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Entscheidungen

OWi

FahrpersonalG, Verstöße des Unternehmers, Geldbuße, wirtschaftliche Verhältnisse, Schätzung

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Hamm, Beschl. v. 19.03.2024 - III-4 ORbs 334/23

Eigener Leitsatz:

1. Bei einer GmbH & Co. KG ist das besondere persönliche Merkmal eines „Unternehmers" erfüllt, wenn und soweit er als vertretungsberechtigtes Organ (Geschäftsführer) der Komplementär-GmbH (§ 9 Abs. 1 Ziff. 1 OWiG) gehandelt hat bzw. wenn und soweit er - ohne selbst Geschäftsführer zu sein - von dem Geschäftsführer der Komplementär-GmbH oder einem sonst dazu Befugten beauftragt ist, den Betrieb ganz oder zum Teil zu leiten oder ausdrücklich beauftragt ist, in eigener Verantwortung Aufgaben wahrzunehmen, die dem Inhaber des Betriebs obliegen und aufgrund dieses Auftrags gehandelt hat.
2. Die bußgeldbewehrte Pflichtwidrigkeit des Unternehmers besteht bei Verstößen gegen das FahrpersonalG darin, dass der Unternehmer nicht dafür sorgt, dass die Sozialvorschriften eingehalten werden, also in einem Unterlassen. Das Tatgericht muss folglich Feststellungen dazu treffen, welche Verpflichtungen den Betroffenen treffen, ob und inwieweit der Betroffene gegen diese Verpflichtungen verstoßen hat und ob die Pflichtverletzung kausal zu Verstößen gegen Sozialvorschriften geführt hat. Solche Feststellungen fehlen bislang gänzlich und müssten zunächst noch getroffen werden.
3. Die Verordnung (EG) Nr. 561/2006 gilt nur für Beförderungen im Straßenverkehr ausschließlich innerhalb der Europäischen Gemeinschaft oder zwischen der Gemeinschaft, der Schweiz und den Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (Art. 2 Abs. 2 der Verordnung). Aus den Feststellungen des tatrichterlichen Urteils muss sich daher ergeben, dass es sich bei den Fahrten, bei denen es infolge des Pflichtverstoßes des Betroffenen zu Verstößen gegen die zulässige Lenk- bzw. Ruhezeit gekommen. ist, um Beförderungen innerhalb des vorgenannten räumlichen Gebiets gehandelt hat.
4. Wenn unter nahezu vollständiger Ausschöpfung des Bußgeldrahmens ein Bußgeld in erheblicher Höhe festgesetzt wird, muss das Urteil in hinreichendem Umfang Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen enthalten. Die Einkünfte können auch durch Schätzung ermittelt werden. Eine Schätzung ist dann angezeigt, wenn ein Betroffener keine, unzureichende oder gar unzutreffende Angaben macht und eine Ausschöpfung der Beweismittel das Verfahren unangemessen verzögem würde oder der Ermittlungsaufwand zu der konkreten Geldbuße in einem unangemessenen Verhältnis stünde. Als Kriterium einer Schätzgrundlage kommen regelmäßig der - ausgeübte - Beruf eines Betroffenen aber auch sonstige Anzeichen seines sozialen Status in Betracht.


Oberlandesgericht Hamm

Beschluss

III-4 ORbs 334/23

Bußgeldsache
gegen pp.

Verteidiger:

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Detmold vom 28. Juni 2023 hat der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandes-gerichts Hamm am 19. März 2024 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht (Senatsbesetzung gern. § 80a Abs. 2 OWiG) auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft und nach Anhörung des Betroffenen bzw. seines Verteidigers beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens -7 an eine andere für Bußgeldsachen zuständig- Abteilung des Amtsgerichts Detmold zurückverwiesen.

Gründe:

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Antragsschrift vom 2. Februar 2024 zu dem Rechtsmittel des Betroffenen Folgendes ausgeführt:

„I.

