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Entscheidungen

Haftfragen

Sicherungsverwahrung, Taschengeld, Pfändung, Einkünfte

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17.10.2023 – 2 Ws 282/23

Eigener Leitsatz:

Eingehende Gelder, die aufgrund einer schon vorher bestehenden Pfändung an einen Gläubiger ausgekehrt werden, sind keine "zur Verfügung stehen Mittel", über die der Untergebrachte tatsächlich verfügen kann.


In pp.

1. Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt A., Stuttgart, wird abgelehnt.
2. Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Landgerichts Freiburg vom 25.7.2023 dahin abgeändert, dass die Antragsgegnerin verpflichtet wird, dem Antragsteller für den Kalendermonat Mai 2023 40,90 € Taschengeld zu gewähren.
3. Hinsichtlich des zuletzt nur noch verfolgten Antrags auf Gewährung von Taschengeld für Mai 2023 trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die dem Antragsteller hieraus entstandenen notwendigen Auslagen.
4. Der Gegenstandswert wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf 40,90 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist in der Justizvollzugsanstalt X. im Vollzug der Maßregel der Sicherungsverwahrung untergebracht. Im Mai 2023 konnte er krankheitsbedingt keiner Beschäftigung nachgehen. Von der am 4.5.2023 erhaltenen Vergütung für vorher geleistete Arbeit in Höhe von 211,19 € buchte die Antragsgegnerin, da das Überbrückungsgeld schon vollständig angespart war, 90,51 € auf das Hausgeld und 120,68 € auf das Eigengeld. Der letztgenannte Betrag wurde umgehend aufgrund einer bestehenden Pfändung zugunsten eines Gläubigers umgebucht.

Den Antrag des Antragstellers, ihm für den Monat Mai 2023 Taschengeld zu gewähren, lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 5.6.2023 ab. Nach ihrer Auffassung fehlte es an der erforderlichen Bedürftigkeit des Antragstellers, da ihm auch der dem Eigengeld zugeschriebene Anteil der im Mai zugeflossenen Arbeitsvergütung zur Verfügung gestanden habe.

Mit seinem am 9.6.2023 gestellten Antrag auf gerichtliche Entscheidung begehrte der Antragsteller die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Taschengeldberechnung für Mai 2023, die Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihm unter Neuberechnung für Mai 2023 40,90 € Taschengeld gutzuschreiben sowie die Berechnung für die Folgemonate anzupassen und ihn insoweit neu zu bescheiden.

Das Landgericht Freiburg wies diese Anträge mit Beschluss vom 25.7.2023 zurück, der dem Antragsteller am 28.7.2023 zugestellt wurde. Der Antragsteller legte am 21.8.2023 Rechtsbeschwerde ein, wobei er beantragte, den Beschluss aufzuheben und zur erneuten Bescheidung, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des OLG Karlsruhe zurückzuverweisen und mir Taschengeld, alternativ die Aufstockung auf einen Betrag in Höhe des Taschengelds zu gewähren“. Gleichzeitig beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts.

II.

Bei verständiger Auslegung unter Berücksichtigung der offensichtlichen Unzulässigkeit der auf die Zukunft gerichteten Anträge, die sich daraus ergibt, dass Anträge auf Taschengeld erst im Laufe des Monats, für den das Taschengeld beantragt wird, oder im Laufe des nächsten Monats gestellt werden können (Nr. 2.2 VV zu § 53 JVollzGB BW III i.V.m. Nr. 2 VV zu § 49 JVollzGB BW V), verfolgt der Antragsteller mit der Rechtsbeschwerde nurmehr den Antrag auf Taschengeld für Mai 2023 in Höhe von 40,90 € weiter.

In diesem Umfang ist die Rechtsbeschwerde zulässig und begründet.

Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ist auch nach § 116 Abs. 1 StVollzG zulässig, weil es geboten ist, die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung zur Fortbildung des Rechts zuzulassen. Denn nicht zu allen für die Beurteilung des Falls maßgeblichen Fragen existiert eine gesicherte obergerichtliche Rechtsprechung.

Voraussetzung für den Taschengeldanspruch Untergebrachter, die krankheitsbedingt keiner Beschäftigung nachgehen können (§ 49 Abs. 1 Satz 1 und 2 JVollzGB BW III), ist deren Bedürftigkeit. In Fortführung der zur Regelung in § 46 StVollzG ergangenen obergerichtlichen Rechtsprechung (Übersicht bei Arloth/Krä, StVollzG, 5. Aufl., § 46 StVollzG Rn. 4) regelt § 49 Abs. 1 Satz 3 JVollzGB BW V, dass Untergebrachte bedürftig sind, soweit ihnen im laufenden Monat aus sonstigen Einkünften nicht ein Betrag bis zur Höhe des Taschengeldes zur Verfügung steht.

