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Entscheidungen

StGB/Nebengebiete

gewerbsmäßiger Betrug, Straftatbestand, Zumessungsregel

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Hamm, Beschl. v. 02.04.2024 – 3 ORs 18/24

Leitsatz des Gerichts:

Bei § 263 Abs. 3 Nr. 1 StGB handelt es sich um keinen selbstständigen Straftatbestand, sondern um eine gesetzliche Strafzumessungsregel. Ist die Gewerbsmäßigkeit der Tat als Regelbeispiel für einen Straferschwerungsgrund ausgestaltet, so ist sie allein für die Strafzumessung relevant. Im Falle einer Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch oder Strafausspruch muss das Berufungsgericht daher selbständig eigene Feststellungen zur Gewerbsmäßigkeit treffen.


In pp.

Das angefochtene Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 14.12.2023 wird im Strafausspruch mit den insoweit zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bielefeld zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht - Schöffengericht - Herford hat den Angeklagten mit Urteil vom 18.08.2023 wegen "gewerbsmäßigen Betruges" in 56 Fällen und wegen "gewerbsmäßigen Computerbetruges" in 3 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Seine frist- und formgerecht eingelegte Berufung hat der Angeklagte später auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt.

Das Landgericht Bielefeld hat daraufhin mit dem hier angefochtenen Urteil die Berufung des Angeklagten mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass in der Urteilsformel vor "Betruges" und vor "Computerbetruges" jeweils der Zusatz "gewerbsmäßigen" entfällt.

Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts, insbesondere die aus seiner Sicht zu hohe Strafe sowie eine unzureichende Binnendifferenzierung hinsichtlich der einzelnen Strafhöhen.

Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat in ihrer Stellungnahme vom 06.03.2024 beantragt, die Revision als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

II.

Die zulässige Revision hat in der Sache teilweise Erfolg und führt auf die Sachrüge hin in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang gemäß §§ 349 Abs. 4, 354 Abs. 2 StPO zur teilweisen Aufhebung des landgerichtlichen Urteils und Zurückverweisung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bielefeld. Der Strafausspruch hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

Das Landgericht hat seiner Zumessung "für jede der Taten" (UA 8) den Strafrahmen des § 263 Abs. 3 StGB zugrunde gelegt, ohne eigene Feststellungen zur Frage der angenommenen Gewerbsmäßigkeit (§ 263 Abs. 3 Nr. 1 StGB) getroffen zu haben.

Von eigenen Feststellungen zur Gewerbsmäßigkeit der Tatbegehung war die Strafkammer trotz wirksamer Teilrücknahme der Berufung nicht befreit. Eine innerprozessuale Bindung an die entsprechenden Feststellungen des Amtsgerichts bestand nicht. Umfasst von der Bindungswirkung der mit einer wirksamen Berufungsbeschränkung eintretenden horizontalen Teilrechtskraft sind in erster Linie die Tatsachen, in denen Tatbestandsmerkmale zu finden sind, darüber hinaus die weitergehenden Feststellungen zum Tatgeschehen im Sinne des geschichtlichen Vorgangs und die Tatsachen, aus denen der Beweis abgeleitet wird (Senat, Beschluss vom 20.01.2020, III-3 RVs 59/19 - juris).

Bei § 263 Abs. 3 StGB handelt es sich um keinen selbstständigen Straftatbestand, sondern um eine gesetzliche Strafzumessungsregel (Fischer, StGB, 71. Auflage 2024, § 263, Rn. 209). Ist die Gewerbsmäßigkeit der Tat als Regelbeispiel für einen Straferschwerungsgrund ausgestaltet, so ist sie allein für die Strafzumessung relevant. Es handelt sich weder um einen Umstand, der den Schuldspruch trägt, noch - zumindest im vorliegenden Fall - um einen doppelrelevanten Umstand, der Schuld- und Strafausspruch gleichermaßen berührt. Für die Frage, wann Schuldspruch und Strafzumessung so miteinander verknüpft sind, dass ein die Strafbarkeit erhöhender oder mindernder Umstand eine doppelrelevante Tatsache darstellt, kommt es neben der besonderen Lage des Einzelfalls auf die Trennbarkeit von den bindenden Feststellungen an. Ist es möglich, einen Umstand aus den Urteilsgründen herauszulösen und insoweit abweichende Feststellungen zu treffen, ohne die innere Einheit der Urteilsgründe in Frage zu stellen, handelt es sich in der Regel nicht um eine doppelrelevante Tatsache (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Juni 2017 - 1 StR 458/16 - juris Rn. 14 ff. zu § 95 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 lit. b AMG a.F.).

Die Feststellungen zur Gewerbsmäßigkeit sind regelmäßig vom Schuldspruch widerspruchsfrei abtrennbar. Die gewerbsmäßige Begehung hat auf das eigentliche Tatbild, wie es für den Schuldspruch maßgeblich ist, keinen Einfluss und ist für die Tatausführung auch nicht von entscheidender Prägung, so dass die innere Einheit der Urteilsgründe nicht gefährdet wird, wenn das Berufungsgericht hierzu eigene Feststellungen trifft. Wenngleich es sich bei der Gewerbsmäßigkeit auch um eine Handlungsmotivation handelt, reicht diese über die konkrete Tat hinaus; der besondere Unrechtsgehalt liegt gerade in der auf die Begehung weiterer Taten gerichteten Planung. Die die gewerbsmäßige Begehung begründenden Umstände können daher in der Regel hinzu- oder hinweggedacht werden, ohne dass der für den Schuldspruch tragende Geschehensablauf hiervon berührt würde (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 06. November 2019 - 1 Rv 21 Ss 784/19 -; OLG Bamberg, Beschluss vom 6. März 2018 - 3 OLG 130 Ss 19/18 -; beide zitiert nach juris). Daran gemessen ist hier schon vor dem Hintergrund der diesbezüglich isolierten Feststellungen zum gewerbsmäßigen Handeln des Angeklagten in der amtsgerichtlichen Entscheidung (dort UA7, Bl. 574 d. A.) eine Trennbarkeit unproblematisch gegeben.

Standen die vom Amtsgericht zum gewerbsmäßigen Vorgehen des Angeklagten getroffenen Feststellungen trotz der von dem Angeklagten erklärten Teilrücknahme seines Rechtsmittels bzw. Beschränkung auf die Rechtsfolgenentscheidung somit nicht bindend fest, hatte die Strafkammer insoweit eigene Feststellungen zu treffen.

Dies hat sie hier unterlassen und im Gegenteil zum Ausdruck gebracht, dass sie sich "infolge der Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch an die vom Amtsgericht festgestellten tatsächlichen Voraussetzungen des Regelbeispiels eines besonders schweren Falles in Form der gewerbsmäßigen Begehung für jede der Taten gebunden" betrachte.

Es kommt danach nicht mehr entscheidend darauf an, dass auch der zu Lasten des Angeklagten berücksichtigte Umstand, er habe "planmäßig das Überführungsrisiko" vermindert, schon nicht von den zugrundeliegenden Feststellungen belegt wird. Darüber hinaus lässt auch die Formulierung, der Angeklagte habe "zugleich eine Schadenswiedergutmachung verhindert" besorgen, dass die Kammer insoweit das Fehlen eines Strafmilderungsgrundes rechtsfehlerhaft strafschärfend gewürdigt haben könnte.

2. Damit kann auch die gebildete Gesamtstrafe keinen Bestand haben.

3. Die weitergehende Revision ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Die Anordnung der Einziehung von Wertersatz auf der Grundlage der insoweit bindenden Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils begegnet keinen durchgreifenden Bedenken.


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