Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Celle, Beschl. v. 06.11.2029 - 2 Ws 313/10
Leitsatz des Gerichts:
Die Vorschrift des § 73a StGB ist wie seine Vorgängervorschrift § 73d StGB a.F. gegenüber § 73 StGB subsidiär und kann erst dann zur Anwendung gelangen, wenn nach Ausschöpfung aller zulässigen Beweismittel ausgeschlossen werden kann, dass die Voraussetzungen des § 73 StGB erfüllt sind. Dies schließt es aus, Gegenstände der erweiterten Einziehung zu unterwerfen, die der Angeklagte aus anderen, von der Anklageschrift nicht erfassten, aber konkretisierbaren Straftaten erlangt hat; denn diese Taten können und müssen zum Gegenstand eines gesonderten Strafverfahrens gemacht werden, in dem die Voraussetzungen des vorrangig anwendbaren § 73 StGB zu prüfen sind.
Oberlandesgericht Celle
Beschluss
2 Ws 313/19
In der Strafsache
gegen pp.
- Verteidiger: … -
wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss der 1. großen Jugendkammer des Landgerichts Hannover vom 13. August 2019 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft durch die Richter am Oberlandesgericht und sowie den Richter am Landgericht am 06. November 2019 beschlossen:
1. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
2. Gemäß § 111e Abs. 1 und 4, 111j Abs. 1 StPO i.V.m. §§ 73a Abs. 1, 73c Satz 1, 73d StGB wird zur Sicherung der (erweiterten) Einziehung des Wertes des Taterlangten der Vermögensarrest in Höhe von 40.000 € in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Angeklagten angeordnet.
Gegen Hinterlegung eines Betrages in gleicher Höhe kann der Angeklagte die Vollziehung des Arrestes abwenden und die Aufhebung der Vollziehung des Arrestes verlangen (§ 111e Abs. 4 Satz 2 StPO).
3.Die weitergehende Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird verworfen.
4. Der Angeklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens und seine notwendigen Auslagen. Jedoch wird die Gebühr für das Beschwerdeverfahren um 1/2 ermäßigt. Die dem Angeklagten im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen werden der Landeskasse zu ½ auferlegt.
Gründe:
I.
Die Staatsanwaltschaft Hannover hat gegen den Angeklagten und sechs weitere Mitangeklagte am 10. April 2019 Anklage zur großen Jugendkammer des Landgerichts Hannover erhoben. Dem Angeklagten werden insgesamt 17 Taten des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, davon in 10 Fällen mit einer nicht geringen Menge sowie 7 Taten des gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, davon in 6 Fällen mit einer nicht geringen Menge, zur Last gelegt, die er im Zeitraum vom 05. Dezember 2017 bis zum 22. März 2018 begangen haben soll. Der Angeklagte soll zudem durch die ihm zur Last gelegten Taten 35.910 € erlangt haben, so dass die Staatsanwaltschaft in dieser Höhe die Einziehung des Wertes des Taterlangten im Urteil begehrt. Ein Antrag auf Anordnung eines Vermögensarrests gem. § 111e StPO wurde von der Staatsanwaltschaft insoweit nicht gestellt.
Mit Verfügung vom 02. Juli 2019 hat die Staatsanwaltschaft Hannover beantragt, gemäß §§ 111e Abs. 1, Abs. 4, 111j Abs. 1 StPO i.V.m. §§ 73 Abs. 1, 73a, 73c, 73d StGB zur Sicherung der (erweiterten) Einziehung des Wertes von Taterträgen einen Vermögenarrest in Höhe von 77.000,00 € in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Angeklagten A. anzuordnen. Es bestehe die dringende Annahme, dass der Angeklagte im April 2017 einen Pkw Porsche Panamera zum Preis von 40.000 € und im Dezember 2017 einen Pkw Bentley zum Preis von 37.000 € erworben habe, wobei die zum Erwerb der beiden Fahrzeuge eingesetzten Gelder aus - nicht konkret feststellbaren - rechtswidrigen Taten des Angeklagten stammen sollen.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 13. August 2019 hat die 1. große Jugendkammer den Antrag abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, für die Anordnung eines Vermögensarrestes mangele es an einem Sicherungsbedürfnis; zugleich sei die Anordnung des Vermögensarrestes auch unverhältnismäßig.
Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft Hannover mit dem Rechtsmittel der Beschwerde.
Das Landgericht Hannover hat die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft mit Beschluss vom 09. September 2019 zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet; der Beschwerde hat es durch Beschluss vom 04. Oktober 2019 nicht abgeholfen.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, den Beschluss des Landgerichts Hannover aufzuheben und den Erlass eines Vermögensarrestes gegen den Angeklagten A. in Höhe von 77.000 € zur Sicherung der erweiterten Einziehung von Wertersatz anzuordnen.
II.
Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft ist zulässig und hat in der Sache teilweise Erfolg.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung eines Vermögensarrestes in Höhe von 40.000 € liegen vor, so dass dieser von dem Senat als Beschwerdegericht gem. § 309 Abs. 2 StPO anzuordnen ist (vgl. im Folgenden die Ausführungen zu Ziffer 2). Im Übrigen ist die Beschwerde der Staatsanwaltschaft indes unbegründet (vgl. im Folgenden die Ausführungen zu Ziffer 1).
1. Gem. § 111e StPO kann zur Sicherung der Vollstreckung der Vermögensarrest in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Betroffenen angeordnet werden, wenn die Annahme begründet ist, dass die Voraussetzungen der Einziehung von Wertersatz vorliegen, wobei auch für die erweiterte Einziehung als eine besondere Form der Einziehung grundsätzlich die allg. die Einziehung betreffenden Vorschriften, wie insb. auch die §§ 111b ff. StPO Anwendung finden (Schönke/Schröder/Eser/Schuster, 30. Aufl. 2019, StGB § 73a Rn. 4).
Die Anordnung von Vermögensarrest ist mithin begründet, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme im Sinne einer gewissen Wahrscheinlichkeit begründen, dass die Voraussetzungen für eine spätere (gerichtliche) Anordnung der (erweiterten) Wertersatzeinziehung gem. §§ 73, 73a, 73c StGB vorhanden sind.
Anknüpfungstaten des Angeklagten im Sinne von § 73a Abs. 1 StGB sind ausweislich der Anklageschrift vorhanden; angesichts der in der Anklageschrift aufgeführten Beweismittel besteht zudem kein Zweifel daran, dass der Angeklagte dieser Taten auch hinreichend verdächtig ist. Insoweit nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Hannover vom 10. April 2019 sowie den Eröffnungsbeschluss des Landgerichts Hannover vom 09. September 2019 Bezug.
Eine spätere (gerichtliche) Anordnung der (erweiterten) Wertersatzeinziehung gem. §§ 73, 73a, 73c StGB setzt zudem voraus, dass das Bargeld, mit dem der Angeklagte die Fahrzeuge erworben hat, aus nicht konkret feststellbaren rechtswidrigen Taten stammen.
Soweit die Staatsanwaltschaft die beantragte Anordnung eines Vermögensarrests auf den etwaigen Erwerb eines Pkw Bentley zum Preis von 37.000 € durch den Angeklagten stützt, ist eine erweiterte Wertersatzeinziehung schon aufgrund der Subsidiarität der erweiterten Einziehung nicht zu erwarten.
Die Vorschrift des § 73a StGB ist wie seine Vorgängervorschrift § 73d StGB a.F. gegenüber § 73 StGB subsidiär (vgl. BT-Drucks. 18/9525, S. 66) und kann erst dann zur Anwendung gelangen, wenn nach Ausschöpfung aller zulässigen Beweismittel ausgeschlossen werden kann, dass die Voraussetzungen des § 73 StGB erfüllt sind. Dies schließt es aus, Gegenstände der erweiterten Einziehung zu unterwerfen, die der Angeklagte aus anderen, von der Anklageschrift nicht erfassten, aber konkretisierbaren Straftaten erlangt hat; denn diese Taten können und müssen zum Gegenstand eines gesonderten Strafverfahrens gemacht werden, in dem die Voraussetzungen des vorrangig anwendbaren § 73 StGB zu prüfen sind (BGH, Beschluss vom 04. April 2018 – 3 StR 63/18 –, juris; BGH, Beschluss vom 07. April 2016 – 1 StR 632/15 –, juris).
