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Entscheidungen

Gebühren/Kosten/Auslagen

Haftverkündungstermin, Teilnahme Rechtsanwalt, Tätigkeit als Verteidiger, Einzeltätigkeit

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Köln, Beschl. v. 24.01.2024 – 3 Ws 50/23

Eigener Leitsatz:

Die von einem Rechtsanwalt im Rahmen der Wahrnehmung eines Haftverkündungstermins entfalteten Handlungen sind nicht lediglich als Einzeltätigkeit im Sinne Teil 4 Abschnitt 3 RVG, namentlich nicht als Beistandsleistung bei einer richterlichen Vernehmung nach dessen Ziff. 4301 anzusehen, sondern als Tätigkeit eines Verteidigers nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG. Ihm stehen daher Grundgebühr, Verfahrensgebühr und Terminsgebühr zu.


In pp.

Die weitere Beschwerde der Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Bonn gegen den Beschluss des Landgerichts Bonn vom 13.11.2023 wird als unbegründet verworfen.
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Gegen den Angeklagten erging durch das Amtsgericht Ingolstadt am 08.03.2023 unter anderem wegen des Vorwurfs des versuchten Totschlags Haftbefehl. Hierauf wurde er am 28.03.2023 vorläufig festgenommen und am Folgetag dem Amtsgericht Bonn vorgeführt. Nach Anhörung des bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht verteidigten Angeklagten beschloss das Amtsgericht in dem Vorführungstermin die Beiordnung von Rechtsanwältin E. gemäß § 141 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StPO "für den heutigen Termin als Pflichtverteidigerin" beigeordnet werde und für das weitere Verfahren gemäß § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO diejenige von Rechtsanwalt K. aus P.. Im Termin erklärte Rechtsanwältin E. für den Angeklagten, es würden zu den Tatvorwürfen keine Angaben gemacht, und machte Ausführungen zum ihrer Auffassung nach Nichtvorliegen des Haftgrundes.

Im Nachgang zu dem Termin hat Rechtsanwältin E. zuletzt mit Schriftsatz vom 16.06.2023 Kosten in Höhe von insgesamt 709,24 EUR geltend gemacht, zusammengesetzt aus der Grundgebühr für Strafsachen mit Zuschlag gemäß Ziff. 4101 VV RVG, der Terminsgebühr für Strafsachen außerhalb der Hauptverhandlung mit Zuschlag gemäß Ziff. 4103 VV RVG und der Verfahrensgebühr für das vorbereitende Verfahren gemäß Ziff. 4105 VV RVG nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 18.07.2023 hat die Urkundsbeamtin des Amtsgerichts Bonn demgegenüber lediglich einen Betrag in Höhe von 285,60 EUR festgesetzt, der sich aus einer Gebühr für eine Einzeltätigkeit gemäß Ziff. 4301 Nr. 4 VV RVG nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer zusammengesetzt hat. Die von Rechtsanwältin E. gegen diese Entscheidung eingelegte Erinnerung hat das Amtsgericht Bonn mit Beschluss vom 07.08.2023 zurückgewiesen. Auf die hiergegen erhobene Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluss vom 13.11.2023 den amtsgerichtlichen Beschluss aufgehoben und den Kostenansatz vom 18.07.2023 dahin abgeändert, dass zugunsten von Rechtsanwältin E. eine weitere Vergütung von 423,64 EUR festgesetzt wird. Zudem hat es die weitere Beschwerde zugelassen. Das Landgericht ist der Auffassung, dass die Tätigkeit von Rechtsanwältin E. gemäß Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG abzurechnen sei und dieser namentlich die Gebühren nach Ziff. 4101, 4103 und 4105 VV RVG (nebst Auslangepauschale und Umsatzsteuer) zustünden.

Gegen die Entscheidung des Landgerichts richtet sich die weitere Beschwerde der Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Bonn. Die Vertreterin der Landeskasse ist gehört worden. Sie hat sich der Auffassung des Landgerichts angeschlossen, dass die Gebühren nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG abzurechnen seien.

II.

Das gemäß § 33 Abs. 6 Satz 1 RVG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsmittel der Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Bonn ist unbegründet.

1. Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass Rechtsanwältin E. ihre Tätigkeit nach den in Teil 4 Abschnitt 1 der Anlage 1 zum RVG aufgeführten Gebührentatbeständen abrechnen kann, und eine weitere Vergütung in Höhe von 423,64 EUR festgesetzt.

a) Die von der Rechtsanwältin im Rahmen der Wahrnehmung des Haftverkündungstermins vom 29.03.2023 entfalteten Handlungen sind nicht lediglich als Einzeltätigkeit im Sinne von Anl. 1 Teil 4 Abschnitt 3 RVG, namentlich nicht als Beistandsleistung bei einer richterlichen Vernehmung nach dessen Ziff. 4301 anzusehen, sondern als Tätigkeit eines Verteidigers nach Teil 4 Abschnitt 1 des vorbezeichneten Vergütungsverzeichnisses.

aa) In rechtlicher Hinsicht gilt dabei:

(1) Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG regelt die Vergütung des Verteidigers. Diese ist dabei unabhängig davon zu bemessen, ob die Verteidigung als Wahl- und Pflichtverteidigung durchgeführt wird. Liegt ein Verteidigungsverhältnis vor, macht es grundsätzlich auch keinen Unterschied, ob sich die Tätigkeit - insbesondere in den Fällen des sog. "Terminsvertreters" - auf die Wahrnehmung eines einzelnen Termins beschränkt. Dies gilt für die Fälle der Pflichtverteidigung auch dann, wenn sich die vorangegangene Bestellung durch das Gericht nur auf einen bestimmten Termin bezogen hat. Dies hat das Oberlandesgericht Köln bereits für die auf einen einzelnen Hauptverhandlungstag beschränkte Beiordnung eines Pflichtverteidigers entschieden (Beschluss vom 26.03.2010 - 2 Ws 129/10, juris). Dieser Rechtsprechung des 2. Strafsenats schließt sich der Senat an. Auch wenn sich die Wahrnehmung der Pflichtverteidigung auf einen oder mehrere einzelne Termine beschränkt, begründet die Beiordnung ein eigenständiges Beiordnungsverhältnis, in dessen Rahmen der Pflichtverteidiger die Verteidigung umfassend und eigenverantwortlich wahrzunehmen hat. Eine gebührenrechtlich unterschiedliche Behandlung dieses Verteidigers gegenüber dem Hauptverteidiger würde dem nicht gerecht und ließe eine Entwertung des Instituts der Pflichtverteidigung und damit einhergehend des Rechtes des Angeklagten auf eine effektive, rechtsstaatlichen Grundsätzen genügende Verteidigung besorgen (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 26.03.2010 - 2 Ws 129/10, juris Rn. 6; OLG München, Beschluss vom 23.10.2008 - 4 Ws 140/08, NStZ-RR 2009, 32; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.07.2008 - 3 Ws 281/08, NJW 2008, 2935).

