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Entscheidungen

StGB/Nebengebiete

Führungsaufsicht, Abstinenzweisung bei suchtkranker Person, Zumutbarkeit

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Frankfurt, Beschl. v. 18.10.2023 – 7 Ws 176/23

Leitsatz des Gerichts:

Zu den Voraussetzungen, unter denen auch bei einer suchtkranken Person eine Abstinenzweisung im Rahmen der Führungsaufsicht nach § 68b Abs. 1 S. 1 Ziff. 10 StGB zumutbar sein kann.


In pp.

Die (einfache) Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Gießen vom 10. Juli 2023 wird auf Kosten des Beschwerdeführers (§ 473 Abs. 1 StPO) verworfen.

Gründe

I.

Mit Urteil vom 10. Januar 2017 (Az. 4 Js 5003/16) verurteilte das Amtsgericht Stadt1 den Verurteilten wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in 14 Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit einer fahrlässigen Gefährdung des Straßenverkehrs sowie tatmehrheitlich wegen Besitzes von Betäubungsmitteln unter Einbeziehung der mit Urteil des Amtsgerichts Stadt1 vom 18. April 2016 (Az. …) wegen zwei Fällen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis verhängten Strafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten. Der Verurteilte saß zuletzt in der JVA Stadt2 ein. Die Strafe ist seit dem 31. Oktober 2022 vollständig verbüßt. Mit Beschluss vom 31. März 2023 hat die Strafvollstreckungskammer ausgesprochen, dass nach vollständiger Vollstreckung der vorgenannten Gesamtfreiheitsstrafe die von Gesetzes wegen (§ 68f Abs. 1 StGB) eintretende Führungsaufsicht nicht entfällt (§ 68f Abs. 2 StGB) und diese inhaltlich näher ausgestaltet. Der Verurteilte hat gegen die Anordnung, dass die Führungsaufsicht nicht entfällt, sofortige Beschwerde und (hilfsweise) gegen die Ausgestaltung der Führungsaufsicht einfache Beschwerde eingelegt. Auf die einfache Beschwerde hat die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 24. April 2023 die unter Ziffer 5.e. des angefochtenen Beschlusses erteilte Abstinenzkontrollweisung weiter konkretisiert und der Beschwerde im Übrigen nicht abgeholfen. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat mit Beschluss vom 15. Juni 2023 (Az. 3 Ws 207+213/23) die sofortige Beschwerde als unzulässig verworfen und auf die einfache Beschwerde die Ziffern 5.a. (Meldepflicht bei dem Bewährungshelfer), 5.c. (Meldepflicht bei Wohnungs- oder Arbeitsplatzwechsel), 5.d. (Abstinenzweisung) und 5.e. (Kontrollweisung) des angefochtenen Beschlusses in Gestalt der Abhilfeentscheidung vom 24. April 2023 aufgehoben und die Beschwerde im Übrigen verworfen. Zur Begründung der Aufhebung der Abstinenzweisung hat der Senat ausgeführt, dass der Ausgangspunkt der Strafvollstreckungskammer, wonach die Bekämpfung der Drogensucht des Verurteilten weiterhin dringend geboten sei, zutreffend begründet sei. Der Beschluss lasse aber tragfähige Ausführungen dazu vermissen, ob die Erteilung einer Abstinenzweisung angesichts der massiven Drogenerkrankung des Verurteilten diesem zumutbar sei oder gegen § 68b Abs. 3 StGB verstoße. Auf Grund dieses Beschlusses hat die Strafvollstreckungskammer mit dem angefochtenen Beschluss den Kammerbeschluss vom 31. März 2023 neu gefasst.

Mit der (einfachen) Beschwerde wendet sich der Verurteilte nur gegen die von der Strafvollstreckungskammer unter Ziffer 5.c. und 5.d. erneut erteilte strafbewehrte Abstinenzweisung und die diese flankierende Kontrollweisung. Zur Begründung führt er aus, dass er ohne erfolgreichen Abschluss einer suchttherapeutischen Behandlung keine Basis dafür aufbieten könne, dass er seine langjährige Sucht nach Substanzen mit höchster Abhängigkeitsqualität soweit hinreichend im Griff habe, dass man ihm diesbezüglich - in adäquatem Verhältnis stehend - eine strafbewehrte Abstinenzweisung (nebst -kontrolle) auferlegen könne.

