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Entscheidungen

StGB/Nebengebiete

Betrugsmasche "falsche Polizeibeamte bzw. Bankmitarbeiter", Versuch, Rücktritt vom Versuch

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Bremen, Beschl. v. 19.03.2024 - 1 Ws 28/24

Eigener Leitsatz:

1. Bei der Betrugsmasche "falsche Polizeibeamte bzw. Bankmitarbeiter" liegt ein unmittelbares Ansetzen zum Betrug im Rahmen der telefonischen Kontaktaufnahme nicht erst dann vor, wenn der Täter den angerufenen Geschädigten tatsächlich zur Vornahme der angestrebten Vermögensverfügung auffordert, sondern bereits bei vorangegangenen Täuschungen im Rahmen desselben Telefonats, die ohne weitere wesentliche Zwischenschritte in die angestrebte Vermögensverschiebung münden sollten.
2. Bei der Betrugsmasche "falsche Polizeibeamte bzw. Bankmitarbeiter" kann der Täter nicht mehr strafbefreiend vom Versuch zurücktreten, wenn im Rahmen der telefonischen Kontaktaufnahme mit dem Geschädigten dieser auf die telefonische Betrugsmasche nicht eingeht und damit der Versuch fehlgeschlagen ist und die Erzielung des angestrebten Taterfolgs nicht ohne eine zeitliche Zäsur im unmittelbaren Handlungsfortgang für möglich zu halten gewesen wäre.


In pp.

1. Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Bremen vom 27.02.2024 wird der Beschluss der Strafkammer 3 des Landgerichts Bremen vom 16.02.2024 – 3 KLs 350 Js 69580/22 (1/24) – aufgehoben, soweit die Eröffnung des Hauptverfahrens hinsichtlich der Tatvorwürfe zu Ziff. 1., 9., 11. bis 13., 15., 16. und 28. der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Bremen vom 17.01.2024 abgelehnt wurde.
2. Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Bremen vom 17.01.2024 wird auch hinsichtlich der Tatvorwürfe zu Ziff. 1., 9., 11. bis 13., 15. und 16. zur Hauptverhandlung zugelassen, hinsichtlich des Tatvorwurfs zu Ziff. 28 wird die Anklageschrift mit der Maßgabe zur Hauptverhandlung zugelassen, dass die vorgeworfene Tat dem Angeklagten A. als Amtsanmaßung gemäß § 132 StGB zur Last gelegt wird und den Angeklagten B. sowie D. als Beihilfe hierzu gemäß § 132, 27 StGB. Das Hauptverfahren wird auch im Umfang dieser weitergehenden Zulassung der Anklage eröffnet und die Hauptverhandlung vor dem Landgericht Bremen, Strafkammer 3, findet in der Besetzung mit drei Berufsrichtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen statt.
3. Im Übrigen wird die weitergehende sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Bremen vom 27.02.2024 als unbegründet zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Staatsanwaltschaft Bremen wendet sich gegen die Teilablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens gegen die Angeklagten bzgl. der Tatvorwürfe zu Ziff. 1., 9., 11. bis 13., 15., 16., 24. und 28. der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Bremen vom 17.01.2024.
Gegenstand der Anklage sind insgesamt 28 Tatvorwürfe der Betrugsmaschen "falscher Bankmitarbeiter" und "falscher Polizeibeamter", die den Angeschuldigten in wechselnder Beteiligung zur Last gelegt werden. Dem Angeschuldigten A. legt die Staatsanwaltschaft die Begehung eines besonders schweren Falles des gemeinschaftlichen versuchten Betruges in 21 Fällen (Tatvorwürfe zu Ziff. 1. bis 16. und 24. bis 28.), davon in fünf Fällen (Tatvorwürfe zu Ziff. 6. und 25. bis 28.) in Tateinheit mit Amtsanmaßung, sowie eines besonders schweren Falles des gemeinschaftlichen Betruges (Tatvorwurf zu Ziff. 3.) zur Last, dem Angeschuldigten B. die Begehung eines besonders schweren Falles des gemeinschaftlichen versuchten Betruges in sechs Fällen (Tatvorwürfe zu Ziff. 1., 2., 8., 9., 27. und 28.), davon in zwei Fällen (Tatvorwürfe zu Ziff. 27. und 28.) in Tateinheit mit Beihilfe zur Amtsanmaßung, dem Angeschuldigten C. die Begehung eines besonders schweren Falles des gemeinschaftlichen versuchten Betruges in zehn Fällen (Tatvorwürfe zu Ziff. 4. bis 7., 10., 12., 14., 16., 25. und 26.), davon in drei Fällen (Tatvorwürfe zu Ziff. 6., 25. und 26.) in Tateinheit mit Beihilfe zur Amtsanmaßung, sowie eines besonders schweren Falles des gemeinschaftlichen Betruges (Tatvorwurf zu Ziff. 3.), dem Angeschuldigten D. die Begehung eines besonders schweren Falles des gemeinschaftlichen versuchten Betruges in elf Fällen (Tatvorwürfe zu Ziff. 1., 2., 4., 8., 9., 11., 13., 15., 24., 27. und 28.), davon in zwei Fällen (Tatvorwürfe zu Ziff. 27. und 28.) in Tateinheit mit Beihilfe zur Amtsanmaßung, sowie eines besonders schweren Falles des gemeinschaftlichen Betruges (Tatvorwurf zu Ziff. 3.) und dem Angeschuldigten E. die Begehung eines besonders schweren Falles des gemeinschaftlichen versuchten Betruges in sieben Fällen (Tatvorwürfe zu Ziff. 6., 7., 10., 14., 16. 25. und 26.), davon in fünf Fällen (Tatvorwürfe zu Ziff. 6., 7., 10., 25. und 26.) in Tateinheit mit Beihilfe zur Amtsanmaßung.

