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Entscheidungen

Verwaltungsrecht

Trunkenheitsfahrt, Fahrrad, Entziehung der Fahrerlaubnis, Einstellung des Verfahrens

Gericht / Entscheidungsdatum: BayVGH, Beschl. v. 22.01.2024 – 11 CS 23.1451

Eigener Leitsatz:

1. Einem Fahrerlaubnisinhaber, der ein Fahrrad im Straßenverkehr bei einer BAK von 1,6 Promille oder mehr oder einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr geführt hat, kann aufgegeben werden, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen (§ 46 Abs. 3 i.V.m. § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV).
2. Aus der Weigerung oder Nichtbeibringung kann auf Nichteignung geschlossen werden.
3. Von einer Trunkenheitsfahrt kann auch unabhängig von einer strafrechtlichen Ahndung insbesondere aufgrund eines polizeilichen Sachberichts und der Blut- und Atemalkoholtests ausgegangen werden kann. Die Einstellung des Strafverfahrens durch die Staatsanwaltschaft nach § 153a StPO bringt nicht zum Ausdruck bringt, dass der Tatverdacht gegen den Fahrerlaubnisinhaber damit ausgeräumt wäre.


In pp.

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen 1, 3 und 4 (alt).

Im Oktober 2021 wurde der Antragsgegnerin bekannt, dass der Antragsteller am 23. Juli 2021 gegen 0:33 Uhr in alkoholisiertem Zustand auf einer öffentlichen Straße mit seinem Fahrrad einen Unfall erlitten hatte, indem er mit den Rädern in die Straßenbahngleise geraten und gestürzt war. Der von der Polizei um 1:35 Uhr durchgeführte Atemalkoholtest ergab eine Atemalkoholkonzentration von 0,82 mg/l, die um 2:25 Uhr entnommene Blutprobe eine Blutalkoholkonzentration von 1,74 ‰. Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen Trunkenheit im Verkehr wurde mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 19. Oktober 2021 nach § 153a StPO gegen eine Geldauflage eingestellt.

Unter Bezugnahme auf diesen Sachverhalt forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller mit Schreiben vom 12. Januar 2022 gestützt auf § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV auf, innerhalb von drei Monaten ein medizinisch-psychologisches Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle zu den Fragen vorzulegen, ob zu erwarten sei, dass er aufgrund der Trunkenheitsfahrt mit einem fahrerlaubnisfreien Fahrzeug zukünftig mit erhöhter Wahrscheinlichkeit auch mit einem Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss im Straßenverkehr auffällig werde, sodass die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen sei, und ob als Folge eines unkontrollierten Alkoholkonsums Beeinträchtigungen vorlägen, die das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs der Gruppe 1 und 2 in Frage stellten.

Der Antragsteller brachte in der Folge kein Gutachten bei. Im Rahmen der Anhörung zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis ließ er mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 7. Dezember 2022 vortragen, dass weder die Atemalkohol- noch die Blutprobe verwertbar seien und die Begutachtungsanordnung rechtswidrig sei. Er habe einen Unfall erlitten, weil ein Passant zwischen parkenden Autos auf die Fahrbahn getreten sei, und sich hierbei schwer verletzt. Das von der Polizei festgestellte Schwanken und die verwaschene Aussprache seien Folgen einer Gehirnerschütterung, eines Schocks und gebrochenen Knies. Die Polizei habe die Sachlage falsch eingeschätzt. Der Antragsteller habe nicht in den Atemalkoholtest eingewilligt. Er sei unfallbedingt nicht einwilligungsfähig gewesen. Hierfür spreche auch, dass er sich nicht habe äußern wollen. Es fehle die Angabe des Endes der Vernehmung. Falsch sei auch, dass er unsicher gegangen sei. Er habe nicht gehen können. Es fehle der zwingend erforderliche ärztliche Bericht. Auch die Angabe über den Unfallzeitpunkt müsse falsch sein, da die Beamten erst um 1:20 Uhr am Unfallort eingetroffen seien. Es könne daher nicht ausgeschlossen werden, dass die untersuchte Blutprobe von einer anderen Person stamme oder bei der Entnahme verunreinigt worden sei. Sie sei unter Verstoß gegen § 81a StPO entnommen worden und daher nicht verwertbar. Ferner sei zu berücksichtigen, dass er 58 Jahre alt sei, seit 41 Jahren die Fahrerlaubnis besitze und seitdem verkehrsrechtlich nicht auffällig geworden sei. Die Verkehrsteilnahme auf dem Fahrrad zeige gerade, dass er zwischen Alkoholkonsum und Autofahren trennen könne. Außerdem sei das anhängige Strafverfahren gegen Auflage eingestellt worden.

Mit Bescheid vom 22. März 2023 entzog die Antragsgegnerin dem Antragsteller die Fahrerlaubnis aller Klassen und gab ihm unter Androhung eines Zwangsgelds auf, seinen Führerschein spätestens innerhalb einer Woche ab Zustellung des Bescheids abzugeben. Ferner ordnete sie die sofortige Vollziehung der beiden Verfügungen an.

Am 31. März 2023 gab der Antragsteller seinen Führerschein bei der Polizei ab.

Am 4. April 2023 ließ er durch seinen Bevollmächtigten Widerspruch einlegen und beim Verwaltungsgericht München beantragen, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederherzustellen und die Antragsgegnerin zur Herausgabe des hinterlegten Führerscheins zu verpflichten.

