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Entscheidungen

Corona

Urkundeneigenschaft, Coronatestzertifikat, Urkundenfälschung

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Hamm, Beschl. v. 23.01.2024 - 4 ORs 162/23

Eigener Leitsatz:

Zur Urkundeneigenschaft eines Coronatestzertifikats.


OBERLANDESGERICHT HAMM
BESCHLUSS

III - 4 ORs 162/23 OLG Hamm

Strafsache
gegen pp

Verteidiger:

wegen Urkundenfälschung.

Auf die Revision der Angeklagten gegen das Urteil der 4. kleinen Strafkammer des Landgerichts Paderborn vom 19.09.2023 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 23.01.2024 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht,
den Richter am Oberlandesgericht und
den Richter am Oberlandesgericht

nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und der Angeklagten bzw. ihres Verteidigers einstimmig beschlossen:

Das Urteil des Landgerichts Paderborn wird aufgehoben.
Die Angeklagte wird freigesprochen.
Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe:

i.

Das Amtsgericht Lippstadt hat die Angeklagte durch Urteil vom 21.11.2022 wegen Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 50,00 € verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Angeklagten hat das Landgericht Paderborn durch Urteil vom 19.09.2023 als unbegründet verworfen.

Die Strafkammer hat hinsichtlich der konkreten Tathandlung der Angeklagten folgende Feststellungen zur Sache getroffen:

„...In der Folgezeit erstellte die Angeklagte ein Coronatestzertifikat, das auf den 02.02.2021 datiert wurde und bestätigte, dass der Zeuge R am 01.02.2021 um 17:41 einen negativen Sars-CoV-2 RnA-Test vorgenommen habe. Tatsächlich nahm die Angeklagte aber keine Testung des Zeugen R vor. Zu der Ausstellung des vorgenannten Testzertifikats, das als Aussteller die Institutsambulanz Fachbereich B der LWL Klinik in L ausweist, war die Angeklagte, wie sie wusste, nicht berechtigt. Ihr war bewusst, dass der Zeuge R. das unrichtige Testzertifikat bei der Firma pp. vorlegen würde, um die IHK-Prüfung ablegen zu können. Das vorgenannte Zertifikat stellte sie dem Zeugen R zur Verfügung, dieser reichte es am 02.02.2021 per Mail bei der Firma pp. ein und erhielt auf diesem Weg Zugang zur IHK-Abschlussprüfung."

Die Strafkammer hat die Angeklagte auf dieser Grundlage der Urkundenfälschung gemäß § 267 Abs. 1 Alt. 1 StGB für schuldig befunden und dargelegt, die Angeklagte habe im Namen der Institutsambulanz der LWL-Klinik L ein Zertifikat über einen erfolgten Coronatest betreffend den Zeugen R erstellt. Dazu sei sie nicht berechtigt gewesen. Aus dem Testzertifikat sei die Institutsambulanz als Aussteller erkennbar. Dieses Testzertifikat solle Beweis über eine stattgefundene Coronatestung erbringen und nachweisen, dass der Test negativ ausgefallen sei.

Gegen dieses in Anwesenheit' des Verteidigers der Angeklagten verkündete und diesem am 11.10.2023 zugestellte Urteil des Landgerichts Paderborn hat die Angeklagte mit Schriftsatz ihres Verteidigers vom 19.09.2023 Revision eingelegt, die mit Schriftsatz des Verteidigers vom 13.11.2023 begründet worden ist. Mit ihrer auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision erstrebt die Angeklagte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Dem ist die Angeklagte mit Schriftsatz des Verteidigers vom 29.12.2023 entgegengetreten.

Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision der Angeklagten ist zulässig und hat mit der Sachrüge Erfolg.

1. Die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils weist belastende Rechtsfehler auf und hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand.

