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Entscheidungen

StPO

Berufungsbeschränkung auf Rechtsfolgenausspruch, Wirksamkeit, BtM-Delikt

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Saarbrücken, Beschl. v. 22.11.2023 – 1 Ss 23/23

Leitsatz des Gerichts:

Fehlende Feststellungen zum Wirkstoffgehalt der Betäubungsmittel stehen bei einer Verurteilung wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln nach § 29a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG der Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung auch dann nicht entgegen, wenn die Bruttomenge der Betäubungsmittel die Grenze zur nicht geringen Menge i.S.d. § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG übersteigt.


In pp.

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken – 11. Kleine Strafkammer – vom 20. Juni 2023 wird kostenpflichtig (§ 473 Abs. 1 Satz 1 StPO) als offensichtlich unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf die Revisionsbegründung hin keinen Rechtsfehler ergeben hat, der sich zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat.

Gründe

Der Erörterung bedarf insoweit nur Folgendes:

1. Entgegen der Annahme der Generalstaatsanwaltschaft hat der Angeklagte seine Berufung ausweislich der Hauptverhandlungsprotokolls vom 20. Juni 2023 nicht auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung, sondern auf den Strafausspruch insgesamt beschränkt.

2. Das Landgericht ist auch in Ansehung dessen zutreffend von einer wirksamen Beschränkung der Berufung ausgegangen, dass das Amtsgericht keine Feststellungen zum Wirkstoffgehalt der Betäubungsmittel getroffen hat, in deren Besitz der Angeklagte war.

a) Grundsätzlich kann eine Berufung nach § 318 StPO auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt werden (vgl. nur BGH, Beschluss vom 27. April 2017 – 4 StR 547/16 –; Senatsurteil vom 29. November 2021 – Ss 60/2021 (57/21) –; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 318 Rn. 16). Dies setzt jedoch voraus, dass die im vorangegangenen Urteil getroffenen Feststellungen zum Schuldspruch eine ausreichende Grundlage für die von dem Berufungsgericht zu treffende Rechtsfolgenentscheidung bilden (BGH a.a.O.; Senatsurteil a.a.O.). Sind die Schuldfeststellungen des Amtsgerichts derart knapp, unvollständig, unklar oder widersprüchlich, dass sie den Unrechts- und Schuldumfang nicht einmal in groben Zügen erkennen lassen und es dem Berufungsgericht nicht gestatten, seine Entscheidung hieran anzuknüpfen, ist eine Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch unwirksam (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2015 – 2 StR 258/15 –; Senatsurteile vom 29. Juni 2020 – Ss 29/2020 (23/20) – und vom 29. November 2021 – Ss 60/2021 (57/21) –; Senatsbeschluss vom 14. April 2021 – Ss 27/2021 (29/21) –). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn schon unklar bleibt, ob sich der Angeklagte überhaupt strafbar gemacht hat (BGH, Beschluss vom 27. April 2017 – 4 StR 547/16 –, vgl. auch BGH, Urteil vom 5. Mai 2022 – 3 StR 412/21 –, juris; Senatsentscheidungen wie vor).

b) Für den Fall einer Verurteilung wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz hat der Senat bereits entschieden, dass das Fehlen von Feststellungen zum Wirkstoffgehalt der Betäubungsmittel den Bestand des Schuldspruchs dann nicht gefährdet, wenn festgestellt ist, dass es sich tatsächlich um Betäubungsmittel handelt und nach dem Bruttogewicht der Betäubungsmittel ausgeschlossen werden kann, dass die Grenze zur nicht geringen Menge i.S.d. § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG überschritten ist (Senatsbeschlüsse vom 23. Mai 2014 – Ss 36/2014 (21/14) –, 26. Juni 2014 – Ss 20/2014 (14/14) – und vom 29. Januar 2019 – Ss 114/2018 (64/18) –, vgl. auch KG Berlin, Beschluss vom 12. Januar 2017 – (5) 121 Ss 197/16 (56/18) –, juris; OLG Celle NStZ-RR 2012, 59; KG Berlin, Beschluss vom 4. Januar 2012 – 1 Ss 466/11 (322/11) –, juris; OLG Frankfurt NStZ-RR 2003, 23), die Berufung demnach trotz der fehlenden Feststellungen wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt werden kann.

c) Nichts anderes kann gelten, wenn – wie vorliegend aufgrund einer Menge von 10,9 Gramm Marihuana und einem Grenzwert zur nicht geringen Menge von 7,5 Gramm THC (vgl. BGH StV 2013, 703 f. und Senatsbeschlüsse vom 23. Mai 2014 – Ss 36/2014 (21/14) – und vom 29. Januar 2019 – Ss 114/2018 (64/18)) – wegen fehlender Feststellungen zum Wirkstoffgehalt das Überschreiten der Grenze zur nicht geringen Menge nicht ausgeschlossen werden kann.