Mit Beschluss vom 18. Juli 2023 lehnte das Verwaltungsgericht diesen Antrag ab. Soweit er sich gegen die Zwangsgeldandrohung richte und der Antragsteller die unverzügliche Herausgabe seines Führerscheins begehre, sei der Antrag unzulässig, im Übrigen unbegründet. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei formell und materiell rechtmäßig. Ihre Begründung genüge den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung ergebe sich bereits aus den Gesichtspunkten, die für den Erlass des Verwaltungsakts maßgebend gewesen seien. Der erhobene Widerspruch werde voraussichtlich ohne Erfolg bleiben, sofern nicht im Widerspruchsverfahren neue und dort bei der Entscheidung zu berücksichtigende Tatsachen geschaffen würden. Die Antragsgegnerin habe zu Recht gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf eine fehlende Fahreignung des Antragstellers geschlossen, da er das rechtmäßig angeordnete Gutachten nicht beigebracht habe. Werde ein Fahrzeug im Straßenverkehr mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 ‰ oder mehr oder einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr geführt, habe die Fahrerlaubnisbehörde, ohne dass ihr insoweit Ermessen zustehe, gemäß § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen. Die Antragsgegnerin sei aufgrund der Schilderung des den Unfall aufnehmenden Polizeibeamten und des freiwillig durchgeführten Atemalkoholtests zu Recht davon ausgegangen, dass der Antragsteller die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt habe. Es werde nicht die Tatbegehung mit einem Kraftfahrzeug vorausgesetzt. Ob der Antragsteller in den Atemalkoholtest eingewilligt habe oder nicht einwilligungsfähig gewesen sei, könne dahinstehen. Andernfalls käme man zu dem widersinnigen Ergebnis, dass bei einwilligungsunfähigen Personen die Feststellung des Grads der Alkoholisierung nicht möglich sei. Eine Zuordnung der Blutprobe zum Antragsteller scheitere nicht an dem unbeschrifteten Röhrchen. Aus der unterschriebenen Blutalkoholbestimmung des Instituts für Rechtsmedizin vom 26. Juli 2021 ergebe sich zweifelsfrei, dass diese den Antragsteller betreffe. Es würden explizit eine Probennummer und der Zeitpunkt der Blutentnahme genannt. Die Nummer individualisiere die Blutprobe möglicherweise exakter als eine Beschriftung mit dem Namen. Auch aus dem Einlieferungsbeleg vom 23. Juli 2021 ergebe sich, dass dem Antragsteller eine Blutprobe entnommen worden sei. Für deren Ordnungsmäßigkeit komme es daher auf einen ärztlichen Bericht über die Blutentnahme und ein etwaiges Motiv für dessen Fehlen (Vergessen oder Zeitmangel) nicht an. Dass die Blutentnahme durch einen Arzt erfolgt sei, gehe sowohl aus dem polizeilichen Bericht vom 29. Juli 2021 hervor, in dem der Arzt namentlich genannt werde, als auch aus dem Aktenvermerk vom 5. August 2021, wonach ein Arzt der Notaufnahme das Blut in den Räumlichkeiten der Notaufnahme der Universitätsklinik entnommen habe. Dementsprechend sei auch nicht zu befürchten, dass die Blutprobe entgegen den anerkannten Regeln der Heilkunde entnommen worden sei. Anhaltspunkte dafür, dass diese Verunreinigungen enthalten haben könnte, seien nicht ersichtlich. Auch dürfe ein unter Verstoß gegen den Richtervorbehalt des § 81a StPO gewonnener toxikologischer Befund nach der ständigen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung in einem Fahrerlaubnisentziehungsverfahren verwertet werden. Zudem würden die im Atemalkohol- und Bluttest gewonnenen Werte in etwa dem Richtwert entsprechen, dass der Promille-Wert der Blutprobe ziemlich exakt doppelt so hoch sei wie die in „mg/l“ gemessene Atemluft. Die hier ermittelten Ergebnisse würden sich jedenfalls