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Entscheidungen

Sonstiges

Handyverstoß, Busfahrer, lebenslange Sperre, Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.08.2023 - 6 U 1/23 (Kart)

Eigener Leitsatz:

Zum Missbrauch einer markbeherrschenden Stellung durch eine Busunternehmen durch Verhängung einer „lebenslangen Sperre“ gegen einen Busfahrer, der während eines Busfahrt ein elektronisches Handy benutzt hat.


In pp.

1. Auf die Berufung des Klägers wird das am 27.10.2022 verkündete Urteil des Landgerichts Köln (33 O 209/22) teilweise abgeändert und dahingehend neu gefasst, dass die Beklagte verurteilt wird, gegenüber der C. mitzuteilen, dass die unter dem 7.7.2021 ausgesprochene Sperre des Klägers für den Einsatz auf REVG-Linien aufgehoben ist. Die Anschlussberufung wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt die Beklagte.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

A.

Der Kläger, der von Beruf Busfahrer ist und in Bergheim im Rhein-Erft-Kreis lebt, macht gegen die Beklagte einen Anspruch auf Aufhebung einer Fahrersperre geltend.

Die Beklagte ist eine 100%ige Tochtergesellschaft des Rhein-Erft-Kreises. Sie hat den Auftrag, für den Rhein-Erft-Kreis den öffentlichen Personen- und Nahverkehr im Kreisgebiet (im Folgenden: ÖPNV) zu organisieren und durchzuführen. Einen Großteil dieser Verkehre erbringt die Beklagte selbst. Für einen kleineren Teil bedient sie sich einer privaten Busgesellschaft, der C GmbH (im Folgenden: C.), die ein Tochterunternehmen der A. ist.

Der Verkehrsvertrag der Beklagten mit der C. vom 7.9.2018 beinhaltet u.a. sicherzustellen, dass das Personal sämtliche Vorschriften der StVO, die Verhaltensregeln der Beklagten und die Qualitätsanforderungen in dem Lastenheft, das Bestandteil des Vertrages ist, einhält. Erfüllt die C. diese Verpflichtungen nicht, ist die Beklagte zur außerordentlichen Kündigung des Vertrages berechtigt. Die C. ist nach dem Vertragswerk weisungsgebunden. Sie ist berechtigt, Subunternehmer einzusetzen. Nach § 6 Abs. 4 des Verkehrsvertrages hat sie in diesem Fall dafür Sorge zu tragen, dass Weisungen, die ihr durch die Beklagte erteilt werden, auch gegenüber Subunternehmen umgesetzt werden. Diese Regelungen hat die C. ihrem Personal sowie ihren Subunternehmern bekannt zu geben, die wiederum verpflichtet sind, ihr Personal entsprechend zu unterrichten. Wegen der Einzelheiten wird auf den Verkehrsvertrag, die damit verbundene Leistungsbeschreibung und das Lastenheft verwiesen.

Der Kläger wurde in der Vergangenheit von seinen jeweiligen Arbeitgebern auf den Verkehrslinien der Beklagten eingesetzt. Zuletzt war er bei der Omnibusbetrieb M. angestellt, die wiederum von der C. im Rahmen eines Subunternehmerauftrages mit der Erbringung von Verkehrsdienstleistungen im ÖPNV auf den Linien der Beklagten beauftragt worden war.

Am 22.6.2021 bediente der Kläger während einer laufenden Fahrt eines von ihm geführten und mit Fahrgästen besetzten Busses über einen längeren Zeitraum sein Mobiltelefon. Ein Fahrgast filmte diesen Vorgang und reichte bei der Beklagten Beschwerde ein. Die Beklagte leitete eine Untersuchung ein und forderte die M. zu einer Stellungnahme auf. In diesem Zusammenhang bestritt der Kläger zunächst sein Fehlverhalten. Auch aus diesem Grund teilte die Beklagte mit Schreiben vom 7.7.2021 der C. folgende unbefristete Fahrersperre mit:

"[...] auf Grund der Ihnen bekannten Beschwerde ID 8327 (unsichere Fahrweise wegen Handynutzung) vom 22.6.2021, Linie 990 Fahrtnummer 38, wird der Fahrer X. mit sofortiger Wirkung für den Einsatz auf REVG-Linien gesperrt [...]".