Mit Beschluss vom 16.02.2024 hat die Strafkammer 3 des Landgerichts Bremen die Anklage der Staatsanwaltschaft Bremen vom 17.01.2024 hinsichtlich der Tatvorwürfe zu Ziff. 2. bis 8., 10. und 14. unverändert sowie hinsichtlich der Tatvorwürfe zu Ziff. 17. bis 23. und 25. bis 27. abweichend zur Hauptverhandlung zugelassen und insoweit das Hauptverfahren eröffnet. Hinsichtlich der weiteren Tatvorwürfe zu Ziff. 1., 9., 11. bis 13., 15., 16., 24. und 28. hat die Kammer die Eröffnung des Hauptverfahrens aus rechtlichen Gründen abgelehnt, da hinsichtlich dieser als besonders schwere Fälle des gemeinschaftlichen versuchten Betruges angeklagter Taten nach Auffassung der Kammer der in der Anklageschrift dargelegte Sachverhalt noch nicht das Vorliegen der Voraussetzungen eines unmittelbaren Ansetzens der jeweiligen Angeklagten zur Verwirklichung des Tatbestandes erkennen lasse, so dass insoweit eine Versuchsstrafbarkeit nach § 22 StGB nicht begründet sei. Soweit im Fall des Tatvorwurfs zu Ziff. 28. zudem den Angeklagten eine Amtsanmaßung bzw. eine Beihilfe hierzu zur Last gelegt wurde, sei die vorgeworfene Handlung nicht als eine Tätigkeit zu bewerten, die den Anschein einer Amtstätigkeit erweckt habe, so dass eine Strafbarkeit nach § 132 StGB, § 27 StGB nicht begründet sei.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Staatsanwaltschaft Bremen mit ihrer sofortigen Beschwerde, soweit darin die Eröffnung des Hauptverfahrens hinsichtlich der Tatvorwürfe zu Ziff. 1., 9., 11. bis 13., 15., 16., 24. und 28. abgelehnt wurde.

Die Generalstaatsanwaltschaft Bremen hat am 06.03.2024 Stellung genommen und beantragt, den angefochtenen Beschluss in Bezug auf die Teilablehnung aufzuheben, die Anklage der Staatsanwaltschaft Bremen vom 17.01.2024 auch hinsichtlich der Taten zu Ziff. 1., 9., 11. bis 13., 15., 16. und 28. zur Hauptverhandlung zuzulassen, dabei hinsichtlich des Tatvorwurfs zu Ziff. 28. unter geänderter rechtlicher Bewertung, und die weitergehende sofortige Beschwerde zu verwerfen.