nicht offensichtlich widersprechen. Ebenso wenig lasse sich aus den Zeitangaben in der Behördenakte eine falsche Darstellung des Unfallgeschehens entnehmen. Insbesondere könne aus den zeitlichen Angaben nicht geschlossen werden, die untersuchte Blutprobe stamme von einer anderen Person oder sei bei der Entnahme verunreinigt worden. Auch der Vortrag, den Unfall habe ein auf die Fahrbahn getretener Passant verursacht, finde in den Akten keine Entsprechung. Nach dem Polizeibericht vom 29. Juli 2021 habe die Polizei den Antragsteller bei ihrer Ankunft mit mehreren Passanten angetroffen. Eine Unfallbeteiligung eines Passanten werde hier nicht erwähnt. Offenkundige Widersprüche in den polizeilichen Aussagen seien nicht zu erkennen. Es bestehe daher kein Anlass, ausnahmsweise an der Richtigkeit der behördlichen Aussagen zu zweifeln. Ebenso wenig könne gegen die dem Antragsteller von der Staatsanwaltschaft zur Last gelegte Trunkenheitsfahrt die Einstellung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen Erfüllung einer Auflage nach § 153a Abs. 1 StPO eingewendet werden. Insoweit sei auf die präventive Zielrichtung des Fahrerlaubnisrechts (Klärung von Eignungszweifeln zum Schutz anderer Verkehrsteilnehmer) zu verweisen. Die Einstellung des Verfahrens sei zudem nicht mangels Tatnachweises erfolgt, sondern weil der Antragsteller die ihm mit Verfügung vom 9. September 2021 angebotene Auflage angenommen und erfüllt habe. Eine Verfahrenseinstellung gemäß § 153a Abs. 1 StPO setze voraus, dass nach dem Verfahrensstand mit einer hohen Wahrscheinlichkeit von einer Verurteilung auszugehen wäre und verbiete somit nicht, Feststellungen über Tatsachen, die einen Straftatbestand erfüllen, in Verfahren mit anderer Zielsetzung als Grundlage für die daran anknüpfenden außerstrafrechtlichen Rechtsfolgen zu verwerten. Die vom Antragsteller gerügten Mängel würden sich im Ergebnis jedenfalls nicht als so gravierend darstellen, dass sie die entstandenen Zweifel an der Fahreignung entkräften könnten und zu Lasten der öffentlichen Sicherheit eine weitere Erforschung unterbleiben müsste. Seine Belange würden insofern berücksichtigt, als die entstandenen Zweifel die Behörde allein zu einer Gutachtensanordnung berechtigten, was dem Antragsteller die Gelegenheit biete, Zweifel zu entkräften. Auch die zwischen der Tat, der Beibringungsanordnung und dem Erlass des Entziehungsbescheids vergangene Zeit führe nicht zur Rechtswidrigkeit der Maßnahme. Ob die Beibringungsanordnung gemäß § 13 FeV gerechtfertigt sei, richte sich nach den gesetzlichen Tilgungs- und Verwertungsbestimmungen. Gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. a StVG betrage die Tilgungsfrist bei Entscheidungen über eine Straftat (hier § 316 StGB) fünf Jahre. Die Alkoholfahrt vom Juli 2021 sei zum Anordnungszeitpunkt im Januar 2022, aber auch aktuell, verwertbar (gewesen). Angesichts der eindeutigen gesetzlichen Vorgaben bestehe regelmäßig – auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten – kein Raum für eine Einzelfallprüfung, in der außer der Frage der Verwertbarkeit nach den registerrechtlichen Vorschriften noch andere Gesichtspunkte zu berücksichtigen wären. Da der Antragsgegnerin weder bei Erlass der Beibringungsanordnung noch bei Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Nichtvorlage des Gutachtens ein Ermessenspielraum zugestanden habe, sei die Entziehung bei Nichtvorlage des zu Recht geforderten Fahreignungsgutachtens zwingend. Daher könne und dürfe eine unbeanstandete Teilnahme am Straßenverkehr für die aktuelle, rein präventive Bewertung einer vom Betroffenen ausgehenden Gefährdung der Verkehrssicherheit keine Rolle spielen.

