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Entscheidungen

Zivilrecht

Faustschlag, Fußballspiel, deliktischer Anspruch, Notrwehrlage, Schmerzensgeld

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 02.10.2023 – 19 U 14/23

Eigener Leitsatz:

Zum Umfang der deliktischen Ansprüche nach einem Faustschlag während eines Fußballspiels und zur Höhe des Schmerzensgeldes.


Oberlandesgericht Düsseldorf

Beschluss

In dem Rechtsstreit
des pp.

hat der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf

am 02.10.2023
durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht beschlossen:

Der Antrag des Beklagten vom 30.06.2023, ihm Prozesskostenhilfe für die Berufung gegen das am 08.05.2023 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal - Einzelrichter - (2 O 175/19) - konkludent unter Beiordnung von Frau Rechtsanwältin pp. zu gewähren, wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.
Prozesskostenhilfe konnte nicht bewilligt werden.

Nach § 114 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, da eine Berufung keine hinreichende Erfolgsaussicht bietet.

II.

Eine etwaige Berufung des Beklagten hat nach dem Vorbringen in der angekündigten Berufungsbegründung vom 30.06.2023 und dem Schriftsatz vom 14.09.2023 aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung (siehe 1.) keine Aussicht auf Erfolg (siehe 2.).

1. Am 09.12.2018 spielte die Fußballmannschaft, in der der Kläger spielte, gegen die Fußballmannschaft, in der der Beklagte spielte. Während einer kurzzeitigen Unterbrechung des Spiels schlug der Beklagte dem Kläger mit der Faust ins Gesicht. Hier-durch erlitt der Kläger einen zweifachen Kieferbruch in Form einer dislozierten offenen Kieferwinkelfraktur rechts und einer Paramedianfraktur links, der am 10.12.2018 operativ behandelt wurde. Bis zum 31.12.2018 war der Kläger hierdurch arbeitsunfähig.

Der Beklagte wurde vom Landgericht Wuppertal verurteilt, an den Kläger aus § 823 Abs. 1 BGB und § 823 Abs. 2 i.V.m. § 223 StGB ein Schmerzensgeld in Höhe von 22.000,00 Euro zu zahlen. Darüber hinaus stellte das Landgericht Wuppertal fest, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen künftigen Schäden zu ersetzen, die aus dem Schlag des Beklagten in das Ge-sicht des Klägers am 09.12.2018 resultieren, und es stellte fest, dass die Ansprüche des Klägers auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung des Beklagten beruhen.

Der Schlag des Beklagten in das Gesicht des Klägers erfolgte zur Überzeugung des Gerichts nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme rechtswidrig und schuldhaft. Die im Termin zur mündlichen Verhandlung vernommenen Zeugen R, H und S hätten die Behauptung des Klägers, dass der Schlag unvermittelt und ohne vorherige Provokation seinerseits erfolgte, glaubhaft bestätigt. Insbesondere habe damit nicht die vom Beklagten als Notwehrlage i.S.d. § 32 StGB verstandene, behauptete Situation vorgelegen, dass sich der Kläger bedrohlich auf den Beklagten zubewegt, hierbei seine Hand gehoben und sich der Beklagte geduckt habe, mit einem Arm abgewehrt und mit dem anderen Arm zugeschlagen habe. Diese Situation, die schon der Beklagte im Rahmen seiner Anhörung nur rudimentär und unter Aussparung wesentlicher Details habe schildern können, habe keiner der Zeugen auch nur in Ansätzen bestätigt. Darauf, ob die Parteien zu einer anderen Zeit vorher aneinandergeraten seien und der Kläger den Kapitän der Mannschaft des Beklagten mit der Schulter berührt habe, komme es nicht an. Die Vernehmung des nicht erschienenen, vom Beklagten allein für die Tatsache eines vorherigen Schubsens des Zeugen durch den Kläger benannte Zeuge pp. sei deshalb nicht mehr erforderlich gewesen. Für die rechtliche Bewertung des Angriffs des Beklagten auf den Kläger sei die vom Beklagten unter dieses Beweisangebot gestellte Behauptung unerheblich.

Hiergegen wendet sich der Beklagte in seinem Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe mit der angekündigten Berufung. Das Urteil des Landgerichts halte einer rechtlichen Überprüfung im Wesentlichen aus drei Gründen nicht stand:

a) Das Landgericht habe nur die von der Klägerseite benannten Zeugen angehört, aber nicht den von ihm benannten Zeugen H. Das Gericht hätte auch diesen Zeugen anhören müssen, da dieser sich zu dem gesamten Verhalten des Klägers im Fußballspiel insgesamt hätte äußern können, insbesondere dazu, in welcher Art der Kläger gegenüber dem Beklagten aggressiv, provokant und auch beleidigend tätig gewesen sei.