Die Angeklagten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme; die Verteidiger der Angeklagten B. und E. haben mit Schriftsätzen vom 15.03.2024 zum Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Stellung genommen.

II.

Die sofortige Beschwerde gegen die Teilablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens ist statthaft (§ 210 Abs. 2 StPO) sowie form- und fristgerecht eingelegt (§§ 306 Abs. 1, 311 Abs. 2 StPO) und damit zulässig. Sie ist auch begründet und führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Eröffnung des Hauptverfahrens und zur Zulassung der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Bremen vom 17.01.2024 zur Hauptverhandlung auch hinsichtlich der Tatvorwürfe zu Ziff. 1., 9., 11. bis 13., 15. und 16., hinsichtlich des Tatvorwurfs zu Ziff. 28. mit abweichender rechtlicher Bewertung lediglich als Amtsanmaßung bzw. Beihilfe. Die weitergehende sofortige Beschwerde (hinsichtlich der Nichteröffnung wegen des Tatvorwurfs zu Ziff. 24.) ist dagegen nicht begründet.

1. Nach § 203 StPO beschließt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig ist. Einer Straftat im Sinne des § 203 StPO hinreichend verdächtig ist ein Angeschuldigter, wenn bei vorläufiger Tatbewertung nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens unter Berücksichtigung des gesamten Akteninhalts eine Verurteilung des Beschuldigten hinsichtlich der objektiven und subjektiven Tatseite mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (siehe BGH, Beschluss vom 19.01.2010 – StB 27/09, juris Rn. 33, BGHSt 54, 275; Beschluss vom 23.08.2023 – StB 51/23, juris Rn. 7, JA 2023, 957; siehe auch die Rspr. des Senats, zuletzt u.a. Hanseatisches OLG in Bremen, Beschluss vom 08.09.2017 – 1 Ws 98/17, juris Rn. 8, StV 2018, 480 (Ls.)).

2. Nach diesen Maßstäben besteht vorliegend gegen die Angeklagten auch hinsichtlich der Tatvorwürfe zu Ziff. 1., 9., 11. bis 13., 15. und 16. ein hinreichender Tatverdacht im Sinne der Anklageschrift; insbesondere lässt der in der Anklageschrift dargelegte Sachverhalt jeweils auch das Vorliegen der Voraussetzungen eines unmittelbaren Ansetzens der betreffenden Angeklagten zur Verwirklichung des Tatbestandes im Sinne des § 22 StGB erkennen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gilt zur Abgrenzung von Vorbereitungshandlungen zum strafbaren Versuch folgendes (siehe zuletzt BGH, Beschluss vom 04.05.2022 – 1 StR 3/21, juris Rn. 42 f., BGHSt 67, 55):

"Nach den allgemeinen Grundsätzen zur Abgrenzung von Vorbereitungshandlungen zum strafbaren Versuch liegt ein unmittelbares Ansetzen bei solchen Handlungen vor, die nach der Vorstellung des Täters in ungestörtem Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen oder mit ihr in einem unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen. Dies ist der Fall, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum "Jetzt geht es los" überschreitet, es eines weiteren Willensimpulses nicht mehr bedarf und er objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt, so dass sein Tun ohne Zwischenakte in die Erfüllung des Tatbestandes übergeht, wobei auf die strukturellen Besonderheiten der jeweiligen Tatbestände Bedacht zu nehmen ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 11. August 2011 - 2 StR 91/11 Rn. 8).

Zwar genügt es regelmäßig zur Überschreitung der für den Versuchsbeginn maßgeblichen Schwelle, wenn ein Täter bereits ein Merkmal des gesetzlichen Tatbestandes verwirklicht hat (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 20. September 2016 - 2 StR 43/16 Rn. 4). Dies gilt allerdings nicht ohne Ausnahme. Handelt es sich bei einem Betrug um ein mehraktiges Geschehen, so ist erst diejenige Täuschungshandlung maßgeblich, die den Getäuschten unmittelbar zur irrtumsbedingten Vermögensverfügung bestimmen und den Vermögensschaden herbeiführen soll; entscheidend ist, ob die Täuschung ohne weitere wesentliche Zwischenschritte in die angestrebte Vermögensverschiebung mündet oder diese nur vorbereitet (vgl. BGH, Urteil vom 9. Mai 2017 - 1 StR 265/16 Rn. 95; Beschluss vom 12. Januar 2011 - 1 StR 540/10 Rn. 7)."