Mit seiner Beschwerde begehrt der Antragsteller die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs. Er nimmt auf sein erstinstanzliches Vorbringen Bezug und widerspricht der Annahme des Verwaltungsgerichts, dass er die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV erfüllt habe. Bei einer Gesamtschau der Umstände komme man zu dem Ergebnis, dass viele Behauptungen der Polizei und der Behörde einer Überprüfung nicht standhielten und damit die Anforderung des Fahrgutachtens ins Blaue hinein erfolgt sei. Aufgrund des unbeschrifteten Röhrchens sei eine zweifelsfreie Zuordnung der Blutprobe ausgeschlossen. Sie sei dem Antragsteller fehlerhaft zugeordnet worden. Das Gericht setze sich auch nicht mit der Frage auseinander, warum das Röhrchen regelwidrigerweise nicht beschriftet gewesen sei. Die Nummer habe sicherheitshalber unbedingt auf dem Röhrchen selbst vermerkt zu sein, um ein Vertauschen zu verhindern. Dies sehe auch die Verwaltungsvorschrift „Feststellung von Alkohol-, Medikamenten- und Drogeneinfluss bei Straftaten und Ordnungswidrigkeiten; Sicherstellung und Beschlagnahme von Führerscheinen“ vom 5. April 2001 unter Nr. 3.5.5. ausdrücklich vor. Das vorgeschriebene Untersuchungsprotokoll fehle gleich ganz. Deshalb könne auch nicht festgestellt werden, ob nach Nr. 3.5.5 die die Blutentnahme anordnende Person beim gesamten Blutentnahmevorgang zugegen gewesen sei und darauf geachtet habe, dass hierbei Verwechslungen von Blutproben ausgeschlossen seien. Es sei daher auch von einem Verstoß gegen diese Sicherheitsvorschrift auszugehen. Ferner sei gegen Nr. 3.5.1. verstoßen worden, wonach Blutentnahmen nur von Ärzten nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt werden dürften. Weder könne sicher festgestellt werden, dass ein Arzt die Blutprobe entnommen habe. Die Angabe im Polizeiprotokoll, ein nicht näher bekannter „Dr. med. pp./IRMed“ habe die Blutprobe entnommen, werde bestritten. Diese Behauptung der Polizei stehe auch im direkten Widerspruch zur weiteren Behauptung, die Blutentnahme sei „vom Arzt der Notaufnahme“ durchgeführt worden. Ein Rechtsmediziner sei nicht das gleiche wie ein Arzt der Notaufnahme. Diesen Falschbehauptungen der Polizei sei das Erstgericht nicht nachgegangen. Auch die in Nr. 3.5.1. der Verwaltungsvorschrift vorgeschriebenen Regeln der ärztlichen Kunst seien nicht eingehalten worden, da vorschriftswidrig mit Alkohol desinfiziert worden sei, was das Ergebnis der Blutprobe verfälsche. Ferner sei die bei der BAK-Bestimmung des Instituts für Rechtsmedizin mitgeteilte Probennummer 2021-M-011072-001 nicht diejenige Nummer der Auftragserfassung des Instituts für Rechtsmedizin 2021-E-00879-000. Die Blutprobe sei daher nicht verwertbar. Auch der Atemalkoholtest sei nicht verwertbar, da auch er unter Verstoß gegen die o.g. Verwaltungsvorschrift gewonnen worden sei. Ein Protokoll liege entgegen Nr. 2.1.3. nicht vor. Daher müsse bestritten werden, dass das Messpersonal zur Bedienung des Geräts befugt und die Messung nach Maßgabe der Gebrauchsanweisung des Herstellers durchgeführt worden sei. Auch Name und Unterschrift des Messpersonals fehlten. Im Übrigen werde eine gültige Eichung bestritten. Ferner habe der Antragsteller, der starker Raucher sei, während der Wartezeit auf den Krankenwagen weitergeraucht, sodass die Atemalkoholmessung auch von daher beeinflusst sei. Eine so grobe Abweichung von verschiedenen Schutzvorschriften, die eine völlige Unüberprüfbarkeit der Messung zur Folge habe, könne nicht zu Lasten des Beschwerdeführers gewertet werden. Soweit die Polizei einen „unsicheren Gang“ festgestellt habe, sei Tatsache, dass der Antragsteller mit einem gebrochenen Knie überhaupt nicht mehr habe gehen können und das Gehenlernen eine zeitaufwendige, dreimonatige Reha erfordert habe. Die Angaben der Polizei entsprächen daher in mehreren Punkten nicht der Wahrheit und könnten bei einer Gesamtschau nicht herangezogen werden. Die Voraussetzungen des § 13 FeV hätten somit nicht vorgelegen. Die Tatsache, dass die Beibringungsanordnung fast zwei Jahre nach dem Vorfall erfolgt sei, sei für die Anordnung des Sofortvollzugs durchaus relevant, auch wenn die Tilgungsfrist des § 29 StVG noch nicht verstrichen sei. Die Anordnungskompetenz der Behörde diene dem Schutz des Straßenverkehrs und seiner Teilnehmer. Bewerte aber die Behörde den Schutz des Straßenverkehrs selber als so gering, dass sie knapp zwei Jahre zuwarte, dann müsse sie diese Gewichtung auch gegen sich gelten lassen. Sie könne dann nicht dieses Rechtsgut für die Anordnung des Sofortvollzugs heranziehen, sondern müsse ein Hauptsacheverfahren anstreben. Eine Bezugnahme auf Feststellungen im Strafverfahren sei unzulässig und widerspräche der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, B. v. 16.1.1991 – 1 BvR 1326/90). Nach § 153a StPO sei es allein die Entscheidung des Betroffenen, der Einstellung zuzustimmen. Daraus könne nicht abgeleitet werden, dass er die vorgeworfene Tat auch begangen habe. Ein Schuldeingeständnis, geschweige denn ein Schuldnachweis sei damit nicht verbunden. Dies gelte umso mehr, als das Strafgericht hier nicht geprüft habe, ob und in welcher Höhe eine Blutalkoholkonzentration vorgelegen habe. Ferner sei die hier entnommene Blutprobe aus den bereits genannten Gründen nicht verwertbar bzw. habe Mängel, die das Ergebnis einer Blutalkoholkonzentration von 1,74 ‰ nicht als medizinisch gesichert festgestellt erscheinen ließen. Dasselbe gelte für die Atemluftkonzentration. Bei einer Atemluftkonzentration ohne Eichung und ohne Testprotokoll sei der Beweiswert gleich Null. Sie sei auch nicht freiwillig erfolgt. Der Antragsteller sei nicht belehrt worden. Ein anderslautendes Protokoll von Polizeibeamten existiere nicht. Polizeibeamte seien nicht vernommen worden. Das Erstgericht müsse daher von der Unfreiwilligkeit ausgehen und könne die Atemluftkonzentration nicht zur Entscheidungsfindung heranziehen. Nach dem Rechtsgedanken des Art. 46 BayVwVfG seien Verfahrensverstöße nur dann unbeachtlich, wenn der Verstoß die Entscheidung offensichtlich nicht beeinflusst habe. Genau dies sei hier nicht der Fall, da bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften sowohl Atemalkoholkonzentration als auch Blutalkoholkonzentration andere Ergebnisse hätte haben können. Es gebe daher keine feststehenden Tatsachen, die Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers begründeten. Die Annahme der Behörde sei rein spekulativ gewesen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern oder aufzuheben wäre.