Nach Aktenlage ergeben sich eindeutige Hinweise darauf, dass der Angeklagte A. den ihm hierarchisch untergeordneten Angeklagten K. bereits im Zeitraum nach dem 29. Juni 2017 mit Betäubungsmitteln versorgt hat, die dieser sodann an weitere Abnehmer verkaufte. Es besteht ferner bereits für diesen Zeitraum der Verdacht, dass die aus diesen Verkäufen erwirtschafteten Gewinne - abzüglich einer Gewinnbeteiligung für den Angeklagten K. in unbekannter Höhe – an den Angeklagten ausgekehrt wurden (vgl. Bl. 4 ff., Bl. 22ff. Band I der Hauptakten). Es liegt nach alledem auf der Hand, dass der Angeklagte den etwaigen Kauf des Pkw Bentley im Dezember 2017 aus den erwirtschafteten Erlösen dieser Betäubungsmittelgeschäfte finanziert haben könnte. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, als dass dem Angeklagten – soweit ersichtlich – legal erwirtschaftet finanzielle Mittel nicht zur Verfügung gestanden haben dürften (vgl. insoweit die folgenden Ausführungen unter Ziffer 2a). Hinsichtlich dieser Vorwürfe hat die Staatsanwaltschaft Hannover das Verfahren allerdings gem. § 154 StPO im Hinblick auf die zur Anklage gebrachten Vorwürfe eingestellt (vgl. Bl. 4 Band IV). Vor diesem Hintergrund kommt die von der Staatsanwaltschaft begehrte erweitere Einziehung im vorliegenden Verfahren jedenfalls derzeit nicht in Betracht, denn es handelt sich um konkretisierbare Straftaten, die nicht von der Anklageschrift umfasst sind und hinsichtlich derer die Voraussetzungen der vorrangig anwendbaren §§ 73, 73c StGB zu prüfen sind. Der Senat verkennt nicht, dass für die Anordnung des von der Staatsanwaltschaft begehrten Vermögensarrestes bereits der einfache Verdacht im Sinne von § 152 Abs. 2 StPO ausreichend ist; für eine etwaige, von der Staatsanwaltschaft beabsichtigte Wiederaufnahme der Ermittlungen bezüglich der von der Teil-Einstellung erfassten Taten ist jedoch nichts ersichtlich, so dass jedenfalls derzeit die spätere gerichtliche Einziehung des Wertes des Taterlangten nicht zu erwarten steht. Da – wie dargelegt – die erweitere Einziehung aufgrund deren Subsidiarität ausgeschlossen ist, war die Beschwerde der Staatsanwaltschaft insoweit als unbegründet zu verwerfen.
Der Senat hat bei alledem nicht übersehen, dass die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift auch die Einziehung des Wertes des Taterlangten in Höhe von 35.910 € aus den angeklagten Taten begehrt, so dass bereits auf dieser Grundlage die Anordnung eines – von der Staatsanwaltschaft allerdings nicht beantragten - Vermögensarrestes in Betracht käme. Der Senat sieht sich indes an der Anordnung eines hierauf basierenden Vermögensarrestes trotz des Umstandes, dass es nach Anklageerhebung nicht zwingend eines Antrages der Staatsanwaltschaft bedarf, schon deshalb gehindert, weil die diesbezügliche Entscheidung der erstinstanzlich zuständigen Jugendkammer vorbehalten ist. Diese hat insoweit allerdings (noch) keine Entscheidung getroffen, so dass eine Entscheidung des Senates als Beschwerdegericht, dessen Entscheidung durch den Angeklagten nicht anfechtbar ist, nicht veranlasst ist.
2. Soweit die Staatsanwaltschaft die beantragte Anordnung eines Vermögensarrests auf den etwaigen Erwerb eines Porsche Panamera zum Preis von 40.000 € durch den Angeklagten stützt, liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung eines Vermögensarrestes in Höhe von 40.000 € vor, so dass dieser von dem Senat als Beschwerdegericht gem. § 309 Abs. 2 StPO anzuordnen ist.