Danach gilt das Zuflussprinzip, d.h. bei der Bestimmung der Bedürftigkeit sind nur solche Mittel zu berücksichtigen, die dem Untergebrachten in dem Kalendermonat, für den Taschengeld beansprucht wird, bereits zugeflossen sind, nicht aber solche, die zwar in diesem Zeitraum entstehen, aber erst später ausgekehrt werden (OLG Dresden NStZ 1998, 399 [bei Matzke]; OLG Hamburg NStZ 2000, 672; OLG Frankfurt NStZ-RR 2007, 62). Die Entscheidung über den Anspruch kann danach in der Regel erst nach dem Ende des Monats ergehen, für den Taschengeld beantragt wird, da erst dann eine vollständige Beurteilung der Bedürftigkeit möglich ist (Nr. 3.1 VV zu § 53 JVollzGB BW III i.V.m. Nr. 2 VV zu § 49 JVollzGB BW V; OLG Frankfurt a.a.O.; OLG Celle NStZ-RR 2014, 339).

Noch nicht ausdrücklich entschieden ist dagegen bisher die Frage, welche Auswirkungen die Pfändung von Einkünften des Antragstellers auf die Feststellung der Bedürftigkeit hat, auch wenn zu den für die Beurteilung maßgeblichen Grundsätzen bereits Entscheidungen ergangen sind. Dazu ist zunächst darauf abzustellen, dass der Zweck des Taschengelds dem des Hausgelds (§ 49 Abs. 2 JVollzGB BW V) entspricht. Es dient damit der Befriedigung von persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens, die über die auf Existenzsicherung ausgerichtete Versorgung durch die Anstalt hinausgehen (BVerfG NJW 1996, 3146; StV 1995, 651); zugleich soll damit der besonderen Anfälligkeit von Mittellosen für behandlungsfeindliche subkulturelle Aktivitäten entgegengewirkt werden (Arloth/Krä a.a.O., § 46 StVollzG Rn. 1 m.w.N.). Von dieser Zweckbestimmung ausgehend ist die nach § 49 Abs. 1 Satz 3 JVollzGB BW V maßgebliche Frage, ob dem Untergebrachten im Anspruchsmonat andere Mittel zur Verfügung stehen, danach zu beantworten, ob ihm die erforderlichen Geldmittel rein tatsächlich zu Gebote stehen (OLG Dresden a.a.O.). Das ist bei einem Zufluss von Mitteln, die - wie bei einer Pfändung - sofort für eine vom Willen des Untergebrachten unabhängigen Zweck eingesetzt werden, jedoch nicht der Fall. Erst recht gilt dies, wenn - wie dies bei Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen üblicherweise der Fall ist - bereits der Anspruch auf Lohnzahlung gepfändet ist und deshalb der von der Pfändung betroffene Lohn dem Untergebrachten von vornherein nicht zur Verfügung steht.

Bei der Bestimmung der dem Antragsteller im Mai 2023 zur Verfügung stehenden Mittel hat danach das gepfändete Eigengeld ebenso wie das zweckgebundene Überbrückungsgeld außer Betracht zu bleiben. Da ihm danach in diesem Zeitraum nur das Hausgeld in Höhe von 90,51 € im Sinn des § 49 Abs. 1 Satz 3 JVollzGB BW V zur Verfügung stand, erweist sich die Rechtsbeschwerde in Höhe des geltend gemachten Taschengeldanspruchs für Mai 2023 auch als begründet. Soweit die Differenz zwischen den dem Untergebrachten zur Verfügung stehenden Mitteln und dem Taschengeldanspruch in Höhe von 131,46 € rechnerisch geringfügig höher als der vom Senat zuerkannte Betrag ist, konnte der Senat über den in erster Instanz ausdrücklich gestellten Antrag auf Gewährung von 40,90 € Taschengeld wegen des in Strafvollzugssachen geltenden Verfügungsgrundsatzes (Arloth/Krä a.a.O., § 115 StVollzG Rn. 1 m.w.N.) nicht hinausgehen.

III.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 121 Abs. 4 StVollzG, 467 Abs. 1 StPO, die Festsetzung des Gegenstandswerts auf §§ 1 Abs. 1 Nr. 8, 52 Abs. 1, 60, 65 GKG.

2. Da der Antragsteller hinsichtlich des im Rechtsbeschwerdeverfahren noch weiterverfolgten Anspruchs weder mit Kosten noch mit notwendigen Auslagen belastet ist, fehlt es für die Bewilligung der beantragten Prozesskostenhilfe an einem Rechtsschutzbedürfnis.


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