Gericht / Entscheidungsdatum: AG Westerstede, Urt. v. 02.04.2024 - 42 Ls 209/23 (375 Js 83173/22)
Eigener Leitsatz:
Bei der Einziehung von Cannabis ist von der Gesamtmenge des aufgefundenen Cannabis ggf. eine Menge von 50 Gramm abzuziehen, die der Angeklagte legal am Wohnort besitzen kann.
Amtsgericht Westerstede
Im Namen des Volkes
Urteil
42 Ls 209/23 (375 Js 83173/22)
In der Strafsache
gegen pp.
Rechtsanwalt
wegen Vergehen nach § 29 BtMG
hat das Amtsgericht Westerstede — Schöffengericht — in der öffentlichen Sitzung vom 02.04.2024, an der teilgenommen haben:
pp.
für Recht erkannt:
Der Angeklagte wird wegen unerlaubten Besitzes von Cannabis in Tateinheit mit Handeltreiben mit Cannabis zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Strafe wird zur Bewährung ausgesetzt.
Das sichergestellte Cannabis in Höhe von 942,40 Gramm wird eingezogen.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen.
Angewendete Vorschriften:
§§ 34 Abs. 1 Nr. 1 lit. b, Nr. 4, Abs. 3 S. 2. Nr. 4, 37 S. 1 Konsumcannabisgesetz, 52, 74 Abs. 2 Strafgesetzbuch.
Gründe:
Der am pp. geborene und geschiedene Angeklagte ist deutscher Staatsangehöriger. Er ist gelernter Zentralheizungs- und Lüftungsbauer. Er lebt von Bürgergeld und hat ein Kind, das bei seiner Ex-Frau lebt.
Der Angeklagte leidet an einer Rückenmarkquetschung und einer Zertrümmerung der Wirbel im Steißbereich. Er hatte mehrere Bandscheibenvorfälle und kann kaum die Wohnung ohne fremde Hilfe verlassen. Er nutzt Cannabis nach eigenen Angaben täglich zur Selbstmedikation in Form einer Schmerzreduktion.
Der Angeklagte ist ausweislich des Bundeszentralregisterauszugs vom 15.03.2024 bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts folgender Sachverhalt fest:
Der Angeklagte bevorratete am 12.04.2023 im 2. Obergeschoss des Mehrfamilienhauses in der pp. in mehreren Klemmbeuteln insgesamt 992,40 Gramm Cannabis. Dabei hatte er vor, 800,45 Gramm dieser Gesamtmenge in Kleinstmengen gewinnbringend weiterverkaufen. Der Rest des verbleibenden Cannabis (191,95 Gramm) bevorratete er für seinen täglichen Eigenkonsum. Die Gesamtmenge Cannabis wurde im Rahmen einer Durchsuchung am 12.04.2023 durch die Polizeibeamten sichergestellt.
1. Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen stützt das Gericht auf die insoweit glaubhaften Angaben des Angeklagten und den Bundeszentralregisterauszug vom 15.03.2024.
2. Die Feststellungen zur Sache beruhen auf dem umfassenden Geständnis des Angeklagten, das sich mit dem übrigen Ergebnis der Beweisaufnahme deckt.
Der Angeklagte hat den unter Il. festgestellten Sachverhalt in vollem Umfang eingeräumt und die Tat in objektiver und subjektiver Hinsicht entsprechend den getroffenen Feststeilungen geschildert. Sein Geständnis ist auch glaubhaft, da es widerspruchsfrei die Entstehung und Ausführung der Tat erklärt.
Der Angeklagte hat insbesondere angegeben, dass er das Cannabis zum Teil zur Selbstmedikation seiner Schmerzen genutzt habe und bis heute nutze. Er habt Schwierigkeiten infolge seiner körperlichen Einschränkungen das Haus zu verlassen und könne dies zum Teil nur unter Einnahme erheblicher Mengen Schmerzmitteln.
Es wird bestätigt durch die glaubhaften Aussagen der Zeuge pp. und KOK pp. Diese haben den Sachverhalt. soweit er in ihrem jeweiligen Wahrnehmungsbereich lag, nachvollziehbar und widerspruchsfrei geschildert. Die Zeugin pp. eine Nachbarin des Angeklagten, hat geschildert, dass auffällig viel wechselnder Personenverkehr bei dem Angeklagten zuhause in dem Tatzeitraum gewesen sei. KOK pp. hat geschildert, dass der Angeklagte im Rahmen der Durchsuchung das aufgefundene Cannabis unumwunden an die Beamten übergeben und ihm gegenüber von seinen Krankheiten gesprochen habe. Er habe überdies geäußert, dass der Verkauf an seine Freunde nicht in Ordnung gewesen wäre. Auf dem Mobiltelefon seien kurze knappe Absprachen ohne Angaben konkreter Werte und Mengen feststellbar gewesen.