Der in der Anklageschrift zu den Tatvorwürfen zu Ziff. 1., 9., 11. bis 13., 15. und 16 dargelegte Sachverhalt ist jeweils in diesem Sinne als Vornahme einer solchen Täuschungshandlung zu bewerten, die nicht lediglich die spätere Vermögensverfügung vorbereitet, sondern unmittelbar ohne weitere wesentliche Zwischenschritte in die angestrebte Vermögensverschiebung münden sollte. Es kann hierzu auf die Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft Bremen in ihrer Stellungnahme vom 06.03.2024 Bezug genommen werden:

"Den Tatvorwürfen, hinsichtlich derer das Landgericht die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt hat, ist gemeinsam, dass die Angeschuldigten A. (Tatvorwürfe zu Ziff. 1., 11. bis 13., 15. und 24.), B. (Tatvorwürfe zu Ziff. 9. und 28.), bzw. C. (Tatvorwurf zu Ziff. 16.) telefonisch Kontakt zu Geschädigten aufnahmen, sich als Bankmitarbeiter ausgaben und vorgaben, es seien Auslandsüberweisungen von den Konten der Geschädigten erfolgt, wobei sie teilweise in Aussicht stellten, die Überweisungen rückgängig zu machen. Jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt handelte es sich noch um straflose Vorbereitungshandlungen, um das Vertrauen der Geschädigten zu gewinnen.

In der Folge gaben die Angeschuldigten gegenüber den Geschädigten - mit Ausnahme der Tatvorwürfe zu Ziff. 24. und 28. - jeweils vor, dass eine Auszahlung von Falschgeld durch eine Bankmitarbeiterin bzw. einen Bankmitarbeiter erfolgt sei und die Möglichkeit bestehe, dass die Geschädigten im Besitz von Falschgeld seien. Teilweise gaben die Anrufer weiter an, dass das Falschgeld von der Bank umgetauscht werden müsse bzw. könne (Tatvorwürfe zu Ziff. 9., 11. bis 13. und 16.). Die Geschädigten wurden in diesen Fällen jeweils aufgefordert, die Seriennummern der in ihrem Besitz befindlichen Geldscheine durchzugeben, damit überprüft werden könne, ob es sich dabei um Falschgeld handele. Zwar wurde den Geschädigten nur in einem Teil der Fälle (Tatvorwürfe zu Ziff. 9., 11. bis 13., und 16.) mitgeteilt, dass sie im Besitz von Falschgeld seien, und es kam in allen Fällen, auf die sich die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft bezieht, (noch) nicht zu konkreten Aufforderungen zur Herausgabe von Geld oder anderen Wertgegenständen. In der Gesamtschau mit den Tatvorwürfen, hinsichtlich derer das Landgericht das Hauptverfahren eröffnet hat, kann jedoch kein Zweifel daran bestehen, dass es bei ungehindertem Fortgang zu entsprechenden Aufforderungen durch die Angeschuldigten gekommen wäre, wenn nicht die Geschädigten jeweils misstrauisch geworden wären und die Telefonate beendet hätten. Insbesondere kann ausgeschlossen werden, dass die Angeschuldigten etwa nach Nennung einer Seriennummer erwidert hätten, dass es sich bei dem betreffenden Geldschein um echtes Geld handele, oder dass der weitere Geschehensablauf sonst von den Geschädigten hätte beeinflusst werden können, wenn diese nicht misstrauisch geworden wären. Bereits in der Behauptung, die Geschädigten könnten im Besitz von Falschgeld sein, liegt daher jeweils die Täuschung, die die Geschädigten unmittelbar zu einer irrtumsbedingten Vermögensverfügung bestimmen und den Vermögensschaden herbeiführen sollte. Die Angeschuldigten haben daher in den Fällen 1., 9., 11. bis 13., 15. und 16. der Anklage jeweils unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt."