(2) Diese Grundsätze gelten nicht nur für die Verteidigung im Rahmen der Hauptverhandlung, sondern auch für andere Tätigkeiten wie vorliegend die Verteidigung im Rahmen einer Haftbefehlseröffnung nach § 115 StPO (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 07.06.2023 - 1 Ws 105/23, StraFo 2023, 335). Soweit aus der von der Bezirksrevisorin angeführten Entscheidung des 2. Strafsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 15.05.2007 (2 Ws 189/07, juris) anderes folgen sollte, schließt sich der Senat dem nicht an. Es besteht kein sachlich gerechtfertigter Anlass, die Verteidigung im Verfahren nach § 115 StPO gebührenrechtlich anders zu beurteilen als eine solche im Rahmen der Hauptverhandlung. Das Verfahren nach § 115 StPO ist kein formalistischer Selbstzweck. Es trägt dem hohen Rang des von der Haftanordnung betroffenen, grundrechtlich gewährleisteten Freiheitsrechtes Rechnung und stellt sicher, dass der Beschuldigte möglichst schnell von dem Richter über die Grundlagen des Haftbefehls unterrichtet wird und Gelegenheit erhält, sich sowohl gegen den Tatvorwurf als auch die Annahme von Haftgründen zu verteidigen (KK-StPO/Graf, 9. Aufl., § 115 Rn. 1a). Dieser Bedeutung entsprechend ist das Verfahren nach § 115 StPO seiner Natur nach zwingend und der Verzicht des Beschuldigten auf dessen Einhaltung nur in besonderen Fällen möglich (vgl. BeckOK StPO/Krauß, 49. Ed., § 115 Rn. 4 mwN; KK-StPO/Graf, 9. Aufl., § 115 Rn. 6; LR/Lind, StPO, 27. Aufl., § 115 Rn. 11). Der gebührenrechtlichen Gleichbehandlung der Verteidigungstätigkeit im Verfahren nach § 115 StPO mit derjenigen in der Hauptverhandlung steht auch nicht entgegen, dass sich Vorführungen nach § 115 StPO oftmals in der Verkündung des Haftbefehls nebst entsprechender Belehrung erschöpfen und nur von kurzer Dauer sind. Dem hat der Gesetzgeber gebührenrechtlich durch die Ausgestaltung der Voraussetzungen Rechnung getragen, unter denen nur die Terminsgebühr nach Ziff. 4102 Nr. 3 VV RVG anfällt (vgl. BT-Drucks. 15/1971, S. 223). Ist absehbar, dass sich die Vorführung des Beschuldigten nach § 115 StPO auf die Verkündung des Haftbefehls und die erforderlichen Belehrungen durch das Gericht beschränken wird, kann der gebotenen Bestellung eines Pflichtverteidigers in geeigneten Fällen bei Verhinderung des Hauptverteidigers auch dadurch Rechnung getragen werden, dass dem Beschuldigten zunächst Gelegenheit zur telefonischen Rücksprache mit dem von ihm gewünschten Hauptverteidiger gegeben wird und beide auf die Teilnahme eines Verteidigers zu dem Termin nach § 115 StPO verzichten. Jedenfalls für diese Fälle ist die Bestellung eines Terminsvertreters bzw. die Bestellung eines weiteren Verteidigers neben dem Hauptverteidiger nicht geboten (vgl. zu der Frage der Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers im Fall des § 115 StPO auch MüKoStPO/Böhm, 2. Aufl., § 115 Rn. 34 ff. mwN, § 128 Rn. 27; vgl. zu dieser Frage auch BGH, Beschluss vom 14.08.2019 - 5 StR 228/19, BeckRS 2019, 21921 [zu § 141 Abs. 3 StPO aF]). Denn im Rahmen des § 115 StPO besteht zwar gemäß § 168c Abs. 1 Satz 1 StPO das Recht auf Anwesenheit eines Verteidigers, aber keine Pflicht zu dessen Teilnahme. Ob der Senat im Übrigen der Auffassung folgen könnte, dass die Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers neben dem von dem Beschuldigten gewünschten und seitens des Gerichts bestellten Hauptverteidigers stets ohne Weiteres schon dann erforderlich ist, wenn dieser Verteidiger verhindert ist und der Beschuldigte gleichwohl auf die Anwesenheit im Rahmen des Vorführtermins besteht, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.

bb) Vorliegend entfaltete Rechtsanwältin E. nach alledem entgegen der Auffassung der Bezirksrevisorin nicht lediglich eine Beistandsleistung im Sinne von Ziff. 4301 Nr. 4 VV RVG. Vielmehr war sie durch das Amtsgericht Bonn ausdrücklich zur Pflichtverteidigerin bestellt und in dieser Funktion tätig geworden.

b) Hinsichtlich der im Einzelnen durch das Tätigwerden von Rechtsanwältin E. angefallenen Gebühren nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung (dort S. 6 f.). Da die Berechnung als solches durch die Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Bonn nicht angegriffen worden ist, sieht der Senat zu weitergehenden Ausführungen insoweit keinen Anlass.

2. Eine Kosten- und Auslagenentscheidung ist nicht veranlasst, § 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG.


Einsender: C. Warner, Bonn

Anmerkung:


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