Mit Schreiben vom 7.7.2021 kündigte die M. das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis im Hinblick auf die von der C. ausgesprochene Sperrung außerordentlich, hilfsweise ordentlich. Unter dem 23.7.2021 teilte sie dem Kläger mit, dass sie an der außerordentlichen Kündigung nicht festhalte, das Arbeitsverhältnis jedoch zum 30.9.2021 ordentlich kündige. Gegen die Kündigungen erhob der Kläger Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Köln. In dem Gütetermin am 23.8.2021 trafen der Kläger und die M. eine gütliche Einigung, die die M. mit Schreiben vom 6.9.2021 widerrief. In einem weiteren Termin vor dem Arbeitsgericht am 8.11.2021 einigten sich der Kläger und die M. über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und die Zahlung einer Abfindung in Höhe von 3.500 € brutto.

Mit Schreiben vom 26.8.2021, 9.9.2021 und 10.9.2021, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird (Anlagen K 6, K 8 und K 10), bemühte sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers vergeblich darum, bei der Beklagten eine Aufhebung der Fahrersperre zu erwirken.

Bewerbungen des Klägers bei anderen Busunternehmen wurden abgelehnt: Die S-Reisen und die T-Reisen teilten dem Kläger jeweils im Februar 2022 mit, dass sie derzeit keine Busfahrer einstellten. Die Bewerbung des Klägers bei der U-GmbH im März 2022 scheiterte daran, dass der Kläger von der Beklagten gesperrt ist. Eine Bewerbung des Klägers bei der V-GmbH & Co. KG blieb aus demselben Grund ohne Erfolg. Am 12.7.2022 erteilte der W-e.K., die auch für die Beklagte tätig ist, dem Kläger eine Absage. Ebenfalls am 12.7.2022 erhielt der Kläger eine Absage von den N-Verkehrsbetrieben, am 14.7.2022 eine solche der E-Bahn.

Der Kläger hat behauptet, ihm werde durch die Sperrung die Berufsausübung im Einflussbereich der Beklagten und darüberhinausgehend im gesamten Bereich der C. unmöglich gemacht. Die Beklagte habe für den öffentlichen Linienverkehr im Rhein-Erft-Kreis eine Monopolstellung bzw. marktbeherrschende Stellung inne. Die von der Beklagten ausgesprochene Sperrung habe nicht nur Auswirkungen auf das eigene Kreisgebiet der Beklagten, sondern auf den gesamten Bereich, in dem die C. mit ihren Schwestergesellschaften tätig sei. Außerdem betreibe auch die Beklagte Verkehre, die über das Einzugsgebiet des Rhein-Erft-Kreises hinaus in die benachbarten Kreise führten. Wie sich aus der Adresse und aus dem Sitz seines vorherigen Arbeitgebers ergebe, beträfen die Ausschreibungen der Beklagten nicht nur die im Rhein-Erft-Kreis ansässigen Busgesellschaften, sondern auch Busfirmen, welche außerhalb des Rhein-Erft-Kreises ihren Sitz hätten. Eine ausschließliche Beschäftigung eines Busfahrers in einem privaten Busunternehmen im Fernreiseverkehr sei nicht möglich, weil die Unternehmen alle angestellten Busfahrer auch im Linienverkehr einsetzten. Durch die Sperre habe die Beklage somit gegenüber allen in Betracht kommenden Busunternehmen ein Beschäftigungsverbot in Bezug auf ihn, den Kläger, ausgesprochen. Dies habe zur Folge, dass die Vorgehensweise der Beklagten einem Berufsausübungsverbot gleichkomme. Durch die Fahrersperre sei die M. gezwungen gewesen, das Arbeitsverhältnis mit ihm zu lösen. Er finde weder im Rhein-Erft-Kreis noch darüber hinaus in einem akzeptablen räumlichen Bereich eine Stelle als Busfahrer. Die Bewerbungen, die er nach der Kündigung verschickt habe, seien sämtlich an der Sperre der Beklagten gescheitert.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass sein Verhalten eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht gerechtfertigt hätte, er wäre lediglich abzumahnen gewesen.