Soweit das Verwaltungsgericht den Antrag als unzulässig abgelehnt hat, hat der Antragsteller die erstinstanzliche Entscheidung nicht angegriffen. Soweit es den Antrag als unbegründet abgelehnt hat, ist es zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass die Antragsgegnerin den Antragsteller als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ansehen und ihm die Fahrerlaubnis entziehen durfte.

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) vom 5. März 2003 (BGBl I S. 310), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. November 2023 (BGBl I Nr. 315), und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV) vom 13. Dezember 2010 (BGBl I S. 1980), zuletzt geändert durch Verordnung vom 20. Juli 2023 (BGBl I Nr. 199), hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist (§ 46 Abs. 1 Satz 2 FeV). Ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist u.a., wer – ohne alkoholabhängig zu sein – Alkohol missbräuchlich konsumiert, indem er das Führen von Fahrzeugen und einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher trennt (Anlage 4 Nr. 8.1 zur FeV).

Hat ein Fahrerlaubnisinhaber ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 ‰ oder mehr oder einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr geführt, ordnet die Fahrerlaubnisbehörde an, dass ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist (§ 46 Abs. 3 i.V.m. § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV). Dies gilt nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nicht nur für eine Fahrt mit einem Kraftfahrzeug, sondern – wie im Fall des Antragstellers – auch für eine Fahrt mit einem nicht motorisierten Fahrzeug, also auch bei einer erstmaligen Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad (stRspr, vgl. BVerwG, U. v. 4.12.2020 – 3 C 5.20BVerwGE 171, 1 Rn. 19; B. v. 20.6.2013 – 3 B 102.12NJW 2013, 2696 = juris Rn. 7; U. v. 21.5.2008 – 3 C 32.07BVerwGE 131, 163 = juris Rn. 10, 15 ff., BayVGH, B. v. 19.8.2019 – 11 ZB 19.1256 – Blutalkohol 56, 418 = juris Rn. 11). Die Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens gemäß § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV ist zum Schutz der Verkehrssicherheit zwingend vorgegeben, ohne dass der Fahrerlaubnisbehörde insoweit ein Ermessen zukäme. Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, so darf die Behörde bei ihrer Entscheidung gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf seine Nichteignung schließen. Der Schluss auf die Nichteignung ist allerdings nur zulässig, wenn die Anordnung der Begutachtung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist (stRspr, vgl. BVerwG, U. v. 17.11.2016 – 3 C 20.15BVerwGE 156, 293 Rn. 19) bzw. kein ausreichender Grund für die Weigerung vorliegt (vgl. BVerwG, U. v. 12.3.1985 – 7 C 26.83BVerwGE 71, 93 = juris Rn. 16; OVG NW, B. v. 17.3.2021 – 16 B 22.21 – DAR 2021, 409 = juris Rn. 5; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl. 2023, § 11 FeV Rn. 51).

Die Sachverhaltswürdigung des Verwaltungsgerichts ist nicht zu beanstanden. Es hat zu Recht angenommen, dass die Trunkenheitsfahrt auch unabhängig von einer strafrechtlichen Ahndung insbesondere aufgrund des polizeilichen Sachberichts und der Blut- und Atemalkoholtests mit hinreichender Sicherheit feststeht, und ist dabei zutreffend davon ausgegangen, dass die Einstellung des Strafverfahrens durch die Staatsanwaltschaft nach § 153a StPO nicht zum Ausdruck bringt, dass der Tatverdacht gegen den Antragsteller damit ausgeräumt wäre. Vielmehr ergibt sich aus der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft vom 19. Oktober 2021 ausdrücklich, dass diese von der Tatbegehung überzeugt war und lediglich wegen der erstmaligen Begehung einer derartigen Tat das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung verneint hat. Entgegen der Ansicht des Antragstellers hat das Gericht nicht in unzulässiger Weise Bezug auf Feststellungen aus dem Strafverfahren genommen. Nach der von ihm angeführten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts steht eine Verfahrenseinstellung gemäß § 153a StPO einer eigenständigen Würdigung und Bewertung der Strafakten in einem Verwaltungs- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht entgegen (vgl. BVerfG, B. v. 16.1.1991 – 1 BvR 1326/90NJW 1991, 1530 = juris Rn. 21). Die Verwaltungsbehörden und die Gerichte sind lediglich gehindert, allein aufgrund der Zustimmung des Betroffenen zur Einstellung des Verfahrens und der Einstellung selbst davon auszugehen, ihm sei nachgewiesen, dass er die ihm vorgeworfene Tat begangen habe. Dagegen ist es ihnen nicht verwehrt, die im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren und im strafgerichtlichen Verfahren gewonnenen Erkenntnisse und Beweismittel einer eigenständigen Überprüfung etwa im Hinblick darauf zu unterziehen, ob sich daraus hinreichende Schlussfolgerungen für das Vorliegen der Voraussetzungen für eine verwaltungsrechtliche Maßnahme ergeben (vgl. BVerfG, a.a.O.; BayVGH, B. v. 25.7.2023 – 11 CS 23.125 – juris Rn. 17 f. m.w.N.). Eine solche eigenständige Prüfung haben die Antragsgegnerin und das Verwaltungsgericht hier vorgenommen. Sie können sich dabei auf dieselben Beweismittel stützen wie die Strafverfolgungsorgane, ohne an deren Bewertung gebunden zu sein (vgl. BayVGH, B. v. 2.9.2016 – 11 ZB 16.1359 – juris Rn. 20).