Diesen Ausführungen tritt der Senat bei. Die Erwägungen des Landgerichts, wonach ein unmittelbares Ansetzen zum Betrug nur in solchen Fällen zu erkennen sei, in denen die angerufenen Personen unter fortdauernder Täuschung über die Identität des Anrufers und der dargestellten Sachverhalte auch tatsächlich dazu aufgefordert worden seien, die angestrebte Vermögensverfügung vorzunehmen, also Bargeld und/oder werthaltige Gegenstände herauszugeben oder zur Abholung bereit zu stellen, fassen den Bereich der Versuchsstrafbarkeit zu eng. Auch aus der zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergibt sich nichts anderes, zumal die vorliegende Konstellation sich von den dort zu entscheidenden mehraktigen Geschehen maßgeblich dadurch entscheidet, dass – während dort separate Täuschungshandlungen zu verschiedenen Zeitpunkten erfolgten bzw. erfolgen sollten – vorliegend die die Geschädigten zu schädigenden Vermögensverfügungen bestimmenden Täuschungen im Rahmen jeweils einer zusammenhängenden telefonischen Kommunikation an einem einzigen Tag erfolgen sollten.

Jeweils konnten die Angeklagten in den Fällen der Tatvorwürfe zu Ziff. 1., 9., 11. bis 13., 15. und 16 auch nicht strafbefreiend vom Versuch des gemeinschaftlichen (besonders schweren Falls des) Betruges zurücktreten, weil dieser jeweils fehlgeschlagen war. Auch hierzu kann auf die Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft Bremen in ihrer Stellungnahme vom 06.03.2024 Bezug genommen werden:

"Der Versuch ist fehlgeschlagen, wenn der Täter zu der Annahme gelangt, er könne die Tat nicht mehr ohne zeitliche Zäsur und ohne Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs mit den bereits eingesetzten oder anderen bereitliegenden Mitteln vollenden (MüKoStGB/Hoffmann-Holland, 4. Aufl. 2020, § 24 Rn. 56).

In den Fällen 1., 9., 11., 12., 13., 15. und 16. der Anklage wurden die Telefonate jeweils von den Geschädigten beendet. Die im Rahmen der, Innenraumüberwachung aufgezeichneten Gespräche zwischen den jeweils anwesenden Angeschuldigten lassen den Schluss. zu, dass diese nicht mehr davon ausgingen, die Taten trotzdem noch vollenden zu können:

Im Fall 1. antwortete die Geschädigte F. auf die Frage des Angeschuldigten A., was für Geldscheine sie zu Hause habe, "Das geht sie einen Dreck an" und legte auf, woraufhin der Angeschuldigte A. lachte, die Antwort der Geschädigten F. wiederholte und äußerte: "Die war cool drauf". Nur wenige Sekunden später wählte der Angeschuldigte A. die Telefonnummer eines weiteren Tatopfers, die ihm der Angeschuldigte B. mitgeteilt hatte (14 FA 1). Offenbar war den Angeschuldigten A., B. und D. klar, dass eine Vollendung der Tat zum Nachteil der Geschädigten F. nicht mehr möglich war.

Im Fall 9. beendete der Geschädigte G. das Telefonat, nachdem er kurz zuvor geäußert hatte, der Anruf komme ihm "ein bissel komisch" vor (11 f. FA 12). Auch in diesem Fall wandte sich der Anrufer, der Angeschuldigte B., unmittelbar danach dem nächsten potentiellen Tatopfer zu, da eine weitere Kontaktaufnahme mit dem Geschädigten G. offensichtlich keinen Erfolg versprach.

Im Fall 11. beendete die Geschädigte H. das Telefonat; als letztes von ihr gesprochenes Wort ist das Wort "Enkel" protokolliert. Sodann sagte der Angeschuldigte A. zu dem Angeschuldigten D.: "Ihr Enkel war da" (25 f. FA 15). Der Enkel der Geschädigten H., der Zeuge I., hat in seiner polizeilichen Vernehmung bestätigt, dass die Geschädigte H. zu dem Anrufer gesagt habe, dass ihr Enkel da sei, und ihm das Telefon gegeben habe, woraufhin er ins Telefon gerufen und aufgelegt habe (33 FA 15). Für die Angeschuldigten A. und D. war damit klar, dass der Betrugsversuch zum Nachteil der Geschädigten H. gescheitert war.