Aufgrund der Erkenntnisse aus der Telekommunikationsüberwachung (vgl. Bl. 18f., Bl. 28 ff. SH Mobilfunkauswertung Betley) besteht kein Zweifel daran, dass der Angeklagte den im April 2017 auf den gesondert Verfolgten S. zugelassenen Pkw zu einem Kaufpreis von mindestens 40.000 € erworben hat und Eigentümer des Fahrzeuges geworden ist. Nach Aktenlage sind zudem konkretisierbare Straftaten, aus denen der Angeklagte die finanziellen Mittel zum Kauf des Porsche erwirtschaftet haben könnte, nicht ersichtlich, so dass die Subsidiarität der erweiterten Einziehung der Anordnung des Vermögensarrestes nicht entgegensteht. Bei einer Gesamtbewertung der finanziellen Einkommensverhältnisse des Angeklagten und seines, hiermit nicht im Ansatz in Einklang zu bringenden Lebensstils, bestehen andererseits keine Gründe, die Anlass geben daran zu zweifeln, dass das zum Kauf des Pkw verwendete Geld aus (nicht konkret feststellbaren) rechtswidrigen Taten stammt.
a) Ausweislich des vom Angeklagten am 25. April 2018 ausgefüllten Vermögensverzeichnisses (vgl. Bl. 51 ff. SH A.) bezieht dieser grundsätzlich ein monatliches Arbeitslosengeld i.H.v. 836,00 Euro, wobei der Angeklagte seit März 2019 vom Jobcenter überhaupt keine Leistungen mehr erhält, weil er seit diesem Zeitpunkt für das Jobcenter weder telefonisch, noch postalisch noch persönlich erreichbar ist (vgl. Bl. 68 Band V der Hauptakten). Eine BaFin-Abfrage vom 28.03.2018 ergab, dass der Angeklagte im Zeitraum vom 01.01.2016 bis zum 29.03.2018 Inhaber eines einzigen Bankkontos (IBAN: XXX) bei der Commerzbank war, auf dem – abgesehen von zwei Überweisungen von insgesamt 1.036,13€ Arbeitslosengeld – praktisch keine nennenswerten Einnahmen des Angeklagten zu verzeichnen sind (vgl. Bl. 3ff. SH A.). Im Übrigen wurde selbst dieses Konto am 27. November 2018 aufgelöst (vgl. Bl. 80 Band V d. HA).
Diesen seit Jahren allenfalls geringfügigen Einkünften des Angeklagten steht nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis ein damit nicht in Einklang zu bringender Lebensstil des Angeklagten gegenüber. So verbrachte der Angeklagte im Januar 2018 z.B. ein Wochenende mit einem Bekannten im Hotel „Raddisson Blue“ in Düsseldorf, wobei er dort die Präsidenten-Suite zum Preis von 398,00€ inkl. 25,00 € Roomservice bewohnte (Bl. 94 SH Vermögensermittlungen I) und sich auf einem Foto mit ca. 3400 EUR Bargeld und einem vor ihm auf dem Tisch befindlichen weißen Pulver ablichten ließ (vgl. Bl. 57 Band III d. HA). Nach den Erkenntnissen aus der Telekommunikationsüberwachung sowie des ausgewerteten Mobiltelefons des Angeklagten erwarb der Angeklagte zudem – wie bereits dargelegt – im Jahr 2017 zwei Pkw`s für 77.000 € und plante im Januar 2018 den Kauf einer Immobilie für 100.000 € (vgl. Bl. 15 SH Mobilfunkauswertung Bentley). Zudem sollen dem Angeklagten am 30. September 2017 40.000 € entwendet worden sein, von denen er sich durch Bedrohung der Familie der Täterinnen 15.000 € Bargeld zurückgeholt haben soll (vgl. Bl. 95 SH Vermögensermittlungen Band I). Nach alledem besteht aufgrund konkreter Umstände die Überzeugung, dass der Angeklagte die finanziellen Mittel zum Erwerb des Porsche Panamera ausschließlich aus rechtswidrigen Taten erlangt haben kann.
b) Entgegen der Auffassung des Landgerichts Hannover besteht auch ein Bedürfnis, zur Sicherung der Vollstreckung der erweiterten Einziehung von Taterträgen einen Vermögensarrest anzuordnen.
