Gericht / Entscheidungsdatum: LG Mühlhausen, Beschl. v. 16.04.2024 - 3 Qs 32/24
Eigener Leitsatz:
Der Rat des Rechtsanwalts im vorbereitenden Verfahren, keine Angaben zur Sache machen und nicht bei der Polizei auszusagen, lässt die Verfahrensgebühr für das vorbereitende Verfahren entstehen, auch wenn die schriftliche Vollmacht danach ausgestellt wird.
Landgericht Mühlhausen
3 Qs 32/24
Beschluss
In dem Strafverfahren
gegen pp.
Verteidiger:
Rechtsanwalt
wegen Beleidigung
hat die 3. Strafkammer des Landgerichts Mühlhausen durch pp. am 16.04.2024 beschlossen:
1. Die sofortige Beschwerde wird als unbegründet verworfen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Beschwerdegegner insoweit entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
Gründe:
Die Staatsanwaltschaft Mühlhausen führte gegen den Angeklagten ein Verfahren wegen des Verdachts der Beleidigung gemäß §§ 185, 194 StGB.
Das Amtsgericht Mühlhausen erließ am 10.06.2022 einen Strafbefehl gegen den Angeklagten und verhängte 45 Tagessätze zu je 45,00 EUR. Dagegen hat der Angeklagte durch Schriftsatz seines Wahlverteidigers, Rechtsanwalt pp, form- und fristgerecht Einspruch eingelegt.
Am 11.05.2023 fand Termin zur Hauptverhandlung statt, der Termin wurde nach einer halben Stunde ausgesetzt.
Durch Beschluss des Amtsgerichts Mühlhausen vom 21.06.2023 wurde hiesiges Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO im Hinblick auf die rechtskräftige Strafe im Verfahren 360 Js 44344/23 (Beleidigung in Tateinheit mit Körperverletzung) vorläufig eingestellt. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten wurden der Staatskasse auferlegt.
Mit Kostennote vom 29.06.2023 beantragte Rechtsanwalt pp., die Festsetzung von Gebühren und Auslagen in Höhe von 1.170,03 Euro nebst Zinsen ab Antragsstellung. Hinsichtlich der Aufstellung und Begründung wird auf die Kostennote verwiesen. Eine Abtretungserklärung wurde vorgelegt.
Mit Beschluss des Amtsgerichts Mühlhausen vom 08.11.2023 wurde die Vergütung von Rechtsanwalt Pp. auf 1.062,04 Euro festgesetzt. Lediglich die beantragte Terminsgebühr in Höhe von 302,50 EUR (Mittelgebühr) wurde um 30% gekürzt.
Gegen den Beschluss hat der Bezirksrevisor form- und fristgerecht „Erinnerung" eingelegt. Die festgesetzte Gebühr Nr. 4104 VV RVG in Höhe von 181,50 EUR sei abzusetzen. Zur Begründung wurde angeführt, dass der Verteidiger erst am 21.06.2022 Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt habe und die Vertretung angezeigt habe. Die Vollmacht datiere auf den 20.06.2022. Damit sei eine Tätigkeit im Geltungsbereich der Gebühr Nr. 4104 VV RVG weder vorgetragen noch aktenkundig. Der Verteidiger als Antragssteller führte aus, dass ausweislich BI. 15 d.A. aktenkundig sei, dass er bereits im Geltungsbereich tätig gewesen sei. Er habe dem Angeklagten noch vor dem 24.05.2022 geraten, keine Angaben zu machen, was dieser gegenüber der ermittelnden PHMin pp. mittelte. Die Beratung, Mandantengespräche und das Entwerfen einer Verteidigungsstrategie falle in den sachlichen Anwendungsbereich der Nr. 4104 VV RVG. Das Datum der Vollmacht sei unerheblich, die Bestellung könne auch vorher formlos erfolgen.
Der Rechtspfleger des Amtsgerichts Mühlhausen wies mit Schreiben vom 15.01.2024 den Bezirksrevisor darauf hin, dass neben der Verfahrensgebühr noch die Auslagenpauschale gern. Nr. 7002 VV RVG abzusetzen sei (20 EUR), wodurch der Beschwerdewert in Höhe von über 200,00 EUR erreicht sei, so dass die Beschwerde statthaft sei.
Der Bezirksrevisor teilte durch Schreiben vom 15.02.2024 mit, dass das Rechtsmittel als sofortige Beschwerde zu bezeichnen sei und der angefochtene Beschluss auf 822,25 EUR zu berichtigen sei. Voraussetzung für die Erfüllung des Gebührentatbestandes einer Verfahrensgebühr sei, dass der Rechtsanwalt einen unbedingten Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit erhalte und er diesen auch annehme. In diesem Rahmen werde regelmäßig die Vollmacht erteilt und auch unterzeichnet. Die sei hier am 20.06.2022 und damit nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens erfolgt.
Es könne sein, dass der Angeklagte zuvor einen anwaltlichen Rat eingeholt habe, dies stütze aber kein abgeschlossenes Mandat zur Vollvertretung im Ermittlungsverfahren. Es habe allenfalls eine Beratung im Sinne des § 34 RVG stattgefunden, die dann auf die
Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV RVG anzurechnen sei.
Der Antragssteller, Rechtsanwalt Pp., hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.
II.
Die sofortige Beschwerde des Bezirksrevisors ist zulässig, aber unbegründet.
Zu Recht hat das Amtsgericht Mühlhausen in seinem Beschluss sowohl die Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV RVG in Höhe von 181,50 EURO als auch die Pauschale für Post und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG festgesetzt.
Die Verfahrensgebühr entsteht nach der Legaldefinition „für das Betreiben des Geschäfts ein-schließlich der Information". Ausreichend für das Entstehen der Gebühr ist jede Tätigkeit des Rechtsanwaltes, die in den Abgeltungsbereich der Verfahrensgebühr fällt. Ausreichend ist also zB auch eine Tätigkeit nur gegenüber dem Mandanten (Beratung, Besprechung usw) (Gerold/Schmidt, RVG W Vorbemerkung 4 Rn. 10, beck-online). Der Antragssteller ist im vorbereitenden Verfahren, also vor dem Antrag auf Erlass des Strafbefehls, bereits tätig gewesen. Ausweislich BI. 15 d.A. meldete sich der Angeklagte am 24.05.2022 bei PHMin pp. und teilte mit, dass er „auf Anraten seines Rechtsanwaltes" keine Angaben zur Sache machen und nicht bei der Polizei aussagen werde. Der Antragssteller versicherte anwaltlich, dass er dieser Rechtsanwalt gewesen sei und seinem Mandanten geraten habe, keine Angaben zu machen.
Demnach war die sofortige Beschwerde des Bezirksrevisors als unbegründet zu verwerfen. Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 StPO.
Einsender: RA S. Hofauer, Leinefelde-Worbis
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