Im Fall 12. beendete der Geschädigte J. das Telefonat, was der Angeschuldigte C. mit den Worten "Was für eine große Qual" quittierte. Aus dem weiteren Gesprächsverlauf zwischen den Angeschuldigten C. und A. ergibt sich, dass der Geschädigte J. den Angeschuldigten A. nicht verstanden hat (25 FA 16). Auch in diesem Fall erübrigte sich damit aus ihrer Sicht ein weiterer Anruf bei dem Geschädigten J..

Im Fall 13. beendete der Geschädigte K. das Telefonat, nachdem er offenbar misstrauisch geworden war und der Angeschuldigte A. ihn aufgefordert hatte, die Polizei anzurufen (17 FA 17). Der Äußerung des Angeschuldigten A. gegenüber dem Angeschuldigten D., "Was soll ich von ihm nehmen, Bruder? Der hatte tausend Euro zu Hause. Was soll ich tausend Euro nehmen, da krieg ich 500,00 Euro von", ist außerdem zu entnehmen, dass eine Tatvollendung den Angeschuldigten ohnehin nicht lohnend erschien.

Im Fall 15. beendete der Geschädigte L. das Telefonat. Der Angeschuldigte A. äußerte daraufhin zu dem Angeschuldigten D.: "Wallah, der hat (...) einfach aufgelegt. Ah scheiß drauf" (27 FA 20). Auch in diesem Fall war der Betrugsversuch aus Sicht der Angeschuldigten offensichtlich gescheitert.

Im Fall 16. beendete der Geschädigte M. das Telefonat, nachdem er den Angeschuldigten C. aufgefordert hatte, einen Polizisten zu schicken und der Angeschuldigte C, geantwortet hatte, dass er das nicht könne. Der Angeschuldigte C. reagierte auf die Beendigung des Telefonats mit den Worten: "Es war ein Hurensohn, lo. Das ist wegen dem Geheule vom N. Der N. bringt Pech, bei Gott" (16 FA 21). Eine erneute Kontaktaufnahme mit dem Geschädigten M. erschien ihm offensichtlich nicht erfolgversprechend."

Auch diesen Ausführungen tritt der Senat bei. Erkennbar waren die Betrugsversuche gegenüber diesen Geschädigten aus Sicht der Angeklagten fehlgeschlagen, da die Geschädigten auf ihre telefonische Betrugsmasche nicht eingingen. Soweit der Verteidiger des Angeklagten E. mit Schriftsatz vom 15.03.2024 einwendet, dass sich dem nicht entnehmen ließe, dass im Fall zu Ziff. 16. eine erneute Kontaktaufnahme mit dem Geschädigten M. nicht erfolgversprechend gewesen wäre, da dem Geschädigten die Entsendung eines Polizeibeamten hätte ausgeredet werden können oder ihm gegebenenfalls ein falscher Polizist hätte geschickt werden können, geht dies fehl. Dass dem Geschädigten in einem weiteren Gespräch die Entsendung eines Polizeibeamten hätte ausgeredet werden können, musste nach dem Verlauf des Gesprächs, in dem der Angeklagte C. verneint hatte, dies tun zu können, als nicht erfolgsversprechend angesehen werden; die Entsendung eines falschen Polizisten wäre nicht ohne eine zeitliche Zäsur im unmittelbaren Handlungsfortgang für möglich zu halten gewesen (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 22.08.2017 – 3 StR 299/17, juris Rn. 7, NStZ-RR 2017, 335).

3. Hinsichtlich der Tatvorwürfe zu Ziff. 24. und 28. lässt dagegen – wie auch bereits von der Generalstaatsanwaltschaft Bremen in ihrer Stellungnahme vom 06.03.2024 angenommen – der in der Anklageschrift dargelegte Sachverhalt das Vorliegen der Voraussetzungen eines unmittelbaren Ansetzens der betreffenden Angeklagten zur Verwirklichung des Tatbestandes im Sinne des § 22 StGB nicht erkennen, so dass insoweit ein hinreichender Tatverdacht im Sinne der Anklageschrift zu verneinen war.