Nach dem Willen des Gesetzgebers gelten hinsichtlich des nach § 111e Abs. 1 StPO erforderlichen Sicherungsgrundes die gleichen Anforderungen, wie nach der bisherigen Rechtslage mit der in § 111d Abs. 2 StPO aF enthaltenen Verweisung auf die Vorschrift des § 917 ZPO zum erforderlichen Arrestgrund (vgl. BT-Drs. 18/9525 S. 76 f). Demnach liegt ein Sicherungsgrund nur vor, wenn ohne die Anordnung des Vermögensarrestes die künftige Vollstreckung vereitelt oder wesentlich erschwert wäre. Hierbei sind alle Umstände zu würdigen, die für oder gegen die Vereitelung der Vollstreckung sprechen könnten. Diese können sich aus der Person des Beschuldigten, seinen Lebensumständen, seinem den Ermittlungen vor- und nachgelagerten Verhalten sowie aus der Art und Weise der Tatbegehung ergeben (vgl. BeckOK StPO/Huber, 34. Ed. 1.7.2019, StPO § 111e, Rn. 9; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 62. Auflage, § 111e, Rn. 6).
Vorliegend sind entsprechende Umstände, die gegen die Gefahr der Vereitelung oder wesentlichen Erschwerung einer etwaigen Vollstreckung sprechen könnten, nicht ersichtlich. Für die Gefahr einer Vereitelung oder wesentlichen Erschwerung einer etwaigen Vollstreckung spricht hingegen bereits die Art und Weise der Straftaten, derer der Angeklagte verdächtig ist. Zwar ist es unzulässig, das Sicherungsbedürfnis im Rahmen einer Arrestanordnung allein aus dem Verdacht abzuleiten, dass der Täter sich den rechtswidrigen Vorteil aus einer Straftat verschafft hat (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 12. Februar 2019 – 1 Ws 386/18 (1/19) -, juris). Allerdings können sich bereits aus der Art und dem Umfang oder der Intensität der kriminellen Schädigungshandlungen ausreichende Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Schuldner die Vollstreckung der zu titulierenden Forderung zu vereiteln suchen wird (KG Berlin, Beschluss vom 20. Dezember 2013 – 25 W 39/13 –, juris; vgl. OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 21. 1. 2005 - 3 Ws 42/05, NStZ-RR 2005, 111). Vorliegend ist der Angeklagte verdächtig, sich durch eine Vielzahl von schwerwiegenden Straftaten gegen das Betäubungsmittelgesetz erhebliche Vermögensvorteile verschafft zu haben, was schon für sich genommen jedenfalls als ein Indiz für ein Sicherungsbedürfnis zu werten ist (KK-StPO/Spillecke, 8. Aufl. 2019, StPO § 111e Rn. 7; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 26. Oktober 2018 – 2 Ws 183/18 -, juris; OLG Braunschweig (Strafsenat), Beschluss vom 05.05.2014 - 1 Ws 103/14-, juris).
Soweit das Landgericht ausführt, eine Verschleierung mit dem Ziel einer ernstlichen Behinderung eines möglichen staatlichen Zahlungsanspruches in Gestalt der Wertersatzeinziehung liege bereits deshalb nicht vor, weil die Käufe der beiden Fahrzeuge zeitlich vor den angeklagten Taten und vor Offenlegung der Ermittlungen am 22. März 2018 stattgefunden hätten, kann dem schon deshalb nicht gefolgt werden, weil – wie dargelegt – bei der Prüfung, ob ein Sicherungsbedürfnis i.S.v. § 111e StPO gegeben ist, auch das Vortatverhalten relevant ist (vgl. BeckOK StPO/Huber, aaO, Meyer-Goßner/Schmitt, aaO). Im Übrigen bleibt zu konstatieren, dass das Verhalten des Angeklagten sowohl vor, als auch nach der Durchsuchung vom 22. März 2018 und der damit verbundenen Offenlegung des gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens auf Verschleierung seiner Vermögenssituation angelegt ist, denn er verfügt über keinerlei relevante Konto-Verbindungen, sondern wickelt offenbar jeglichen Zahlungsverkehr mit Barmitteln ab. Die nach dem Ergebnis der Ermittlungen von ihm gekauften Fahrzeuge hat er weitgehend auf andere Personen zugelassen und auch die Versicherungen von anderen Personen abschließen lassen (vgl. Bl. 91f. SH Vermögensermittlungen Band I). Es entsteht der Eindruck, dass der Angeklagte alle Ausgaben, wo Personaldaten erforderlich sind, auf weitere Personen überträgt (vgl. Sachstandsbericht, Bl. 57 ff. SH A.). Die Vermögenslage des Angeklagten, der seit März 2019 offenbar in der Lage ist, ohne jegliche Erwerbstätigkeit und ohne den Bezug staatlicher Mittel seinen Lebensunterhalt zu finanzieren, kann nur als äußerst unklar bezeichnet werden, was regelmäßig ein weiteres Indiz für ein Sicherungsbedürfnis gem. § 111e StPO darstellt (vgl. OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 21. 1. 2005 - 3 Ws 42/05, NStZ-RR 2005, 111; OLG Frankfurt a.M. vom 23. 12. 1993 - 3 Ws 767/93, v. 9. 10. 1995
