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Entscheidungen

KCanG u.a.

KCanG, EncroChat, Verwertbarkeit der Daten, Katalogtat

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Saarbrücken, Beschl. v. 03.06.2024 - 4 KLs 28 Js 140/23 (16/24)

Eigener Leitsatz:

Das Handeltreiben mit Cannabis ist nach der am 1.4.2024 in Kraft getretenen gesetzlichen Neuregelung durch das Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften (Cannabisgesetz — CanG) nicht mehr als Katalogtat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG einzuordnen, sondern als Handeltreiben mit Cannabis in den besonders schweren Fällen der Gewerbsmäßigkeit und der nicht geringen Menge nach § 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Nr. 1 und 4 KCanG. Dies stellt jedoch keine Katalogtat des § 100b Abs 2 StPO dar.


In pp.

Beschluss

Die Anträge der Staatsanwaltschaft auf Verlesung der in dem Beweisantrag vom 03.06.2024 näher bezeichneten SkyECC-Chats und auf Inaugenscheinnahme der in dem Beweisantrag näher bezeichneten Lichtbilder werden gemäß § 245 Abs. 2 S. 2 StPO zurückgewiesen, da die beantragte Beweiserhebung unzulässig ist.

Gründe

Da sich die Urkunden und die Lichtbilder, die nach den Beweisanträgen verlesen bzw.
in Augenschein genommen werden sollen, bei den dem Gericht vorliegenden Akten befinden, handelt es sich um präsente Beweismittel, so dass sich die Entscheidung über die Beweisanträge nach § 245 StPO richtet.

Die Beweisanträge der Staatsanwaltschaft waren gemäß § 245 Abs. 2 S. 2 StPO zurückzuweisen, da die beantragte Beweiserhebung wegen eines Beweisverwertungsverbotes unzulässig ist.

Der BGH führt in der grundlegenden Entscheidung zur Verwertbarkeit der sog. EncroChat-Kommunikation wie folgt aus (vgl. BGH, Beschl. v. 2.3.2022 - 5 StR 457/21, NStZ 2022, 435):

„Bei innerstaatlichen Ermittlungen oder im Wege der europäischen Rechtshilfe ersuchten ausländischen. Ermittlungsmaßnahmen wird der- durch Beweisverwertung fortdauernde oder sich vertiefende - Grundrechtseingriff regelmäßig bereits bei der Anordnung der Ermittlungsmaßnahme selbst limitiert (etwa Beschränkung auf besonders schwere Straftaten oder Fälle qualifizierten Verdachts). Kann diese Beschränkung in Fällen wie dem vorliegenden nicht geleistet werden, weil hier durch einen anderen Mitgliedstaat in originärer Anwendung seines nationalen Rechts in die Grundrechte Betroffener eingegriffen wird, sind die dadurch möglichen Unterschiede bei den Eingriffsvoraussetzungen auf der Ebene der Beweisverwendung zu kompensieren. Hierfür kann auf die in strafprozessualen Verwendungsbeschränkungen verkörperten Wertungen zurückgegriffen werden, mit denen der Gesetzgeber dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei vergleichbar eingriffsintensiven Mitteln Rechnung trägt (vgl. auch BVerfG Urt. v. 19.5.2020 — 1 131/R 2835/17, BVerfGE 154, 152 ff. Rn. 216 ff.). Im vorliegenden Fall können aufgrund des Gewichts der Maßnahme zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes — auch um jede denkbare Benachteiligung auszuschließen — die Grundgedanken der Verwendungsschranke mit dem höchsten Schutzniveau (§ 100 e Abs. 6 StPO) fruchtbar gemacht werden.