II.

Die Beschwerde ist gemäß § 463 Abs. 2 i.V.m. § 453 Abs. 2 Satz 1 StPO zulässig, in der Sache jedoch unbegründet.

Die Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die getroffenen Anordnungen gesetzeswidrig sind (§ 453 Abs. 2 Satz 2 StPO). Dies ist der Fall, wenn sie im Gesetz nicht vorgesehen, unverhältnismäßig, unzumutbar oder zu unbestimmt sind oder nicht auf rechtsfehlerfreier Ermessensausübung beruhen (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschlüsse vom 9. August 2016 - 3 Ws 492/16 und 27. Juli 2023 - 7 Ws 136/23; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 66. Aufl. 2023, § 453 Rn 12). Nach diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hat das Rechtsmittel auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens keinen Erfolg.

Die beanstandete Abstinenzweisung ist gesetzlich ausdrücklich vorgesehen (§ 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 StGB). Sie setzt voraus, dass aufgrund bestimmter Tatsachen Gründe für die Annahme bestehen, dass der Konsum solcher Mittel zur Begehung weiterer Straftaten beitragen wird. Solche Umstände liegen, wie die Strafvollstreckungskammer in ihrem angefochtenen Beschluss zutreffend dargelegt hat und auch mit der Beschwerde nicht in Abrede gestellt werden, bei dem Verurteilten unzweifelhaft vor. Die Abstinenzweisung ist geeignet, dem entgegenzuwirken.

Entgegen der Auffassung des Verurteilten stellt die Abstinenzweisung auch nicht bereits wegen der fehlenden erfolgreichen suchttherapeutischen Behandlung eine unzumutbare Anforderung an seine Lebensführung (§ 68b Abs. 3 StGB) dar.

Zwar ist nach ständiger Rechtsprechung des OLG Frankfurt am Main, die im Einklang mit der gefestigten Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte steht, bei einer manifest suchtkranken Person, die nicht oder nicht erfolgreich behandelt worden ist, eine Weisung nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Ziffer 10 StGB in der Regel nicht zumutbar (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 15. Juni 2023 - 3 Ws 207 + 213/23 m.w.N.).

Doch kann von dieser Regel unter Umständen abgewichen werden, wenn sich der Verurteilte während des Strafvollzuges über einen längeren Zeitraum als zur Abstinenz fähig erwiesen hat (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschlüsse vom 15. Juni 2023 - 3 Ws 207 + 213/23; 19. März 2019 - 3 Ws 112 + 115/19 und vom 30. August 2018 - 3 Ws 669/19 m.w.N.; OLG München, Beschluss vom 21. Juni 2011 - 1 Ws 488 - 494/11; OLG Köln, Beschluss vom 13. September 2010 NStZ-RR 2011, 62).

Denn es ist zu bedenken, dass die strafbewehrte Abstinenzweisung vom Gesetzgeber zu Recht als ein grundsätzlich taugliches Instrument zur Beförderung eines künftig straffreien Lebens verstanden wird. Dass sie gerade auch gegenüber Personen zulässig ist, die nach Vollverbüßung unter Führungsaufsicht stehen, belegt, dass die Abstinenzweisung auch in Fällen ungünstiger Prognose in Betracht kommt. Bei Verurteilten, denen es immerhin gelungen ist, im eng strukturierten und kontrollierten Rahmen des Strafvollzugs abstinent zu leben, kann es deshalb unter Umständen auch dann gerechtfertigt sein, eine Abstinenzweisung zu erteilen, wenn es keineswegs gesichert erscheint, dass der Verurteilte in Freiheit dauerhaft abstinent wird leben können. Andererseits gibt es Fälle, in denen es bei einer jahrelang schwer suchtmittelabhängigen Person, bei der Therapieversuche mehrfach gescheitert sind und sich auch im Strafvollzug keine wesentlichen Gesichtspunkte dafür ergeben haben, dass es ihr künftig gelingen könnte, suchtfrei zu leben, trotz eines in Bezug auf Abstinenz im Wesentlichen beanstandungsfreien Verhaltens im Vollzug, so hochgradig wahrscheinlich ist, dass der Betreffende außerhalb der eng strukturierten Bedingungen des Strafvollzugs nicht zu Abstinenz in der Lage sein wird, dass bei einer Abstinenzweisung Straftaten nach § 145a StGB regelrecht vorprogrammiert wären (st. Rspr. des OLG Frankfurt am Main, vgl. Beschlüsse vom 5. Februar 2021 - 3 Ws 6/21; 20. Januar 2022 - 3 Ws 736 + 737/21 und 15. Juni 2023 - 3 Ws 207 + 213/23).

