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Entscheidungen

StPO

Führungsaufsicht, Ausschreibung zur Beobachtung, Voraussetzungen

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Saarbrücken, Beschl. v. 12.04.2024 – 1 Ws 42/24

Leitsatz des Gerichts:

1. Gegen die Anordnung des Leiters der Führungsaufsichtsstelle, den Verurteilten nach § 463a Abs. 2 StPO zur Beobachtung anlässlich von polizeilichen Kontrollen auszuschreiben, ist ein Antrag auf gerichtliche Bestätigung statthaft.
2. Über den Antrag hat das für die Durchführung der Führungsaufsicht verantwortliche Gericht zu entscheiden.
3. Eine Ausschreibung zur Beobachtung anlässlich von polizeilichen Kontrollen nach § 463a StPO ist nur zulässig, wenn sie geeignet und erforderlich ist, um gefährliche Entwicklungen des Verurteilten rechtzeitig zu erkennen und die Einhaltung der Weisungen des Führungsaufsichtsbeschlusses zu überwachen.
4. Eine Ausschreibung zur Beobachtung anlässlich von polizeilichen Kontrollen nach § 463a Abs. 2 StPO erlaubt keine Beobachtung, Registrierung oder Meldung von Kontakt- oder Begleitpersonen.


In pp.

1. Auf die Beschwerde der verurteilten Person vom 10. März 2024 werden
a) der Beschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 23. Februar 2024 und
b) die Anordnung der Leiterin der Führungsaufsichtsstelle beim Landgericht Landshut vom 21. Dezember 2023, die verurteilte Person zur Beobachtung anlässlich von polizeilichen Kontrollen, die die Feststellung der Personalien zulassen, auszuschreiben,
aufgehoben.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die in insoweit entstandenen notwendigen Auslagen der verurteilten Person trägt die Landeskasse.

Gründe

I.

Die verurteilte Person steht aufgrund Beschlusses des Landgerichts Saarbrücken vom 20. Juli 2023 (Az.: S IV StVK 920/22) unter Führungsaufsicht. Ihr ist die Weisung erteilt, während der Dauer der Führungsaufsicht Vorladungen der Aufsichtsstelle und ihres Bewährungshelfers Folge zu leisten, sich einmal im Monat persönlich am Dienstsitz des Bewährungshelfers einzufinden, sich im Fall der Erwerbslosigkeit binnen zwei Wochen nach Eintritt der Erwerbslosigkeit bei der zuständigen Agentur für Arbeit oder einer anderen zur Arbeitsvermittlung zugelassenen Stelle zu melden, die Aufsichtsstelle binnen einer Woche über jeden Wechsel ihrer Wohnung oder ihrer Arbeitsstelle zu unterrichten, dem Bewährungshelfer und dem Gericht binnen einer Woche jeden Wohnsitzwechsel mitzuteilen, mit Ausnahme ihrer eigenen leiblichen Kinder keinen Kontakt zu Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren aufzunehmen, ihnen keinen Zutritt zu Wohnungen und Aufenthaltsräumen der verurteilten Person zu gewähren, sie nicht zu beherbergen, zu beschäftigen und auszubilden und auch im Übrigen nicht mit ihnen zu verkehren und sich binnen einer Woche nach Rechtskraft des Führungsaufsichtsbeschlusses in der Psychotherapeutischen Fachambulanz für Gewalt- und Sexualstraftäter Landshut vorzustellen.

Mit Verfügung vom 21. Dezember 2023 ordnete die Leiterin der zuständigen Führungsaufsichtsstelle beim Landgericht Landshut nach § 463a Abs. 2 StPO an, die verurteilte Person zur Beobachtung anlässlich von polizeilichen Kontrollen auszuschreiben. Mit Schreiben vom 4. Januar 2024 hat die verurteilte Person gegen diese Verfügung „Widerspruch“ eingelegt. Daraufhin hat das Landgericht Saarbrücken die Anordnung der Leiterin der Führungsaufsichtsstelle beim Landgericht Landshut vom 21. Dezember 2023 durch Beschluss vom 23. Februar 2024 bestätigt. Gegen diese Entscheidung hat die verurteilte Person am 10. März 2024 „Widerspruch“ eingelegt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat das Rechtsmittel als Beschwerde ausgelegt und beantragt, diese als unbegründet zu verwerfen.

