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Entscheidungen

OWi

Freie Bahnschaffen, Einsatzfahrzeug Polizei, Vorsatz, Fahrlässigkeit, Fahrverbot

Gericht / Entscheidungsdatum: AG Landstuhl, Urt. v. 02.02.2024 - 3 OWi 4211 Js 9376/23

Eigener Leitsatz:

1. Auch eine zu langsame Reaktion auf ein unter allen Signalen fahrendes Einsatzfahrzeug ist pflichtwidrig, wenn die Aufmerksamkeit des auf der linken Spur fahrenden Betroffenen durch Gespräche und Radio aktiv und bewusst vermindert wird.
2. Der Einsatz für Dritte kann nur dann zu einer Entlastung auf der Rechtsfolgenseite führen, wenn die Situation wie zu einer für den Betroffenen unzumutbaren Härte führen würde.


3 OWi 4211 Js 9376/23
AG Landstuhl

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Bußgeldverfahren
gegen pp.,

Verteidiger:

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit

hat das Amtsgericht Landstuhl aufgrund der Hauptverhandlung vom 02.02.2024, an der teilgenommen haben:

pp.

für Recht erkannt:

1. Der Betroffene wird wegen fahrlässiger Missachtung des Gebots, einem Einsatzfahrzeug sofort freie Bahn zu schaffen, zu einer Geldbuße von 240 EUR verurteilt.
Ihm wird gestattet, die Geldbuße in monatlichen Teilbeträgen von EUR 40, jeweils bis zum 5. eines Monats, beginnend mit der Rechtskraft des Urteils, zu zahlen. Diese Vergünstigung entfällt, wenn ein Teilbetrag nicht bezahlt wird.
Dem Betroffenen wird für die Dauer von 1 Monat verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art im öffentlichen Straßenverkehr zu führen. Das Fahrverbot wird erst wirksam, wenn der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von 4 Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.
2. Der Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen.

Angewendete Vorschriften:
§§ 24, 25, 25 Abs. 2a StVG, 38, 49 StVO, 4 Abs. 1 BKatV, 135 BKat, 18 OWiG

Gründe:
I.

Der Betroffene hat sich zur Person wie folgt eingelassen: Rentner (Rente 700 EUR monatlich), verheiratet, Ehefrau ohne eigene Einkünfte. Verkehrsrechtlich ist der Betroffene bislang nicht in Erscheinung getreten.

II.

Nach Durchführung der Hauptverhandlung hat das Gericht folgende Feststellungen treffen können:

Der Betroffene war am 12.2.2023 Führer des PKW mit dem Kennzeichen pp. und befuhr um 15:30 Uhr die BAB6, Fahrtrichtung Saarbrücken. Auf Höhe des km 634. Dort fuhr er auf der linken von zwei vorhandenen Fahrspuren. Hinter ihm näherte sich mit aktivierten optischen und akustischen Signalen ein Einsatzfahrzeug der Polizei. Der Betroffene verließ jedoch die linke Spur nicht, sodass das Einsatzfahrzeug, das vom Zeugen PHK pp. gesteuert wurde, eine Weile lang hinter dem Fahrzeug des Betroffenen herfahren musste, dies mit der vor Ort geltenden Geschwindigkeit, erst mit Tempo 100, dann 80 km/h vor der stationären Messtelle bei km 632,280. Selbst auf das zusätzliche Betätigen der Lichthupe und der akustischen Hupe hat der Betroffene die linke Spur nicht freigegeben. Erst nach einiger Zeit bemerkte der Betroffene das hinter ihm fahrende Einsatzfahrzeug und wich alsdann direkt auf die rechte Spur aus, sodass das Einsatzfahrzeug passieren konnte.

III.

Der Betroffene hat sich zur Sache wie folgt eingelassen: er habe irgendwann eine Sirene gehört und habe gedacht, das komme aus dem Radio, dann habe er einen Schulterblick gemacht, das Fahrzeug gesehen und seinen Wagen nach rechts auf die andere Fahrspur gerissen. Er habe sich mit seiner Frau unterhalten und Radio gehört und den Einsatzwagen vorher nicht bemerkt.

IV.

Die getroffenen Feststellungen beruhen, soweit sich der Betroffene nicht geständig eingelassen hat, auf der Durchführung der Beweisaufnahme. Das Gericht hat den Zeugen pp. einvernommen sowie die Ehefrau des Betroffenen als präsente Zeugin auf Antrag des Betroffenen. Die Lichtbilder AS13-15 wurden in Augenschein genommen. Auf die Bilder wird jeweils im Sinne des § 267 Abs. 1 S. 3 StPO verwiesen und Bezug genommen. Die Ehefrau hat die Schilderung des Betroffenen bestätigt. Der Zeuge pp. erläuterte anhand der Handylichtbilder den Fahrtverlauf, die Örtlichkeit und das sukzessive Nutzen aller vorhandenen Warnfunktionen des Fahrzeugs. Er bestätigte auch die verspätete Reaktion des Betroffenen und dessen dann sofortiges Ausweichen. Das Gericht hatte keinen Zweifel an der Richtigkeit der Aussage des Zeugen pp., die auch durch den Betroffenen nicht angegriffen wurde.

V.

Der Betroffene hat sich deshalb wegen des fahrlässigen Verstoßes gegen § 38 Abs. 1 S. 2 StVO zu verantworten, §§ 24 StVG, 49 StVO.