Das Amtsgericht Detmold hat den Betroffenen mit Urteil vom 28.06.2023 (BI. 235 ff. d. A.) wegen fahrlässigen Verstoßes gegen das Fahrpersonalgesetz zu einer Geldbuße von 12.000,00 Euro verurteilt.

Gegen dieses in Abwesenheit. des von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbundenen (BI. 219 d. A.) und in Anwesenheit seines Verteidigers (BI. 221 d. A.) verkündete sowie auf Anordnung der Vorsitzenden vom 22.11.2023 (BI. 281 R d. A.) dem Betroffenen am 25.11.2023 (BI. 281a, 281a R d. A.) und seinem Verteidiger am 29.11.2023 (BI. 282 b .d.A.) zugestellte Urteil hat der Betroffehe mit bei dem Amtsgericht Detmold am 29.06.2023 elektronisch eingegangenem Schriftsatz seines Verteidigers vom selben Tag Rechtsbeschwerde eingelegt (BI. 231 f. d. A.), welche er mit weiteren am 04.09.2023 und 27.12.2023 bei dem Amtsgericht Detmold elektronisch eingegangenen Schriftsätzen seines Verteidigers vom selben Tag mit den Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet (BI. 256 ff.,.288 ff. d. A.).

II.

Die gemäß § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde ist rechtzeitig eingelegt sowie form- und fristgerecht begründet worden und hat auch in der Sache - jedenfalls vorläufig - Erfolg.

1. Das Urteil unterliegt bereits auf die Sachrüge der Aufhebung, da es keine ausreichenden Feststellungen zu den Tatvorwürfen enthält und sich die Urteilsfeststellungen und die Beweiswürdigung als lückenhaft erweisen.

a) Soweit das Gericht in den Urteilsgründen ausführt, der Betroffene sei als Verkehrsleiter und Geschäftsführer der pp. Spedition GmbH & Co. KG als „Unternehmer" im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 1 FPersG zu qualifizieren, reichen die insoweit getroffenen Feststellungen nicht aus, um die Unternehmereigenschaft des Betroffenen hinreichend zu belegen. Der Begriff des Unternehmers ist im FPersG nicht definiert. Die Rechtsprechung knüpft u.a. an die Regelung des § 3 PBerfG an, wonach als Unternehmer gilt, wer den Verkehr im eigenen Namen unter eigener Verantwortung und für eigene Rechnung betreibt. Indizien hierfür sind, wer für den Fahrzeugeinsatz verantwortlich ist, Verträge abschließt, Arbeitskräfte einstellt und entlässt, Art und Inhalt der Buchführung bestimmt, auf wen das Gewerbe angemeldet ist usw. (zu vgl. Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, § 8 FPersG, Rn. 4, zitiert nach beck-online). Für die rechtliche Beurteilung der Unternehmer-eigenschaft ist dabei vor allem die Eintragung im Handelsregister, die Gewerbeanmeldung sowie die Erteilung der CEMT-Genehmigung für den Verkehr zwischen Staaten der EU und anderen Staaten der EU ein wichtiges Indiz und bedarf entsprechender konkreter Feststellungen durch das Tatgericht (zu vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 04.12.2007 - 2 Ss OWi 1265/07 -, zitiert nach beck-online), an welchen es vorliegend fehlt. Soweit das Amtsgericht zum Beleg seiner Unternehmereigenschaft ausführt, der Be-troffene sei Geschäftsführer der vorgenannten Firma, ist der Ursprung dieser Feststellung unklar. Der Betroffene hat eine Geschäftsführereigenschaft im Rahmen der Rechtsbeschwerdebegründung bestritten. Die Annahme steht zudem in Widerspruch zu der Handelsregisterauskunft auf BI. 83 d. A. und dürfte daher unzutreffend sein.

b) Auch der Rechtsfolgenausspruch weist Fehler zum Nachteil des Betroffenen
auf.

