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Entscheidungen

Gebühren/Kosten/Auslagen

Erhöhungsgebühr, unterschiedliche Verfahrensgegenstände

Gericht / Entscheidungsdatum: VG Bremen, Beschl. v. 22.12.2023 – 2 E 2138/22

Leitsatz des Gerichts:

Eine Erhöhung der Verfahrensgebühr gemäß Nr. 1008 VV RVG scheidet aus, wenn es sich um unterschiedliche Verfahrensgegenstände (hier: Aufenthaltserlaubnisse der beiden Antragsteller).


In pp.

Der Antrag auf Entscheidung des Gerichts gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 28.9.2022 wird zurückgewiesen.
Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Gründe

I.

Die Antragsteller – ein Vater und sein minderjähriger Sohn – stellten am 10.2.2022 beim Verwaltungsgericht Bremen einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die ablehnende Entscheidung, ihnen Aufenthaltserlaubnisse zu erteilen (Az. 2 V 270/22). Mit Beschluss vom 19.7.2022 unterbreitete das Gericht den Beteiligten einen Vergleichsvorschlag, der die Kosten des Verfahrens den Beteiligten jeweils zur Hälfte auferlegte und von diesen angenommen wurde. Der Streitwert wurde mit Beschluss vom 27.7.2022 auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

In ihrem Kostenfestsetzungsantrag berechneten die Antragsteller ihr Kosten wie folgt:

Streitwert: 2.500,00 €
1,6 Verfahrensgebühr gem. Ziff. 3100 VV RVG € 355,20
1,2 Terminsgebühr gem. Ziff. 3104 VV RVG € 266,40
1,0 Einigungsgebühr gem. Ziff. 1000 VV RVG € 222,00
Telekommunikationsgebühr gem. Ziff. 7002 VV RVG € 20,00
Zwischensumme € 863,60
Umsatzsteuer gem. Ziff. 7008 VV RVG € 164,08
Endsumme € 1.027,68

Mit Beschluss vom 28.9.2022 – der Prozessbevollmächtigten der Antragsteller zugestellt am 13.10.2022 – setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die von der Antragsgegnerin an die Antragsteller zu erstattenden Kosten auf 305,71 Euro fest. Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Gebührenerhöhung der Verfahrensgebühr gemäß VV 1008 mit 66,60 Euro, zuzüglich Mehrwertsteuer insgesamt 79,25 Euro abgesetzt werde. Die Voraussetzungen für eine Erhöhung lägen nicht vor, weil es sich nicht um „denselben Gegenstand“ handele. Gegenstand seien die beiden Begehren auf Erteilung je einer Aufenthaltserlaubnis gewesen. Diese beiden Gegenstände seien zu einem Gegenstandswert von 2.500 Euro festgesetzt worden. Das Angebot, eine Überprüfung der Gegenstandswertfestsetzung in die Wege zu leiten, habe die Prozessbevollmächtigte ausgeschlagen. Abgesetzt werde außerdem die Terminsgebühr. Entstanden und ausgleichsfähig seien daher lediglich Kosten in Höhe von 631,41 Euro.

Am 17.10.2022 stellten die Antragsteller einen Antrag auf Durchführung einer gerichtlichen Entscheidung. Die Absetzung der Gebührenerhöhung nach Ziff. 1008 VV RVG sei fehlerhaft. Sofern ein gemeinsamer Gegenstandswert in einem gemeinsamen Verfahren beider Antragsteller gegen einen gemeinsamen Ablehnungsbescheid erfolge und beide Antragsteller abhängig voneinander die Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung beantragten, sei die Gebühr gemäß Ziff. 3100, 1008 VV RVG entstanden. Im Umkehrschluss sei sonst für jeden der beiden Antragsteller eine Gebühr gemäß Ziffer 3100 VV RVG festzusetzen gewesen.

II.

Das Gericht entscheidet über die Erinnerung gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Besetzung, in der die zu Grunde liegende Kostenlastentscheidung getroffen worden ist (Hug, in: Kopp/Schenke, VwGO, 28. Aufl., 2022, § 165 Rn. 3). Da die Kostenlastentscheidung im Beschluss des Verwaltungsgerichts Bremen vom 19.7.2022 durch den Berichterstatter ergangen ist, entscheidet im vorliegenden Verfahren ebenfalls der Berichterstatter.

Der gemäß §§ 165, 151 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag ist unbegründet.