Es gebe erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit der vernommenen Zeugen bzw. an der Glaubhaftigkeit deren Aussagen. Denn die Zeugen hätten unterschiedliche Angaben dazu gemacht, wie weit die Parteien auseinander gestanden hätten und wie weit die Zeugen selbst von dem Geschehen entfernt gewesen seien. Die Abweichungen in den Angaben hätten Anlass für das Gericht gegeben, die Aussagen der Zeugen zu hinterfragen. Das Landgericht habe sich mit der Beweiswürdigung des Beklagten im Schriftsatz vom 31.03.2023 nicht auseinandergesetzt.

b) Entgegen der Feststellung des Landgerichts sei der unstreitige Schlag des Beklagten in das Gesicht des Klägers nicht als eine vorsätzliche unerlaubte Handlung zu werten. Denn der Beklagte habe nicht den Kläger angegriffen, sondern der Kläger sei zunächst auf den Zeugen Ha. zugegangen, habe diesen geschubst und sei dann in bedrohlicher Art auf den Beklagten zugegangen. Der Beklagte habe infolge der vorangegangenen Auseinandersetzungen die Sorge gehabt, dass es zu einem Angriff ihm gegenüber komme. Der Beklagte habe sich zum Schutz vor Schlägen mit seinem Unterarm geschützt und dann von sich aus einen Schlag in Richtung des Klägers abgesetzt. Dies aber nicht in der Absicht, ihn zu verletzen, sondern in der Absicht, ihn abzuwehren. Es liege allenfalls eine Fahrlässigkeitstat vor; eine Verletzungsabsicht habe der Beklagte nicht gehabt. Es sei ihm darum gegangen, den Kläger auf Abstand zu halten. Gegebenenfalls sei die Wahl des Mittels nicht verhältnis-mäßig gewesen. Aber selbst wenn von keiner Notwehrlage auszugehen sei, bedeute dies nicht zwingend, dass damit eine vorsätzliche unerlaubte Handlung vorliege.

c) Das Landgericht habe Fehler bei der Bemessung des Schmerzensgeldes gemacht. Denn es habe, was unstreitig ist, auf den gestellten Antrag des Beklagten, ihm Prozesskostenhilfe in der ersten Instanz zu bewilligen, ein Schmerzensgeld i.H.v. 5.000 Euro für angemessen erachtet. Außerdem hätte bei der Bemessung des Schmerzensgeldes das behauptete vorangegangene Verhalten des Klägers (Griff in den Genitalbereich, Schubsen des Kapitäns) berücksichtigt werden müssen, selbst wenn der Beklagte nicht nach § 32 StGB gerechtfertigt bzw. das von ihm gewählte Mittel unverhältnismäßig gewesen sei. Schließlich habe das Landgericht nicht weiter begründet, warum der Schmerzensgeldbetrag, den sich der Kläger selbst vorgestellt hatte, nämlich 15.000 Euro, im Tenor zu überschreiten sei. Der bloße Hinweis im Urteil auf „Vergleichsrechtsprechung“ sei keine sachliche Auseinandersetzung und Argumentation mit der Schmerzensgeldhöhe.

2. Eine beabsichtigte Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat den Beklagten im Ergebnis zu Recht verurteilt, insbesondere ein Schmerzensgeld i.H.v. 22.000 Euro an den Kläger zu zahlen. Denn es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 ZPO).

a) Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld aus § 823 Abs. 1 BGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 223 StGB.

Denn der Beklagte hat mit seinem unstreitigen Schlag in das Gesicht des Klägers den Körper und die Gesundheit des Klägers verletzt. Dabei handelte der Beklagte vorsätzlich und widerrechtlich, weil ein Fall der Notwehr gemäß § 227 BGB bzw. § 32 StGB nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme des Landgerichts Wuppertal nicht vorlag.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht für das Landgericht Wuppertal fest, dass der Beklagte rechtswidrig und schuldhaft handelte. Eine Notwehrlage zugunsten des Beklagten habe nicht vorgelegen, denn der Kläger habe sich nicht bedrohlich auf den Beklagten zubewegt und hierbei seine Hand gehoben. Vielmehr habe der Kläger zum Zeitpunkt des Angriffs durch den Beklagten gestanden und sich nicht fortbewegt.

Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat der Senat die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen seiner Verhandlung und Entscheidung zu Grunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Das Gesetz geht somit im Grundsatz davon aus, dass das Berufungsgericht das Ergebnis einer erstinstanzlich rechtsfehlerfrei durchgeführten Beweisaufnahme seiner Entscheidung zu Grunde zu legen hat. Die Tatsachenfest-stellung durch das Gericht erster Instanz darf daher insoweit nur eingeschränkt vom Berufungsgericht überprüft werden. Gleichzeitig unterliegt eine erstinstanzlich durch-geführte Beweisaufnahme jedoch insofern einer umfassenden Rechtsfehlerkontrolle. Sind dem Erstgericht bei der Tatsachenfeststellung Fehler unterlaufen, die dazu führen, dass das Urteil auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO beruht, so sind die entscheidungserheblichen Tatsachen erneut und diesmal rechtsfehlerfrei festzustellen, und zwar grundsätzlich durch das Berufungsgericht, § 538 Abs. 1 ZPO. Die Rechtsverletzungsrüge des § 513 Abs. 1 1. Alt. ZPO i.V.m. § 546 ZPO betrifft nicht nur die fehlerhafte Anwendung materiellen Rechts (z.B. die Verkennung der Beweislast), sondern auch die falsche Handhabung von Rechtsregeln zum Beweis-verfahren (z.B. Verletzung der Hinweispflicht) und zur Beweiswürdigung (z.B. eine nicht erschöpfende Beweisaufnahme oder Widersprüche zwischen einer protokollierten Aussage und den Urteilsgründen; vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 05.09.2011, I 24 U 4/11, juris Rz. 12; Heßler, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 529 Rn. 2 ff. m.w.N.). Im Berufungsverfahren ist daher stets zu überprüfen, ob die Beweiswürdigung des erstinstanzlichen Gerichts unvollständig oder in sich widersprüchlich ist, ob sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (BGH, Urt. v. 12.03.2004 - V ZR 257/03, BGHZ 158, 269 ff.) oder wesentliche Teile des Beweisergebnisses unberücksichtigt lässt. Auch muss aus den Entscheidungsgründen erkennbar sein, dass eine sachgemäße Beweisbewertung stattgefunden hat.