(1) Im Fall einer Revisionsbeschränkung kann und darf das Rechtsmittelgericht nach höchstrichterlicher Rechtsprechung grundsätzlich diejenigen Entscheidungsteile nicht nachprüfen, deren Nachprüfung von keiner Seite begehrt wird (BGH, Beschluss vom 26. September 2019 – 5 StR 206/19 –, juris). Etwaige Subsumtionsfehler des erkennenden Gerichts und daraus resultierende Mängel des Schuldspruchs berühren die Wirksamkeit einer Rechtsmittelbeschränkung, die den Schuldspruch von einer Beanstandung ausnimmt, deshalb nicht (BGH, Urteil vom 5. Mai 2022 – 3 StR 412/21 –, juris). Vielmehr hat das Rechtsmittelgericht im Fall eines auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Rechtsmittels die Prüfung der Rechtsfolgenentscheidung auf der Basis des Schuldspruchs des angefochtenen Urteils vorzunehmen, auch wenn dieser auf einer rechtsfehlerhaften Subsumtion und damit unzutreffenden rechtlichen Einordnung des Tatgeschehens beruht (BGH, Urteile vom 15. Juli 2020 – 2 StR 288/19 –, juris und vom 5. Mai 2022 – 3 StR 412/21 –, juris). Dies gilt unabhängig davon, ob sich eine fehlerhafte rechtliche Einordnung einer festgestellten Tat zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten auswirkt (BGH, Urteile vom 16. Juni 2016 – 3 StR 124/16 –, juris, 22. Februar 1996 – 1 StR 721/95 –, juris und 5. Mai 2022 – 3 StR 412/21 –, juris; MüKo-StPO/Quentin, § 318 Rn. 55). Lediglich dann, wenn auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen zu dem nicht angefochtenen Schuldspruch überhaupt keine Strafe hätte verhängt werden dürfen, führt der dann fehlerhafte Schuldspruch zur Unwirksamkeit einer Revisionsbeschränkung (BGH, Urteile vom 10. März 2016 – 3 StR 347/15 –, juris und 5. Mai 2022 – 3 StR 412/21 –, juris).

(2) Da sich die Wirksamkeit einer Berufungsbeschränkung nach denselben Grundsätzen wie die einer Revisionsbeschränkung beurteilt (Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 344 Rn. 7 m.w.N., vgl. auch BGH, Urteil vom 22. Februar 1996 – 1 StR 721/95 –, juris), gilt hierfür nicht anderes. Auch hier gebietet es die dem Rechtsmittelberechtigten in § 318 Satz 1 StPO eingeräumte Verfügungsmacht über den Umfang der Anfechtung des Urteils, den in einer Rechtsmittelerklärung zum Ausdruck kommenden Gestaltungswillen im Rahmen des rechtlich Möglichen zu respektieren (BGH, Beschluss vom 27. April 2017 – 4 StR 547/16 –, juris; Senatsurteil vom 29. November 2021 – Ss 60/2021 (57/21) –).

(3) Hiernach war die Berufungsbeschränkung vorliegend wirksam. Die Feststellungen des Amtsgerichts tragen (jedenfalls) die Verurteilung des Angeklagten wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln. Dass nicht auszuschließen ist, dass weitergehende Feststellungen zum Wirkstoffgehalt der von ihm besessenen Betäubungsmittel möglicherweise hätten zu einer Verurteilung wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge führen müssen, steht der Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung nicht entgegen, da nach den genannten Grundsätzen bei einer Feststellung eines zu einer nicht geringen Menge führenden Wirkstoffgehaltes im amtsgerichtlichen Urteil unter gleichzeitiger (rechtsfehlerhafter) Verurteilung nur wegen eines Verstoßes gegen § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG die Wirksamkeit einer Berufungsbeschränkung außer Frage gestanden hätte. Nichts anderes kann jedoch dann gelten, wenn nach den Urteilsfeststellungen eine Strafbarkeit nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG feststeht und offen bleibt, ob die Grenze des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG erreicht ist.

