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Entscheidungen

StGB/Nebengebiete

Bewährung, Führungsaufsicht, Meldeauflage, Bestimmtheit, Spielraum

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17.10.2023 – 2 Ws 310/23

Leitsatz des Gerichts:

Zu den Anforderungen an die Bestimmtheit einer Meldeweisung im Rahmen der Führungsaufsicht.


In pp.

Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft F. gegen den Beschluss des Landgerichts - Strafvollstreckungskammer - F. vom 09. August 2023 wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Verurteilten im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Gründe

I.

Die Strafvollstreckungskammer hat mit Beschluss vom 09.08.2023 festgestellt, dass nach vollständiger Verbüßung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts F. vom 31.08.2021, mit dem der Verurteilte wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden war, mit der Entlassung des Verurteilten aus dem Strafvollzug Führungsaufsicht eintritt. Die Dauer der Führungsaufsicht wurde auf 3 Jahre festgesetzt und der Verurteilte für die Dauer der Führungsaufsicht der Aufsicht und Leitung der für seinen Wohnort zuständigen Bewährungshilfe und der zuständigen Aufsichtsstelle beim Landgericht unterstellt. Die Strafvollstreckungskammer hat zur näheren Ausgestaltung der Führungsaufsicht verschiedene, teils strafbewehrte, Weisungen erteilt, unter anderem unter Ziffer 1 folgende strafbewehrte Weisung:

Der Verurteilte wird angewiesen, sich eine Woche nach Zustellung dieses Beschlusses bei der für seinen Wohnort zuständigen Bewährungshilfe persönlich einzufinden und nach näherer Bestimmung durch diese mindestens einmal, höchstens dreimal monatlich, in deren Sprechstunde künftig Termine wahrzunehmen. Die Bewährungshilfe bestimmt, in welcher Form (persönlich, telefonisch, per E-Post, etc) diese Kontaktaufnahme zu erfolgen hat (§ 68 b Abs. 1 Nr. 7 StGB). Diese Weisung ist strafbewehrt.

Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Freiburg richtet sich ausschließlich gegen diese Weisung unter Ziffer 1, die sie unter Berufung auf eine Entscheidung des OLG Stuttgart (Beschluss vom 09.03.2023 - 4 Ws 57/23 -, juris) und anderer obergerichtlicher Entscheidungen (KG, Beschluss vom 11.12.2019 - 5 Ws 211/19 - 161 AR 274/19 -, BeckRS 2019, 51984; OLG Dresden, Beschluss vom 06.09.2007 - 2 Ws 423/07 -, juris) für zu unbestimmt und deshalb gesetzwidrig hält, weil die Festlegung der Häufigkeit der wahrzunehmenden Termine vom Gericht zu bestimmen sei und nicht dem Bewährungshelfer überlassen werden dürfe.

Die Strafvollstreckungskammer hat der Beschwerde der Staatsanwaltschaft nicht abgeholfen.

II.

Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft ist gemäß §§ 463 Abs. 2, 453 Abs. 2 S. 1 StPO als einfache Beschwerde statthaft und auch sonst zulässig. In der Sache bleibt ihr der Erfolg allerdings versagt.

Bezüglich der nach §§ 68a bis 68d StGB zu treffenden Entscheidungen besteht nur ein eingeschränktes Überprüfungsrecht des Senats. Er darf die angefochtene Entscheidung nur auf ihre Gesetzmäßigkeit hin überprüfen (§§ 463 Abs. 2, 453 Abs. 2 S. 2 StPO) und darf insbesondere nicht sein Ermessen an die Stelle des Ermessens der Strafvollstreckungskammer setzen. Gesetzwidrig sind Anordnungen nur dann, wenn sie im Gesetz nicht vorgesehen, unverhältnismäßig oder unzumutbar sind oder sonst die Grenzen des eingeräumten Ermessens überschreiten. Darüber hinaus ist zu prüfen, ob der verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz eingehalten ist (vgl. OLG Karlsruhe, StV 2010, 643 - 644; OLG München, Beschluss vom 29.07.2014 - 3 Ws 581/14 -, juris; KG, Beschluss vom 13.01.2020 - 2 Ws 202-203/19 -, juris; OLG Dresden, Beschluss vom 15.11.2022 - 2 Ws 325/22 -, juris; OLG Stuttgart, Beschluss vom 09.03.2023, a.a.O.).

