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Entscheidungen

StPO

Strafbefehl, Einspruchsbeschränkung, ausreichende Feststellung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Körperverletzung, Strafzumessung

Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Beschl. v. 31.01.2024 - 1 ORs 1/24 - 161 Ss 3/24

Eigener Leitsatz:

1. Zur wirksamen Beschränkung des Einspruchs gegen den Strafbefehl.
2. Zu der Frage der Geeignetheit eines Gegenstandes zur Verletzung von Menschen, müssen nicht ausdrücklich zur Beschaffenheit usw. Feststellungen getroffen werden, wenn sich die Geeignetheit bereits aus der hier festgestellten Art der konkreten Verwendung ergibt.


Kammergericht

Beschluss

1 ORs 1/24 - 161 Ss 3/24

In der Strafsache
gegen pp.

wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte u.a. hat der 1. Strafsenat des Kammergerichts am 31. Januar 2024 beschlossen:

1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 18. Oktober 2023 wird nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen.
2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Amtsgericht Tiergarten hat gegen den Angeklagten am 4. April 2023 einen Strafbefehl wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung erlassen und gegen ihn eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten verhängt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist.

Gegen den Strafbefehl hat der Angeklagte Einspruch eingelegt, den er in der Haupt-verhandlung am 8. Juni 2023 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft Berlin auf die. Rechtsfolgen beschränkt hat. Daraufhin hat das Amtsgericht mit Urteil vorn selben Tag gegen ihn wegen der durch den Strafbefehl festgestellten Tat auf eine Freiheitsstrafe von sieben Monaten erkannt, deren Vollstreckung es wiederum zur Bewährung ausgesetzt hat.

Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung. des Angeklagten hat das Landgericht Berlin mit Urteil vom 18. Oktober 2023 verworfen.

Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner rechtzeitig eingelegten und begründeten Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Dabei macht er geltend, das Landgericht sei zu Unrecht von einer wirksamen Beschränkung des Ein-spruchs ausgegangen und habe es zudem unterlassen, sowohl eigene Feststellungen zum Regelbeispiel des § 113 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 2, Alt. StGB zu treffen als auch in einer Gesamtbetrachtung das Vorliegen eines minderschweren Falles der gefährlichen Körperverletzung zu prüfen.

Die Generalstaasanwaltschaft Berlin hat in ihrer Zuschrift vom 9. Januar 2024 beantragt, die Revision des Angeklagten gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

Der Schriftsatz des Verteidigers vom 29. Januar 2024 hat vorgelegen, rechtfertigt jedoch keine abweichende Sachbehandlung.

II.

Die zulässige Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg.

1. Die Sachrüge des Angeklagten deckt keine Rechtsfehler zu seinem Nachteil auf.

a) Entgegen der Revisionsbegründung ist das Landgericht zu Recht von einer wirksamen Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch ausgegangen. Die Wirksamkeit der Beschränkung hat das Rechtsmittelgericht, ungeachtet dessen, in welchem Verfahrensstadium diese vorgenommen worden ist, wegen der damit verbundenen Frage der (Teil-)Rechtskraft der Entscheidung stets vom Amts wegen zu prüfen. Dabei steht nicht jeder Fehler im nicht angefochtenen Teil der Entscheidung der Wirksamkeit der Beschränkung entgegen. Vielmehr hat das Rechtsmittelgericht im. Fall eines auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Rechtsmittels die Prüfung der Rechtsfolgenentscheidung grundsätzlich auf der Basis des Schuldspruchs des angefochtenen Urteils vorzunehmen, auch wenn dieser auf einer rechtsfehlerhaften Subsumtion und damit unzutreffenden rechtlichen Einordnung des Tatgeschehens beruht (vgl. BGH NStZ-RR 2022, 290; Schmitt in; Meyer-Goßner/Schmitt, 66. Aufl. 2023, § 318 Rn 17a; jew. m.w.N.). Erst wenn die dem Schuldspruch im angefochtenen Urteil zugrundeliegenden Feststellungen tatsächlicher oder rechtlicher Art unklar, lückenhaft, widersprüchlich oder so dürftig sind; dass sich Art und Umfang der Schuld nicht in dem zur Überprüfung des Strafausspruchs notwendigen Maß bestimmen lassen oder unklar bleibt, ob sich der Angeklagte überhaupt strafbar gemacht hat, ist die Beschränkung unwirksam (vgl. BGH NStZ 2018, 367 m.w.N.).