4. Im Hinblick auf den Tatvorwurf zu Ziff. 28. besteht dagegen – wenn auch nicht ein Tatverdacht wegen des Tatvorwurfs des Versuchs des gemeinschaftlichen (besonders schweren Falls des) Betruges – ein Tatverdacht gegenüber dem Angeklagten A. bzgl. einer Amtsanmaßung gemäß § 132 StGB sowie gegenüber den Angeklagten B. sowie D. bzgl. einer Beihilfe hierzu gemäß § 132, 27 StGB.

Auch hierzu kann wiederum auf die Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft Bremen in ihrer Stellungnahme vom 06.03.2024 Bezug genommen werden:

"Wegen Amtsanmaßung macht sich strafbar, wer unbefugt sich mit der Ausübung eines öffentlichen Amtes befasst (§ 132 Alt. 1 StGB) oder eine Handlung vornimmt, welche nur kraft eines öffentlichen Amtes vorgenommen werden darf (§ 132 Alt. 2 StGB).

Der Tatbestand des § § 132 Alt. 1 StGB erfordert in objektiver Hinsicht, dass sich der Täter unbefugt mit der Ausübung eines öffentlichen Amts befasst. Hierfür reicht es nicht aus, dass sich der Täter lediglich die Eigenschaft eines Amtsträgers anmaßt. Vielmehr muss der Täter sich als Inhaber eines solchen - nicht notwendig existierenden - Amtes ausgeben, obwohl er es in Wirklichkeit nicht bekleidet, und eine Handlung vornehmen, die sich als Ausübung des angemaßten Amtes oder eines anderen Amtes darstellt (MüKoStGB/Hohmann, 4. Aufl. 2021, § 132 Rn. 12 m.w.N.), sich also so verhält, als nehme er Aufgaben und Befugnisse der ihm verliehenen Amtsstellung - hier: der eines Polizisten - wahr (vgl. BGH NJW 2016, 3111, 3112). Insoweit genügt es, dass sein Handeln nach außen als Ausübung hoheitlicher Tätigkeit erscheint, wobei auf den Empfängerhorizont eines unbefangenen Dritten abzustellen ist (BGH a.a.O.). Insoweit ist eine allgemein gehaltene Kennzeichnung als Funktionsträger von Polizeigewalt - hier: Mitarbeiter der "Notrufzentrale der Deutschen Polizei" (7 FA 29 SB "Innenraumüberwachung") ausreichend. Im Gegensatz zu dem hier nicht einschlägigen § 132a Abs. 1 Nr. 1 StGB, der die Verwendung einer dem Täter nicht zukommenden förmlichen Amtsbezeichnung erfasst, wird § 132 StGB maßgeblich durch die missbräuchliche Ausübung einer sachlich angemaßten Amtsbefugnis bestimmt, ohne dass es dabei auf die förmliche Bezeichnung oder überhaupt auf eine ausdrückliche Hervorhebung von Namen und Art des öffentlichen Amts ankommt (BGH a.a.O. m.w.N.).

Vorliegend gab sich der Angeschuldigte A. gegenüber der Geschädigten N. als Notrufsprecher der Polizei O. aus, fragte, ob es einen Notfall gebe, und nach der Dienstnummer des "Kollegen P., erklärte, er habe die Akte vorliegen, bestätigte die Richtigkeit der Angaben des Angeschuldigten B., erzählte, dass es in Q. zur Festnahme einer Bankmitarbeiterin gekommen sei, die Kundengelder veruntreut habe, weshalb die Polizei mit der Bank zusammenarbeite, um das Geld wiederaufzufinden, bat die Geschädigte N., mit der Bank zu kooperieren, kündigte an, dass er sie mit der Bank verbinden werde, weil sie das mit dem "Kollegen" besprechen müsse, teilte ihr mit, dass sie ein Betrugsopfer geworden sei und von ihrem Konto wahrscheinlich Geld abgehoben und überwiesen worden sei, und forderte sie auf, in der Leitung zu bleiben, damit er sie verbinden könne (7 f. FA 29 – SB "lnnenraumüberwachung"). Jedenfalls mit der Frage nach einem Notfall und nach der Dienstnummer eines "Kollegen", der Bestätigung anhand einer angeblich vorliegenden Akte, dass die Angaben des Bankmitarbeiters zuträfen, die Geschädigte N. Opfer einer Straftat geworden sei und die Polizei in dieser Sache mit der Bank zusammenarbeite, sowie der Bitte, mit der Bank zu kooperieren, nahm der Angeschuldigte A. vorsätzlich Handlungen vor, die aus der Sicht eines unbefangenen Dritten in den Zuständigkeitsbereich der Polizei fallen. Der Angeschuldigte A. ist somit im Fall 28. der Anklage der Amtsanmaßung gemäß § 132 Alt. 1 StGB hinreichend verdächtig, der Angeschuldigte B., der die Geschädigte N. an den vermeintlichen Polizeimitarbeiter verwiesen hatte und im Hintergrund vermeintliche Funksprüche einspielte, sowie der Angeschuldigte D., der ebenfalls im Hintergrund vermeintliche Funksprüche einspielte, der Beihilfe hierzu."