- 3 Ws 658/95 und v. 11. 7. 2000 - 3 Ws 723/00). Darüber hinaus ist in den Blick zu nehmen, dass der Angeklagte als pakistanischer Staatsangehöriger über entsprechende Auslandskontakte verfügen dürfte. Der Einwand der Jugendkammer, es fehle an einer unmittelbaren Verknüpfung zwischen den das Vermögen betreffenden möglichen Handlungen des Angeklagten und seiner Kenntnis von dem verfahrensgegenständlichen Ermittlungsverfahren, so dass eine Verschleierung mit dem Ziel einer ernstlichen Behinderung eines möglichen staatlichen Zahlungsanspruches in Gestalt der Wertersatzeinziehung nicht erkennbar sei, geht fehl. Bei der Bewertung der Frage, ob ohne die Anordnung des Vermögensarrestes die künftige Vollstreckung vereitelt oder wesentlich erschwert wäre, sind allein objektive Gesichtspunkte entscheidend; auf eine etwaige Vereitelungsabsicht des Angeklagten kommt es nicht an (Gercke in: Gercke/Julius/Temming/Zöller, Strafprozessordnung, 6. Aufl. 2019, § 111e Vermögensarrest zur Sicherung der Wertersatzeinziehung, Rn. 11; Hellerbrand wistra 2003, 203). Böswilliges oder auch nur rechtswidriges Verhalten des Angeklagten ist nicht erforderlich (Johann in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2014, § 111d alte Fassung, Rn. 20).
c) Der von der Staatsanwaltschaft begehrte Vermögensarrest ist in der in Betracht kommenden Höhe von 40.000 € schließlich auch verhältnismäßig. Die insoweit vorzunehmende Abwägung zwischen dem Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit und dem Grundrecht des Betroffenen aus Artikel 14 Abs. 1 GG führt zu einem eindeutigen Überwiegen des staatlichen Sicherungsbedürfnisses.
Soweit die Jugendkammer ausführt, im vorliegenden Fall würde durch vorläufige Sicherungsmaßnahmen in der von der Staatsanwaltschaft beantragten Höhe (nahezu) das gesamte Vermögen der Verfügungsbefugnis des Angeklagten entzogen, so dass eine gravierende Beeinträchtigung seiner wirtschaftlichen Handlungsfreiheit gegeben sei, entbehrt das Argument bereits deshalb der Grundlage, weil die Vermögenslage des Angeklagten – wie bereits dargestellt - derart undurchsichtig ist, dass es mehr als fraglich erscheint, ob durch die von der Staatsanwaltschaft begehrten vorläufigen Sicherungsmaßnahmen tatsächlich das gesamte Vermögen des Angeklagten seiner Verfügungsbefugnis entzogen würde. Die Kammer lässt bei der vorzunehmenden Abwägung zudem den gegen den Angeklagten bestehenden, ganz erheblichen Verdachtsgrad unerwähnt. Gem. § 111e Abs. 1 Satz 2 StPO soll der Vermögensarrest angeordnet werden, wenn dringende Gründe für die Annahme vorliegen, dass die Voraussetzungen der (erweiterten) Einziehung vorliegen. Dies ist vorliegend angesichts der bereits dargestellten Erwägungen der Fall. Mithin stellt die von der Staatsanwaltschaft begehrte Anordnung des Vermögensarrestes den gesetzlichen Regelfall dar. Der von der Jugendkammer zudem thematisierten Verfahrensverzögerung kommt bei der im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit vorzunehmenden Abwägung zudem schon deshalb keine entscheidende Bedeutung zu, weil der Angeklagte bislang eben gerade nicht durch die Anordnung von Vermögensarrest in seinen Grundrechten beeinträchtigt wurde.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 4 StPO.
Gegen diese Entscheidung ist keine Beschwerde gegeben (§ 304 Abs. 4 StPO).
Einsender: 2. Strafsenat des OLG Celle
Anmerkung:
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