Das Landgericht Wuppertal hat die Parteien am 27.03.2023 angehört und die erschienenen Zeugen vernommen. Der Einzelrichter hat sich mit dem streitigen Kern-geschehen im Rahmen der Beweiswürdigung auseinandergesetzt und sich auch mit den Einwendungen des Beklagten zum Ergebnis der Beweisaufnahme beschäftigt (Schriftsatz vom 31.03.2023 (Bl. 201 GA)), insbesondere mit dem Umstand der Möglichkeiten der Zeugen, das Geschehen beobachtet zu haben (Seite 5 des Urteils).

Vorliegend benennt der Beklagte keine konkreten Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen des Landgerichts im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO begründen. Der Beklagte setzt mit seinen Einwänden mittelbar allenfalls eine eigene Beweiswürdigung an die Stelle des Gerichts, ohne echte Widersprüche, Verstöße gegen Denkgesetze oder Zweifel an der konkreten Beweiswürdigung des Landgerichts oder Verfahrensfehler aufzuzeigen. Vielmehr kommt der Senat im Rahmen der nachzuvollziehenden Beweiswürdigung nicht zu einem anderen Ergebnis als das erstinstanzliche Gericht, dessen Ausführungen und Würdigungen nachvollziehbar sind, und ohne dass sich – unter Berücksichtigung des Vortrags des Beklagten – Zweifel oder Widersprüche in der Beweiswürdigung ergeben.

Im Einzelnen:

Entgegen der Ansicht des Beklagten sind Fehler des Landgerichts Wuppertal bei der Tatsachenfeststellung nicht festzustellen.

Der von dem Beklagten in der ersten Instanz benannte Zeuge H, der in der
mündlichen Verhandlung am 27.03.2023 nicht erschienen war, musste vom Landgericht nicht vernommen werden, weil diejenigen Behauptungen des Beklagten, zu denen er als Zeuge benannt worden ist, zum einen rechtlich unerheblich waren und zum anderen unsubstantiiert.

aa) Soweit der Beklagte den Zeugen H dafür benannte, dass es schon während des gesamten Spieles zu provokantem Verhalten des Klägers gekommen sei und sogar dazu, dass dieser dem Beklagten in den Genitalbereich gefasst habe, er den Kapitän der Mannschaft des Beklagten und den Beklagten selbst geschubst habe, ist dieser Vortrag rechtlich unerheblich. Das Landgericht Wuppertal hat in den Entscheidungs-gründen zutreffend festgestellt, dass das vom Beklagten behauptete Vorverhalten des Klägers für die rechtliche Beurteilung des Sachverhalts ohne Bedeutung ist (Seite 6 des Urteils: „Die Vernehmung des nicht erschienenen, vom Beklagten allein für die Tatsache eines vorherigen Schubsens des Zeugen durch den Kläger benannte Zeuge H. war deshalb nicht mehr erforderlich. Für die rechtliche Bewertung des Angriffs des Beklagten auf den Kläger ist die vom Beklagten unter dieses Beweisangebot gestellte Behauptung unerheblich.“).

Denn der Beklagte trägt die Beweislast für eine behauptete Notwehrsituation gemäß § 227 BGB bzw. § 32 StGB. Eine Notwehrlage setzt einen gegenwärtigen, rechtswidrigen Angriff voraus. Ein Angriff ist gegenwärtig, wenn er unmittelbar bevorsteht oder gerade stattfindet und noch nicht beendet ist. Soweit der Beklagte den Zeugen H . für provokantes Verhalten des Klägers im vorangegangenen Spielverlauf benennt, würde ein solches Vorverhalten, selbst wenn es als wahr unterstellt würde, nicht zu einer Notwehrlage zugunsten des Beklagten führen, weil jedenfalls diese Provokationen nicht mehr gegenwärtig waren.

Entgegen der Ansicht des Beklagten im Schriftsatz vom 30.06.2023 musste das Landgericht den von der Beklagtenseite benannten Zeugen nicht anhören, weil es eben auf das vorangegangene Gesamtverhalten des Klägers im Fußballspiel insgesamt nicht ankam und auch nicht darauf, in welcher Art er gegebenenfalls gegenüber dem Beklagten vorher aggressiv, provokant oder beleidigend (Griff in den Genitalbereich) tätig geworden sei. Denn bei einer Notwehrlage, für die der Beklagte wie oben ausgeführt, beweisbelastet ist, kommt es lediglich auf die Gegenwärtigkeit eines menschlichen Angriffs an und nicht um ein Vorverhalten, das bereits abgeschlossen ist. Der Beklagte verkennt bei seiner Rechtsmeinung, dass sein Faustschlag in einer anderen Spielsituation (Unterbrechung des Spiels) zu einem anderen Zeitpunkt erfolgte.

