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Entscheidungen

StGB/Nebengebiete

Bewährungsaussetzung, Abstinenzweisung, Zumutbarkeit

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 18.10.2023 – 12 Qs 65/23

Eigener Leitsatz:

Im Rahmen der Bewährungsaussetzung bei einem drogenabhängigen Verurteilten ist eine Abstinenzweisung regelmäßig unzumutbar, wenn er noch keine Drogentherapie erfolgreich absolviert hat. Der erfolgreiche Aufenthalt in einer therapeutischen Übergangseinrichtung reicht hierfür nicht aus.


In pp.

1. Der Beschluss des Amtsgerichts Fürth vom 14.08.2023 wird in seinen Ziffern 4. c) und e) aufgehoben.
2. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.

Die Verurteilte wurde am 03.09.2020 vom Landgericht Nürnberg-Fürth zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten sowie am 22.04.2021 vom Amtsgericht Nürnberg zu einer weiteren Freiheitsstrafe von 2 Monaten verurteilt. In den - rechtskräftigen - Entscheidungen wurde jeweils festgestellt, dass die abgeurteilten Taten aufgrund Betäubungsmittelabhängigkeit begangen wurden.

Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth stellte die Strafvollstreckung zunächst nach § 35 Abs. 1, 3 BtMG zurück, widerrief diese Entscheidung aber, nachdem die Verurteilte ihre Therapie abgebrochen hatte.

Das Landgericht Würzburg - StVK - setzte mit Beschluss vom 03.03.2022 die Vollstreckung nach Verbüßung von zwei Dritteln der verhängten Freiheitsstrafen nicht zur Bewährung aus. Allerdings stellte die Staatsanwaltschaft die weitere Vollstreckung für eine Therapie am 10.03.2022 erneut nach § 35 Abs. 1, 3 BtMG zurück. Diese Therapie brach die Verurteilte ab.

Die Staatsanwaltschaft änderte ihre Zurückstellungsentscheidung am 05.09.2022 dahingehend ab, dass der Verurteilte gestattet wurde, eine Therapie nunmehr in der Übergangseinrichtung …-Haus durchzuführen. Dabei handelt es sich um eine nach §§ 35 f. BtMG anerkannte Einrichtung, die einerseits Suchtmittelabhängige stationär unterstützt und in ihrer Lebenssituation stabilisiert. Allerdings führt die Einrichtung keine Drogentherapien durch, sondern der Aufenthalt dort ist einer solchen oftmals vorgeschaltet.

Die Verurteilte befand sich - nach einem Entzug - seit 31.08.2022 in der Übergangseinrichtung, lebte dort suchtmittelfrei und wurde am 30.03.2023 in eine betreute Wohneinrichtung verlegt. Im psychologischen Bericht des …-Hauses vom 12.06.2023 wurde ihr ein schädlicher Gebrauch von Alkohol und mehrere Abhängigkeiten mit gegenwärtiger Abstinenz (Opioide, Cannabis, Kokain, Tabak, Polytoxikomanie) bescheinigt.

Mit Beschluss vom 14.08.2023 hat das Amtsgericht Fürth die weitere Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafen nach § 36 Abs. 1 Satz 3 BtMG zur Bewährung ausgesetzt und u.a. folgende Weisungen erteilt:

„Die Verurteilte wird angewiesen, (...)
c) keine Betäubungsmittel im Sinne des BtMG oder NPSG zu konsumieren; (...)
e) sich ... mindestens einmal und höchstens dreimal im Quartal ... Suchtmittelkontrollen, ... zum Nachweis seiner Abstinenz zu unterziehen.“

Gegen beide Weisungen legte der Verteidiger der Verurteilten sofortige Beschwerde ein. Zur Begründung führte er aus, dass die Verurteilte suchtkrank sei.

Der Beschwerde hat das Amtsgericht Fürth nicht abgeholfen, die Staatsanwaltschaft beantragt deren kostenpflichtige Verwerfung.

II.

1. Die Beschwerde ist statthaft (§ 305a Abs. 1 StPO, vgl. Kornprobst in MüKoStGB, 4. Aufl., § 35 BtMG Rn. 97) und auch sonst zulässig.

