Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.01.2024 – 2 Ws 187/23
Eigener Leitsatz:
1. Die Rechtsmitteleinlegung durch genügt nicht der gesetzlichen Schriftform gemäß § 32a Abs. 3 StPO, wenn die Email weder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der das Dokument verantwortenden Person versehen noch vom Verfasser signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht worden ist.
2. Dem Schriftformerfordernis wird aber ausnahmsweise dadurch genügt, wenn die Email ausgedruckt und zur Akte genommen wurde. Aus dem Schriftstück muss dann jedoch der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht, schon im Zeitpunkt des Eingangs der Erklärung bei Gericht hinreichend zuverlässig entnommen werden können.
In pp.
Eine Entscheidung des Senats über die Eingabe mit Email vom 28. November 2023 ist nicht veranlasst.
Gründe
I.
Mit Urteil vom 19. Oktober 2021 verhängte das Amtsgericht Stralsund gegen den Verurteilten wegen gemeinschaftlichen Betruges in 31 Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Mit Beschluss vom 10. August 2022 hat das Amtsgericht Stralsund die Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen, da der Verurteilte die ihm auferlegte gemeinnützige Arbeit nicht abgeleistet hatte.
Die gegen den Verurteilten verhängte Gesamtfreiheitsstrafe wird seit dem 27. Juli 2023 in der Justizvollzugsanstalt pp., Außenstelle pp. vollstreckt. Die Hälfte der Strafe wird am 10. April 2024 und 2/3 der Strafe werden am 10. August 2024 verbüßt sein. Das Strafende ist auf den 11. April 2025 notiert.
Mit Schreiben vom 18. und 25. August 2023 hat der Verurteilte beantragt, die Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung auszusetzen. Das Landgericht Cottbus hat diesen Antrag mit Beschluss vom 19. November 2023 zurückgewiesen.
Am 28. November 2023 wurde von der Emailadresse „pp.@gmail.com“ ein Schreiben an das Landgericht Cottbus übersandt. In diesem wendet sich der Verfasser gegen die Ablehnung „seiner Entlassung“, wobei er auf das Aktenzeichen des Verfahrens bei dem Landgericht Cottbus Bezug nimmt. Das pdf-Dokument ist mit dem Briefkopf des Verurteilten versehen und endet mit dem Namen des Verurteilten. Eine Unterschrift fehlt. Das Dokument ist durch das Landgericht Cottbus am 28. November 2023 ausgedruckt und zur Akte genommen worden.
Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg behandelt dieses Schreiben als Rechtsmittel und beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.
II.
Eine Entscheidung des Senats ist nicht veranlasst. Das als sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Cottbus vom 19. November 2023 aufzufassende Rechtsmittel ist schon nicht wirksam eingelegt worden, weil dies nicht nach §§ 454 Abs. 3 Satz 1, 311, 306 Satz 1 StPO schriftlich bzw. durch Einreichung eines elektronischen Dokuments nach Maßgabe des § 32a StPO erfolgt ist.
1. a) Die Email vom 28. November 2023 genügt nicht der gesetzlichen Schriftform gemäß § 32a Abs. 3 StPO. Weder wurde diese mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der das Dokument verantwortenden Person versehen noch vom Verfasser signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 21. Januar 2021, 2 Ws 7/21 - 1 OBL 3/21, zitiert nach juris; KK-StPO/Zabeck, 9. Aufl., § 306 Rn. 8).
b) Dem Schriftformerfordernis wird vorliegend auch nicht ausnahmsweise dadurch genügt, dass die Email vom 28. November 2023 ausgedruckt und zur Akte genommen wurde. Zwar kann ein solcher Ausdruck der Schriftform genügen, denn dieser unterliegt nicht den Erfordernissen des § 32a Abs. 2 und 3 StPO. Aus dem Schriftstück muss jedoch der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht, schon im Zeitpunkt des Eingangs der Erklärung bei Gericht hinreichend zuverlässig entnommen werden können (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 18. November 2021, 3 OWi 32 SsBs 199/21, BeckRS 2021, 37047, Rn. 15 - 18 m.w.N.; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Auflage, Einl. 128).
Diesen Erfordernissen wird jedenfalls bei der Einreichung eines unterschriebenen, hiernach eingescannten und ausgedruckten Papierdokuments Genüge getan, wenn feststeht, dass es sich insoweit nicht um einen Entwurf handelt und keine ernstlichen Zweifel an der Urheberschaft des Berechtigten bestehen (vgl. OLG Koblenz, a.a.O.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16. Februar 2023, 2 Orbs 35 Ss 4/23, NStZ 2023, 621; MüKo-StPO/Beller/Gründler/Kindler/Rochner, 2. Auflage, § 32a StPO Rn. 29). Ein solches Dokument wurde vorliegend aber nicht an das Landgericht Cottbus übersandt.
Schon der Verfasser des Schreibens ist nicht hinreichend zuverlässig erkennbar. Zwar mag die Benutzung der Email-Adresse „pp.@gmail.com“ auf den Verurteilten als Verfasser hinweisen. Jedoch steht nicht fest, dass der Verurteilte diese eingerichtet hat, denn es erfolgt im Rahmen der Eröffnung des Email-Accounts keine Identitätsprüfung.
Soweit das Layout früheren Schreiben, welche von der gleichen Email-Adresse an die Staatsanwaltschaft bzw. das Landgericht Cottbus in dieser Vollstreckungssache gesendet wurden, entspricht, lässt sich hieraus nicht der zweifelsfreie Schluss auf den Verurteilten als Verfasser ziehen, denn auch die Schreiben, welche mit dem Namen der Freundin des Verurteilten unterzeichnet und von deren Email-Adresse gesendet wurden, weisen das gleiche Layout auf. Die in diesem Zusammenhang bestehenden erheblichen Zweifel an der Urheberschaft des Verurteilten werden noch durch den Umstand verstärkt, dass er sich derzeit in Strafhaft befindet und dort in der Regel weder Zugriff auf PCs noch Smartphones hat. Vor diesem Hintergrund ist zudem zweifelhaft, ob das Schriftstück mit Wissen und Wollen des Verurteilten dem Gericht zugeleitet worden ist, es sich dabei also vielmehr um einen Entwurf handelt (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O.).
2. Die Nichteinhaltung der gesetzlichen Form führt ausnahmsweise nicht zur (gemäß § 473 Abs. 1 StPO kostenpflichtigen) Verwerfung der „Beschwerde“. Es würde dem Zweck der Formvorschriften widersprechen, den Rechtsbehelf durch förmliche Bescheidung mit der Kostentragungspflicht hinsichtlich des erfolglos eingelegten Rechtsmittels im Ergebnis gleichwohl als wirksam eingelegt zu behandeln, wenn die Urheberschaft des bei Gericht eingereichten Dokuments zweifelhaft ist (OLG Hamburg, a.a.O.). Zweck des Schriftformerfordernisses ist es gerade, Zweifel an der Identität des Urhebers und am Willen zur Einlegung des Rechtsmittels auszuschließen (vgl. OLG Hamburg, a.a.O.; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O.; KK-StPO/Zabeck, a.a.O.). Mit Blick hierauf ist unter den vorliegenden Umständen eine Entscheidung des Senats nicht veranlasst.
3. Ergänzend merkt der Senat an, dass das Landgericht den Antrag des Verurteilten zutreffend als verfrüht zurückgewiesen hat. Von Gesetzes wegen ist eine Aussetzung der Vollstreckung frühestens zum Halbstrafenzeitpunkt, der erst am 10. April 2024 erreicht sein wird, möglich (vgl. § 57 Abs. 2 Nr. 1 StGB).
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