Er hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, gegenüber der C. mitzuteilen, dass seine unter dem 7.7.2021 ausgesprochene Sperrung für den Einsatz auf REVG-Linien aufgehoben wird.

Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, der Kläger sei nicht aktivlegitimiert, weil die Fahrersperre nicht ihm gegenüber ausgesprochen worden sei. Es bestehe auch kein Anspruch auf Aufhebung der Sperre. Insbesondere sei diese unter Abwägung der Gesamtumstände verhältnismäßig. Das Verhalten des Klägers sei angesichts des hohen Gefährdungspotentials geeignet, eine arbeitgeberseitige außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Durch die Nutzung des Mobiltelefons habe der Kläger in erheblichem Maße gegen § 23 Abs. 1a StVO, § 7 BOKraft sowie gegen ihre Dienstanweisungen für den Fahrdienst mit Bussen und gegen die Qualitätsanforderungen nach § 4 Abs. 1 des Verkehrsvertrages iVm Ziffer 7 der Leistungsbeschreibung iVm P3 und P10 des Lastenheftes und damit gegen die dem Kläger als Busfahrer obliegenden Kardinalspflichten verstoßen. Das Erfordernis einer dauerhaften Sperre ergebe sich daraus, dass der Kläger sich nach Bekanntwerden des Verstoßes uneinsichtig gezeigt habe und deshalb in Zukunft mit weiteren gleichgelagerten Verstößen zu rechnen sei.

Sie hat behauptet, durch den Vorfall sei es nicht nur abstrakt, sondern auch konkret zu einer erheblichen Gefährdung der Fahrgäste gekommen. Außerdem habe es zwischen 2020 und 2021 anderweitige Verstöße des Klägers gegen ihre Qualitätsanforderungen gegeben. So habe der Kläger im Bus geraucht, sich verfahren und auch Schulkinder nicht mitgenommen. Der Kläger sei durch ihre Sperre nicht gehindert, weiter seinen Beruf als Busfahrer auszuüben. Die Sperre gelte nach ihrem Geltungsbereich nur für ihr eigenes Liniennetz, d.h. für Fahrten, die in ihrem Auftrag erbracht würden. Es stünde dem Kläger frei, an jedem anderen Ort im Bundesgebiet und bei jedem anderen Unternehmen als Busfahrer beschäftigt zu werden. Die Fahrersperre habe keinen Einfluss auf den Einsatz auf Liniennetzwerken anderer Verkehrsunternehmen. Auch werde ein Einsatz im Gelegenheitsverkehr, also bei privaten Busreisen wie etwa im Bereich der Fernreisen, ebenso wenig verhindert wie ein solcher im sog. freigestellten Verkehr, also im Schülerverkehr. Sie selbst habe keine marktbeherrschende Stellung inne, weil sie als lokales Verkehrsunternehmen nur einen Großteil des Verkehrs im Rhein-Erft-Kreis betreibe. Über dieses Einzugsgebiet hinaus betreibe sie keine Verkehre. Es sei dem Kläger zumutbar, zu pendeln oder den Wohnort zu wechseln; er sei beispielsweise nicht gehindert, in den an Bergheim angrenzenden Städten Düsseldorf und Köln zu arbeiten.

