Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Köln, Beschl. v. 06.022024 – 1 ORBs 399/23
Eigener Leitsatz:
Zu den Anforderungen an eine Rüge, mit der eine unterbliebene Befundprüfung geltend gemacht werden soll.
In pp.
I. Der Zulassungsantrag wird als unzulässig verworfen.
II. Die Rechtsbeschwerde gilt damit als zurückgenommen (§ 80 Abs. 4 S. 4 OWiG).
III. Die Kosten des Verfahrens vor dem Beschwerdegericht trägt der Betroffene.
Gründe
I.
Gegen den Betroffenen ist durch das angefochtene Urteil wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit (scil.: außerhalb geschlossener Ortschaften) eine Geldbuße von 150,00 EUR verhängt worden.
Hiergegen richtet sich der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, mit welchem der Betroffene eine Versagung des rechtlichen Gehörs rügt.
II.
Der in form- und fristgerecht eingelegte Zulassungsantrag bleibt in der Sache ohne Erfolg. Er ist vielmehr als unzulässig zu verwerfen, weil er insgesamt den Anforderungen an seine Begründung nicht genügt.
Gemäß §§ 80 Abs. 3 S. 3 OWiG sind im Zulassungsverfahren die strafprozessualen Vorschriften über die Anbringung der Beschwerdeanträge und deren Begründung (§§ 344, 345 StPO) zu beachten. Ein Zulassungsantrag, mit dem weder die Sachrüge noch eine zulässige Verfahrensrüge erhoben wird, ist daher als unzulässig zu verwerfen (SenE v. 14.02.2013 - III-1 RBs 26/13; SenE v. 08.06.2016 - III-1 RBs 163/16 -; SenE v. 18.04.2018 - III-1 RBs 123/18 -; SenE v. 11.02.2020 - III-1 RBs 49/20 -; SenE v. 07.04.2020 - III-1 RBs 110/20 -). So verhält es sich hier:
1. Eine Rüge der Verletzung des materiellen Rechts (Sachrüge) ist nicht erhoben worden.
Diese setzt voraus, dass die Rechtsbeschwerde zweifelsfrei erkennbar auf die Verletzung sachlichen Rechts bei der Anwendung auf den festgestellten Sachverhalt gestützt wird (BGH NStZ 1991, 597; OLG Hamm DAR 2000, 83 = VRS 98, 146 [147]; OLG Hamm DAR 1999, 276 = VRS 97, 49; SenE v. 27.09.2000 - Ss 403/00 Z -; SenE v. 10.07.2001 - Ss 276/01 Z - m. w. Nachw; SenE v. 14.01.2013 - III-1 RBs 26/13.). Das ist vorliegend nicht geschehen. Die Ausführungen in der Begründungsschrift befassen sich vielmehr allein mit verfahrensrechtlichen Vorgängen.
2. Soweit mit der Rechtsbeschwerde moniert wird, dem Betroffenen sei "die Einsicht in die Rohmessdaten" verweigert worden, ist - wie sich insbesondere aus der auch von dem Betroffenen angezogenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (jüngst BVerfG NJW 2023, 2932) ergibt - nicht das Verfassungsgebot aus Art. 103 Abs. 1 GG, sondern vielmehr der aus Artt. 2 Abs. 1, 20 Abs. 3 GG abgeleitete Grundsatz des fairen Verfahrens inmitten. § 80 Abs. 1 Ziff. 2 OWiG ist aber einer Erweiterung auf andere Verfassungsverstöße (namentlich den Grundsatz des fairen Verfahrens) nicht zugänglich (SenE v. 09.11.2021 - III-1 RBs 297/21; SenE v. 26.11.2021 - III-1 RBs 313/21; SenE v. 16.02.2022 - III-1 RBs 48/22; SenE v. 27.12.2022 - III-1 RBs 409/22; SenE v. 27.07.2023 - III-1 ORbs 249/23; KK-OWiG-Hadamitzky, 5. Auflage 2018, § 80 Rz. 40; Sandherr NZV 2023, 433). Diese Rüge ist im Zulassungsverfahren unstatthaft.