Die Verhängung des unter Berücksichtigung von § 17 Abs. 2 OWiG annähernden .Höchstmaßes der gesetzlich zulässigen Geldbuße hätte einer eingehenden Begründung bedurft. Die von dem Amtsgericht insoweit in knapper Form angeführten Aspekte (UA S. 7) rechtfertigen dies nicht. Auch aus § 17 Abs. 4 OWiG folgt nichts anderes, da das Gericht den von dem Betroffenen erlangten wirtschaftlichen Vorteil nicht festgestellt hat. Schließlich ist zu bemängeln, dass das Amtsgericht keinerlei Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen getroffen hat (§ 17 Abs. Abs. 3 S. 2 OWiG). Die nicht näher ausgeführte und nicht mit Feststellungen belegte Behauptung, die verhängte Geldbuße werde den Betroffenen, welcher über ein geregeltes Einkommen verfüge, angesichts seiner - vermeintlichen, tatsächlich jedoch nicht ausreichend belegten - Geschäftsführereigenschaft nicht in finanzielle Nöte stürzen (UA S. 2, S. 7), reicht insoweit nicht aus. Entbehrlich sind weitergehende Feststellungen nur bei geringfügigen Geldbußen (zu vgl. Mitsch in: KK-OWiG, 5. Auflage, § 17, Rn. 91 m. w. N.), wovon bei einer Summe von 12.000 € indes nicht die Rede sein kann.

2.

Auf die von dem Betroffenen erhobenen Verfahrensrügen kommt es vor diesem Hintergrund nicht an."

Diesen zutreffenden Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft schließt sich der Senat nach eigener Sachprüfung an und macht sie zum Gegenstand seiner Entscheidung.

Für das weitere Verfahren weist der Senat ergänzend auf Folgendes hin:

1. Ordnungswidrig sind nur Verstöße, die von einem Unternehmer (§ 8 Abs. 1 und § 8a Abs. 1 FPersG) begangen worden sind. Bei der hier ,vorliegenden
Speditions-GmbH & Co. KG erfüllt der Betroffene nur dann das besondere persönliche Merkmal eines „Unternehmers", wenn und soweit er als vertretungsberechtigtes Organ (Geschäftsführer) der Komplementär-GmbH (§ 9 Abs. 1 Ziff. 1 OWiG) gehandelt hat bzw. wenn und soweit er - ohne selbst Geschäftsführer zu sein - von dem Geschäftsführer der Komplementär-GmbH oder einem sonst dazu Befugten beauftragt ist, den Betrieb ganz oder zum Teil zu leiten oder ausdrücklich beauftragt ist, in eigener Verantwortung Aufgaben wahrzunehmen, die dem Inhaber des Betriebs obliegen und aufgrund dieses Auftrags gehandelt hat (§ 9 Abs. 2 Ziff. 1 bzw. Ziff. 2 OWiG) (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12. Dezember 2006 - IV-2 Ss (OWi) 124/06 - (OWi) 67/06 III - juris Rn. 6).

Im Übrigen kann zur Bestimmung des Unternehmerbegriffs ergänzend auch auf die entsprechende Regelung in § 3 PBefG. Bezug genommen werden. Danach gilt als Unternehmer, wer den Verkehr-im eigenen Namen unter eigener Verantwortung und für eigene Rechnung betreibt. Im eigenen Namen betreibt ein Unternehmen, wer nach außen hin als Inhaber des Unternehmens auftritt. Unter eigener Verantwortung bedeutet, dass der Handelnde der Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde gegenüber die Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung des Betriebs trägt. Für eigene Rechnung handelt derjenige, dem Lasten und Nutzen des Betriebes, wenn auch nicht ganz, so doch mindestens zu einem erheblichen Teil zufallen. Folglich gilt als Unternehmer, wer u.a. die Fahrzeuge einsetzt, Verträge abschließt, Arbeitskräfte bestellt, Fahrzeuge zur Reparatur gibt, Art und Inhalt der Buchführung bestimmt und jederzeit die Kontrollmöglichkeit hat. Für diese rechtliche Beurteilung der Unternehmereigenschaft ist dabei vor allem die Eintragung im Handelsregister, die Gewerbeanmeldung sowie die Erteilung der CEMT-Genehmigung für den Verkehr zwischen Staaten der EU und anderen Staaten ein wichtiges Indiz und bedarf entsprechender konkreter Feststellungen durch das Tatgericht (OLG Bamberg, Beschluss vom 4. Dezember 2007 - 2 Ss OWi 1265/07 - juris Rn. 23).