Soweit der Beklagte im Schriftsatz vom 30.06.2023 dem Landgericht konkludent vorwirft, den Zeugen H. zur rechtlichen Bewertung des Angriffs des Beklagten nicht vernommen zu haben, insbesondere zu der Behauptung, dass es aus Sorge vor weiteren Schlägen durch den Kläger zu einem nicht gezielten Faustschlag des Beklagten gekommen sei, greift dieser Einwand nicht durch. Denn, wie das Landgericht feststellte, war der Zeuge H. erstinstanzlich allein für die Tatsache eines vorherigen Schubsens und anderer Umstände im Zusammenhang mit dem Spielverlauf vor der Körperverletzung durch den Beklagten benannt worden (Schriftsatz vom 18.02.2020, Bl. 43 der Akte). Darauf kam es jedoch - wie oben ausgeführt - rechtlich nicht an. Wie das Landgericht in seinem Hinweisbeschluss am 09.02.2021 ausführte (Bl. 100 der Akte), hat auch der Beklagte in seinen Schriftsätzen vom 26.08.2019 (Bl. 21 der Akte) und 10.03.2020 (Bl. 59 der Akte) im Ergebnis letztlich unstreitig gestellt, dass der Faustschlag des Beklagten nicht durch eine Notwehrsituation gerechtfertigt gewesen sei („Er hat daher von sich aus zugeschlagen.“ und „[...] So mag dies richtigerweise sowohl im Rahmen des Strafverfahrens als auch im Rahmen des Zivilverfahrens nicht als Rechtfertigung gesehen werden.“).

bb) Im Übrigen war, wie das Landgericht Wuppertal ebenfalls zutreffend festgestellt hat, der weitere Vortrag des Beklagten zur konkreten Situation seines Schlages, zu dem der Zeuge H. gegebenenfalls hätte nach seiner Ansicht angehört werden sollen, unsubstantiiert.

Aus Sorge, dass es ihm gegenüber zu Faustschlägen kommen könnte, obwohl bis dahin lediglich ein Schubsen durch den Kläger vom Beklagten vorgetragen wurde, habe er dem Kläger einen Faustschlag versetzt. Der Beklagte konnte diese Situation im Rahmen seiner Anhörung ausweislich des Protokolls (Blatt 211R ff.) nur rudimentär und unter Aussparung wesentlicher Details schildern. Sein Vortrag war insofern bereits unerheblich, weil unsubstantiiert.

b) Die Kritik des Beklagten an dem Urteil, das Landgericht hätte den benannten Zeugen H. zu dem gesamten Verhalten des Klägers im Fußballspiel insgesamt anhören müssen, weil dies für eine Würdigung des von der Beklagtenseite benannten Zeugen erforderlich gewesen sei, ist unberechtigt. Sollte damit gemeint sein, wie im Schrift-satz vom 14.09.2023 konkretisiert, die Vernehmung des Zeugen hätte durchgeführt werden müssen, um eine Würdigung des von der Klägerseite benannten Zeugen vorzunehmen, trifft dies nicht zu, denn selbst wenn sich ein provokantes Vorverhalten des Klägers dadurch ergeben hätte, hätte dies auf einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff im Rahmen der Prüfung der §§ 227 BGB, 32 StGB keine Auswirkung gehabt. Das Landgericht Wuppertal ist nach der durchgeführten Anhörung des Beklagten mit überzeugenden Gründen zu dem Ergebnis gekommen, dass seine Angaben unglaubhaft sind. Denn der Beklagte war selbst nicht in der Lage, den Sachverhalt nachvollziehbar und schlüssig darzustellen. Eine Beweisaufnahme zu einem nach durchgeführter Anhörung unglaubhaften Vortrag der Partei ist nicht geboten. Insbesondere konnte sich der Beklagte nicht an die Reihenfolge eines behaupteten Spuckens oder Griffs in den Genitalbereich erinnern. Den Griff könne er auch nicht nachmachen. Nach diesen Vorfällen sei es zu einer Diskussion gekommen und er und der Kläger seien durch den Schiedsrichter auseinandergehalten worden. Der Beklagte konnte auch nicht mehr genau angeben, wie das vor sich gegangen sei. Jedenfalls handelt es sich hier, wenn der Vortrag des Beklagten als unstreitig unterstellt würde, wiederum bloß um ein Vorverhalten des Klägers, welches mit der Körperverletzung in keinem unmittelbaren Zusammenhang stand. Letztlich hat der Beklagte eingeräumt, dass er zuerst zugeschlagen hat. Danach wurde das Spiel abgebrochen und ein Krankenwagen kam.

c) Der Senat vermag keine Fehler im Rahmen der Beweiswürdigung des Landgerichts zu erkennen.

Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugen der Klägerseite bzw. an der Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen sind für den Senat nicht erkennbar. Zwar hat der Beklagte mit seinem Schriftsatz vom 31.03.2023 zu der in der ersten Instanz durchgeführten Beweisaufnahme Stellung genommen und dabei seine Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugen oder zumindest der Glaubhaftigkeit deren Aussagen dargelegt. Jedoch hat sich das Landgericht Wuppertal im Urteil vom 08.05.2023 mit den Aussagen der Zeugen, deren Glaubhaftigkeit und etwaigen Belastungstendenzen der Zeugen auseinandergesetzt. Dabei hat das Landgericht berücksichtigt, dass der Zeuge Rh. eingeräumt hat, aufgrund seines eigenen Einsatzes in dem Spiel nicht alles gesehen zu haben. Auch der Blickwinkel auf das Spielfeld der beiden anderen Zeugen wird von dem Einzelrichter bewertet. Ohne dass Widersprüche und / oder Denkfehler erkennbar sind, kam das Landgericht zu der Feststellung, dass der Schlag des Beklagten gegen den Kläger nicht gerechtfertigt war. Insbesondere habe nicht die vom Beklagten behauptete Situation vorgelegen, dass sich der Kläger bedrohlich auf den Beklagten zubewegt und hierbei seine Hand gehoben habe. Keiner der vernommenen Zeugen hat dies bekunden können. Vielmehr haben die drei Zeugen die Behauptung des Beklagten insoweit widerlegt, sodass die Behauptung des Beklagten, die das Landgericht zutreffend als rudimentär beschreibt, nachvollziehbar als widerlegt anzusehen ist. Der Einwand des Beklagten im Schriftsatz vom 31.03.2023, die Angaben der Zeugen, wie weit die Parteien auseinander gestanden haben, würden voneinander abweichen, vermag daran nichts zu ändern. Denn das Landgericht Wuppertal hat sich gerade mit den Blickmöglichkeiten der einzelnen Zeugen auseinandergesetzt. Auf die konkreten Standorte der einzelnen Zeugen kommt es auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das Ereignis fast viereinhalb Jahre zu-rückliegt, nicht entscheidend an. Eine fehlerhafte Beweiswürdigung ist daher nicht festzustellen.

Vielmehr haben die drei vernommenen Zeugen übereinstimmend geschildert, dass der Kläger und der Beklagte nebeneinander gestanden hätten und es vor dem Schlag durch den Beklagten keine Bewegungen zwischen den beiden gegeben habe. Dieses geschilderte Kerngeschehen findet sich in den Aussagen der Zeugen wieder. Dabei kommt es nicht auf die Maßstabsgetreuheit einer Skizze an, wie der Beklagte in seinem Schriftsatz vom 14.09.2023 selber einräumt.
d.
Entgegen der Ansicht des Beklagten ist sein unstreitiger Schlag gegen den Kläger mit dem Landgericht Wuppertal als vorsätzliche unerlaubte Handlung zu werten und nicht als Fahrlässigkeitstat. Der widerlegte Vortrag, der Beklagte hätte sich zum Schutz vor Schlägen durch den Kläger mit seinem Unterarm geschützt und dann von sich aus einen Schlag in Richtung auf den Kläger abgesetzt, dies aber nicht in der Absicht, diesen zu verletzen, sondern in der Absicht, ihn abzuwehren, wobei möglicherweise die Wahl des Mittels nicht verhältnismäßig gewesen sei, greift nicht durch. Wer nach den Feststellungen im Urteil gezielt mit der Faust in das Gesicht einer anderen stehenden, sich nicht fortbewegenden Person schlägt und ihm dabei den Kiefer zweimal (Kieferwinkelfraktur rechts, Paramedianfraktur links) bricht, handelt nicht fahrlässig im Sinne des § 276 Abs. 2 BGB, unter Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, sondern vorsätzlich, mit Wissen und Wollen. Es kommt nicht darauf an, ob der Beklagte dabei die konkreten Verletzungserfolge wollte, jedenfalls nahm er sie billigend in Kauf.

Der Vortrag des Beklagten, es liege lediglich eine Fahrlässigkeitstat vor, stellt viel-mehr vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellung des Landgerichts eine Schutzbehauptung dar. Dem Beklagten ist gerade der Beweis für seinen Vortrag, er habe sich zum Schutz vor Schlägen durch den Kläger verteidigt, nicht geglückt. Vielmehr ging nach der durchgeführten Beweisaufnahme des Landgerichts Wuppertal dem Schlag des Beklagten gegen den Kläger kein unmittelbarer Angriff oder eine Provokation des Klägers gegen den Beklagten voraus, sodass der unstreitige Schlag des Beklagten, der beim Kläger erhebliche Verletzungen zur Folge hatte, unvermittelt, absichtlich und nicht aus einer unwillkürlichen oder eine allgemeine Sorgfaltspflicht verletzenden Abwehrreaktion heraus erfolgte. Bereits die behauptete Abwehr-handlung ist nicht bewiesen.

e)
Schließlich ist das vom Landgericht zugesprochene Schmerzensgeld i.H.v. 22.000 Euro und damit über dem beantragten 15.000 Euro des Klägers und über dem im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens (Beschl. v. 13.02.2020, 2 O 175/19, Bl. 38 GA) zunächst für angemessen gehaltenen Schmerzensgeldes i.H.v. 5.000 Euro rechtlich nicht zu beanstanden.

Ist wegen einer Verletzung des Körpers und der Gesundheit Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden (§ 253 Abs. 2 BGB).

