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Leitsatz: Das Ergebnis einer Blutprobenuntersuchung unterliegt nicht deshalb einem Verwertungsverbot, weil der Entnahme der Blutprobe -wegen fehlenden richterlichen Bereitschaftsdienstes zur Nachtzeit- keine richterliche Anordnung vorausgegangen war.
OLG Oldenburg, Senat für Bußgeldsachen 2 SsBs 59/10 15.04.2010
O A W , geboren am in O , wohnhaft: Staatsangehörigkeit: deutsch
Verteidiger: Rechtsanwalt
wegen Ordnungswidrigkeit
hat der Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Oldenburg
am 15. April 2010
durch die unterzeichneten Richter beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Osnabrück vom 11.12.2009 wird auf Kosten des Betroffenen als unbegründet verworfen.
Gründe:
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeuges unter der Wirkung eines berauschenden Mittels (THC) zu einer Geldbuße von 500,00 verurteilt und zudem ein Fahrverbot für die Dauer von 1 Monat festgesetzt. Das Amtsgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
´Am 04.03.2009 befuhr der Betroffene gegen 23.30 Uhr mit dem Pkw Ford mit dem amtlichen Kennzeichen die B in O . Dabei stand er, wie er bei Beachtung der erforderlichen und ihm zumutbaren Sorgfalt hätte erkennen können und müssen, unter der Wirkung des berauschenden Mittels Cannabis.
Den Polizeibeamten PK z. A. N und PK z. A. T fiel das Fahrzeug des Betroffenen durch ein defektes Abblendlicht auf, worauf sie ihm folgten. Bei der Weiterfahrt beobachteten sie, dass der Pkw des Betroffenen in einer Rechtskurve etwa 2 bis 3 Meter auf die Gegenfahrbahn geriet. Bei der anschließenden Kontrolle zeigte der Betroffene eine auffällig träge Pupillenreaktion auf Licht.
Einem Urintest stimmte er zu. Dieser ergab einen positiven Wert für die Substanz Tetrahydrocannabinol (THC).
Der Betroffene wurde daraufhin zur Dienststelle verbracht, wo ihm um 00.50 Uhr auf Anordnung des Zeugen T eine Blutprobe entnommen wurde. Aufgrund ihrer Erfahrung aus früheren nächtlichen Einsätzen gingen beide Zeugen davon aus, um diese Uhrzeit keinen Bereitschaftsrichter erreichen zu können. Entsprechend der ihnen bis dahin bekannten Praxis versuchten sie auch nicht, einen Staatsanwalt zu erreichen.
Der in der Hauptverhandlung verlesene Endbefund des Arztes für Laboratoriumsmedizin Dr. A W vom 11.03.2009 (Blatt 8, 8 Rück. der Akte) weist folgende Wirkstoffe im Blut des Betroffenen aus:
Cannabionoide i. S. positiv THC i. S. 16.0 ng/ml THCCarbonsäure i. S. 340.0 ng/ml 11HydroxyTHC i. S. 8,2 ng/ml. ´
Ferner hat das Amtsgericht ausgeführt, dass dem erkennenden Gericht aufgrund eigener Dienstverpflichtung bekannt sei, dass zur Tatzeit der richterliche Bereitschaftsdienst derart ausgestaltet gewesen sei, dass eine Rufbereitschaft während der Nachtzeit nicht bestanden habe.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde, mit der er rügt, dass der Arztbefund, mit dem die THCKonzentration im Blut festgestellt worden sei, wegen Verletzung des Richtervorbehaltes bei der Blutprobe nicht verwertbar gewesen sei. Gerade in einer Großstadt wie O sei es erforderlich und zu erwarten, dass auch zur Nachtzeit ein ´GSRichter´ zu erreichen sei. Anhaltspunkte für Gefahr im Verzug hätten nicht vorgelegen. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde als offensichtlich unbegründet zu verwerfen. Ein nächtlicher Eildienst sei im Regelfall nicht erforderlich. Ein Abwarten bis zum Beginn des richterlichen Bereitschaftsdienstes um 06.00 Uhr morgens hätte angesichts der schnellen Abbauzeiten bei Drogen und der fehlenden Rückrechnungsmöglichkeiten zu einer den Untersuchungserfolg gefährdenden Zeitverzögerung geführt.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, führt jedoch weder mit der ordnungsgemäß ausgeführten Rüge der Verletzung formellen Rechts, noch mit der Sachrüge, zum Erfolg.
