Gericht / Entscheidungsdatum: AG Dortmund, Urt. v. 11.04.2024 – 729 OWi-251 Js 287/24-27/24
Eigener Leitsatz:
Die Empfehlung der vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr eingesetzten Arbeitsgruppe zur „Bestimmung“ des Grenzwertes von THC im Blut für das noch sichere Führen eines Kraftfahrzeuges, der bei 3,5 ng/ml angesetzt worden ist, ist ein antizipiertes Sachverständigengutachten, dessen Ergebnis jetzt schon in Verfahren zugrunde zu legen ist.
In pp.
Der Betroffene wird freigesprochen.
Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen trägt die Staatskasse.
Gründe
Dem Betroffenen wurde vorgeworfen, sich am 00.00.0000 um 00:00 Uhr gemäß § 24a Abs. II, Abs. III StVG ordnungswidrig verhalten zu haben.
Er habe zu dieser Zeit in Dortmund Z.-straße als Pkw-Fahrer eines Pkw N. mit dem amtlichen Kennzeichen N01 befahren, obgleich er unter der Wirkung berauschender Mittel, nämlich Cannabis, gestanden habe. Es sei eine Blutprobe entnommen worden, die eine THC-Konzentration von 3,1 ng/ml aufgewiesen habe.
Das Gericht hat diesen Sachverhalt so auch feststellen können.
Der Betroffene war auch insoweit vollends geständig.
Das Gericht hat urkundsbeweislich zur Überprüfung der Richtigkeit der Einlassung des Betroffenen ein Gutachten des Sachverständigen Prof. L. verlesen können, der nach Untersuchung der Blutprobe des Betroffenen zu dem genannten Ergebnis hinsichtlich der THC-Konzentration im Blut des Betroffenen gekommen ist.
Der Betroffene war aus tatsächlichen Gründen freizusprechen.
Der bisherige Grenzwert für § 24a Abs. II StVG lag für Cannabis bei 1,0 ng/ml.
Dabei ist die Situation derart, dass bislang lediglich der Wirkstoff THC in der Anlage zu § 24a StVG genannt ist, jedoch nicht der im Straßenverkehr maßgebliche Grenzwert. Dieser wurde in der Vergangenheit von der Rechtsprechung festgesetzt anhand rechtsmedizinischer Vorschläge.
Im Rahmen des Cannabis-Gesetzes und der Teillegalisierung von Cannabis hat der Gesetzgeber in § 44 KCanG ausdrücklich eine Regelung getroffen, wie weiter zu verfahren ist:
Hiernach sollte eine nach dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr eingesetzte Arbeitsgruppe bis zum 31.03.2024 den Wert einer Konzentration von THC im Blut vorschlagen, bei dessen Erreichen nach dem Stand der Wissenschaft das sichere Führen eines Kraftfahrzeuges im Straßenverkehr regelmäßig nicht mehr gewährleistet ist. Diese Arbeitsgruppe hat - allgemein bekannt aufgrund einer Veröffentlichung durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr - den Grenzwert auf 3,5 ng/ml vorgeschlagen. In der Pressemitteilung des Ministeriums heißt es u.a.:
"...Die wissenschaftlichen Experten geben danach folgende Empfehlungen ab:
Im Rahmen des § 24a StVG wird ein gesetzlicher Wirkungsgrenzwert von 3,5 ng/ml THC Blutserum vorgeschlagen. Bei Erreichen dieses THC-Grenzwertes ist nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft eine verkehrssicherheitsrelevante Wirkung beim Führen eines Kraftfahrzeuges nicht fernliegend, aber deutlich unterhalb der Schwelle, ab der ein allgemeines Unfallrisiko beginnt....Bei dem vorgeschlagenen Grenzwert von 3,5 ng/ml THC im Blutserum handelt es sich nach Ansicht der Experten um einen konservativen Ansatz, der vom Risiko vergleichbar sei mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,2 Promille. THC im Blutserum ist bei regelmäßigem Konsum noch mehrere Tage nach dem letzten Konsum nachweisbar. Daher soll mit dem Vorschlag eines Grenzwertes von 3,5 ng/ml THC erreicht werden, dass - anders als bei dem analytischen Grenzwert von 1 ng/ml THC - nur diejenigen sanktioniert werden, bei denen der Cannabiskonsum in einem gewissen zeitlichen Bezug zum Führen eines Kraftfahrzeugs erfolgte und eine verkehrssicherheitsrelevante Wirkung beim Führen eines Kraftfahrzeugs möglich ist...."
Das Gericht sieht hierin ein sogenanntes antizipiertes Sachverständigengutachten, dass auch nicht durch anderweitige Vorschläge/Kritik aus Politik, Justiz, Medizin oder dem Bereich der Polizei infrage gestellt wird. Dies gilt umso mehr, dass ausweislich des § 44 KCanG keinerlei weiterer Schritt vorgesehen ist, der die Umsetzung des Grenzwertes in die verkehrsrechtliche Praxis vorsieht. Die aus der Gesetzesbegründung sich insoweit ergebende Absicht einer Kodifizierung des gefundenen Wertes spricht nicht gegen die Anwendung des Wertes bereits zum jetzigen Zeitpunkt.
Die Situation ist nämlich in rechtlicher Hinsicht hinsichtlich des § 24a StVG gleichgeblieben. Lediglich die Risikobewertung hat sich hinsichtlich des Cannabis geändert, so dass der neue Grenzwert von 3,5 ng/l seit dem 01.04.2024 für gerichtliche Entscheidungen maßgeblich ist.
Folgerichtig war der Betroffene aus tatsächlichen Gründen freizusprechen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 467 StPO, 46 OWiG.
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