Das Schmerzensgeld verfolgt dabei vordringlich das Ziel, dem Geschädigten einen Ausgleich für die erlittenen immateriellen Schäden zu gewähren und ihm zugleich Genugtuung für das ihm zugefügte Leid zu geben (BGH, Urt. v. 16.02.1993 - VI ZR 29/92, NJW 1993, 1531; BGH, Beschl. v. 16.09.2016 - VGS 1/16, BGHZ 212, 48). Für die Bemessung der Schmerzensgeldhöhe sind Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden und Entstellungen die wesentlichen Kriterien (vgl. BGH, Beschl. v. 06.07.1955 - GSZ 1/55, BGHZ 18, 149, 154). Als objektivierbare Umstände sind u.a. maßgebend die Art und Schwere der Verletzungen, das durch diese bedingte Leiden, dessen Dauer, das Ausmaß der Wahrnehmung der Beeinträchtigung durch den Verletzten, die Dauer der Arbeitsunfähigkeit und der Grad des Verschuldens des Schädigers (BGH, Urt. v. 12.05.1998 - VI ZR 182/97, BGHZ 138, 388). Darüber hin-aus sind die speziellen Auswirkungen des Schadensereignisses auf die konkrete Lebenssituation des Betroffenen zu berücksichtigen. Auch die beruflichen Folgen der Verletzung, das Alter und ihre Auswirkungen auf die Freizeitgestaltung des Geschädigten sind Faktoren bei der Bestimmung des Schmerzensgeldes. Verlangt der Kläger für erlittene Körperverletzungen – wie im Streitfall – uneingeschränkt ein Schmerzensgeld, so werden auch alle diejenigen Schadensfolgen erfasst, die entweder bereits eingetreten und objektiv erkennbar waren oder deren Eintritt jedenfalls vorhergesehen und bei der Entscheidung berücksichtigt werden konnte (BGH, Urt. v. 10.07.2018 - VI ZR 259/15, NJW-RR 2018, 1426).

Bei der Schmerzensgeldbemessung verbietet sich eine schematische, zergliedernde Herangehensweise. Einzelne Verletzungen bzw. Verletzungsfolgen dürfen nicht gesondert bewertet und die so ermittelten Beträge addiert werden. Vielmehr hat sich die Schmerzensgeldhöhe in einer wertenden Gesamtschau aller Bemessungskriterien des konkreten, an den von der Rechtsprechung sonst bei der Bemessung des Schmerzensgeldes angewandten Maßstäben zu orientieren (BGH, Urt. v. 18.11.1969 - VI ZR 81/68, VersR 1970, 134). Die Orientierung an in anderen Fällen von der Rechtsprechung zugebilligten Beträgen ist dabei nicht nur zulässig, sondern wenigstens als Ausgangspunkt auch erforderlich, weil sich eine unmittelbare Relation zwischen einer Geldentschädigung und auch im seelischen Bereich liegenden Beeinträchtigungen nicht gewinnen lässt. Inwieweit alsdann der Tatrichter die früheren Maßstäbe einhält oder – sei es unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Entwicklung, sei es im Zuge einer behutsamen Fortentwicklung der Rechtsprechung – über-schreitet, liegt wiederum in seinem pflichtgemäßen Ermessen (vgl. BGH, Urt. v. 18.11.1969 - VI ZR 81/68, VersR 1970, 134; BGH, Urt. v. 19.12.1969 - VI ZR 111/68, VersR 1970, 281; BGH, Urt. v. 08.06.1976 - VI ZR 216/74, VersR 1976, 967; BGH, Beschl. v. 01.10.1985 - VI ZR 195/84, VersR 1986, 59; Brandenburgisches OLG, Urt. v. 03.02.2020 - 12 U 98/19, NJW-RR 2020, 671).

Das Urteil des Landgerichts Wuppertal hat, wie der Zusammenhang seiner Ausführungen erkennen lässt, nicht etwa darauf verzichtet, sich an den von der Rechtsprechung sonst bei der Bemessung des Schmerzensgeldes angewandten Maßstäben zu orientieren; dies wäre bedenklich; denn da immaterielle Schäden in Geld überhaupt nicht unmittelbar messbar sind (BGH, Beschl. v. 06.07.1955 - GSZ 1/55, BGHZ 18, 149, 156), müssen die durch Übereinkunft der Rechtsprechung bisher gewonnenen Maßstäbe in der Regel den Ausgangspunkt für die tatrichterlichen Erwägungen zur Schmerzensgeldbemessung bilden. In Wirklichkeit lassen sich aber die Darlegungen des erstinstanzlichen Urteils nur dahin verstehen, dass es die aus früheren - im Einzelnen nicht bezeichneten - gerichtlichen Erkenntnissen sich ergebenden Beträge als für seine eigene Entscheidung als Grundlage sieht, und im konkreten Fall - nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zu den Auswirkungen des Schlags - eine Anhebung des beantragten Schmerzensgeldbetrags entschieden hat. Darin liegt jedenfalls in dem hier eingehaltenen Rahmen keine Überschreitung des tatrichterlichen Ermessens (vgl. allg. zu gleichgelagerten Konstellationen BGH, Urt. v. 18.11.1969 - VI ZR 81/68, VersR 1970, 134 m.w.N.).

Die allgemeinen Grundsätze zur Bemessung eines Schmerzensgeldanspruches hat das Landgericht Wuppertal im Ergebnis beachtet. Wie sich der Entscheidung entnehmen lässt, hat es bei der Ausübung des tatrichterlichen Ermessens die vom Kläger geschilderten unfallbedingten gesundheitlichen Beeinträchtigungen zugrunde gelegt. Hierzu gehören die Verletzungen und Folgen, wie sie der Kläger in seiner Klage vom 28.06.2019 beschreibt (Bl. 1 ff. der Akte) und sie durch den gerichtlichen Sachverständigen in dessen Gutachten vom 26.08.2021 (Bl. 165 ff. der Akte) bestätigt wurden. Der Sachverständige hat festgestellt, dass die bestehenden Folgeschäden im Sinne des vollständigen Taubheitsgefühls der rechten Unterlippe und kaudal interioren Wangenregion, der Fehlempfindungen der Unterkieferfront- und Unterkieferseitenbezahnung rechts sowie die Missempfindungen im Bereich der linken Unter-lippe ohne die Körperverletzung nicht vorlägen. In der Öffentlichkeit immer wieder unter Speichelfluss zu leiden, dauerhafte Schmerzen sowie die Erforderlichkeit einer weiteren komplizierten Operation sind vom Landgericht Wuppertal zutreffend in die Schmerzensgeldbemessung einbezogen worden. Vor diesem Hintergrund ist das zugesprochene Schmerzensgeld vertretbar. Das Landgericht Wuppertal hat sich mit den wesentlich relevanten Auswirkungen der Verletzung auseinandergesetzt und sich ein Bild vom Geschädigten und Verursacher gemacht.