Auf die Sachrüge hin ist nur zu überprüfen, ob die Urteilsgründe rechtlich einwandfrei, das heißt frei von Widersprüchen, Unklarheiten und Verstößen gegen die Denkgesetze oder gesicherte Lebenserfahrung sind (vgl. BGH, Urteil. vom 01.06.2016 - 1 StR 597/15, juris; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Auflage 2021, § 337 Rn. 27 m.w.N.). Dabei ist die Beweiswürdigung allein Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Ihm allein obliegt es, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatgericht bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht unter anderem der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist (vgl. BGH, Beschluss vom 18.03.2021 - 4 StR 480/20, juris). Die Schlussfolgerungen des Tatrichters dürfen sich schließlich nicht so sehr von einer festen Tatsachengrundlage entfernen, dass sie letztlich bloße Vermutungen sind (vgl. BGH, Beschluss vom 02.03.2023 - 2 StR 119/22, juris; BGH Beschluss v. 18.06.2008 - 2 StR 225/08, juris).

Nach diesem Maßstab ist die Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil rechtsfehlerhaft.

Die Feststellungen des Landgerichts, dass die LWL-Klinik L Aussteller des von der Angeklagten erstellten Testzertifikats sei, finden keinen Niederschlag in der Beweiswürdigung des Landgerichts. Vielmehr spricht die Beweiswürdigung sogar gegen die Richtigkeit der Feststellungen.

Der Zeuge R hat auf Vorhalt des Testzertifikats (BI. 595 d.A) lediglich bestätigt, dass er eben dieses Zertifikat - welches auch im Urteil des Landgerichts (vgl. S. 8) abgebildet ist - am 02.02.2021 im Rahmen seiner IHK Prüfung vorgelegt hat. Die aufgrund der Inbezugnahme zulässige Inaugenscheinnahme des Zertifikats durch den Senat lässt auf diesem aber gerade keinen Bezug zur LWK-Klinik L erkennen und nennt diese nicht. Aufgeführt. ist dort als Aussteller ausschließlich „Station: Institutsambulanz, Fachb. B". Dies lässt in seiner Allgemeinheit nicht einmal für Beteiligte oder Eingeweihte einen Rückschluss auf die LWL-Klinik L als Aussteller zu. Gleiches gilt auch für die kleingedruckte Kopfzeile, die mit der Angabe „Micon medicare plus - Klinik/Abt. Produktmarketing, L. Schatzbogen 39" bis auf die Angabe der Stadt ebenfalls in keiner Weise auf die LWL-Klinik hindeutet.

Dies gilt umso mehr, als der Zeuge K in seiner Funktion als Mitarbeiter der LWL-Klinik L – Chefarzt - nach Vorhalt des Testzertifikats durch das Landgericht bekundet hat, dass dies kein Zertifikat sei, das von der Klinik benutzt werde. Somit hat auch dieser Zeuge nicht bestätigt, dass das Testzertifikat eine Urkunde mit der LWL-Klinik L als Aussteller ist.

Damit sind die Feststellungen ohne dazu passende Beweiswürdigung getroffen worden und somit durch die Beweiswürdigung nicht gedeckt. Es ist nicht ersichtlich, wie das Landgericht zu der Annahme gekommen ist, dass das Testzertifikat gerade die LWL-Klinik L als Aussteller ausweist. Diese Feststellung findet keinerlei Widerhall in der Beweiswürdigung.

2. Das Landgericht hat danach zu Unrecht eine Strafbarkeit der Angeklagten wegen Urkundenfälschung (§ 267 StGB) bejaht.

Das im Urteil wiedergegebene Testzertifikat ist keine Urkunde im Sinne des Gesetzes, so dass ihre Herstellung durch die Angeklagte nicht den Tatbestand des Herstellens einer unechten Urkunde oder der Verfälschung einer echten Urkunde erfüllen kann.