Weiter ist nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht der polizeilichen Darstellung zum Unfallhergang und zur Alkoholisierung des Antragstellers gefolgt ist. Gegenüber den den Unfall aufnehmenden Polizeibeamten hatte der Antragsteller angegeben, dass er mit seinen Fahrradrädern in die Tramgleise geraten ist, nicht aber, dass er einem zwischen parkenden Autos hervortretenden Passanten ausgewichen ist. Obwohl die Erwähnung eines mitwirkenden Fremdverschuldens nahe gelegen hätte, hat er dies erst im Rahmen der Anhörung zur Entziehung der Fahrerlaubnis vortragen lassen. Auf die Beamten hat er sichtlich alkoholisiert gewirkt, was sich hauptsächlich in einer verwaschenen Aussprache deutlich gemacht habe. Daneben kann dahinstehen, ob der ebenfalls aufgefallene leicht unsichere Gang auf die erlittene Schienbeinkopffraktur oder die Alkoholisierung oder beides zurückzuführen war. Jedenfalls kann den Beamten mit der nachträglichen unspezifischen und nicht weiter substantiierten Behauptung, der Antragsteller habe sich das Knie gebrochen und deshalb nicht mehr gehen können, nicht unterstellt werden, sie hätten in diesem Punkt die Unwahrheit gesagt. Die Fraktur muss für einen fremden Beobachter nicht offen zutage gelegen haben, zumal der Antragsteller zum damaligen Zeitpunkt „nur“ über Schmerzen berichtet hat und die Art seiner Verletzungen selbst nicht kannte. Im Übrigen fragt sich, wie er von den Straßenbahngleisen weggekommen ist, wenn er nicht mehr gehen konnte. Dass er beim Eintreffen der Polizei etwa 50 Minuten nach dem Sturz noch auf der u.a. von einer Straßenbahn befahrenen Straße lag oder dass ihn Passanten von dort weggetragen haben, hat er nicht vorgetragen. Auch in dem polizeilichen Sachbericht ist nur die Rede davon, man habe ihn mit Passanten angetroffen. Die mit der Alkoholisierung typischerweise verbundenen Sprachstörungen sind mit einer Gehirnerschütterung jedenfalls nicht hinreichend erklärt. Eine verwaschene Aussprache zählt nicht zu den Symptomen einer Gehirnerschütterung (vgl. MSD Manual „Gehirnerschütterung“, https://www.msdmanuals.com/de-de/heim/ verletzungen-und-vergiftung/kopfverletzugen/gehirnersch%C3%BCtterung; Concussion regognition Tool CRT6, Hrsg. Bundesinstitut für Sportwissenschaft, https://www.bisp.de/SharedDocs/Kurzmeldungen/DE/Nachrichten/2023/Neuauflage_Taschenkarten.html; Gehirnerschütterungen beim Sport und Schädel-Hirn-Trauma, Hsrg. Neurozentrum Arabellapark, https://www.neurozentrum-arabellapark.de/gehirn-erschuetterung-schaedel-hirn-trau-ma/). Auch kann den insoweit geschulten Beamten nicht unterstellt werden, sie könnten eine starke Alkoholisierung nicht erkennen, was regelmäßig auch Laien möglich ist.