Die bloße tatsächliche Wahrnehmung der dem Inhaber des Betriebes aus dem Fahrpersonalgesetz erwachsenen Pflichten durch den Betroffenen als „Verkehrsleiter" würde für eine Verantwortlichkeit im Sinne des § 9 Abs. 2 Nr. 2 OWiG nicht ausreichen. Erforderlich wäre vielmehr ein Auftrag, der ausdrücklich und unter Hinweis auf die Verantwortlichkeit für die Pflichten, die dem Betriebsinhaber bei der Überwachung des Fahrpersonals obliegen, erteilt worden wäre. Dabei hätte der Betroffene damit beauftragt werden müssen, diese Pflichten in eigener Verantwortung zu erfüllen, d.h. mit entsprechenden Selbständigkeit und Entscheidungsfreiheit (vgl. OLG Hamm a.a.O., OLG Schleswig VRS 58, 384, 386). Der Betroffene hätte in der Lage sein müssen, von sich aus ohne Weisung des Betriebsinhabers die Maßnahmen zu ergreifen, die zur Erfüllung der Pflichten aus dem Fahrpersonalgesetz notwendig waren (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12. Dezember 2006, a.a.O., Rn. 7, juris).
Entsprechende Feststellungen lässt die angefochtene Entscheidung vermissen. Dort ist - ohne dass die Feststellungen dies tragen - ausgeführt, der Betroffene habe ab dem 16. Juli 2019 die Geschäftsführung und zugleich die Aufgabe des Verkehrsleiters der pp.Spedition-GmbH & Co. KG übernommen. Hierfür werden aber zunächst die einschlägigen Handelsregister-auszüge (auch betreffend die Komplementär-GmbH) beizuziehen und durch Verlesung in die Hauptverhandlung einzubeziehen sein. Sollte der Betroffene allein als „Verkehrsleiter" tätig geworden sein, würde dessen Verantwortlichkeit nur dann bestehen, wenn dieser - was im Einzelnen festzustellen wäre - von dem Geschäftsführer gemäß den vorstehenden Ausführungen konkret mit der Überwachung des Fahrpersonals in eigener Verantwortung beauftragt worden wäre, was ggf. auch durch die Vernehmung einzelner Mitarbeiter aufgeklärt werden kann.

2. Die bußgeldbewehrte Pflichtwidrigkeit besteht darin, dass. der Unternehmer nicht dafür sorgt, dass die Sozialvorschriften eingehalten werden, also in einem Unterlassen. Das Amtsgericht muss folglich Feststellungen dazu treffen, welche Verpflichtungen den Betroffenen treffen, ob und inwieweit der Betroffene gegen diese Verpflichtungen verstoßen hat und ob die Pflichtverletzung kausal zu Verstößen gegen Sozialvorschriften geführt hat. Solche Feststellungen fehlen bislang gänzlich und müssten zunächst noch getroffen werden.

Dabei wird das Amtsgericht davon auszugehen haben, dass der Unternehmer verpflichtet ist, das Fahrpersonal in regelmäßigen zeitlichen Abständen auf die maßgeblichen Lenk- und Ruhezeiten hinzuweisen, wöchentlich die Schaublätter der EG-Kontrollgeräte zu überprüfen und im Übrigen die Fahrten so zu disponieren, dass den Fahrern unter Berücksichtigung des Bestimmungsortes, der Streckenführung und der Zeiten für An- und Abfahrt sowie für Be- und Entladung die Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten möglich ist. Bei Vernachlässigung dieser Pflichten wird ferner zu prüfen sein, ob festgestellten Verstöße gegen Sozialvorschriften ursächlich auf die fehlende oder unzulängliche Belehrung und Überwachung zurückzuführen sind (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12. Dezember 2006 - IV-2 Ss (OWi) 124/06 - (OWi) 67/06 III - juris Rn. 14; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21. Dezember 2007 - IV-2 Ss (OWi) 83/07 - (OWi) 64/07 III -juris Rn. 18 ff.; OLG Koblenz, Beschluss vom 23. April 2001 - 1 Ss 29/01 - juris Rn. 20. f.; vgl. zu den Verpflichtungen Häberle in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Werkstand 249. EL September 2023, Verordnung (EU) 561/2006 Art. 10 Rn. 4 ff.).

