Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Dresden, Beschl. v. 26.10.2023 - 3 Ws 66/23
Eigener Leitsatz:
1. Die Verfahrensgebühr für Tätigkeiten bei der Einziehung wird auch durch eine bloß beratende Tätigkeit des Rechtsanwalts ausgelöst. Erforderlich, aber auch ausreichend für das Entstehen der zusätzlichen Gebühr ist eine nach Aktenlage gebotene Beratung des Mandanten. Das wird immer der Fall sein, wenn Fragen der Einziehung nahe liegen.
2. Der Gegenstandswert bemisst sich nach dem wirtschaftlichen Interesse der/des Angeklagten auf die Abwehr der Einziehung. Maßgeblich ist der Nominalwert der titulierten Einziehungsforderung. Es kommt daher nicht darauf an, dass wegen einer (vermuteten) Vermögenslosigkeit der Angeklagten erhebliche Zweifel an der Werthaltigkeit der Einziehungsforderung bestehen. Bei der Feststellung des Gegenstandswertes kommt es des Weiteren auch nicht auf die Anzahl der Täter und das wirtschaftliche Interesse jedes einzelnen Täters an der Abwendung der Einziehung an.
Strafsenat
3 Ws 66/23
Beschluss
In der Strafsache
gegen pp.
wegen schweren Bandendiebstahls u. a.
hier Wertfestsetzung
hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Dresden am 26.10.2023 beschlossen:
1. Die Beschwerde des Bezirksrevisors bei dem Landgericht Dresden gegen den Beschluss des Landgerichts Dresden vom 14. Juli 2023 wird als unbegründet verworfen.
2. Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
In der von der 2. Strafkammer des Landgerichts Dresden unverändert zugelassenen Anklageschrift vom 01. September 2021 hat die Staatsanwaltschaft Dresden beantragt, gemäß §§ 73, 73 c StGB die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 113.800.000,00 € gegen die Angeklagten als Gesamtschuldner anzuordnen.
Mit Urteil vom 16. Mai 2023 hat das Landgericht Dresden - nach Abtrennung des Verfahrens über die Einziehung von Wertersatz - die Angeklagten schuldig gesprochen und zu Haftstrafen verurteilt. Den Angeklagten pp. hat es freigesprochen.
Nach Einreichung eines Kostenfestsetzungsantrages durch die Verteidiger des Freigesprochenen hat der Bezirksrevisor bei dem Landgericht Dresden die Festsetzung des
Gegenstandswertes für das Einziehungsverfahren beantragt.
Mit Beschluss vom 14. Juli 2023 hat das Landgericht Dresden den Gegenstandswert gemäß § 33 RVG auf 113.800.00,00 € festgesetzt.
Dagegen richtet sich die Beschwerde des Bezirksrevisors bei dem Landgericht Dresden. Der Gegenstandswert sei zum einen kopfteilig auf die Angeklagten aufzuteilen. Zum anderen sei zu berücksichtigen, dass die Angeklagten wirtschaftlich nicht leistungsfähig seien.
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 04. August 2023 der Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
Die gemäß § 33 Abs. 3 RVG zulässige und fristgerecht eingelegte Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Nach Nr. 4142 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG (VV) fällt eine besondere Verfahrensgebühr als Wertgebühr an, wenn der Rechtsanwalt eine auf die Einziehung und verwandte Maßnahmen bezogene gerichtliche oder außergerichtliche Tätigkeit für den Beschuldigten ausübt (BGH, Beschluss vom 29. November 2018, 3 StR 625/17 - juris). Die Verfahrensgebühr wird auch durch eine bloß beratende Tätigkeit des Rechtsanwalts ausgelöst. Erforderlich, aber auch ausreichend für das Entstehen der zusätzlichen Gebühr ist eine nach Aktenlage gebotene Beratung des Mandanten. Das wird immer der Fall sein, wenn Fragen der Einziehung nahe liegen. Es kommt weder darauf an, ob der Erlass der Maßnahme rechtlich zulässig -. ist, noch, ob es an einer gerichtlichen Entscheidung über die Einziehung fehlt, noch ist erforderlich, dass die Einziehung ausdrücklich beantragt worden ist. Es genügt, dass sie nach Lage der Sache ernsthaft in Betracht kommt (OLG Dresden, Beschluss vom 14. Februar 2020, 1 Ws 40/20 - juris).
Der Gegenstandswert bemisst sich dabei nach dem wirtschaftlichen Interesse der Angeklagten auf die Abwehr der Einziehung. Maßgeblich ist - wie bei Festsetzung der Kosten im Zivilprozess - der Nominalwert der titulierten Einziehungsforderung. Eine Verringerung des Gegenstandswertes wegen fehlender Durchsetzbarkeit des Zahlungsanspruches ist generell weder im Streitwert- noch Kostenfestsetzungsverfahren vorgesehen. Es kommt daher nicht darauf an, dass wegen der (vermuteten) Vermögenslosigkeit der Angeklagten erhebliche Zweifel an der Werthaltigkeit der Einziehungsforderung bestehen (vgl. BGH, Beschluss vom 22.05.2019, 1 StR 471/18 - juris; BGH, Beschluss vom 29.06.2020, 1 StR 1/20 - juris).
Für eine Festsetzung des Gegenstandswertes nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eines Angeklagten fehlt es im Übrigen auch an objektiv nachvollziehbaren, allgemein gültigen Kriterien, was letztlich zu willkürlichen Festlegungen führen würde. Das alleinige Abstellen auf den Gegenstandswert für die Berechnung der Gebühr nach Nr. 4142 VV-RVG könne im Einzelfall zu ungerechtfertigt hohen Ansprüchen führen, hier korrigierend einzugreifen bleibe aber dem Gesetzgeber überlassen (so schon BGH NStZ 2007, 341). Bei der Feststellung des Gegenstandswertes kommt es des Weiteren auch nicht auf die Anzahl der Täter und das wirtschaftliche Interesse jedes einzelnen Täters an der Abwendung der Einziehung an. Das subjektive Interesse des Täters bleibt bei der Bestimmung des objektiven Verkehrswertes einer Sache im Rahmen der Nr. 4142 VV-RVG außer Betracht. Deshalb kann bei mehreren Tätern auch nicht der auf einen Täter fallende Anteil an der Beute, bzw. dessen Wert, für die Bestimmung des objektiven Verkehrswertes maßgebend sein (OLG Bamberg, JurBüro 2007, 201). Die Angeklagten haften im Übrigen hinsichtlich der Einziehungsforderung auch gesamtschuldnerisch.
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