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Entscheidungen

Zivilrecht

Mehrwertsteuer, Erstattung, Kaskoversicherung, Kausalität

Gericht / Entscheidungsdatum: AG Düsseldorf, Urt. v. 24.11.2023 - 234 C 160/23

Eigener Leitsatz:

1. Nach den AKB 2015 ist eine Mehrwertsteuer in der Kaskoversicherung nur zu erstatten, wenn und soweit diese für den Versicherungsnehmer bei der von ihm gewählten Schadensbeseitigung tatsächlich angefallen ist.
2. Eine solche Mehrwertsteuer ist nicht angefallen, wenn schon Monate vor dem Unfallereignis ein Nachfolgefahrzeug im Rahmen einer Fahrzeugfinanzierung bestellt worden ist, der Vertrag dann wegen Lieferschwierigkeiten für eine Bereitstellung des Ersatzfahrzeuges verlängert wird und in der Zwischenzeit vor der Lieferung des Ersatzfahrzeuges der Versicherungsfall eintritt.


Amtsgericht Düsseldorf
IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

In dem Rechtsstreit
pp.

das Amtsgericht Düsseldorf

im schriftlichen Verfahren mit einer Schriftsatzeinreichungsfrist bis zum 20.10.2023
durch die Richterin am Amtsgericht

für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Leistung aus einer Vollkaskoversicherung für das - finanzierte und an die Bank sicherungsübereignete - Fahrzeug der Klägerin Audi, amtliches Kennzeichen pp. anlässlich eines Verkehrsunfalls vom 28.04.2023, bei dem sie einen vorfahrtsberechtigten Pkw übersehen hatte und mit diesem kollidiert war. Das Auto der Klägerin erlitt einen wirtschaftlichen Totalschaden.

Für das Fahrzeug bestand bei Schadenseintritt eine Vollkaskoversicherung mit einem Selbstbehalt von 500,00 Euro.

Die auf den Vertrag anwendbaren Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB 2015) lauten auszugsweise:

A.2.2.2 Welche Ereignisse sind in der Vollkaskoversicherung versichert?
Versicherungsschutz besteht bei Beschädigung, Zerstörung, Verlust oder Totalschaden des Fahrzeugs einschließlich seiner mitversicherten Teile durch die nachfolgenden Ereignisse:
[...]
A.2.2.2.2 Unfall
Versichert sind Schäden am Fahrzeug durch Unfall. Ein Unfall ist ein unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis.
A.2.5.4 Mehrwertsteuer
Mehrwertsteuer erstatten wir nur, wenn und soweit diese für Sie bei der von Ihnen gewählten Schadenbeseitigung tatsächlich angefallen ist. Die Mehrwertsteuer erstatten wir nicht, soweit Vorsteuerabzugsberechtigung besteht.
[...]"
Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage B 2 (BI. 90 ff. [100 ff.] d.A.) Bezug genommen.

Die Beklagte rechnete wie folgt ab:

Wiederbeschaffungswert netto: 18.067,23 Euro
Restwert: ./. 12.410,00 Euro
Selbstbehalt: ./. 500,00 Euro
Zahlung: 5.157,23 Euro.

Das Abrechnungsschreiben vom 12.06.2023 lautet auszugsweise: „Wir zahlen zunächst den Wiederbeschaffungswert netto. Sie haben allerdings Anspruch auf Ersatz der Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer), wenn sie tatsächlich angefallen ist. Dies gilt, sofern sie nicht vorsteuerabzugsberechtigt sind, also wenn Sie die Umsatzsteuer gegenüber dem Finanzamt nicht verrechnen können.

Reichen Sie uns in diesem Fall die Rechnung eines Ersatzfahrzeugs ein, in der die Umsatzsteuer ausgewiesen ist. Dann erstatten wir den Betrag.“ Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K-3 (Bl. 39 d.A.) Bezug genommen.

Die Klägerin reichte eine Rechnung vom 12.05.2023 über einen Autokauf ein, aus dem sich ein Umsatzsteuerbetrag von 6.922,96 Euro ergab und forderte die Zahlung der auf den Wiederbeschaffungswert entfallenden Mehrwertsteuer in Höhe von 3.432,77 Euro. Die Beklagte lehnte die Zahlung mit der Begründung, dass der Wagen bereits vor dem Unfallschaden verbindlich bestellt worden war, ab.

Die Klägerin hatte den neuen Pkw im September 2022 bestellt, da die Finanzierung des späteren Unfall-Pkws zum 11.12.2022 ausgelaufen wäre. Das Ersatzfahrzeug sollte zunächst im Dezember 2022 geliefert werden. Aufgrund von Lieferschwierigkeiten wurde der Neuwagen sodann erst für Juni 2023 angekündigt. Die Klägerin verlängerte den Finanzierungsvertrag für das spätere Unfallfahrzeug bis zum 11.06.2023 und nutzte das Fahrzeug weiter.

Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 29.06.2023 forderte die Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung zum 06.07.2023 erneut erfolglos zur Zahlung auf.

Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.432,77 Euro zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basissatz seit dem 07.07.2023 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien sowie auf die Akten des Gerichts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Amtsgericht Düsseldorf örtlich zuständig gemäß § 215 VVG.

B.

Die Klage ist jedoch nicht begründet.

I.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Zahlung von 3.432,77 Euro zu. In Betracht kommt insoweit nur ein Anspruch aus dem zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsverhältnis.

1. Die Einstandspflicht der Beklagten dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig.

2. Mit der Zahlung eines Betrages von 5.157,23 Euro hat die Beklagte ihre Verpflichtung jedoch erfüllt. Sie hat den Netto-Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwerts und der Selbstbeteiligung erstattet.

Eine darüberhinausgehende Verpflichtung zur Zahlung der Mehrwertsteuer auf den Wiederbeschaffungswert besteht nicht.

Dabei kann dahinstehen, ob einer Erstattung der Mehrwertsteuer eine eventuelle Vorsteuerabzugsberechtigung der finanzierenden Bank und Sicherungseigentümerin entgegenstünde.

Denn bereits aus anderen Gründen scheidet eine Erstattungspflicht insoweit aus.

Nach Ziff. A.2.5.4 der AKB 2015 ist die Mehrwertsteuer nur zu erstatten, wenn und soweit diese für den Versicherungsnehmer bei der von ihm gewählten Schadenbeseitigung tatsächlich angefallen ist.

Diese Voraussetzung liegt nicht vor. Denn die Mehrwertsteuer ist nicht „bei der [...] Schadenbeseitigung“ angefallen. Die AKB sind nach ihrem Sinn und Zweck dahin auszulegen, dass ein Anfall „bei der [...] Schadenbeseitigung“ nur dann angenommen werden kann, wenn der Anfall der Mehrwertsteuer kausal durch das versicherte Ereignis – den Unfall – verursacht worden ist. Dass zufällig in zeitlichem Zusammenhang mit einem versicherten Ereignis Mehrwertsteuer anfällt, kann nicht ausreichen.

An der Kausalität fehlt es vorliegend. Eine Ursache ist als condicio sine qua non dann für einen Schaden kausal, wenn sie nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Schaden entfiele (vgl. nur Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Auflage, Vorb v § 249 Rdnr. 25 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Die Mehrwertsteuer für das neuerworbene Fahrzeug wäre jedoch in jedem Fall angefallen, auch wenn es nicht zu dem versicherten Unfallereignis gekommen wäre. Die Klägerin hat das Ersatzfahrzeug bereits im September 2022 – vor dem Unfall – bestellt. Auch die Verschiebung des Auslieferungstermins im Dezember 2022 auf das Jahr 2023 erfolgte bereits vor dem Unfall. Auch ohne den Unfall wäre das neue Auto im Mai 2023 ausgeliefert worden.

Dahinstehen kann dabei, ob die Klägerin zum Unfallzeitpunkt von der Bestellung noch hätte zurücktreten können. Denn auch dies würde nicht dazu führen, dass die Bestellung und der Anfall der Mehrwertsteuer kausal durch den Unfall verursacht worden wären. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Klägerin tatsächlich zurücktreten wollte, aufgrund des Unfalls dann doch an der Bestellung festgehalten hat. Eine bloß hypothetische Fallgestaltung dahingehend, dass die Klägerin theoretisch von der Bestellung hätte zurücktreten und diese Entscheidung aufgrund des Unfalls revidieren können, genügt nicht für eine Haftung der Beklagten. Denn zur Feststellung des Ursachenzusammenhangs darf zwar das streitige Ereignis weggedacht, nicht jedoch ein weiteres hinzugedacht werden (vgl. Grüneberg/Grüneberg, a.a.O. m.w.N.). Es ist aber weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Klägerin ohne den Unfall eine Stornierung der Bestellung auch nur in Erwägung gezogen hätte. Dieses Ereignis müsste also hinzugedacht werden, um von einer fehlenden Verbindlichkeit der Bestellung zum Unfallzeitpunkt ausgehen zu können.
Unbeachtlich ist ebenfalls, zu welchem Zeitpunkt die Mehrwertsteuer angefallen ist. Den nach den vorstehenden Ausführungen ist ihr Anfall jedenfalls nicht kausal durch das versicherte Schadensereignis verursacht worden.

3. Besteht die Hauptforderung nicht, besteht auch kein Anspruch auf Zahlung von Zinsen.

II.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

III.

Der Streitwert wird auf 3.432,77 Euro festgesetzt.


Einsender: RA M. Nugel, Essen

Anmerkung:


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