Der Prozessbevollmächtigten der Antragsteller steht die geltend gemachte Erhöhungsgebühr nach Ziff. 1008 VV RVG nicht zu. Nach dieser Vorschrift erhöht sich, sofern eine Vertretung von mehreren Personen in derselben Angelegenheit vorliegt, die Verfahrens- oder Geschäftsgebühr für jede weitere Person um 0,3. Vertritt ein Rechtsanwalt in demselben Verfahren mehrere Auftraggeber, entsteht ihm regelmäßig ein höherer Aufwand, als dies beim Tätigwerden für nur einen Mandanten der Fall wäre. Um diesen Mehraufwand zu vergüten, sieht das Kostenrecht zwei im Ansatz unterschiedliche Wege vor, nämlich durch eine Erhöhung des Streit- bzw. Gegenstandswerts bei unverändertem Gebührensatz oder durch eine Erhöhung des Gebührensatzes bei unverändertem Streit- /Gegenstandswert. Auf welchem dieser Wege eine Vergütung des Mehraufwands des Rechtsanwalts erfolgt, hängt davon ab, ob seine Tätigkeit für mehrere Mandanten sich auf einen oder mehrere Verfahrensgegenstände bezieht. Ist die Vertretung mehrerer Personen mit mehreren Verfahrensgegenständen verbunden, sind nach § 22 Abs. 1 RVG die Werte dieser unterschiedlichen Verfahrensgegenstände zusammenzurechnen. Eine Erhöhung des Gebührensatzes erfolgt hingegen nicht, denn Ziff. 1008 VV RVG sieht eine solche nur vor, soweit der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit für die Auftraggeber derselbe ist. Der erhöhte Vergütungsanspruch ergibt sich in diesen Fällen aus den nach § 13 RVG mit der Höhe des Streit-/Gegenstandswerts steigenden Gebühren. Werden hingegen mit Blick auf denselben Verfahrensgegenstand mehrere Personen vertreten, bleibt der Streit-/Gegenstandswert unverändert. Stattdessen erhöht sich gemäß Nr. 1008 VV RVG in diesem Fall der Gebührensatz um 0,3 für jeden zusätzlichen Auftraggeber, wobei mehrere Erhöhungen zusammengenommen einen Gebührensatz von 2,0 nicht überschreiten dürfen (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 5.5.2014 – 19 E 55/14 –, juris, Rn. 14 f. m.w.N.). Ob die Tätigkeit eines Rechtsanwalts für mehrere Mandanten denselben oder unterschiedliche Verfahrensgegenstände betrifft, ist im Einzelfall anhand der konkret wahrgenommenen Angelegenheiten zu ermitteln. Das RVG enthält keine Legaldefinition des Begriffs desselben Verfahrensgegenstands. Ein einheitlicher Gegenstand im gebührenrechtlichen Sinne ist gegeben, wenn der Rechtsanwalt für mehrere Auftraggeber wegen desselben konkreten Rechts oder Rechtsverhältnisses tätig geworden ist. Steht hingegen jedem Auftraggeber das (jeweils) geltend gemachte Recht allein zu, handelt es sich um verschiedene Gegenstände (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 5.5.2014 – 19 E 55/14 –, juris, Rn. 16 ff. m.w.N.).

Ausgehend hiervon ist im Streitfall der Mehraufwand der Prozessbevollmächtigten durch die Addition der Streitwerte Rechnung zu tragen. Eine Erhöhung der Gebühr gemäß Ziff. 1008 VV RVG kommt nicht in Betracht. Es liegen unterschiedliche Verfahrensgegenstände vor, weil die beiden Antragsteller jeder für – und nicht als Rechtsgemeinschaft – ein auf die Erteilung je einer Aufenthaltserlaubnis gerichtetes, rechtlich eigenständiges Rechtsschutzbegehren verfolgt haben. Dass die Klagebegehren in materiell-rechtlicher Hinsicht voneinander abhängen, ist unerheblich (vgl. für die Ausstellung von Staatsangehörigkeitsausweisen OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 5.5.2014 – 19 E 55/14 –, juris, Rn. 19 ff.).

Über Gerichtskosten ist nicht zu entscheiden, weil das Erinnerungsverfahren gerichtsgebührenfrei ist (BVerwG, Beschl. v. 29.9.2020 – 9 KSt 3/20, juris, Rn. 15). Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.


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