3. Soweit die Rechtsbeschwerde darüber hinaus rügt, der Antrag des Betroffenen auf Durchführung einer Befundprüfung sei durch das Gericht übergangen worden und auch im Urteil finde sich keine Begründung, warum ihm auch dieser Antrag auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Messergebnisses verweigert worden sei, ist hiermit eine Gehörsverletzung jedenfalls nicht schlüssig dargetan:
Gemäß § 39 Abs. 1 MessEG kann derjenige, der ein berechtigtes Interesse an der Messrichtigkeit hat, bei der Behörde nach § 40 Abs. 1 MessEG beantragen festzustellen, ob ein Messgerät die wesentlichen Anforderungen der Messrichtigkeit und Messbeständigkeit nach § 6 Abs. 2 MessEG erfüllt (vgl. hierzu Märtens/Wynands NZV 2019, 338 [340]). Ein berechtigtes Interesse an der Messrichtigkeit in diesem Sinne hat regelmäßig derjenige, den die Messung betrifft, hier also der Betroffene des behördlichen und gerichtlichen Ordnungswidrigkeitenverfahrens. (vgl. Hollinger/Schade-Schade, MessEG/MessEV, § 39 Rz. 2). Der Antrag ist an die Behörde zu richten, die nach § 40 MessEG für die Eichung selbst zuständig wäre.
Die Befundprüfung, bei der gem. § 39 Abs. 2 MessEV die Verwendungssituation des Messgeräts zu berücksichtigen ist, vermag Klarheit darüber zu verschaffen, ob das jeweilige Messgerät den Anforderungen der Eichung und der Konformitätsprüfung genügt. Wenngleich der konkrete in Rede stehende Messvorgang damit nicht nachvollzogen werden kann, rechtfertigt ein Ergebnis, welches - ausgehend von der erfolgten Eichung und ggf. unter Berücksichtigung zwischenzeitlicher in einer sog. "Lebensakte" dokumentierter Eingriffe - keine Beanstandungen zu Tage fördert, den Schluss, dass bei dem Messgerät auch in der Vergangenheit keine Unregelmäßigkeiten aufgetreten sind (vgl. SenE v. 27.09.2019 - III-1 RBs 339/19 = DAR 2019, 695 = BeckRS 2019, 23786; a. A. aber VerfGH Saarland NJW 2019, 2456 [2459 Tz. 63]). Bei Zweifeln an der Messrichtigkeit ist die Befundprüfung daher der Weg der Wahl.
Welche Anforderungen an eine Rüge zu stellen sind, mit der eine unterbliebene Befundprüfung geltend gemacht werden soll, ist - soweit ersichtlich - bislang in Rechtsprechung und Literatur nicht thematisiert worden. Ohne dies für den Streitfall entscheiden zu müssen neigt der Senat der Auffassung zu, dass insoweit (unter Berücksichtigung des Umstands, dass Beteiligte der Befundprüfung Betroffener und Eichbehörde sind) ähnliche Voraussetzungen Geltung beanspruchen, wie sie für die Beiziehung nicht bei der Akte befindlicher, aber bei der Bußgeldbehörde vorhandener Unterlagen entwickelt worden sind: Danach dürfte der Betroffene gehalten sein, die Befundprüfung bereits in einem Stadium anzustoßen, in dem das Verfahren noch bei der Verwaltungsbehörde geführt wird (s. - allerdings im Kontext mit der Verfahrensfairness - zu den nicht bei der Akte befindlichen Unterlagen BVerfG NJW 2021, 455 Tz. 60 aE; BGH NStZ 2023, 619). Darüber hinaus dürfte es aber jedenfalls geboten sein, dass der Betroffene sein Begehren in der Hauptverhandlung weiterverfolgt und ggf. deren Aussetzung zur Durchführung der Befundprüfung durch ihn beantragt (BGH a.a.O., allgemein LR-StPO-Becker, 27. Auflage 2019, § 288 Rz. 11).
Diese Fragen bedürfen hier aber deswegen keiner Vertiefung, weil - wie dargelegt - das Gericht weder Antragsteller der Befundprüfung, noch (tauglicher) Adressat eines solchen Antrags ist und der Betroffene zur Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen einer Befundprüfung nichts vorträgt.
Da sonach weder eine Sachrüge noch eine statthafte bzw. zulässige Verfahrensrüge erhoben worden sind, war der Zulassungsantrag als unzulässig zu verwerfen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 StPO.
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