Im Zusammenhang mit strafrechtlichen Vorschriften kommt insbesondere dem Bestimmtheitsgebot freiheitsgewährende Funktion zu (vgl. BVerGE 117, 71 <111>, m.w.N.). Danach hat das Gericht und nicht erst der Bewährungshelfer bei der Erteilung strafbewehrter Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht die Vorgaben so bestimmt zu formulieren, dass der Verurteilte der Weisung unmissverständlich entnehmen können muss, mit welchem Verhalten er gegen sie verstößt (vgl. KG, Beschluss vom 11.12.2019, a.a.O.; Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Beschluss vom 06.03.2023 - 1 Ws 31/23 -, juris; OLG Stuttgart, Beschluss vom 09.03.2023, a.a.O.).

Das Bestimmtheitsgebot kann allerdings nicht bedeuten, dass die Weisung bis ins Letzte präzisiert sein muss. Da dem Bewährungshelfer nach § 56d Abs. 3 Satz 2 StGB die Aufgabe zukommt, die Erfüllung der Weisungen zu überwachen, kann es sinnvoll sein, von ihm gewisse Einzelheiten der Mitwirkung des Verurteilten an Kontrollmaßnahmen festlegen zu lassen. Bei der Frage, welche Bestimmtheitsanforderungen im Einzelnen erfüllt sein müssen, ist auch die Intensität der Einwirkungen auf die von der Regelung Betroffenen zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, StV 2012, 481). Danach können gewisse Konkretisierungen der Verhaltensmaßgaben eines Bewährungsbeschlusses dem Bewährungshelfer überlassen werden, soweit eine Konkretisierung unmittelbar durch gerichtlichen Bewährungsbeschluss - beispielsweise im Hinblick auf organisatorische oder durch Interessen des Verurteilten bedingte Flexibilitätserfordernisse - nicht sinnvoll praktikabel ist (BVerfG, a.a.O.).

Der Senat hält im Lichte dieser Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts die vorliegend erteilte Vorstellungsweisung, die innerhalb eines eng bemessenen Zeitraums (monatlich) eine Untergrenze (“mindestens einmal monatlich“) und eine Obergrenze (“maximal dreimal monatlich“) festlegt, für hinreichend bestimmt (so auch: OLG Bamberg, Beschluss vom 15.03.2012 - 1 Ws 138/12 -, BeckRS 2012, 17450; BayObLG, Beschluss vom 23.10.2020 - 203 StRR 414/20 -, BeckRS 2020, 35129; vgl. auch BGH NStZ-RR 2021, 307; a.A. KG, Beschluss vom 11.12.2019, a.a.O.; OLG Stuttgart, Beschluss vom 09.03.2023, a.a.O.; OLG Hamm, Beschluss vom 19.09.2019 - III-1 Ws 495/19 -, juris). Denn der Verurteilte kann der gerichtlichen Weisung unmissverständlich entnehmen, dass er sich mindestens einmal, maximal dreimal im Monat - nach näherer Präzisierung hinsichtlich Anzahl, Zeit und Form durch die Bewährungshilfe - bei dieser vorzustellen hat. Die exakte Festlegung nicht nur einer Ober- und Untergrenze, sondern auch der exakten Frequenz der innerhalb eines vom Gericht festgesetzten Zeitraums wahrzunehmenden Termine, hindert eine flexible, an die jeweilige Lebenssituation des Verurteilten, den aktuellen Betreuungsbedarf und die sonstigen Belange des Verurteilten und des Bewährungshelfers angepasste Handhabung der Vorstellungsweisung. Denn die gerichtliche Weisung, sich zu einem bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb einer vom Gericht vorgegebenen exakten Frequenz bei einem Bewährungshelfer zu melden, kann durch diesen jedenfalls zulasten des Verurteilten nicht abgeändert werden (vgl. BGH, NStZ-RR 2021, 307), weshalb - etwa bei einem phasenweise erhöhten Betreuungsbedarf aufgrund von Umständen in der Person des Verurteilten, die bei Erteilung der gerichtlichen Weisung noch nicht absehbar waren - jeweils die gerichtliche Weisung angepasst werden müsste.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.


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