Soweit das Landgericht Wuppertal in seinem Beschluss vom 13.02.2020 dem Beklagten erstinstanzlich teilweise Prozesskostenhilfe gegen eine etwaige Verurteilung zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von bis zu 5.000 Euro vor dem Hintergrund der damaligen Sachlage zusprach, ist darin kein Widerspruch zu der späteren ausgeurteilten Schmerzensgeldhöhe zu sehen. Im schriftlichen Vorverfahren war der Vortrag des Klägers hinsichtlich seiner Einschränkungen durch die Verletzungen noch nicht durch Nachweise belegt. Es lag lediglich ein Krankenhausbericht über die stationäre Behandlung und eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor, nicht aber weitere Unterlagen über die nachfolgende Behandlung. Ein Bestreiten des Beklagten mit Nichtwissen war in diesem Verfahrensstand zulässig. Zur Orientierung hatte das Landgericht Wuppertal in seinem Nichtabhilfebeschluss vom 20.04.2020 (Bl. 72 der Akte) auf die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 10.03.2020 bereits ausgeführt, dass bei den unstreitigen Verletzungen des Klägers bereits ein Schmerzensgeld i.H.v. 5.000 Euro angemessen sei und sich dabei an den Entscheidungen des Landgerichts München, Urt. v. 27.02.2014 - 14 O 4102/13 (doppelter Kieferbruch, ca. 7.200 €) und Landgericht Arnsberg, Urt. v. 13.03.2001 - 1 O 636/00 (damals 10.000 DM) orientiert. Wie oben ausgeführt, war zu diesem Zeitpunkt die Notwehrlage noch zwischen den Parteien streitig sowie die Folgeschäden, die der Beklagte mit Nichtwissen bestritten hat, soweit sie sich nicht aus den vom Kläger vorgelegten ärztlichen Atteste und Bescheinigungen ergaben. Dass das Landgericht im Urteil später einen höheren Schmerzensgeldbetrag für angemessen erachtet hat, ist dem weiteren Fortgang des Verfahrens und den dort nach einer durchgeführten Beweisaufnahme getroffenen Feststellungen geschuldet.
Zutreffend erkennt der Beklagte, dass sich das Landgericht nicht ausdrücklich mit dem von ihm behaupteten Vorverhalten des Klägers im gesamten Spielverlauf auseinandergesetzt hat. Jedoch war das Landgericht Wuppertal im Ergebnis nicht gehalten, dass für die Haftung dem Grunde nach unerhebliche vom Beklagten behauptete Vor-verhalten des Klägers aufzuklären. Nach den maßgeblichen Feststellungen hat ein solches Verhalten jedenfalls im unmittelbaren Vorfeld des Angriffs durch den Beklagten nicht vorgelegen. Aber selbst wenn es im vorangegangenen Spielverlauf Provokationen gegeben haben sollte, die in keinem unmittelbar zeitlichen Zusammenhang mit dem Schlag des Beklagten gestanden haben, kann dies schmerzensgeldmindernd nicht berücksichtigt werden, weil der Schlag des Beklagten selbst nicht gerechtfertigt war und zu den vorgetragenen Provokationen außer Verhältnis stand. Im Rahmen eines Fußballspiels erfolgte Provokationen, die in keinem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit einer Körperverletzung stehen und die Körperverletzung nicht rechtfertigen, weil sie keinen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff darstellen, führen auch nicht im Rahmen der Berücksichtigung der Gesamtumstände zu einer zu berücksichtigenden Schmerzensgeldminderung.

Zwar kann ein Mitverschulden ein Bewertungsfaktor bei der Bemessung der Schmerzensgeldhöhe sein. Dieser ist allerdings nicht als Quote in Abzug zu bringen, sondern in die Gesamtbewertung einfließen zu lassen (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urt. v. 16.04.2019 - 3 U 8/18, juris, Rn. 36). Bei der Abwägung steht das Maß der beiderseitigen Verursachung, nicht das Verschulden im Vordergrund (Grüneberg, in: Grüneberg, BGB, 82. Aufl. 2023, § 253 Rn. 20, § 254, Rn. 57 ff.). Bei der Untersuchung der Verursachungsbeiträge ist entscheidend, mit welchem Grad von Wahrscheinlichkeit die beiderseitigen Verursachungsbeiträge zur Herbeiführung des schädigenden Erfolgs geeignet waren. Vorliegend liegt keine unmittelbare beiderseitige Verursachung der Verletzungsfolgen vor. Denn die etwaigen Provokationen, die der Beklagte behauptet, waren abgeschlossen, so dass allein sein Faustschlag in das Gesicht des Klägers die Verletzungsfolgen herbeiführte. Unmittelbar adäquat kausal und zurechenbar für die bei ihm eingetretenen Verletzungen war ein etwaiges, abgeschlossenes behauptetes Vorverhalten des Klägers nicht. Vielmehr führte allein der vom freien Willen des Beklagten ausgeführten Schlag und sein eigenes Verhalten zu der Schädigung des Klägers.