Die Strafvollstreckungskammer, die die Führungsaufsicht ausgestaltet und eine strafbewehrte Abstinenzweisung erteilen will, hat die Gesichtspunkte der Eignung und der Verhältnismäßigkeit mit Blick auf den jeweiligen Einzelfall konkret gegeneinander abzuwägen. Dabei wird sie je nach Konstellation auch das Gewicht derjenigen Straftaten in den Blick nehmen müssen, die durch die Abstinenzweisung verhindert werden sollen (OLG Frankfurt am Main, Beschlüsse vom 15. Juni 2023 - 3 Ws 207 + 213/23 und 6. Juni 2019 - 3 Ws 326/19).

Daran gemessen stellt die angefochtene Abstinenzweisung keine unzumutbaren Anforderungen an die Lebensführung des Verurteilten und damit keinen Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit dar. Die Ausführungen des Beschlusses tragen die getroffene Entscheidung, trotz der langjährigen, nicht erfolgreich behandelten Drogensucht des Verurteilten, eine strafbewehrte Abstinenzweisung zu erteilen. Die Strafvollstreckungskammer hat im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung die zu verhindernden Straftaten wie die Teilnahme im Straßenverkehr unter dem Einfluss von Alkohol und Betäubungsmitteln aufgrund der damit verbundenen Gefahren für Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer zutreffend als schwere Straftaten berücksichtigt und bei der Frage der Zumutbarkeit der Abstinenzweisung insbesondere darauf abgestellt, dass der Verurteilte erfolgreich substituiert wird und nach seinen eigenen Angaben keinerlei Suchtdruck verspürt. Sie hat zudem in ihre Entscheidung eingestellt, dass der Verurteilte weiterhin um eine therapeutische Aufarbeitung seiner langjährigen Drogensucht bemüht ist und zwischenzeitliches Scheitern einzelner therapeutischer Maßnahmen in der Vergangenheit nicht zwangsläufig nur auf seine Abhängigkeit, sondern auch auf seine anderen problematischen Persönlichkeitsanteile zurückzuführen sind. So fiel es ihm u.a. in der Vergangenheit schwer, allgemeinverbindliche Strukturen für sich zu akzeptieren (Therapiebescheinigung Therapiezentrum Waldmühle vom 2. September 2019) und hat der Verurteilte in seiner Anhörung im Rahmen der Prüfung einer Reststrafenaussetzung am 9. April 2021 für sich reklamiert, dass die damals wohl letzte Therapie im Kernbereich abgeschlossen gewesen sei und er nur deshalb „rausgeflogen“ sei, weil er wegen eines allergischen Schocks bei seinem Sohn die Klinik sofort („allerdings nach Absprache“) verlassen habe. Wenn die Strafvollstreckungskammer unter diesen Umständen bei gleichzeitiger Berücksichtigung der weiteren Weisungen, insbesondere der engen Anbindung an die Bewährungshilfe, eine ausreichende Chance sieht, dass der Verurteilte einer mit Nachdruck eingeforderten Abstinenzweisung nachkommen kann, hält sich dies noch in dem Beurteilungsspielraum, den der Senat hinzunehmen hat.

Die mit der Abstinenzweisung verbundene Kontrollweisung ist ebenfalls nicht zu beanstanden und genügt insbesondere dem Bestimmtheitserfordernis.


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