II.

1. Das als Beschwerde (§§ 304 ff. StPO) statthafte und daher entsprechend auszulegende (§ 300 StPO) Rechtsmittel der verurteilten Person ist begründet. Zwar war die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Saarbrücken als das für die Durchführung der Führungsaufsicht verantwortliche Gericht zur Entscheidung über die Anfechtung der Anordnung der Leiterin der Führungsaufsichtsstelle beim Landgericht Landshut nach § 463a Abs. 2 StPO zuständig (vgl. OLG München, Beschluss vom 23. Mai 2006 – 3 VAs 35/06 –, juris; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 30. April 2008 – 1 Ws 89/08 –, juris). Die Entscheidung des Landgerichts, die Anordnung der Leiterin der Führungsaufsichtsstelle beim Landgericht Landshut vom 21. Dezember 2023, die verurteilte Person zur polizeilichen Beobachtung auszuschreiben, zu bestätigen, war jedoch – ebenso wie die Anordnung selbst – deshalb aufzuheben, weil sich eine polizeiliche Ausschreibung nach § 463a Abs. 2 StPO vorliegend als unverhältnismäßig erweist.

a) Nach § 463a Abs. 2 Satz 1 und 3 StPO kann die Leiterin der Führungsaufsichtsstelle für die Dauer der Führungsaufsicht oder für eine kürzere Zeit anordnen, dass eine verurteilte Person zur Beobachtung anlässlich von polizeilichen Kontrollen, die die Feststellung der Personalien ermöglichen, ausgeschrieben wird.

b) Besondere Anordnungsvoraussetzungen sieht das Gesetz nicht vor. Wie jede staatliche Eingriffsmaßnahme muss die Anordnung jedoch verhältnismäßig (MüKo-StPO/Nestler, 1. Aufl., § 463a Rn. 16; SK-StPO/Paeffgen/Greco, 5. Aufl., § 463a Rn. 8), d.h. zum Erreichen des legitimen Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen (vgl. nur BVerfGE 109, 279, 335; 115, 320, 345; BVerfG NJW 2007, 2464, 2468) sein. Hieran fehlt es vorliegend.

(1) Die Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung nach § 463a Abs. 2 StPO dient der Erfüllung der Überwachungsaufgabe der Aufsichtsstelle und hat keine darüber hinausreichende Kontrollfunktion in Bezug auf die unter Führungsaufsicht gestellte Person (MüKo-StPO/Nestler, § 463a Rn. 16; BT-Drs. 12/989, S. 45). Nach § 68a Abs. 3 StGB überwacht die Aufsichtsstelle das Verhalten der verurteilten Person und die Erfüllung der Weisungen des Führungsaufsichtsbeschlusses. Zweck der Überwachung des Verhaltens der verurteilten Person ist es, gefährliche Entwicklungen rechtzeitig festzustellen und erforderlichenfalls für Abhilfe zu sorgen, namentlich dem Gericht Grundlagen für notwendige Änderungen seiner Anordnungen zu liefern (Schönke/Schröder/Kinzig, StGB, 30. Aufl., § 68a Rn. 5).

(2) Bei einer Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung erfolgt keine zielgerichtete Beobachtung der ausgeschriebenen Person. Es werden lediglich Zufallserkenntnisse, etwa im Rahmen von unabhängig von der polizeilichen Beobachtung stattfindenden polizeilichen Kontrollen, bei der ausschreibenden Stelle zusammengeführt, um insbesondere verwendete Reiserouten sowie andere Zusammenhänge und Querverbindungen nachvollziehen zu können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Dezember 2022 – 1 BvR 1345/21 –, juris, Rn. 174 f. zu § 35 Abs. 1 SOG MV; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 12. Januar 2023 – 10 C 22.113 –, juris zu Art. 36 PAG). Ziel ist die Ermittlung des jeweiligen Aufenthaltsortes der ausgeschriebenen Person und nach Möglichkeit die Erstellung eines Bewegungsprofils (vgl. BVerfG a.a.O.).

