkeit des Rechts auf Zugang zum Rechtsbeistand ausgehe, erfordere ihre Umsetzung hiernach nicht die Einführung eines reinen Prozesskostenhilfesystems. Vielmehr könnten die Richtlinienvorgaben - so die Begründungen zum Gesetzesentwurf Bundestags-Drucksache 19/13829 - auch innerhalb des bestehenden Systems der notwendigen Verteidigung vollständig umgesetzt werden. Dieses diene dem Schutz des Beschuldigten und der besseren Funktionsfähigkeit der Rechtspflege, indem jedem unverteidigten Beschuldigten unabhängig von dessen finanzieller Leistungsfähigkeit ein (zunächst) staatlich finanzierter Pflichtverteidiger zur Seite gestellt werde, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich sei, wobei letzteres sich durch das System der Notwendigkeit der Verteidigung nach § 140 StPO bestimme.

Zu dem neu eingeführten und vorliegend betroffenen § 141 Abs. 1 StPO ist in der Bundestags-Drucksache 19/13829 auf Seite 36 ausgeführt: „Satz 1 regelt das Antragsrecht des Beschuldigten auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers... Dieses Antragsrecht dient der Umsetzung der Vorgaben der PKH-Richtlinie, die, ausgehend von einem System der Prozesskostenhilfe, voraussetzt, dass der Beschuldigte - auch zur effektiven Ausübung seines Rechts auf Zugang zu einem Rechtsbeistand - das Recht haben muss, die Beiordnung eines Verteidigers durch einen eigenen Antrag herbeizuführen."

Durch die Schaffung des Unverzüglichkeitsgebots in § 141 Abs. 1 Satz 1 StPO hat der Gesetzgeber überdies deutlich gemacht, dass es seine Absicht war, jedem Beschuldigten ab der Eröffnung des Tatvorwurfs unabhängig von seinen finanziellen Verhältnissen die Möglichkeit der Einholung kompetenten, d.h. anwaltlichen Rats zwecks bestmöglicher Wahrnehmung seiner Interessen zur Verfügung zu stellen.

Zweck und Ziel dieser Regelung kann - im Blick auf Fallkonstellationen wie die vorliegende - nur eine effektive Unterstützung und Absicherung der Verfahrensbeteiligten sein. Diese würde jedoch unterlaufen, wenn eine Pflichtverteidigerbestellung nur deswegen versagt werden könnte, weil die Entscheidung hierüber verzögert getroffen wurde (OLG Bamberg Beschl. v. 29.4.2021 - 1 Ws 260/21, BeckRS 2021, 14711, OLG Nürnberg Beschl. v. 6.11.2020 - Ws962/20, Ws963/20, BeckRS 2020, 35193, Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 142 Rn. 20).

Für die Richtigkeit dieser Auffassung spricht auch die höchstrichterliche Rechtsprechung hin-sichtlich der Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Auch hiernach gilt zwar grundsätzlich, dass die rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe beispielsweise nach § 397a Abs. 2 StPO bzw. § 404 Abs. 5 Satz 1 StPO, § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht in Betracht kommt, weil die Förderung mit Erfolgsaussicht eines noch nicht abgeschlossenen Verfahrens in Rede stehen muss. Aufgabe der Prozesskostenhilfe sei es dagegen nicht, finanziell bedürftige Personen für prozessbedingte Kosten oder dafür eingegangene Verpflichtungen nachträglich zu entschädigen - so die höchstrichterliche Rechtsprechung im Grundsatz. Nach Abschluss der kostenverursachenden Instanz kommt demgemäß die Bewilligung von Prozesskostenhilfe grundsätzlich nicht mehr in Be-tracht.

Etwas anderes gilt aber für den Fall, dass vor rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens ein Bewilligungsantrag mit den erforderlichen Unterlagen gestellt wurde, der aber nicht bzw. nicht vorab verbeschieden wurde und der Antragsteller mit seinem Antrag bereits alles für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe Erforderliche getan hat (st.Rspr: vgl. BGH Beschlüsse vom 18.03.2021 - 5 StR 222/20 m.w.N., vom 13. Oktober 2010 - 5 StR 179/10, vom 25. Juli 2017 - 3 StR 132/17, vom 7. März 2018 - 5 StR 587/17 alle bei juris, Zöller-Schultzky, 33. Aufl., § 127 Rn. 12, 18)

Der Rechtsprechung liegt die Überlegung zugrunde, dass, sofern der Betroffene einen Antrag rechtzeitig gestellt hat und alle formalen Voraussetzungen für dessen Bewilligung erfüllt sind, es ihm und indirekt dem von ihm beauftragten Anwalt finanziell nicht zum Nachteil gereichen soll, dass aus von ihnen nicht zu vertretenden und einzig im Verantwortungsbereich der Justiz liegenden Umständen mit einer Entscheidung hierüber bis zum Abschluss der Instanz zugewartet worden war.

Die skizzierte Interessenlage ist im Falle der Bestellung eines Pflichtverteidigers die gleiche. Sachliche Gründe, die die unterschiedliche Behandlung eines Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und eines Antrags auf Beiordnung eines Verteidigers rechtfertigen könnten, sind - auch vor dem Hintergrund, dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Bestellung eines Pflichtverteidigers gleichwertige Alternativen darstellen, soweit es um die Verschaffung des Zugangs zu professioneller Verteidigung geht - nicht ersichtlich (zum Ganzen wiederum: LG Mainz -1. Strafkammer-, Beschluss vom 11.10.2022 -1 Qs 39/22, OLG Bamberg Beschl. v. 29.4.2021 - 1 Ws 260/21, BeckRS 2021, 14711).

Die Kammer hält an seiner bisherigen Rechtsprechung, wonach eine nachträgliche, rückwirkende Bestellung eines Pflichtverteidigers für ein abgeschlossenes Verfahren oder einen abgeschlossenen Instanzenzug unzulässig ist, auch dann, wenn der Beiordnungsantrag rechtzeitig gestellt wurde und in der Sache hätte Erfolg haben können, also nicht mehr fest.

b) Zum Zeitpunkt der Antragstellung am 27.02.2024 lag schließlich auch ein Fall notwendiger Verteidigung gemäß § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO vor. Der Beschwerdeführer hat sich seinerzeit in Strafhaft befunden.

lll.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 464, 467 StPO.


Einsender: RA J. Jendricke, Amberg

Anmerkung:


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