Betreffend der ebenfalls seitens des Angeklagten im Rahmen der Durchsuchung ausgehändigten 339,05 Gramm Gummibären konnte das Gericht nicht mit ausreichender Sicherheit feststellen, dass diese mit THC angereichert waren, insoweit hat der Angeklagte allerdings auf eine Herausgabe mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft verzichtet.
IV.
Der Angeklagte hat sich daher des unerlaubten Besitzes von Cannabis in Tateinheit mit gewerbsmäßigen Handeltreiben mit Cannabis nach dem §§ 34 Abs. 1 Nr. 1 lit. b, Nr. 4, Abs. 3 S. 2 Nr. 4 Konsumcannabisgesetz, 52 Strafgesetzbuch schuldig gemacht. Es findet nunmehr das seit dem 01.04.2024 in Kraft getretene Konsumcannabisgesetz Anwendung, worauf im Rahmen der Hauptverhandlung nach § 265 StPO hingewiesen wurde. Hinsichtlich des Handeltreibens ist das Gericht von einer nicht geringen Menge nach § 34 Abs. 3 S. 2 Nr. 4 KCanG ausgegangen. Es lag zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung zwar kein Wirkstoffgutachten hinsichtlich des Cannabis vor, allerdings ist bei einer Gesamtmenge von 800,45 Gramm Cannabis selbst unter Zugrundelegung eines sehr niedrigen Wirkstoffgehalts von einer Überschreitung der nicht geringen Menge auszugehen. Ob der ursprüngliche von der Rechtsprechung entwickelte Grenzwert von 7,5 Gramm Cannabis fortan weiter Anwendung findet, kann ebenfalls dahinstehen, da bei der hier aufgefundenen Gesamtmenge jedenfalls von einer Überschreitung auszugehen ist. Hinsichtlich der verbleibenden, aufgefundenen Menge, das zum Eigenkonsum des Angeklagten dienen sollte, von 191,95 Gramm und damit hinsichtlich des unerlaubten Besitzes von Cannabis ist das Gericht zugunsten des Angeklagten nicht davon ausgegangen, dass hier eine nicht geringe Menge im Sinne des § 34 Abs. 3 S. 2 Nr. 4 KCanG vorlag.
V.
Das Gericht hat den Strafrahmen aus § 34 Abs. 3 KCanG entnommen, der eine Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis zu 5 Jahren vorsieht.
Zugunsten des Angeklagten hat das Gericht berücksichtigt, dass der Angeklagte sich vollumfassend - das auch bereits zu Beginn des Ermittlungsverfahrens im Rahmen der Durchsuchung - geständig eingelassen und kooperativ gezeigt hat. Weiter auch, dass er strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten ist.
Zulasten des Angeklagten wurde berücksichtigt, dass er tateinheitlich hier sowohl den unerlaubten Besitz von Cannabis als auch das Handeltreiben mit Cannabis verwirklicht hat.
Unter Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte hat das Gericht auf eine Freiheitsstrafe von 7 Monaten als tat- und schuldangemessen erkannt.
Die Vollstreckung dieser verhängten Freiheitsstrafe hat das Gericht zur Bewährung ausgesetzt. Es besteht die Erwartung, dass der Angeklagte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen wird und künftig auch ohne Einwirkung des Strafvollzugs nicht mehr straffällig werden wird, § 56 Abs. 1 StGB. Der Angeklagte ist erstmals strafrechtlich in Erscheinung getreten. Er hat sich reuig und einsichtig gezeigt. Aufgrund der Legalisierung des Cannabiskonsums zum 01.04.2024 kann der Angeklagte nunmehr legal Cannabis zur Selbstmedikation besitzen. Das Gericht ist davon überzeugt, dass es nicht der Einwirkung des Strafvollzugs bedarf, um ihn von weiteren Straftaten abzuhalten.
Die Verteidigung der Rechtsordnung gebietet die Vollstreckung nicht, § 56 Abs. 3 StGB. In Kenntnis der dargelegten Umstände hätte die wohl unterrichtete, rechtstreue Bevölkerung Verständnis für eine Strafaussetzung.
VI.
Das sichergestellte Cannabis in einer Gesamtmenge von 942,40 Gramm wurde durch das Gericht nach § 37 S. 2 KCanG in Verbindung mit § 74 Abs. 2 StGB eingezogen. Hierbei ist das Gericht mangels expliziter gesetzlicher Regelung und Vorliegens obergerichtlicher Rechtsprechung zugunsten des Angeklagten davon ausgegangen, dass von der Gesamtmenge des aufgefundenen Cannabis (992,40 Gramm) eine Menge von 50 Gramm abzuziehen ist, die der Angeklagte nunmehr legal am Wohnort besitzen kann.
VII.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 Abs. 1 StPO.
Einsender: RA J. Möckel, Oldenburg
Anmerkung:
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