Mit Urteil vom 27.10.2022 hat das Landgericht die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, gegenüber der C. mitzuteilen, dass die unter dem 7.7.2021 ausgesprochene Sperrung des Klägers für den Einsatz auf REVG-Linien bis zum 7.7.2026 befristet ist und für den Zeitraum ab dem 8.7.2026 aufgehoben wird. Dieser Anspruch ergebe sich aus § 33 Abs. 1 iVm § 18 Abs. 1 GWB. Die Beklagte habe hinsichtlich des ÖPNVs im Rhein-Erft-Kreis eine marktbeherrschende Stellung inne und sei insoweit auf dem maßgeblichen Markt Monopolistin. Dies habe sie zugestanden, wohingegen ihr Vorbringen im Schriftsatz vom 13.10.2022 unerheblich sei. Aufgrund des unstreitigen Fehlverhaltens des Klägers am 22.6.2021, mit dem dieser u.a. gegen § 23 Abs. 1a StVO und § 7 BOKraft verstoßen habe, habe eine sachliche Rechtfertigung für den Ausspruch der Sperre bestanden.

Allerdings sei der Ausspruch einer unbefristeten Sperre als Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung der Beklagten anzusehen. Der Kläger sei unbillig behindert worden, die Beklagte habe bei der Bemessung der Dauer der Sperre die Interessen des Klägers nicht hinreichend berücksichtigt. Gegen den Ausspruch einer zeitlich unbegrenzten Sperre spreche das Interesse des Klägers, langfristig auch in dem Gebiet, in dem er wohne, beruflich tätig zu werden. Durch die Fahrersperre seien seine Einsatzmöglichkeiten im Rhein-Erft-Kreis erheblich eingeschränkt und seine Chancen verringert worden, sich erfolgreich bei Busunternehmen in diesem Bereich zu bewerben. Viele Busunternehmen seien im öffentlichen Linienverkehr tätig und führten daneben private Busreisen durch. Dem Kläger sei es nur vorübergehend zumutbar, auch außerhalb der REVG-Linien seinen Beruf auszuüben.

Dass die Tätigkeit außerhalb des Einzugsgebiets der Beklagten aufgrund der ausgesprochenen Sperre für ihn unmöglich sei, habe der Kläger hingegen nicht hinreichend dargetan. Dass seine Bewerbungen als Busfahrer außerhalb des Rhein-Erft-Kreises aufgrund der Fahrersperre zurückgewiesen worden seien, habe er ebenfalls nicht hinreichend dargetan. Unter Berücksichtigung aller Umstände halte die Kammer eine Befristung der Sperre von fünf Jahren für angemessen.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung. Die Beklagte hat gegen das Urteil unselbständige Anschlussberufung eingelegt.