Mit dem Beschwerdevorbringen ist auch nicht die Annahme des Verwaltungsgerichts in Zweifel gezogen, dass keine Anhaltspunkte für eine nicht ordnungsgemäße Blutentnahme oder eine Verwechslung der Blutproben vorlägen. Nach dem Aktenvermerk des mit der Durchführung der Blutentnahme beauftragten Polizeibeamten O. vom 5. August 2021 ist die Blutentnahme durch den Notarzt mit dem Blutentnahmeset der Polizeiinspektion 14 durchgeführt worden. Anschließend haben er und die Polizeibeamtin G. die entnommene Blutprobe „mit den entsprechenden Formblättern“ in das rechtsmedizinische Institut der Ludwig-Maximilians-Universität gebracht. Nach dem Aktenvermerk des anordnenden Beamten waren sie als beauftragte Personen – wie in Nr. 3.5.5 Satz 1 der interministeriellen Richtlinien zur Feststellung von Alkohol-, Medikamenten- und Drogeneinfluss bei Straftaten und Ordnungswidrigkeiten; Sicherstellung und Beschlagnahme von Führerscheinen (RiBA) in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Oktober 2018 (BayAllMBl S. 963; abgedruckt in Leipziger Komm. zum StGB, 13. Aufl. 2020, § 316 Rn. 255) vorgesehen – bei der Blutentnahme durch den Notarzt der Portalklinik zugegen. Darauf weist auch hin, dass das polizeiliche Blutentnahmeset zum Einsatz kam. Bei einem derartigen Vorgehen ist eine Verwechslung der Blutprobe im Krankenhaus nicht hinreichend wahrscheinlich, auch wenn die Beamten das Röhrchen unbeschriftet entgegengenommen und an das rechtsmedizinische Institut übergeben haben, wo es die Nummer „2021-M-011072-001“ erhalten hat. Die Kennzeichnung von Blut- und anderen Materialproben mit Nummern, z.B. bei der Verwendung sog. Barcodes, ist im Analysebereich nicht unüblich. Es sind auch keine sachlichen Gründe dafür ersichtlich, dass die eine Blutprobe individualisierende Nummer mit der Eingangs- oder Auftragsnummer übereinstimmen müsste, die die Materialeingänge in einem Labor bzw. einer Einheit erfasst, oder etwa dem Aktenzeichen des Instituts, wie es der Antragsteller, ohne sachliche Gründe oder Vorschriften dafür anzuführen, behauptet. Bei dem weiteren Vortrag, bei der Blutentnahme sei mit Alkohol desinfiziert worden, handelt es sich um eine unbelegte, nicht substantiierte und erstmals in der Beschwerdebegründung aufgestellte Behauptung. Sie ist auch deshalb nicht glaubhaft, weil ein Blutentnahmeset der Polizei üblicherweise mit alkoholfreien Desinfektionstüchern ausgestattet ist (vgl. https://www.uniklinikum-jena.de/remed/Arbeitsbereiche+und+Dienstleistungen/Forensische+Toxikologie.print). Ferner entkräftet die Namensnennung einer Rechtsmedizinerin der Ludwig-Maximilians-Universität in dem Schlussbericht des den Unfall aufnehmenden Polizeibeamten B. vom 29. Juli 2021 nicht die Angabe des bei der Blutentnahme anwesenden Polizeibeamten O., der diensthabende Notarzt habe das Blut entnommen. Die Sanitäter haben den Antragsteller unstreitig in die Notaufnahme der Portalklinik gebracht. Es ist davon auszugehen, dass in der Notaufnahme des Krankenhauses ein (Not-)Arzt bzw. in der Klinik mehrere Ärzte im Dienst waren. Das Fehlen des ärztlichen Protokolls weist nicht auf die Unwahrheit der polizeilichen Darstellung hin, ungeachtet dessen, ob für den ärztlichen Bericht keine Zeit war oder die Polizeibeamten ihn vergessen haben. Es liegt auf der Hand, dass der Polizeibeamte O. den Aktenvermerk „zu dem fehlenden ärztlichen Bericht“ vom 5. August 2021 eben deshalb als Hilfsbeleg für den Verlauf der Blutentnahme gefertigt hat. Bei der Namensnennung der häufiger in polizeilichen Akten firmierenden Rechtsmedizinerin S. durch den den Unfall aufnehmenden Beamten B. in seinem Schlussbericht kann es sich nur um ein offensichtliches Versehen handeln. Der Antragsteller ist unstreitig nicht im rechtsmedizinischen Institut gewesen.

Damit kann letztlich dahinstehen, ob die Anordnung des medizinisch-psychologischen Gutachtens auch wegen Erreichens einer Atemalkoholkonzentration von mehr als 0,8 mg/l gerechtfertigt war oder ob der Antragsteller durch Rauchen das Messergebnis verfälscht haben könnte. Im Übrigen ergibt sich aus dem Beschwerdevortrag nicht, dass die Polizeibeamten die zwei Minuten nach Rauchende nicht eingehalten hätten, die nach der Gebrauchsanleitung vor dem Einsatz des von ihnen verwendeten Geräts Alcoquant 6020 (S. 10; https://www.trendmedic.de/envitec-6020_bedienungsanleitung.pdf) abzuwarten sind. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen hat, stützt das Messergebnis die Richtigkeit der gemessenen Blutalkoholkonzentration, weil sich die Werte nicht widersprechen, auch wenn eine direkte Konvertierung von Atem- und Blutalkoholwerten ausscheidet (vgl. BGH, B. v. 26.1.2010 – 5 StR 520/09NStZ-RR 2010, 275 Rn. 9; König in Hentschel/König/Dauer, § 24a StVG Rn. 16) und ein nur kalibrierbares Vortestgerät keine „beweissichere“ Atemalkoholanalyse für das Ordnungswidrigkeiten- und Strafverfahren zu liefern vermag (vgl. dazu König, a.a.O. § 316 StGB Rn. 52; ders. in Leipziger Komm. zum StGB, § 316 Rn. 47). Jedenfalls können sich für den präventiven Bereich des Straßenverkehrsrechts auch aus einem solchen Test hinreichende Indizien für einen bestimmten Grad der Alkoholisierung ergeben (vgl. BayVGH, B. v. 18.7.2023 – 11 CS 23.907 – juris Rn. 21; B. v. 7.3.2023 – 11 CE 22.2487 – juris Rn. 23; B. v. 23.11.2022 – 11 CS 22.1529 – juris Rn. 21; VGH BW, B. v. 11.7.1996 – 10 S 1332/96NZV 1996, 469 = juris Rn. 6). Insoweit spielt es keine Rolle, ob der Antragsteller nicht „freiwillig“ an diesem Test mitgewirkt hat, weil er etwa mangels Belehrung gemäß Nr. 2.1.1. RiBA einem Irrtum unterlag oder unfallbedingt nicht einwilligungsfähig war. Denn auch in diesem Fall bliebe das Testergebnis verwertbar (vgl. Hühnermann in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 27. Aufl. 2022, § 24a StVG, Rn. 16; König, a.a.O. § 24a StVG Rn. 16).