2. Sie ist auch begründet, da die angegriffenen Anordnungen gesetzeswidrig waren (§ 305a Abs. 1 Satz 2 StPO).

a) Gerichtliche Weisungen für die Bewährungszeit dürfen an die Lebensführung des Verurteilten keine unzumutbaren Anforderungen stellen (§ 56c Abs. 1 Satz 2 StGB). Dabei ist es grundsätzlich zulässig, den Verurteilten zur Drogenabstinenz und Abgabe von Abstinenznachweisen anzuweisen, sofern ihm dadurch spezialpräventiv zur Vermeidung künftiger Straftaten geholfen werden soll (BVerfG, Beschluss vom 21.04.1993 - 2 BvR 930/92, juris Rn. 8). Der Verurteilte muss seinen Konsum zu diesem Zweck aber grundsätzlich steuern können (Groß/Kett-Straub in MüKoStGB, 4. Aufl., § 56c Rn. 11). Das ist nicht anzunehmen, wenn bei bestehender Suchtmittelerkrankung noch keine erfolgreiche Therapie stattgefunden hat (LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 12.07.2017 - 16 Qs 15/17, BeckRS 2017, 118714 Rn. 14).

b) Unter Anwendung dieser Grundsätze sind die angegriffenen Abstinenzweisungen für die Verurteilte - derzeit - unzumutbar.

Ausweislich der Feststellungen des landgerichtlichen Urteils vom 03.09.2020 ist die Verurteilte seit ihrem zwölften Lebensjahr drogenabhängig. Eine Langzeittherapie hat sie im Jahr 2015 abgebrochen. Trotz Teilnahme an einem Substitutionsprogramm seit dem Jahr 2019 nahm sie weiterhin Heroin ein. Nach Aktenlage ist auch nach beiden eingangs genannten Verurteilungen keine erfolgreiche Behandlung der Abhängigkeitserkrankung erfolgt. Die Verurteilte wurde aus der Fachklinik … und aus der Fachklinik … auf ärztliche Veranlassung bzw. aus disziplinarischen Gründen vorzeitig entlassen. Der für sich genommen erfolgreiche Aufenthalt im …-Haus stellte demgegenüber keine „echte“ Suchtmitteltherapie dar. Zwar lebte die Verurteilte dort drogenfrei und erhielt eine Rückfallprophylaxe. Jedoch handelt es sich bei dem Haus lediglich um eine therapeutische Übergangseinrichtung. Ausweislich der bei der Akte befindlichen Selbstbeschreibung handelt es sich bei der Übergangseinrichtung um ein Angebot der Eingliederungshilfe, die suchtmittelabhängigen Menschen Unterstützung anbietet, die eine schnelle Stabilisierung ihrer Lebenssituation anstreben. Sie bietet Menschen mit einer Abhängigkeitserkrankung eine drei bis sechsmonatige Aufnahme an, sofern die Indikation vorliegt und Drogenfreiheit vor Aufnahme gewährleistet ist. Angeboten werden dort ein Beschäftigungsprogramm, Freizeitgestaltung und psychosoziale Betreuung (Einzel- und Gruppengespräche sowie unterschiedliche Beratungsangebote). Alles in allem handelt es sich um ein niederschwelliges Angebot zwischen oder nach einzelnen Behandlungsphasen einer Drogentherapie (vgl. allgemein zu solchen Einrichtungen Bohnen in BeckOK BtMG, 19. Ed. 15.06.2023, § 35 Rn. 14, 21). Dementsprechend besteht der Zweck der Übergangseinrichtung vornehmlich (und lediglich) darin, den Suchtkranken zu stabilisieren, nicht aber darin, ihn im technischen Sinne zu therapieren.

Hiervon ausgehend sieht die Kammer keine hinreichend tragfähige Grundlage dafür, dass die Verurteilte ihren Drogenkonsum momentan ausreichend steuern kann. Demgemäß waren die angegriffenen Weisungen aufzuheben.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 StPO analog.


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Anmerkung:


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