Der Kläger wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen. Er ist zudem der Ansicht, die Wirkung der Fahrersperre sei wesentlich weiter als vom Landgericht angenommen und reiche über den Einflussbereich der Beklagten im Kreisgebiet des Rhein-Erft-Kreises hinaus. Er behauptet, ihre Ausschreibungen richte die Beklagte auch an Busunternehmen, die nicht nur im Rhein-Erft-Kreis ansässig seien. So habe die C. ihren Sitz in Düsseldorf. In dem Moment, in dem diese potenziellen Arbeitgeber Linien auch im Kreisgebiet der Beklagten bedienten, scheide er, der Kläger, als Fahrer aus, weil er nur eingeschränkt einsetzbar sei und etwa als Urlaubs- und Krankheitsvertretung für einen Kollegen, der mit einer Buslinie das Gebiet der Beklagten befahre, nicht in Betracht käme. Auch führten Buslinien aus den benachbarten Kreisen in das Einzugsgebiet der Beklagten. Busunternehmer, die in den Nachbarkreisen den Nahverkehr versorgten, versorgten auch das Gebiet der Beklagten. Vor dem Hintergrund der Sperre sei es ihm nicht gestattet, überhaupt in das Gebiet der Beklagten hinein tätig zu sein. An das Busnetz der Beklagten seien u.a. der Kreis Euskirchen, die Stadt Köln, der Kreis Bonn/Rhein-Sieg Kreis und die Aachener Verkehrsbetriebe angeschlossen. Der Kläger meint, das Urteil berücksichtige seine Interessen nicht hinreichend. Bei Nutzung eines Mobiltelefons drohe einem normalen Pkw-Fahrer ein Fahrverbot zwischen einem Monat und drei Monaten. Selbst bei schwerwiegenden Wiederholungstätern könne der Entzug der Fahrerlaubnis nicht länger als 12 Monate dauern, weshalb die Dauer der Sperre von fünf Jahren unverhältnismäßig sei.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landgerichts Köln vom 27.10.2022 (33 O 209/22) teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, gegenüber der C. mitzuteilen, dass die unter dem 7.7.2021 ausgesprochene Sperre des Klägers für den Einsatz auf REVG-Linien aufgehoben werde.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Im Wege der Anschlussberufung beantragt sie,
das Urteil des Landgerichts im Umfang ihrer Beschwer teilweise abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Anschlussberufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte meint, das Landgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass sie eine marktbeherrschende Stellung innehabe; es sei falsch, nur auf den Markt der Verkehrserbringung im Rhein-Erft-Kreis abzustellen. Es sei zwar zutreffend, dass sie dort einen Großteil der Verkehre erbringe; sie halte die Genehmigungen für 47 Buslinien. Es sei jedoch auf einen - räumlich und sachlich wesentlich weiteren - bundesweiten Markt abzustellen. Außerdem stellten auch andere Verkehrsgesellschaften im Rhein-Erft-Kreis Busfahrer ein. So bedienten die ... Linien im Rhein-Erft-Kreis. Unzutreffend sei der Vortrag des Klägers, dass die Fahrersperre zu seiner Kündigung geführt habe. Das Vorliegen einer ordentlichen Kündigung schließe aus, dass diese aufgrund der Fahrersperre erfolgt sei; eine Fahrersperre rechtfertige allein eine außerordentliche Kündigung. Die Interessenabwägung des Landgerichts sei nicht zu beanstanden, keinesfalls komme eine kürzere Sperre als eine solche für fünf Jahre in Betracht.

B.

Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Die unselbständige Anschlussberufung der Beklagten ist gemäß § 524 ZPO zulässig, aber unbegründet.

I.

Die Klage ist begründet. Der Kläger hat gemäß § 33 Abs. 1 GWB iVm § 19 Abs. 1 GWB einen Anspruch gegen die Beklagte, dass diese gegenüber der C. mitteilt, dass die unter dem 7.7.2021 ausgesprochene Sperre des Klägers für den Einsatz auf REVG-Linien aufgehoben ist. Die von der Beklagten gegenüber der C. ausgesprochene lebenslange Fahrersperre stellt einen Missbrauch im Sinne des § 19 Abs. 1 GWB dar. § 33 Abs. 1 GWB verpflichtet die Beklagte, diese Beeinträchtigung zu beseitigen.