Soweit der Beklagte rügt, dass das Landgericht Wuppertal zu der in Bezug genommenen „Vergleichsrechtsprechung“ keine weiteren Ausführungen gemacht habe, führt dies nicht dazu, dass die Begründung der Schmerzensgeldhöhe im Ergebnis fehlerhaft ist. Im Rahmen der Würdigung aller Umstände unter Einhaltung und Orientierung an bestehender Rechtsprechung, auch wenn sie im richterlichen Ermessen im Einzelfall begründet überschritten wird, hat sich das Landgericht an die grundsätzlichen Maßstäbe für die Begründung einer Schmerzensgeldhöhe im Ergebnis vertretbar gehalten.

Aus den vom Landgericht angeführten schmerzensgeldrelevanten Aspekten hat es vertretbar ein Schmerzensgeld von 22.000 € für angemessen erachtet. Diese Ein-schätzung findet Anhaltspunkte in der Rechtsprechung. Die vom Kläger zitierte Entscheidung (OLG München, Urt. v. 23.01.2013, 3 U 4056/12, juris, 10.000 € zugesprochen bei beantragten 20.000 €) weist weniger festgestellte Dauerschäden der dort verletzten Person aus, als beim Kläger festgestellt wurden.

Insbesondere rechtfertigen die über die im vom Kläger zitierten Vergleichsfall hinausgehenden Dauerschäden eine signifikante Erhöhung des dort ausgeurteilten Schmerzensgeldes. Der Sachverständige stellte dauerhafte Anästhesien von zwei Nervenästen des N. mandibularis rechts im Unterkiefer fest, die zu Sabbern in der Öffentlichkeit führen können. Darüber hinaus hat der Sachverständige dauerhafte fehlerhafte Okklusionen als Dauerschaden festgestellt. Nach den Feststellungen des Sachverständigen leidet der Kläger unter dauerhaften Schmerzen, insbesondere beim Kauen und Essen. Durch die Fehlverzahnung komme es zu dauerhaften Dysfunktionen, mit Kiefergelenksknacken rechts, einer beginnenden Sklerosierung links sowie einer schmerzhaften Verspannung der Kau- und Nackenmuskulatur. Allenfalls durch eine Aufbissschiene und gegebenenfalls prothetische Veränderung der Bisslage könne das Fortschreiten der Problematik verlangsamt werden. Darüber hinaus stellte der Sachverständige fest, dass sich der Kläger für die bestmögliche Restitution noch in eine aufwändige zahnärztlich-prothetische und/oder kieferorthopädisch-kieferchirurgische Folgebehandlung begeben müsse. Die Dysfunktionen bedürften regelmäßiger künftiger Behandlungen.

Schließlich könnten bei der nachzuvollziehenden Ermittlung der Schmerzensgeldhöhe durch den Senat die Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes, gegebenenfalls eine Verzögerung der Schadensregulierung durch den Schädiger im Falle eines - jedenfalls nach der durchgeführten Beweisaufnahme - erkennbar begründeten und im Kern eingeräumten Anspruchs im Rahmen einer unerlaubten Handlung berücksichtigt werden (vgl. BGH, Urt. v. 02.12.1966 - VI ZR 88/66, VersR 1967, 256; OLG Saarbrücken, Urt. v. 03.12.2015 – 4 U 157/14, VersR 2017, 698, OLG Hamm, Beschl. v. 22.01.2021 - I-7 U 18/20, RuS 2021, 356; OLG Bremen, Urt. v. 11.07.2011 - 3 U 69/10, NJW-RR 2012, 92; Grunewald, in: Grunewald, BGB, 82. Aufl. 2023, § 253 Rn. 17). Denn bei der Bemessung des Schmerzensgeldanspruches kommt vorliegend der Genugtuungsfunktion – anders als bei einer lediglich fahrlässigen Schadenszufügung – ein besonderer Stellenwert zu (vgl. allg. zu diesem Umstand Grüne-berg, in: Grüneberg, BGB, 82. Aufl. 2023, § 253 Rn. 4). Hiervon ausgehend ist zu-nächst festzustellen, dass der Faustschlag des Beklagten den Kläger jedenfalls so heftig im Gesicht getroffen hat, dass er unstreitig zu Boden gegangen ist. Überdies hat der Kläger durch den Faustschlag einen doppelten Kieferbruch erlitten, der nicht mit konservativen Methoden, sondern nur durch einen operativen Eingriff zu behandeln war. Bei diesem Eingriff sind dem Kläger Platten aus Metall eingesetzt worden, deren Entfernung nicht ohne einen weiteren Eingriff möglich sein wird. Aufgrund der operativen Versorgung des Klägers musste dieser sich in der Vorweihnachtszeit des Jahres 2018 insgesamt eine Woche lang einer stationären Krankenhausbehandlung unterziehen. Hieran schloss sich sodann eine Arbeitsunfähigkeit an, die wiederum zwei Wochen lang dauerte.


Einsender: RA M. Schröder, Velbert

Anmerkung:


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