Ein Beweisverwertungsverbot hinsichtlich des ärztlichen Befundes - wegen der durch den fehlenden nächtlichen Bereitschaftsdienst nicht erfolgten richterlichen Anordnung der Entnahme der ausgewerteten Blutprobe - besteht nicht. Allerdings hat der 3. Senat des OLG Hamm im Urteil vom 18.08.2009 (3 Ss 293/08) (juris) ausgeführt, dass die Notwendigkeit für die Einrichtung eines richterlichen Bereitschaftsdienstes auch zur Nachtzeit zweifellos gegeben sei, wenn allein die Anzahl der nächtlichen Blutprobenentnahmen eine bestimmte Fallzahl überschreite. Das Bundesverfassungsgericht hatte im Beschluss vom 10.12.2003 (2 BVR 1481/02) (juris) ausgeführt, dass aus der Regelzuständigkeit des Richters die verfassungsrechtliche Verpflichtung, die Erreichbarkeit eines Ermittlungsrichters gegebenenfalls auch durch die Einrichtung eines Eil oder Notdienstes zu sichern, folge. Nach der Rechtsprechung des 2. Senates des BVerfG zur Erreichbarkeit des Haftrichters bedeute dies jedoch nicht, dass auch zur Nachtzeit im Sinne des § 104 Abs. 3 StPO unabhängig vom konkreten Bedarf stets ein richterlicher Eildienst zur Verfügung stehen müsse. Vielmehr sei ein nächtlicher Bereitschaftsdienst des Ermittlungsrichters von Verfassungswegen erst dann gefordert, wenn hierfür ein praktischer Bedarf bestehe, der über den Ausnahmefall hinausgehe. Komme es nur ganz vereinzelt zu nächtlichen Durchsuchungsanordnungen, so gefährde das Fehlen eines - gleichwohl wünschenswerten - richterlichen Nachtdienstes die Regelzuständigkeit des Artikel 13 Abs. 2 Grundgesetz nicht. Vor dem Hintergrund der Entscheidung des 3. Strafsenates des OLG Hamm hat der 4. Strafsenat des OLG Hamm im Beschluss vom 10.09.2009 (4 Ss 316/09) (juris) im Zusammenhang mit einer um 23.13 Uhr entnommenen Blutprobe ausgeführt, dass der 4. Senat des OLG Hamm die im Rahmen einer Wohnungsdurchsuchung zur Nachtzeit ergangene Entscheidung des 3. Senates des OLG Hamm und die dort angestellten Überlegungen nicht teile, diese jedenfalls nicht auf die Anordnung einer Blutentnahme gemäß § 81 a StPO übertragen werden könnten. Dies folge schon daraus, dass im Gegensatz zu dem im Grundgesetz in Artikel 13 Abs. 2 angeordneten Richtervorbehalt für die Wohnungsdurchsuchung, der Vorbehalt des § 81 a StPO ein einfachgesetzlicher sei. Dies sei sowohl bei der Frage, ob aus einer Verletzung des Vorbehaltes ein Beweisverwertungsverbot folgen könne, mit heranzuziehen, als auch schon bei der Vorfrage, ob wegen der Anzahl der Blutentnahmen zur Nachtzeit ein Eildienst zwingend erforderlich sei. Dabei sei zu berücksichtigen, dass wegen der Eilbedürftigkeit ohnehin nur ein telefonischer Antrag und eine entsprechende Entscheidung möglich seien. Eine sachliche richterliche Kontrolle, ob die Voraussetzungen für die Anordnung gegeben seien, könne nur sehr eingeschränkt stattfinden. Der Sinn des Richtervorbehaltes, dem betroffenen Bürger einen möglichst effektiven Rechtsschutz im Sinne des Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz zu gewähren, ließ sich auf diesem Wege kaum erreichen. Der mit der Einrichtung eines Eildienstes einhergehende erhebliche personelle Aufwand - bei den knappen Ressourcen der Justiz stünde damit in keinem Verhältnis zu dem erreichten Erfolg hinsichtlich des Rechtsschutzes des Bürgers vor Strafverfolgungsmaßnahmen. Der 2. Senat für Bußgeldsachen des OLG Celle hat mit Beschluss vom 25.01.2010 (322 SsBs 315/09) (juris) im Zusammenhang mit einer zur Nachtzeit entnommenen Blutprobe ausgeführt, dass er bislang im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes davon ausgegangen sei, dass es der Einrichtung eines richterlichen Eildienstes während der Nachtzeit in der Regel nicht bedürfe.