1. Der Kläger ist aktivlegitimiert. Berechtigter eines Anspruchs gemäß § 33 Abs. 1 GWB ist der "Betroffene". Betroffener ist nach § 33 Abs. 3 GWB, wer als Mitbewerber oder sonstiger Marktteilnehmer durch den Wettbewerbsverstoß beeinträchtigt ist. Dies erfordert eine Beeinträchtigung in wirtschaftlichen Interessen. Hierfür genügt es, wenn ein Marktteilnehmer durch die Rechtsverletzung in seiner Wettbewerbsposition benachteiligt wird und sich damit seine Aussichten, am Markt Erträge zu erzielen, verschlechtert haben. Eine Beeinträchtigung liegt vor, wenn aufgrund des kartellrechtswidrigen Verhaltens ein Schaden entstanden ist oder wenn der Eintritt eines Schadens zumindest vorstellbar ist (vgl. Immenga/Mestmäcker/Franck, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2020, GWB § 33 Rn. 15). Gemessen daran ist es unerheblich, dass sich die Fahrersperre nicht unmittelbar an den Kläger selbst, sondern an die C. als potentielle Arbeitgeberin des Klägers richtet. Entscheidend ist, dass der Kläger durch die Sperre vom "Arbeitsmarkt für Busfahrer im ÖPNV im Rhein-Erft-Kreis" ausgeschlossen wird und er dort - auch nicht für Subunternehmer der C. - nicht mehr als Busfahrer tätig sein kann. Hierin liegt eine erhebliche Beeinträchtigung seiner wirtschaftlichen Interessen.

2. Die Beklagte hat gegen § 19 Abs. 1 GWB verstoßen. Sie hat durch den Ausspruch einer lebenslangen Fahrersperre ihre marktbeherrschende Stellung gegenüber dem Kläger missbraucht.

a) Die Beklagte ist ein Unternehmen im Sinne von § 19 Abs. 1 GWB. Hierfür gilt - wie für das gesamte GWB - der funktionale Unternehmensbegriff. Die Unternehmenseigenschaft wird durch jede selbständige Tätigkeit im geschäftlichen Verkehr begründet, die auf den Austausch von Waren oder gewerblichen Leistungen gerichtet ist und sich nicht auf die Deckung des privaten Lebensbedarfs beschränkt (vgl. BGH, Beschluss vom 16.1.2008, KVR 26/07, BGHZ 175, 333 Rn. 21; BGH, Urteil vom 6.11.2013, KZR 58/11, NZKart 2014, 31 Rn. 43). Der Sinn und Zweck des GWB, die Freiheit des Wettbewerbs sicherzustellen, verbietet eine enge Betrachtungsweise. So reicht eine öffentlichrechtliche Organisationsform des am geschäftlichen Verkehr Teilnehmenden nicht aus, um ihn aus dem Geltungsbereich des Gesetzes zu entlassen. Auf eine Gewinnerzielungsabsicht kommt es nicht an. Nur auf rein hoheitliches Handeln ist die Norm nicht anwendbar (vgl. BGH, Urteil vom 6.11.2013, KZR 58/11, NZKart 2014, 31 Rn. 43).

Die Beklagte, die als juristische Person des Privatrechts organisiert ist, nimmt zwar auch öffentliche Aufgaben wahr, ist aber im geschäftlichen Verkehr mit Gewinnerzielungsabsicht tätig und steht mit anderen Unternehmen, die neben ihr Buslinien im Rhein-Erft-Kreis befahren, im - wenn auch geringfügigen - Wettbewerb. So führt sie in der Berufungserwiderung aus, dass in dem Liniennetz des Rhein-Erft-Kreises auch die ... Linien bedienen. Unerheblich ist es daher, dass es sich bei ihr um einen öffentlichrechtlichen Eigenbetrieb handelt.

Der Kläger fällt als Privatperson / Endverbraucher in den Schutzbereich der Generalklausel (vgl. BGH, Urteil vom 7.12.2010, KZR 5/10, NJW-RR 2011, 774; Bechtold/Bosch, GWB, 10. Aufl. 2021, § 19 Rn. 5).

b) Die Beklagte ist auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt "Arbeitsmarkt für Busfahrer im ÖPNV im Rhein-Erft-Kreis" marktbeherrschend, weil sie dort gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 3 GWB eine im Verhältnis zu ihren Wettbewerbern überragende Marktstellung innehat.

aa) Der sachlich und räumlich relevante Markt ist der Arbeitsmarkt für Busfahrer im ÖPNV im Rhein-Erft-Kreis.