Eine Urkunde ist die Verkörperung einer allgemein oder für Eingeweihte verständlichen Gedankenerklärung, die den Aussteller erkennen lässt und geeignet und bestimmt ist, im Rechtsverkehr Beweis zu erbringen. Aus der Urkunde muss danach der geistige Urheber erkennbar sein, also die Person, welche die Gedankenerklärung abgibt. Erkennbarkeit bedeutet, dass derjenige, der (wirklich oder scheinbar) hinter der Urkunde steht, aus ihr als Person bestimmbar ist, wobei es sich nicht um eine Einzelperson handeln muss. Die Identität muss sich zumindest für Beteiligte oder Eingeweihte aus der Urkunde selbst erschließen. Es reicht nicht aus, wenn die Feststellung nur anhand von Umständen möglich ist; die außerhalb der Urkunde liegen (vgl. BGH, Beschluss v. 23.03.2010 - 5 StR 7/10, juris Rn. 4; Fischer StGB 69. Aufl. § 267 Rn. 11 m.w.N.). Unecht ist eine Urkunde dann, wenn sie nicht von demjenigen stammt, der in ihr als Aussteller bezeichnet ist. Entscheidendes Kriterium für die Unechtheit ist die Identitätstäuschung: Über die Person des wirklichen Ausstellers wird ein Irrtum erregt; der rechtsgeschäftliche Verkehr wird auf einen Aussteller hingewiesen, der in Wirklichkeit nicht hinter der in der Urkunde verkörperten Erklärung steht (vgl. BGH, Beschluss v. 21.03.1985 - 1 StR 520/84, juris Rn. 8).

Nach diesen Maßstäben mangelt es vorliegend dem nach den Urteilsfeststellungen von der Angeklagten erstellten Testzertifikat an der Garantiefunktion, da es keinen Aussteller erkennen lässt. Soweit darin als Aussteller eine „Station: Institutsambulanz, Fachb.: B" angegeben ist, fehlt jeglicher Bezug zur LWL-Klinik L, zumal auch ein derartiges Zertifikat nach den Bekundungen des Zeugen K von der Klinik nicht benutzt wird, so dass sich auch aufgrund des optischen Eindrucks kein Rückschluss auf die LWL-Klinik L als Aussteller ziehen lässt.

Die auf dem Testzertifikat enthaltenen Angaben, die ggf. auf einen Aussteller hindeuten könnten, reichen schließlich auch nicht aus, um in hinreichender Form auf einen - konkreten - fiktiven Aussteller zu schließen. Die tatsächliche Existenz des scheinbaren Ausstellers ist weder für die Frage der Ausstellererkennbarkeit noch für die Frage der Täuschung über die Ausstelleridentität Voraussetzung (vgl. OLG Gelle, Beschluss v. 19.10.2007 - 32 Ss90/07, juris Rn. 37; BGH, Urteil v. 27.09.2002 - 5 StR 97/02, juris Rn. 15). Es handelt sich vorliegend aber bei den Ausstellerangaben insgesamt um Allerweltsbezeichnungen mit erkennbar fehlender Individualisierung. Es wird dabei gerade nicht auf einen bestimmten Aussteller verwiesen.

3. Die Angeklagte hat sich auch nicht nach §§ 277, 278 StGB a.F. strafbar gemacht, da das als Gesundheitszeugnis anzusehende Testzertifikat nach den Feststellungen nicht zum Gebrauch bei einer Behörde oder Versicherungsgesellschaft ausgestellt worden ist, so dass die Tatbestandsvoraussetzungen nicht gegeben sind.

4. Das angefochtene Urteil kann daher aus Rechtsgründen keinen Bestand haben und war gemäß § 353 Abs. 1 StPO aufzuheben.

Es ist aufgrund der erfolgten Inaugenscheinnahme des Testzertifikats seitens des Senats sicher auszuschließen, dass sich die Feststellung, dass das Testzertifikat die LWL-Klinik Lals Aussteller ausweist, anderweitig treffen lässt. Darüber hinaus kann der Senat auch sicher ausschließen, dass eine Urkundeneigenschaft des Testzertifikats aufgrund eines fiktiven Ausstellers angenommen wird.

Da somit auszuschließen ist, dass weitere erhebliche Feststellungen nach einer Zurückverweisung möglich sind und die Aufhebung des Urteils nur wegen fehlerhafter Rechtsanwendung auf den festgestellten Sachverhalt erfolgt, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 354 Abs. 1 StPO) und die Angeklagte aus sachlich-rechtlichen Gründen freisprechen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 Abs. 1 StPO.


Einsender: RA P. Urbaneck, Bielefeld

Anmerkung:


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