Ein vorsätzliches Verhalten ist dem Betroffenen hier nicht anzulasten. Die verspätete Reaktion auf die Signale des Einsatzfahrzeugs waren auch ausweislich des Eindrucks des Zeugen pp. nicht willentlich, sondern die von der Sicht des Zeugen pp. erkennbare erste Reaktion erfolgte schlicht zu spät, war dann aber von einer sofortigen Wegfreigabe gefolgt. Der Betroffene hätte aber bei gehöriger Aufmerksamkeit das Einsatzfahrzeug aufgrund der genutzten Signale wahrnehmen müssen, sodass von fahrlässigem Verhalten auszugehen ist.

Jeder Verkehrsteilnehmer muss darauf achten, dass er nicht aufgrund zu lauter Geräusche, etwa durch Musik, oder durch nicht von Schnee oder Eis befreite Fenster die blauen Blinklichter oder das Einsatzhorn nicht rechtzeitig wahrnehmen kann (AG Villingen-Schwenningen BeckRS 2014, 14098; KG NZV 1998, 27). Auch eine zu langsame Reaktion auf ein unter allen Signalen fahrendes Einsatzfahrzeug ist pflichtwidrig, wenn wie hier die Aufmerksamkeit des auf der linken Spur fahrenden Betroffenen durch Gespräche und Radio aktiv und bewusst vermindert wird (OLG Naumburg BeckRS 2009, 09958). Fahrzeugführer müssen dafür sorgen, dass sie das Einsatzhorn jederzeit hören können (KG NZV 1992, 456). Dies hat der Betroffene hier missachtet.

VI.

Durch den genannten Verstoß hat der Betroffene zunächst eine Geldbuße zu tragen. Diese ergibt sich zunächst als Regelsatz in Höhe von 240 EUR gemäß Ziffer 135 des Anhangs zur BKatV, die für das Gericht in Regelfällen einen Orientierungsrahmen bildet (BeckOK StVR/Krenberger, § 1 BKatV, Rn. 1). Von diesem kann das Gericht bei Vorliegen von Besonderheiten nach oben oder unten abweichen. Vorliegend bestehen keine Umstände, die ein Abweichen vom Regelsatz bedingen würden.

Die Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen haben ergeben, dass der Betroffene die ausgeurteilte Geldbuße grundsätzlich wirtschaftlich verkraftet. Jedoch ist Ratenzahlung zu bewilligen, § 18 OWiG, um der Versorgungssituation gegenüber der Ehefrau gerecht zu werden.

Des Weiteren ist vorliegend auch ein Regelfahrverbot anzuordnen, § 4 Abs. 1 BKatV. Durch die oben festgestellte Handlung hat der Betroffene eine objektiv so gefährliche und subjektiv so vorwerfbare Verhaltensweise im Straßenverkehr an den Tag gelegt, dass im Sinne des § 25 StVG ein Fahrverbot anzuordnen ist. Es bestand vorliegend kein Grund, wegen abweichender Umstände vom Regelfall das Fahrverbot zu erhöhen. Vorliegend bestand aber auch kein Grund, vom Wegfall des Fahrverbots ausgehen zu müssen. Soweit der Betroffene vorgetragen hat, auf den Führerschein angewiesen zu sein, weil seine Ehefrau mehrmals die Woche zum Arzt gefahren werden müsse und selbst keinen Führerschein habe, führt dies zu keiner anderen Bewertung.

Die Anordnung des Fahrverbots trifft speziell den Betroffenen nicht mit einer unzumutbaren Härte. Gewöhnliche Belastungen, die ein Verzicht auf den PKW für die Dauer des Fahrverbots mit sich bringt, sind hinzunehmen. Die Konsequenz der Anordnung des Fahrverbots ist selbstverschuldet (OLG Celle Beschl. v. 26.1.2015 – 321 SsBs 176, 177/14, BeckRS 2015, 16403). Die Gleichbehandlung mit anderen Verkehrsteilnehmern, die ein Regelfahrverbot verwirkt haben, muss gewährleistet sein (BVerfG NZV 1996, 284), sodass nur unzumutbare Härten aus rechtlicher Sicht relevant sein können, nicht das persönliche Befinden des Betroffenen (BeckOK StVR/Krenberger, § 25 StVG, Rn. 90). Solche sind hier nicht gegeben. Denn der Einsatz für Dritte kann nur dann zu einer Entlastung auf der Rechtsfolgenseite führen, wenn die Situation wie zu einer für den Betroffenen unzumutbaren Härte führen würde (BayObLG BeckRS 2023, 35645). Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Zum anderen hat der Betroffene nicht dargetan, warum es seiner Frau in pp. nicht möglich sein solle, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu Arztterminen zu gelangen oder für den überschaubaren Zeitraum des Fahrverbots weitere Angehörige oder Bekannte um die kurzen Fahrten zu bitten oder sozialrechtliche Ansprüche für Taxifahrten geltend zu machen (vgl. OLG Bamberg BeckRS 2017, 100308).

Das Gericht hat abschließend die Möglichkeit des § 4 Abs. 4 BKatV geprüft, aber vorliegend dessen Anwendung nicht für geboten erachtet. Es besteht hier vielmehr das Erfordernis, verkehrserzieherisch auf den Betroffenen einzuwirken. Hier liegt ein erheblicher Verkehrsverstoß vor, eine echte Einsicht in das Verkehrsfehlverhalten wurde weder in Wort noch Tat bekundet. Auch die Gesamtschau möglicher Beeinträchtigungen des Betroffenen führt nicht zur Anwendung des § 4 Abs. 4 BKatV.

Die Viermonatsfrist nach § 25 Abs. 2a StVG war zu gewähren.

VII.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46, 71 OWiG, 465 StPO.


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