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Entscheidungen

StGB/Nebengebiete

E-Scooter, Elektrokleinstfahrzeug, absolute Fahruntauglichkeit, Trunkenheitsfahrt, Entziehung der Fahrerlaubnis

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Dresden, Urt. v. 04.11.2023 - 1 OLG 21 Ss 297/22

Eigener Leitsatz:

Ausführungen, die sich im Wesentlichen auf die allgemeine Betrachtung der Besonderheiten von sog. E-Scootern beschränken und die Würdigung der Umstände des Einzelfalles im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung vermissen lassen, werden den Anforderungen an die Begründung eines Abweichens vom Regelfall betreffend die Entziehung der Fahrerlaubnis bei einer Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter nicht gerecht.


1 OLG 21 Ss 297/22

Urteil

Im Namen des Volkes

In der Strafsache
gegen pp.

Verteidiger:

wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Dresden in der am 04.11.2022 durchgeführten Hauptverhandlung, an der teilgenommen haben

pp.

für Recht erkannt:

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Zwickau vom 10. Februar 2022 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Zwickau zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Der Angeklagte ist mit Urteil des Amtsgerichts Zwickau vom 08. November 2021 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 37 Tagessätzen zu je 50,00 € verurteilt worden. Das Amtsgericht hat dem Angeklagten weiterhin verboten, für die Dauer von fünf Monaten Kraftfahrzeuge jeder Art im Straßenverkehr zu führen. Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt und verbunden mit der Berufungsbegründung ihr Rechtsmittel auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt.

Das Landgericht Zwickau hat mit Urteil vom 10. Februar 2022 die Berufung der Staatsanwaltschaft als unbegründet verworfen. Hiergegen richtet sich die mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründete Revision der Staatsanwaltschaft.

Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat beantragt, auf die Revision der Staatsanwaltschaft Zwickau das Urteil des Landgerichts Zwickau vom 10. Februar 2022 mit den zugrunde-liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Kammer des Landgerichts zurückzuverweisen.

Der Verteidiger des Angeklagten hat beantragt, die Revision der Staatsanwaltschaft zu verwerfen.

II.

Die zulässige Revision der Staatsanwaltschaft hat - zumindest vorläufig - Erfolg. Das angefochtene Urteil hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand und war daher auf die Sachrüge hin aufzuheben.

1. Das Landgericht hat seiner Entscheidung die unzutreffende Annahme zugrunde gelegt, die Berufung der Staatsanwaltschaft sei auf den unterbliebenen Maßregelausspruch über die Entziehung der Fahrerlaubnis beschränkt gewesen.

Eine dahin gehende Beschränkung hat die Staatsanwaltschaft weder ausdrücklich erklärt, noch lässt sich eine solche Erklärung aus ihren Ausführungen zu dem erstrebten Maßregelaussspruch ableiten. Insbesondere wird, worauf die Generalstaatsanwaltschaft Dresden in ihrer Zuschrift vom 25. April 2022 zutreffend hingewiesen hat, nicht erkennbar, dass die Staatsanwaltschaft eine Entziehung der Fahrerlaubnis neben dem ausgesprochenen Fahrverbot erstrebt hätte. Unabhängig davon hätte der übrige Rechtsfolgenausspruch von der Anfechtung nicht ausgenommen werden können. Denn ein zu Ungunsten des Angeklagten eingelegtes Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft kann von vornherein nicht wirksam auf die unterbliebene Entziehung der Fahrerlaubnis beschränkt werden. Infolge der Wechselbeziehung zwischen der Strafzumessung einerseits und dem Maßregelausspruch andererseits könnte die zusätzliche Verhängung der Maßregel nämlich Anlass geben, eine geringere Strafe festzusetzen, als diese sonst angebracht wäre (BayObLGSt 2004, 93 und VRS 81, 443; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 318 Rdnr. 28).

Das Landgericht hatte daher, nachdem sich die erklärte Beschränkung auf den Rechtsfolgen-ausspruch als wirksam erweist, über den gesamten Rechtsfolgenausspruch zu befinden. Das hat es unterlassen, weshalb das Urteil bereits aus diesem Grund der Aufhebung unterliegt (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 29. Januar 2013, Az.: 3 RVs 4/13; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 352 Rdnr. 4).

2. Es bedurfte daher vorliegend keiner Entscheidung, ob die Ausführungen im angefochtenen Urteil die Entscheidung über das Absehen von der Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69 Abs. 1 Satz 1 StGB) tragfähig begründen konnten. Gleichwohl merkt der Senat Folgendes an:

Wenn sich der Angeklagte der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr strafbar gemacht hat (§ 316 Abs. 1 und 2 StGB), es sich bei dem von ihm geführten sogenannten E-Scooter um ein Kraftfahrzeug im Sinne des § 1 Abs. 2 StVG gehandelt hat und damit der Anwendungsbereich des § 69 StGB grundsätzlich eröffnet ist (vgl. Fischer, StGB 69. Aufl., § 69 Rdnr. 3), wird nach § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB vermutet, dass er sich dadurch als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat. Die Wirkung der gesetzlichen Vermutung geht dahin, dass für die Feststellung der Ungeeignetheit eine sie explizit begründende Gesamtwürdigung nur erforderlich ist, wenn ernsthafte Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein Ausnahmefall vorliegen könnte. Denn ein Abweichen von der Regelvermutung kommt nur bei besonderen Umständen des Einzelfalles in Betracht. Solche besonderen Umstände können entweder in der Tat, in der Persönlichkeit des Täters oder dem Nachtatverhalten liegen (BayObLG, Beschluss vom 24. Juli 2020, Az.: 205 StRR 216/20 m.w.N. und unter Auseinandersetzung mit der in diesem Zusammenhang ergangenen divergierenden Rechtsprechung; vgl. auch KG, Beschluss vom 31. Mai 2022, Az.: 3 Ss 13/22).
Ausführungen, die sich im Wesentlichen auf die allgemeine Betrachtung der Besonderheiten von sog. E-Scootern beschränken und die Würdigung der Umstände des Einzelfalles im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung vermissen lassen, werden den Anforderungen an die Begründung eines Abweichens vom Regelfall deshalb nicht gerecht.

3. Das Urteil war daher einschließlich der zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und an eine andere Strafkammer des Landgerichts Zwickau zurückzuverweisen (§§ 353 Abs. 1 und 2, 354 Abs. 2 StPO).


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