Art und Umfang der Schuld des Angeklagten sind in dem Strafbefehl in einem zur Überprüfung des Strafausspruchs notwendigen Maß bestimmt.

aa) Insbesondere sind die Feststellungen hinreichend bestimmt, um ihnen einen. bedingten Vorsatz des Angeklagten hinsichtlich einer gefährlichen Körperverletzung zu entnehmen. Bedingter Vorsatz ist gegeben, wenn der Täter den Erfolg als mögliche, nicht ganz fernliegende Folge seines Handels erkennt (Wissenselement) und dies billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit dem Eintritt des Erfolges abfindet, mag ihm der Erfolgseintritt auch gleichgültig oder an sich unerwünscht sein (Willenselement) (st. Rspr. vgl. BGH NStZ-RR 2023, 310 m.w.N.).. Demgegenüber ist der bewusst fahrlässig Handelnde mit der als möglich erkannten Folge nicht einverstanden und vertraut auf ihren Nichteintritt. Zur Abgrenzung der beiden Schuldformen müssen die Merkmale der inneren Tatseite durch ausreichende tatsächliche Feststellungen belegt und dabei die Rechtsbegriffe Vorsatz und Fahrlässigkeit in ihre tatsächlichen Bestandteile aufgelöst werden (vgl. BGH NStZ 2008, 451).

In dem Strafbefehl ist festgestellt, dass der Angeklagte ein sogenanntes Fun-Game-Spielgerät mit einem Gewicht von ca. 15 bis 20 kg ergriffen und in die Richtung der beiden Ordnungsamtmitarbeiter geworfen hat. Weiter ist festgestellt, dass einer der Beiden getroffen wurde und sich, womit der Angeklagte auch rechnete, eine Schwellung und ein Hämatom am Schienbein zugezogen hat. Zwar ist damit das Willenselement nicht ausdrücklich festgestellt, jedoch folgt aus dem tatsächlichen Umstand, dass der Angeklagte mit der Verletzungsfolge rechnete, dass er nicht auf den Nichteintritt des Erfolgs vertraute. Denn wer mit etwas rechnet, erwartet, dass etwas geschieht. Er nimmt es an, hält den Erfolg also für mehr als nur möglich und. vertraut nicht auf den Nichteintritt, sondern geht vielmehr von dem Erfolgseintritt aus. Wer mit etwas rechnet, weiß auch nicht nur um die generelle Gefährlichkeit seines Verhaltens, woraus für sich genommen nicht geschlossen werden könnte, dass er den Erfolgseintritt akzeptieren würde (vgl. BGH a.a.O.), sondern weiß vielmehr um die konkrete Gefährlichkeit seines Tuns. Weiß der Täter aber um die konkrete Gefährlichkeit seines Tuns und fährt mit seinem Handeln gleichwohl fort, kommt ein dann für die Annahme bewusster Fahrlässigkeit erforderliches ernsthaftes Vertrauen auf den Nichteintritt des Erfolges nur dann in Betracht, wenn dieses tatsachenbasiert ist, mithin tatsächliche Umstände das Vertrauen rechtfertigen. Ein nur vages Vertrauen oder bloße Hoffnungen sind nicht ausreichend (vgl. BGH NStZ 2023, 729). Umstände, aus denen sich ergäbe, dass der Angeklagte ernsthaft darauf vertrauen hätte dürfen, mit dem Wurf des Spielgerätes von erheblichem Gewicht keinen der beiden Ordnungsamtsmitarbeiter zu treffen und zu verletzen, lassen sich den Feststellungen jedoch nicht entnehmen. Ob sie festzustellen gewesen wären, muss bei der Prüfung der Wirksamkeit der Beschränkung dagegen außer Betracht bleiben. Denn Fragen der Beweiswürdigung werden bei der Prüfung der Wirksamkeit der Beschränkung durch das Rechtsmittelgericht nicht überprüft. Deshalb spielt es keine Rolle, ob diese unvollständig ist (vgl. Senat, Beschluss vom 30. November 2020 - (1) 121 Ss 151/20 (35/20) oder - wie hier aufgrund des Straf-befehls - überhaupt nicht niedergelegt werden konnte.

bb) Den Feststellungen des Strafbefehls lässt sich entgegen dem Revisionsvorbringen auch entnehmen, dass der Angeklagte das tatbezogene Regelbeispiel des § 113 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 2. Alt. StGB verwirklicht hat, weil er bei der Tat ein gefährliches Werkzeug bei sich geführt hat. Angesichts der festgestellten vorsätzlichen Verwendung des ca. 15 bis 20 kg schweren Fun-Game-Spielgeräts als Wurfgeschoss und den eingetretenen Verletzungen geht der Vortrag des Revisionsführers, es fehlten zur Einstufung des Geräts als gefährliches Werkzeug noch Feststellungen zu den Ausmaßen, der Beschaffenheit und zum Fertigungsmaterial, um die Frage der Geeignetheit zur Verletzung von Menschen zu beantworten, ersichtlich fehl. Denn diese ergibt sich bereits aus der hier festgestellten Art der konkreten Verwendung. Außergewöhnliche Umstände, die Anlass gäben, an der Eigenschaft des Tatmittels als gefährlichem. Werk-Zeug zu zweifeln, sind demgegenüber nicht festgestellt. Es ist insoweit nicht erforderlich, dass die tatsächlichen Feststellungen bei Nichtvorliegen derartiger Umstände sich ausdrücklich zu ihnen verhalten, weil gemäß § 267 Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO die schriftlichen Urteilsgründe nur die Tatsachen angeben müssen, in denen die Merkmale der Straftat gefunden worden sind oder aus denen der Beweis gefolgert worden ist.