Entsprechende Feststellungen im Hinblick auf den Pflichtenkreis des Unternehmers werden sich wohl erst nach Auswertung von Geschäftsunterlagen bzw. der diesbezüglichen Vernehmung des Zeugen HIM und erforderlichenfalls auch der zeugenschaftlichen Vernehmung von einzelnen Fahrern treffen lassen.

Soweit es um die Frage geht, ob Verstöße des Unternehmers gegen die ihm obliegenden Pflichten sich kausal durch Verstöße gegen Sozialvorschriften ausgewirkt haben, kommt es nicht darauf an, ob die einzelnen Verstöße den Fahrern jeweils subjektiv vorwerfbar sind. Denn Sanktionsgrund gegenüber dem Unternehmer ist die Verletzung seiner einheitlichen umfassenden Aufsichts- und Überwachungspflicht, während der Fahrer - worauf es hier nicht ankommt - mit jedem einzelnen Verstoß gegen die Bestimmungen der EU-Verordnungen ordnungswidrig handelt (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 15. Juli 2010 - 2 Ss-OWi 276/10 - juris Rn. 19). Daher ist es in diesem Zusammenhang ausreichend, wenn das Vorliegen von - kausal verursachten - Verstößen gegen Sozialvorschriften objektiv festgestellt werden kann. Nicht auch wird es einer zeugenschaftlichen Vernehmung von Fahrern zu der Frage bedürfen, inwieweit der Verstoß jeweils dem Fahrer individuell vorwerfbar ist.

3. Die Verordnung (EG) Nr. 561/2006 gilt nur für Güterbeförderung mit Fahrzeugen, deien zulässige Höchstmasse einschließlich Anhänger oder Sattelanhänger 3,5 t übersteigt (Art. 2 Abs. 1 a der Verordnung). Gleiches gilt für die Verordnung (EG) Nr. 165/2014 (Art. 3 Abs. 1 der Verordnung).

In den Feststellungen des Urteils sind die betroffenen Fahrzeuge, bei deren Benutzung es aufgrund des Pflichtverstoßes des Betroffenen zu Verstößen gegen Sozialvorschriften gekommen ist, so genau zu bezeichnen, dass der Senat prüfen kann, ob diese Fahrzeuge in den Anwendungsbereich der beiden Verordnungen fallen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12. Dezember 2006 - IV-2 Ss (OWi) 124/06 - (OWi) 67/06 III - juris Rn. 11).

4. Die Verordnung (EG) Nr. 561/2006 gilt nur für Beförderungen im Straßenverkehr ausschließlich innerhalb der Europäischen Gemeinschaft oder zwischen der Gemeinschaft, der Schweiz und den Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (Art. 2 Abs. 2 der Verordnung).

Aus den Feststellungen des Urteils muss sich daher ergeben, dass es sich bei den Fahrten, bei denen es infolge des Pflichtverstoßes des Betroffenen zu Verstößen gegen die zulässige Lenk- bzw. Ruhezeit gekommen ist, im Beförderungen innerhalb des vorgenannten räumlichen Gebiets gehandelt hat (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 23. April 2001 - 1 Ss 29/01 - juris Rn. 17; OLG Bamberg, Beschluss vom 30. Januar. 2014 - 3 Ss OWi 284/13 juris Rn. 5).

5. Soweit das Amtsgericht u.a. unter Verweis auf das Vorliegen eines Erstverstoßes zu der Annahme einer lediglich fährlässigen Nichterfüllung der Schutzvorschriften gelangt ist, weist der Senat hinsichtlich des anzuwendenden Bußgeldrahmens auf die sodann gesondert zu beachtende Vorschrift des § 17 Abs. 2 OWiG hin.