Daraus folgt: Eine Beweisverwertung von Erkenntnissen aus dem Kernbereich privater Lebensführung ist — wie oben ausgeführt — stets unzulässig (vgl. auch § 100 d Abs. 2 S. 1 StPO). Darüber hinaus dürfen die im Wege europäischer Rechtshilfe erlangten Beweisergebnisse aus dem EncroChat-Komplex in einem Strafverfahren ohne Einwilligung der überwachten Person nur zur Aufklärung einer Straftat, auf Grund derer eine Maßnahme nach § 100 b StPO hätte angeordnet werden können, oder zur Ermittlung des Aufenthalts der einer solchen Straftat beschuldigten Person verwendet werden (vgl. die Wertung des § 100 e Abs. 6 Nr. 1 StPO). Hierbei sind die den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz konkretisierenden einschränkenden Voraussetzungen in § 100 b Abs. 1 Nr. 2 und 3 StPO in den Blick zu nehmen. Danach muss die Straftat auch im Einzelfall besonders schwer wiegen und die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsorts auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos sein."

Aufgrund der Vergleichbarkeit der EncroChat- und der SkyECC-Verfahren gelten diese Grundsätze auch für die vorliegend in Frage stehende Verwertung von SkyECC-Chats. Die Vergleichbarkeit besteht dahingehend, dass es sich in beiden Fällen um im europäischen Ausland aufgrund von heimlichen Überwachungsmaßnahmen einer Vielzahl von Personen erhobene Daten handelt, wobei die ausländischen Ermittlungsbehörden zuvor nicht im Wege eines Rechtshilfeersuchens zu solchen Ermittlungsmaßnahmen seitens der Bundesrepublik ersucht wurden (so auch OLG Celle, Beschluss vom 15.11.2021 — 2 HEs 24-30/21).

Entscheidender Zeitpunkt für die Frage der Verwertbarkeit ist der der angedachten Verwertung der Beweise (BGH NStZ 2022, 435, Rn. 70). Die Verwendung der aus einem anderen Strafverfahren stammenden personenbezogenen Daten stellt einen eigenen Grundrechtseingriff dar, für den eine gesetzliche Grundlage im Zeitpunkt der Vornahme dieses Eingriffs, mithin dem Verwertungszeitpunkt, bestehen muss. Ändern sich im Verlauf eines anhängigen Verfahrens strafprozessuale Vorschriften, ist die geänderte Rechtslage entscheidend (vgl. BGHSt 58, 32 ff.). Eine Verwertung ist demnach nicht möglich, wenn diese das Vorliegen einer Katalogtat voraussetzt, die Tat nach Änderung der Rechtslage jedoch nicht mehr als Katalogtat zu qualifizieren ist (vgl. Köhler in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 66. Aufl., § 479 Rn. 7).

So liegt der Fall hier: Die Anklageschrift bezieht sich lediglich auf Taten des Handeltreibens mit Cannabis. Das Handeltreiben mit Cannabis ist nach der am 1. April 2024 in Kraft getretenen gesetzlichen Neuregelung durch das Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften (Cannabisgesetz — CanG) nicht mehr als Katalogtat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG einzuordnen, sondern als Handeltreiben mit Cannabis in den besonders schweren Fällen der Gewerbsmäßigkeit und der nicht geringen Menge nach § 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Nr. 1 und 4 KCanG. Dies stellt jedoch keine Katalogtat des § 100b Abs 2 StPO dar, da lediglich die in § 34 Abs. 4 Nr. 1, 3 und 4 KCanG aufgeführten Taten in die Aufzählung der Katalogtaten aufgenommen wurden (vgl. § 100b Abs. 2 Nr. 5a StPO; so auch KG Berlin, Beschluss v. 30.04.2024, 5 Ws 67/24).

Die darüber hinaus in der Anklage aufgeführte Tat des Ankaufs von 5 Gramm Kokain (Ziffer 5 der Anklage) erfüllt ebenso wenig die Anforderungen an eine Katalogtat, da sich aus den Chats weder Anhaltspunkte für eine Gewerbsmäßigkeit hinsichtlich Straftaten nach dem BtMG ergeben (§ 100b Abs. 2 Nr. 5 lit. a) StPO), unter welches der Handel mit Cannabis nicht mehr fällt, noch die nicht geringe Menge überschritten war (§ 100b Abs. 2 Nr. 5 lit. b) StPO).


Einsender: RA M. Rehberger, Saarbrücken

Anmerkung:


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