b) Auch die Strafzumessungsentscheidung des Landgerichts weist keine Rechtsfehler auf.

aa) Die Kammer musste keine weiteren Feststellungen zum Vorliegen des Regelbeispiels des § 113 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 2. Alt. StGB treffen. Denn die diesbezüglichen Feststellungen aus dem Strafbefehl sind infolge der durch die wirksame, Beschränkung des Einspruchs eingetretenen horizontalen Teilrechtskraft bindend geworden. Von dieser sind in der Regel die Umstände erfasst, in. denen die gesetzlichen Merkmale der Tat gefunden worden, jedenfalls dann, wenn sie mit dem Schuldspruch untrennbar verbunden sind (vgl. BGH NJW 2017, 2847 rn,w.N.). Dies ist hier ungeachtet des Charakters des § 113 Abs. 2 StGB als Strafzumessungsregel bereits deswegen der Fall, weil die Feststellungen zum Beisichführen des gefährlichen Werkzeuges zugleich die mit dem Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung untrennbar verbundenen Feststellungen zur Begehung der Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB sind. Soweit die Revisionsbegründung im Vergleich anderslautende Entscheidungen zum Regelbeispiel der Gewerbsmäßigkeit bemüht, haben diese ihren Grund darin, dass trotz einer Beschränkung des Rechtsmittels auf den Rechtsfolgenausspruch zum Regelbeispiel der Gewerbsmäßigkeit deswegen eigene Feststellungen des Berufungsgerichts zu treffen waren, weil die zu ihrer Annahme als auch in die Zukunft für weitere Taten gerichtete Handlungsmotivation festzustellenden Tatsachen nicht doppelrelevant, d.h. zugleich für, Schuld- und Strafausspruch von Bedeutung, sondern vielmehr vom Schuldspruch abtrennbar waren (vgl. BGH a.a.O. und Senat, Beschluss vom 26. Februar 2020 - (1) 121 Ss 5/20 (2/20) -).

bb) Schließlich ist der Kammer bei der Strafrahmenwahl kein Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten unterlaufen. Dass sie zu Gunsten des Angeklagten bereits bei Beginn der Strafzumessung rechtsfehlerhaft von einem geringeren Strafrahmen ausgegangen ist, beschwert ihn nicht. Insoweit hat sie offensichtlich übersehen, dass ihr gemäß § 52 Abs, 2 SatZ 1 StGB zunächst der Regelstrafrahmen der gefährlichen Körperverletzung eröffnet war, und hat zu Unrecht den milderen Strafrahmen des Regelbeispiels nach .§ 114 Abs. 2 i.V.m. § 113 Abs. 2 Satz-1 StGB zur Anwendung gebracht.

Dass sie sich nachfolgend bei der Strafrahmenwahl nicht mit dem Vorliegen eines min-der schweren Falls der gefährlichen Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 StGB auseinandergesetzt hat, ist nicht zu beanstanden. Sie brauchte die Anwendung des Straf-rahmens des minderschweren Falls der gefährlichen Körperverletzung von drei Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe schon deshalb nicht in Erwägung zu ziehen, weil der von ihr angewandte § 113 Abs. 2 StGB wegen der im Vergleich erhöhten Mindeststrafe von sechs Monaten nach §p2 Abs. 2 Satz 1 StGB die schwerere Strafe androht.

Die Anwendung dieses Strafrahmens enthält keinen Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten. Denn die Kammer hat insoweit rechtsfehlerfrei ein Entfallen der Regelwirkung des § 113 Abs. 2 Satz 2 2. Alt. StGB geprüft und verneint. Bei der dabei vorgenommenen nachteiligen Berücksichtigung der tateinheitlich begangenen gefährlichen Körperverletzung bedurfte es keiner hypothetischen Ausführungen darüber, ob bei dieser für sich genommen ein minderschwerer Fall anzunehmen wäre. Diese Einordnung ist zwar bei der Strafrahmenwahl, nicht aber zur Erfassung tateinheitlich mitverwirk-lichten Unrechts bedeutsam. Denn der Unrechtsgehalt der mitverwirklichten Tat kann auch ohne Kenntnis von deren hypothetischem Strafrahmen anhand des Tatbildes zutreffend erfasst werden. Mit dem Gepräge der zugleich verwirklichten gefährlichen Körperverletzung hat sich das Landgericht in seinen Erwägungen zur Strafzumessung aber ausreichend auseinandergesetzt, indem es auf die Gefährlichkeit des Tatbildes abgestellt und den Tatbestand ausdrücklich als mitverwirklicht hervorgehoben hat.

c) Aus den vorgenannten Gründen bedurfte es auch keiner Erwähnung des minder-schweren Falles der gefährlichen Körperverletzung im Rahmen der konkreten Strafzumessung. Auch im Übrigen ergibt die Nachprüfung des Urteils keinen sachlich-rechtlichen Fehler zum Nachteil des Angeklagten.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 StPO.


Einsender: RA K. Türker, Berlin

Anmerkung:


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