Diese Homepage verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf die Website zu analysieren. Außerdem gebe ich Informationen zu Ihrer Nutzung meiner Website an meine Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.

OK Details ansehen Datenschutzerklärung

Entscheidungen

StPO

Pflichtverteidiger, Beiordnungsgrund Haft, Entlassung, Aufhebung der Bestellung

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Magdeburg, Beschl. v. 21.11.2023 - 25 Qs 794 Js 52649/22 (120/23)

Eigener Leitsatz:

Die Bestellung des Pflichtverteidigers wegen Inhaftierung des Beschuldigten fällt nicht automatisch weg, wenn der Angeklagte mindestens zwei Wochen vor der Hauptverhandlung aus der Verwahrung entlassen wird und die Verteidigung nicht aus einem anderen Grund notwendig ist. Das Gericht muss vielmehr stets prüfen, ob die Beiordnung des Verteidigers aufrechtzuerhalten ist, weil die auf der Freiheitsentziehung beruhende Behinderung trotz der Freilassung nachwirken kann.


LG Magdeburg

Geschäftsnummer: 25 Qs 794 Js 52649/22 (120/23)

Beschluss

In der Beschwerdesache
gegen pp.

Verteidiger:
Rechtsanwalt

wegen Diebstahls

hat die 5. Große Strafkammer des Landgerichts Magdeburg durch die- unterzeichnenden pp. am 21.11.2023 beschlossen:

Auf die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Magdeburg- vom 19. Oktober 2023 (Az. 17 Cs 794 Js 52649/22 (416/23)), mit dem die Beiordnung von Rechtsanwalt pp. als Pflichtverteidiger aufgehoben wurde,- wird dieser Beschluss aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Amtsgerichts Magdeburg zurückverwiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Landeskasse.

Gründe:

Die Staatsanwaltschaft Magdeburg führte gegen den Angeklagten- ein:- Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Diebstahls gemäß SS 242, 248 a StGB..

Der Angeklagte wurde beschuldigt, am 12. September 2022 in Magdeburg, im Geschäft pp. einen -"Trust"-Bluetooth-Stick im Wert von 12,99 € entwendet zu haben.

Unter dem 4 Januar 2023 zeigte Rechtsanwalt pp. die Vertretung des Angeklagten an und beantragte, diesem gemäß § 140 Abs. 7 1 Nr. 5 StPO beigeordnet zu werden.

Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Angeklagte, ausweislich des "in-der: Akte befindlichen Vollstreckungsblattes, zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe aus dem Urteil-des-Amtsgerichts Magdeburg vom 20. August 2020, Az. 12 Ds 794 Js 10880/20 (193/20), in Strafhaft. Hieran schloss sich die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe aus dem Strafbefehl des-Amtsgerichts Magdeburg vom 1. März 2022, Az. 12 Cs 263 Js 542/22 (76/22), von insgesamt 25-Tagen an.

Am 17. Januar 2023 entsprach das Amtsgericht - Ermittlungsrichter - in Magdeburg dem Antrag des Angeklagten und ordnete ihm Rechtsanwalt pp. als notwendigen Verteidiger bei. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass sich der Angeklagte- aufgrund -richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt befinde- (§ 140 Abs. 1 Nr: 5 StPO).

Nach Vornahme weiterer Ermittlungen auf Anregung des Verteidigers erließ-das Amtsgericht Magdeburg am 2. August 2023 gegen den Angeklagten einen Strafbefehl. Mit diesem Strafbefehl wurde ihm zur Last gelegt, am pp. jenen Bluetooth-Stick im Wert von 12,99 € eingesteckt zu haben, um diesen mitzunehmen, ohne ihn bezahlt zu haben, Vergehen des Diebstahls, strafbar gemäß §§ 242, 248 a StGB. Es wurde eine Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen å 20,00 € festgesetzt.

Gegen diesen Strafbefehl erhob der Angeklagte mit anwaltlichem Schriftsatz vom 7. August 2023 rechtzeitig Einspruch.

Ein Termin zur Hauptverhandlung ist noch nicht bestimmt worden.

Der Verteidiger hat mitgeteilt, dass ein solcher frühestens im März 2024 anberaumt werden könne.

Mit Beschluss vom 19. Oktober 2023 hob das Amtsgericht Magdeburg die Beiordnung von Rechtsanwalt pp. mit der Begründung auf, dass- die Bestellung aufzuheben sei, weil sich der Angeklagte auf freiem Fuß befinde (§ 143 Abs. 2 Satz 4 StPO):

Hiergegen erhob der Angeklagte mit anwaltlichem Schriftsatz vom 26. Oktober 2023 Beschwerde. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der- angefochtene Beschluss nicht erkennen lasse, dass sich das Gericht des ihm zustehenden Ermessens bewusst gewesen sei und seine Entscheidung unter Berücksichtigung der- spezifischen Gesichtspunkte des Einzelfalles getroffen habe.

Am 1. November 2023 half das Amtsgericht Magdeburg der Beschwerde nicht ab und legte das Verfahren dem Landgericht Magdeburg zur Entscheidung vor.

Die zulässige Beschwerde ist — zumindest derzeit — begründet.

Gemäß § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO ist die Mitwirkung eines Verteidigers notwendig; wenn sich der Beschuldigte - hier der Angeklagte - aufgrund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt befindet. Die Bestellung kann gemäß § 143 Abs. 2 Satz 1 und 2 StPO aufgehoben werden, wenn der Betroffene mindestens zwei- Wochen vor: Beginn der Hauptverhandlung aus der Anstalt entlassen wird. Hieraus folgt, dass die Bestellung nicht per Gesetz automatisch in Wegfall gerät, wenn der Angeklagte mindestens zwei Wochen vor der Hauptverhandlung aus der Verwahrung entlassen wird und die Verteidigung nicht aus einem anderen Grund notwendig ist. Das Gericht muss dabei stets prüfen, ob die Beiordnung des Verteidigers aufrechtzuerhalten ist, weil die auf der Freiheitsentziehung beruhende Behinderung trotz der Freilassung nachwirken kann, was in diesem Fall - der Angeklagte wurde gemäß vorliegenden Vollstreckungsblatts am 11. März 2023 entlassen - möglicherweise nicht anzunehmen ist. Die Aufhebung der Bestellung muss aber durch eine mit Gründen zu versehende Entscheidung getroffen werden (vgl. Meyer/Goßner-Schmitt, StPO-Kommentar, 66. Aufl., § 143, Rn. 6).

Das Amtsgericht hat den angefochtenen Beschluss vom 19. Oktober 2023 zwar mit Gründen versehen, jedoch erschöpfen sich diese in formelhaften Ausführungen. Die Entscheidung lässt nicht erkennen, dass sich das Amtsgericht eines Ermessensspielraums bewusst gewesen ist. Vielmehr lässt die Entscheidung erkennen, dass das Amtsgericht von einem bloßen Automatismus hinsichtlich der Aufhebung der Beiordnung -ausgegangen ist. Hierbei wird insbesondere in die Betrachtung einzustellen sein, dass der: Angeklagte in 20- Fällen im Bundeszentralregister eingetragen und bereits vielfach wegen Diebstahls vorbestraft ist. Daher wird das Amtsgericht Magdeburg erneut über die Aufhebung der zuvor erfolgen Beiordnung von Rechtsanwalt pp. als notwendigen Verteidiger zu entscheiden haben.

Die Kostentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO analog und berücksichtigt das bisherige Obsiegen des Angeklagten.


Einsender: RA J.-R. Funck, Braunschweig

Anmerkung:


zurück zur Übersicht

Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.

Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".