3. Die fehlenden Feststellungen zum Wirkstoffgehalt der von dem Angeklagten besessenen Betäubungsmittel führen vorliegend auch nicht zur Rechtsfehlerhaftigkeit des Strafausspruchs.

a) Zwar werden das Unrecht einer Betäubungsmittelstraftat und die Schuld des Täters maßgeblich durch die Wirkstoffkonzentration und die Wirkstoffmenge des Betäubungsmittels bestimmt. Für eine sachgerechte und schuldangemessene Festsetzung von Strafen im Betäubungsmittelstrafrecht kann deshalb auf nähere Feststellungen zum Wirkstoffgehalt regelmäßig nicht verzichtet werden (vgl. BGH NStZ-RR 2016, 247 f.; Senatsbeschlüsse vom 21. März 2007 – Ss 13/2007 (9/07) – und vom 29. Januar 2019 – Ss 114/2018 (64/18) –, juris).

b) Von genauen Feststellungen kann aber ausnahmsweise dann abgesehen werden, wenn ausgeschlossen ist, dass eine genaue Angabe des Wirkstoffgehalts das Strafmaß zugunsten des Angeklagten hätte beeinflussen können (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Mai 2022 – 6 StR 117/22 –, juris und NStZ 1990, 395; KG Berlin, Beschluss vom 3. März 2023 – (3) 161 Ss 212/22 (73/22) –, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 8. November 2018 – III-4 RVs 150/18 –, juris; OLG Celle, Beschluss vom 25. September 2017 – 2 Ss 104/17 –, juris; Senatsbeschlüsse vom 21 März 2007 – Ss 13/2007 (9/07) – und vom 29. Januar 2019 – Ss 114/2018 (64/18) –, juris; Patzak in: Patzak/Volkmer/Fabricius, BtMG, 10. Aufl., § 29 Rdnr. 212). Dies kann insbesondere bei Kleinstmengen der Fall sein, da der Schuldgehalt der Tat bei solchen Delikten durch die Qualität des Rauschgifts nicht wesentlich geprägt wird (vgl. BGH NStZ-RR 2022, 250; KG Berlin, Beschluss vom 3. März 2023 – (3) 161 Ss 212/22 (73/22) –, juris).

c) Der Senat schließt vorliegend aus, dass die Strafkammer gegen den Angeklagten bei einer Feststellung des Wirkstoffgehaltes nach § 29 Abs. 5 BtMG von Strafe abgesehen oder ein anderes Strafmaß verhängt hätte oder zu einer anderen Entscheidung zur Frage der Strafaussetzung zur Bewährung gelangt wäre.

(1) Unabhängig von der Frage, ob bei einer Betäubungsmittelmenge von 10,9 Gramm Marihuana und einer Grenze zur „geringen Menge“ i.S.d. § 29 Abs. 5 BtMG von 0,045 Gramm THC (vgl. OLG Hamm StraFo 2014, 518; Senatsbeschluss vom 29. Januar 2019 – Ss 114/2018 (64/18) –, juris; Patzak in: Patzak/Volkmer/Fabricius, BtMG, 10. Aufl., § 29 Rdnr. 1644 f.) überhaupt die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 29 Abs. 5 BtMG vorliegen können (vgl. zum Wirkstoffgehalt von Marihuana Patzak, a.a.O., Kap. 2, Teil 2, A.II Rn. 9 und A.VI.1 Rn. 17), wäre jedenfalls auch für diesen Fall auszuschließen, dass die Strafkammer bei dem Angeklagten von Strafe abgesehen hätte. Ausweislich der Urteilsgründe hält das Berufungsgericht ihn für einen „hartnäckigen Rechtsbrecher“, der bereits „massiv strafrechtlich in Erscheinung getreten“ sei, „sich bereits mehrfach zur Vollstreckung erheblicher Jugendstrafen im Strafvollzug befunden“ habe und „die Tat unter laufender Bewährung (…) und nur etwa drei Wochen nach der letzten Vorverurteilung“ begangen habe.

(2) Auch die Verhängung einer niedrigeren Strafe oder einer anderen Entscheidung zur Frage der Strafaussetzung ist auszuschließen. Der THC-Gehalt der von dem Angeklagten besessenen Drogen findet weder in den Strafzumessungserwägungen der Berufungskammer noch in ihren Ausführungen zur Bewährungsentscheidung Erwähnung. Vielmehr hat die Kammer zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er geständig war, die Betäubungsmittel zum Eigenbedarf besessen hat und diese sichergestellt werden konnten, zu seinen Lasten sein strafrechtliches Vorleben sowie seine Bewährungsbrüchigkeit und Rückfallgeschwindigkeit. Dass diese Erwägungen durch die Feststellung eines niedrigen Wirkstoffgehaltes der Betäubungsmittel erschüttert worden wären, ist nicht ersichtlich.

(3) Die Verhängung einer höheren Strafe scheidet schon aufgrund des Verschlechterungsverbotes (§ 331 Abs. 1 StPO) aus.


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