(3) Die Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung nach § 463 Abs. 2 StPO ermöglicht insbesondere die Kontrolle der Einhaltung einer Weisung nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB, mit der der verurteilten Person aufgegeben wird, den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich ohne Erlaubnis der Aufsichtsstelle nicht zu verlassen. Sie mag auch ein geeignetes Kontrollinstrument sein, wenn der Verurteilte sich nicht an bestimmten Orten aufhalten darf, die ihm Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können (§ 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB). Entsprechende Weisungen sind der verurteilten Person jedoch nicht erteilt. Entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft vermag daher die – erlaubte – Reisetätigkeit der verurteilten Person eine Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung nicht zu tragen.

(4) Als ungeeignet erweist sich die Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung zur Kontrolle der Einhaltung der der verurteilten Person erteilten Weisungen, während der Dauer der Führungsaufsicht Vorladungen der Aufsichtsstelle und ihres Bewährungshelfers Folge zu leisten, sich einmal im Monat persönlich am Dienstsitz des Bewährungshelfers einzufinden, sich im Fall einer Erwerbslosigkeit binnen zwei Wochen nach Eintritt der Erwerbslosigkeit bei der zuständigen Agentur für Arbeit oder einer anderen zur Arbeitsvermittlung zugelassenen Stelle zu melden und sich binnen einer Woche nach Rechtskraft des Führungsaufsichtsbeschlusses in der Psychotherapeutischen Fachambulanz für Gewalt- und Sexualstraftäter Landshut vorzustellen.

(5) Dasselbe gilt hinsichtlich der Weisung, mit Ausnahme ihrer eigenen leiblichen Kinder keinen Kontakt mit Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren aufnehmen, ihnen keinen Zutritt zu Wohnungen und Aufenthaltsräumen der verurteilten Person zu gewähren, sie nicht zu beherbergen, zu beschäftigen und auszubilden und auch im Übrigen nicht mit ihnen zu verkehren. Eine Beobachtung, Registrierung oder Meldung von Kontakt- oder Begleitpersonen erlaubt eine Ausschreibung nach § 463a Abs. 2 StPO nämlich nicht (Löwe-Rosenberg/Graalmann-Scheerer, StPO, 27. Aufl., § 463a Rn. 10; KK-StPO/Appl, 9. Aufl., § 463a Rn. 5a; vgl. auch BT-Drs. 12/989, S. 45). Die Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung ist daher auch nicht geeignet, ganz allgemein gefährliche Entwicklungen im Verhalten der verurteilten Person festzustellen.

(6) Ob eine Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung zur Kontrolle der Einhaltung der Weisung, jeden Wechsel der Wohnung oder der Arbeitsstelle binnen einer Woche mitzuteilen, geeignet ist, kann dahinstehen, da sie hierfür jedenfalls nicht erforderlich ist. Insoweit stehen der Führungsaufsichtsstelle nämlich mit der Möglichkeit regelmäßiger Anfragen beim Einwohnermeldeamt sowie beim Arbeitgeber der verurteilten Person auf der Rechtsgrundlage des § 463a Abs. 1 Satz 1 StPO mildere Kontrollmittel zur Verfügung.

Da sich die Ausschreibung der verurteilten Person zur polizeilichen Beobachtung damit als unverhältnismäßig erweist, waren sowohl die Verfügung der Führungsaufsichtsstelle beim Landgericht Landshut vom 21. Dezember 2023 als auch der diese bestätigende Beschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 23. Februar 2024 aufzuheben.

2. Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO.


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