6. Der Vorwurf, nicht für die Einhaltung der Lenkzeiten, Fahrtunterbrechungen oder Ruhezeiten von (mehreren) Fahrern oder die richtige Verwendung von EG-Kontroll-geräten Sorge getragen zu haben, knüpft an ein (echtes) Unterlassen an, weshalb regelmäßig von nur einem einheitlichen Verstoß auszugehen und nur eine einzige Geldbuße festzusetzen ist (OLG Bamberg, Beschluss vom 30. Januar 2014 - 3 Ss OWi 284/13 - juris; OLG Koblenz, Beschluss vom 23. April 2001 - 1 Ss 29/01 -juris; OLG Bamberg, Beschluss vom 30.01.2014 - 3 Ss OWi 284/13 - juris).

7. Die Urteilsgründe müssen stets eine in sich geschlossene, aus sich heraus verständliche Darstellung der Feststellungen und der sie tragenden Beweis-erwägungen enthalten (vgl. Schmitt in: Meyer-Goßner/S9hmitt, StPO, 66. Auflage 2023, § 267 Rh. 2). Zwar kann bei einer Vielzahl von sich wiederholenden gleichartigen Sachverhalten wegen der Einzelheiten auf eine in dem Urteil enthaltene tabellarische Aufstellung Bezug genommen werden. Jedoch entbinden tabellarische Darstellungen nicht davon, den zugrunde liegenden Sachverhalt, insbesondere das jeweils zugrunde liegende tatsächliche Geschehen zunächst einleitend in verständlicher Weise in Worten zu beschreiben.

Entscheidend ist, dass der Verstoß jeweils - differenziert nach Art des Verstoßes (also Lenkzeitverstoß, Ruhezeitverstoß pp.) - in verständlicher Weise beschrieben wird und sodann nur wegen der Gesamtzahl der Verstöße auf Daten Bezug genommen wird, die sich in der in die Darstellung einbezogenen tabellarischen Aufstellung befinden.

Diesen Anforderungen wird die vom Amtsgericht bisher gewählte Art der Darstellung nicht gerecht.

8. Wenn - wie hier - unter nahezu vollständiger. Ausschöpfung des Bußgeldrahmens ein Bußgeld in erheblicher Höhe festgesetzt wird, so muss das Urteil in hinreichendem Umfang Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen enthalten.

Insoweit weist der Senat ergänzend darauf hin, dass die Einkünfte auch durch Schätzung ermittelt werden können. Eine Schätzung ist dann angezeigt, wenn ein Betroffener keine, unzureichende oder gar unzutreffende Angaben macht und eine Ausschöpfung der Beweismittel das Verfahren unangemessen verzögern würde oder der Ermittlungsaufwand zu der konkreten Geldbuße in einem unangemessenen Verhältnis stünde. Als Kriterium einer Schätzgrundlage kommen regelmäßig der -ausgeübte - Beruf eines Betroffenen aber auch sonstige Anzeichen seines sozialen Status in Betracht (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 30. September 2021 - 1 OWi 2 SsBs 62/20 - juris Rn. 27; OLG Hamm, Beschluss vom 10. Juli 2019 - 111-3 RBs 82/19 -, juris Rn. 19; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 11. Februar 2020 - 201 ObOWi 2771/20 -, juris Rn. 11). Sollte der Betroffene vorliegend weiterhin keine Angaben zu seinen Einkünften machen, wird das Amtsgericht im Wege einer Schätzung das durchschnittliche Gehalt des Geschäftsführers, bzw. Verkehrsleiters eines Speditionsunternehmens der Größenordnung des hier in Rede stehenden Unternehmens zugrunde legen dürfen. Bewertungskriterien dürften hierbei insbesondere der Jahresumsatz, die Anzahl der Mitarbeiter und die Größe des Fuhrparks sein.


Einsender: RA P. Urbaneck, Bielefeld

Anmerkung:


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