Es kann dahinstehen, ob die Nichteinrichtung eines richterlichen Bereitschaftsdienstes zur Nachtzeit zu einem Beweiserhebungsverbot führt. Dabei bedeutet ein Beweiserhebungsverbot eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass das Gericht die Wahrheit zu erforschen und dazu die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken hat, die von Bedeutung sind, die nur aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuerkennen ist (vgl. BGHSt 44. Band 243, 249). Zumindest kommt es im Falle einer fehlenden richterlichen Anordnung zur Entnahme der Blutprobe zur Nachtzeit nicht zu einem Beweisverwertungsverbot. Nicht jeder Verstoß gegen eine Beweiserhebungsvorschrift führt nämlich auch zu einem Beweisverwertungsverbot. Vielmehr ist diese Frage jedenfalls nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Art des Verbotes und des Gewichtes des Verstoßes unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden. Ein Beweisverwertungsverbot wird von der Rechtsprechung bei willkürlicher Vornahme einer Maßnahme ohne richterliche Anordnung und damit bewusstem Ignorieren des Richtervorbehaltes oder gleichwertiger gründlicher Missachtung angenommen (vgl. BGHSt 51. Band, 285 ff.). Der Senat verkennt nicht, dass der Richtervorbehalt, auch der einfach gesetzliche, auf eine vorbeugende Kontrolle der Maßnahme in ihren konkreten gegenwärtigen Voraussetzungen durch eine unabhängige und neutrale Instanz abzielt. Nur bei einer Gefährdung des Untersuchungserfolgs durch die mit der Einholung einer richterlichen Entscheidung einhergehende Verzögerung besteht auch eine Anordnungskompetenz der Staatsanwaltschaft und - nachrangig - ihrer Ermittlungspersonen. Die Strafverfolgungsbehörden müssen daher regelmäßig versuchen, eine Anordnung des zuständigen Richters zu erlangen, bevor sie selbst eine Blutentnahme anordnen (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12.02.2007 (2 BvR 273/06) (juris). Nach den Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteiles bestand eine Rufbereitschaft lediglich während der in § 104 Abs. 3 StPO definierten Nachtzeit nicht. Es war deshalb nur zwischen 09.00 Uhr abends und 06.00 Uhr morgens kein Richter zu erreichen. Wie der Senat in seinem Beschluss vom 12.10.2009 (SsBs 149/09) ausgeführt hat, kann allerdings ein systematisches Unterlaufen des Richtervorbehaltes zu einem Verwertungsverbot führen. Wenn jedoch vor einem Hintergrund der vom 4. Senat des OLG Hamm (a. a. O.) angesprochenen knappen personellen Ressourcen sowie der naturbedingt geringen Prüfungsmöglichkeiten des im Nachtdienst mit einer Blutentnahme befassten Richters sowie der geringen Eingriffsintensität, die mit einer ärztlichen Blutentnahme verbunden ist, während der gesetzlich normierten Nachtstunden auf die Einrichtung eines Bereitschaftsdienstes verzichtet wird, stellt dieses im Hinblick auf eine entnommene Blutprobe keinen derart gravierenden ´Fehler im System´ dar, der ein Beweisverwertungsverbot rechtfertigen würde. Der Senat ist an dieser Entscheidung auch nicht durch die Entscheidung des 3. Senats des OLG Hamm vom 18.08.2009 gehindert. Der konkret dort entschiedene Fall betraf nämlich eine Wohnungsdurchsuchung. Der 4. Senat des OLG Hamm hat ein Verwertungsverbot u. a. auf den verfassungsrechtlichen Richtervorbehalt bei Wohnungsdurchsuchungen gestützt. Demgegenüber ist der Richtervorbehalt bei Blutentnahmen lediglich einfach gesetzlich ausgestaltet. Insofern unterscheiden sich die Sachverhalte nicht nur in tatsächlicher Art (hier Blutentnahme, dort Wohnungsdurchsuchung), sondern auch in der rechtlichen Anknüpfung des Richtervorbehaltes.
Gefahr im Verzug im Sinne des § 81 a Abs. 2 StPO lag vor. Angesichts der Tatzeit, 23.30 Uhr, hätte ein Abwarten bis zum Beginn des richterlichen Bereitschaftsdienstes am nächsten Morgen um 06.00 Uhr den Untersuchungserfolg gefährdet. Auch die Sachrüge führt nicht zum Erfolg der Rechtsbeschwerde. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Zuschrift vom 22.03.2010 verwiesen.
Das Fahrverbot ist mit dieser Entscheidung rechtskräftig. Der Führerschein ist spätestens am 15. August 2010 bei der Staatsanwaltschaft Osnabrück als der zuständigen Vollstreckungsbehörde in amtliche Verwahrung zu geben.
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