Auch der vom Antragsteller kritisierte Zeitabstand zwischen der Trunkenheitsfahrt und der Beibringungsanordnung bzw. Entziehung der Fahrerlaubnis führt nicht zu deren Rechtswidrigkeit. Den gerichtlichen Ausführungen zur Rechtslage und Rechtsprechung hat der Antragsteller mit der Beschwerde nichts entgegengesetzt. Es entspricht der Rechtsprechung des Senats, dass sich die Berücksichtigungsfähigkeit von Trunkenheitsfahrten für eine Beibringungsanordnung nach den gesetzlichen Tilgungs- und Verwertungsbestimmungen richtet (vgl. BayVGH, B. v. 20.9.2022 – 11 ZB 22.1463 – juris Rn. 16; Dauer in Hentschel/König/Dauer, § 13 FeV Rn. 24 m.w.N.). Im Übrigen bleibt zum Einwand des Antragstellers anzumerken, dass der Zeitablauf noch nichts über eine Änderung der durch eine Trunkenheitsfahrt mit einem Blutalkoholgehalt von 1,6 ‰ oder mehr belegten problematischen Trinkgewohnheiten besagt. Die Dunkelziffer bei Trunkenheitsfahrten ist hoch (vgl. NdsOVG, B. v. 7.5.2019 – 12 ME 71/19 – juris Rn. 8). Außerdem verbietet sich eine Relativierung der vom Gesetzgeber mit Blick auf eine Bewährung im Sinne der Verkehrssicherheit (vgl. Gesetzesbegründung zum ÄndG zum StVG vom 24.4.1998, BT-Drs. 13/6914 S. 51; Dauer, a.a.O., § 29 StVG Rn. 20 m.w.N.) selbst bemessenen Tilgungsfristen (vgl. NdsOVG, B. v. 7.5.2019 a.a.O.). Die Befugnis zum Erlass der Beibringungsanordnung und der Entziehung der Fahrerlaubnis waren auch ganz offensichtlich nicht verwirkt, wobei schon sehr zweifelhaft ist, ob dieses Rechtsinstitut im Rahmen sicherheitsrechtlicher Befugnisse, die nicht im Ermessen der Behörde stehen, überhaupt anzuwenden ist (vgl. BayVGH, B. v. 3.7.2023 – 11 CS 23.81 – juris Rn. 19 m.w.N.). Die Antragsgegnerin ist tätig geworden, sobald sie von der Trunkenheitsfahrt des Antragstellers Kenntnis hatte. Die durch ein ordnungsgemäßes Verwaltungsverfahren (Sachverhaltsermittlung, Anhörung des Betroffenen, Gewährung beantragter Akteneinsicht) bedingte Dauer ist ihr nicht anzulasten. Der mehrmonatige Stillstand des Verfahrens vom Ablauf der Beibringungsfrist Mitte April 2022 bis Mitte November 2022 erfüllt noch nicht das vorausgesetzte Zeitmoment (Verstreichen eines längeren Zeitraums). Jedenfalls fehlen weitere Umstände, die ein schutzwürdiges Vertrauen darauf begründen könnten, dass die Behörde auch künftig von ihrer Befugnis keinen Gebrauch machen werde (vgl. BVerwG, B. v. 11.9.2018 – 4 B 34.18BauR 2019, 511 Rn. 15 m.w.N. zu den Voraussetzungen im Einzelnen).

Im Übrigen fiele auch eine – bei unterstellten offenen Erfolgsaussichten des Widerspruchs vorzunehmende – Interessenabwägung zulasten des Antragstellers aus, weil die aufgrund der Aktenlage bzw. der polizeilichen Darstellung begründeten Zweifel an seiner Fahreignung erheblich und durch sein großteils pauschales und unsubstantiiertes Bestreiten des Sachverhalts nicht ausgeräumt sind. Die Möglichkeit einer rauschmittelbedingten Beeinträchtigung der Fahreignung rechtfertigt grundsätzlich die Anordnung oder Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehung einer Fahrerlaubnisentziehung (vgl. BVerwG, B. v. 5.11.2018 – 3 VR 1.18 – ZfSch 2019, 115 Rn. 25). Das Interesse der Allgemeinheit an der Sicherheit des Straßenverkehrs und der aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ableitbare Auftrag zum Schutz vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben gebieten es, hohe Anforderungen an die Fahreignung zu stellen. Ein Fahrerlaubnisinhaber muss den Entzug der Berechtigung dann hinnehmen, wenn hinreichender Anlass zu der Annahme besteht, dass aus seiner aktiven Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr eine Gefahr für dessen ordnungsgemäßen Ablauf resultiert, und dieses Risiko deutlich über demjenigen liegt, das allgemein mit der Zulassung von Personen zum Führen von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr verbunden ist (vgl. BVerfG, B. v. 20.6.2002 – 1 BvR 2062/96NJW 2002, 2378 = juris Rn. 51 f.). Eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung von Anfechtungsrechtsbehelfen gegen die für sofort vollziehbar erklärte Entziehung einer Fahrerlaubnis kommt in der Regel nur in Betracht, wenn hinreichend gewichtige Gründe dafür sprechen, dass das von dem Betroffenen ausgehende Gefahrenpotential nicht nennenswert über dem des Durchschnitts aller motorisierten Verkehrsteilnehmer liegt (BayVGH, B. v. 28.3.2019 – 11 CS 18.2127 – juris Rn. 20 m.w.N.; VGH BW, B. v. 8.12.2022 – 13 S 2057/22 – juris).

Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, 2 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1, Nr. 46.1, 46.3 und 46.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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