Auch diesen Ausführungen tritt der Senat bei. Der in der Anklageschrift dargelegte Sachverhalt lässt nicht nur das Sich-Ausgeben als Amtsträger erkennen, sondern auch ein darüber hinausgehendes Handeln in gerade der Funktion als Amtsträger, wie es der Verwirklichung des Tatbestandes des § 132 Var. 1 StGB entspricht.

5. Es war daher aufgrund des Vorliegens eines hinreichenden Tatverdachts die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Bremen vom 17.01.2024 zur Hauptverhandlung auch hinsichtlich der Tatvorwürfe zu Ziff. 1., 9., 11. bis 13., 15. und 16. zuzulassen, hinsichtlich des Tatvorwurfs zu Ziff. 28. mit abweichender rechtlicher Bewertung lediglich als Amtsanmaßung bzw. Beihilfe, und das Hauptverfahren zu eröffnen. Die Zuständigkeit des Landgerichts – Große Strafkammer – ergibt sich aus § 74 Abs. 1 GVG; die Besetzung mit drei Berufsrichtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen folgt aus § 76 Abs. 2 S. 1 und S. 3 Nr. 3 GVG.

6. Eine Zurückverweisung der Sache an eine andere Kammer war nicht auszusprechen. § 210 Abs. 3 S. 1 StPO ist im Lichte des Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG dahin auszulegen, dass das Beschwerdegericht das Strafverfahren in der Regel bei dem Spruchkörper belassen muss, der nach der Verfahrensordnung und der Geschäftsverteilung dafür zuständig ist und deshalb auch bisher damit befasst war. Nur wenn besondere Gründe vorliegen, kann das Beschwerdegericht bestimmen, dass die Hauptverhandlung vor einem anderen Gericht stattzufinden hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15.09.2005 – 2 BvR 1229/05, juris Rn. 2 m.w.N.). Solche besonderen Gründe sind nicht schon immer dann gegeben, wenn das Beschwerdegericht die Beweissituation anders beurteilt als das Ausgangsgericht und daher das Hauptverfahren eröffnet. Sie liegen aber vor, wenn eine unvoreingenommene Verhandlung nur vor einem anderen Spruchkörper zu erwarten ist oder wenn zu besorgen ist, dass das Ausgangsgericht die dem Nichteröffnungsbeschluss zu Grunde liegende Bewertung so verinnerlicht hat, dass es selbst von einem anderslautenden Beschwerdeentscheid nicht mehr zu überzeugen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.06.1993 – 2 BvR 848/93, juris Rn. 4; BGH, Beschluss vom 24.01.2017 – 3 StR 335/16, juris Rn. 10, NStZ 2017, 420; KK-Schneider, 9. Aufl., § 210 StPO Rn. 12; Meyer-Goßner/Schmitt, 66. Aufl., § 210 StPO Rn. 10).

Eine solche Besorgnis ist vorliegend nicht begründet. Auch wenn die Kammer im angegriffenen Beschluss vom 16.02.2024 eine anderweitige rechtliche Bewertung vorgenommen hat, sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sie durch den anderslautenden Beschwerdeentscheid nicht mehr zu überzeugen wäre, zumal Kammer und Senat für die jeweilige Entscheidungsfindung von der Auslegung derselben Rechtsprechungslinie des Bundesgerichtshofs ausgegangen sind.


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