Für die Frage, ob die Beklagte eine marktbeherrschende Stellung innehat, ist eine Abgrenzung der relevanten Märkte vorzunehmen. Die Marktabgrenzung dient dem Ziel, die Wettbewerbskräfte zu ermitteln, denen die beteiligten Unternehmen in dem für die kartellrechtliche Beurteilung maßgeblichen Zeitraum ausgesetzt sind (vgl. BGH, Urteil vom 24.1.2017, KZR 47/14, NZKart 2017, 242 Rn. 25). Sie ist sowohl in sachlicher als auch in geographischer Hinsicht vorzunehmen und hat aus der Sicht der Marktgegenseite zu erfolgen (vgl. Bechtold/Bosch, GWB, 10. Aufl. 2021, § 18 Rn. 6; MüKoWettbR/Wolf, GWB, 4. Aufl. 2022, § 18 Rn. 6).

(a) Für die Bestimmung des sachlichen Marktes muss aus Sicht der Marktgegenseite entschieden werden, ob bestimmte Waren oder gewerbliche Leistungen unter sich austauschbar sind. Für Angebotsmärkte gilt das sog. Bedarfsmarktkonzept bzw. das Konzept der funktionellen Austauschbarkeit aus der Sicht der Abnehmer. Danach sind einem Markt alle Produkte zuzurechnen, die aus der Sicht der Nachfrager nach Eigenschaft, Verwendungszweck und Preislage zur Deckung eines bestimmten Bedarfs austauschbar sind (vgl. BGH, Beschluss vom 5.10.2004, KVR 14/03, GRUR 2004, 1045, 1046; Bechtold/Bosch, GWB, 10. Aufl. 2021, § 18 Rn. 8; MüKoWettbR/Wolf, GWB, 4. Aufl. 2022, § 18 Rn. 6).

Gemessen daran ist aus der Sicht des Klägers als Abnehmer einer Arbeitsstelle als Busfahrer zu entscheiden, ob die in Betracht kommenden Stellenangebote für Busfahrer nach ihren Eigenschaften austauschbar sind. Das ist hinsichtlich der von der Beklagten ins Feld geführten anderweitigen Möglichkeiten außerhalb des ÖPNV nicht der Fall. So ist ein Einsatz als Busfahrer im sog. Gelegenheitsverkehr, also bei privaten Busreisen wie etwa im Bereich der Fernreisen, nicht mit einem Einsatz im ÖPNV vergleichbar. Hier liegen nicht vergleichbare Arbeitsbedingungen vor. Während ein Einsatz im ÖPNV örtlich und zeitlich begrenzt ist, muss ein Busfahrer im Bereich von Fernreisen oftmals über mehrere Tage und Nächte vom eigenen Wohnort entfernt tätig sein. Auch ein nur beschränkt möglicher Einsatz als reiner Schulbusfahrer ist hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und -zeiten ebenfalls nicht vergleichbar. Dementsprechend ist der Stellenmarkt im ÖPNV als sachlich eigener Markt zu bewerten.

(b) In räumlicher Hinsicht ist der Markt auf den Rhein-Erft-Kreis beschränkt. Eine marktbeherrschende Stellung kann jeweils nur in einem bestimmten Gebiet bestehen. Die räumliche Abgrenzung des Marktes erfolgt grundsätzlich nach den gleichen Kriterien wie beim sachlich relevanten Markt. Maßgebend für den räumlich relevanten Markt ist die funktionelle Austauschbarkeit aus der Sicht der Nachfrager; es sind die tatsächlichen Verbrauchergewohnheiten zu berücksichtigen bzw. es ist auf den verständigen, durchschnittlichen Verbraucher abzustellen. Die Austauschbarkeit wiederum richtet sich auch nach der Gleichheit der Wettbewerbsbedingungen in einem bestimmten Gebiet (vgl. Wiedemann, Kartellrecht, 4. Aufl. 2020, § 23 Rn. 18; Bechtold/Bosch, GWB, 10. Aufl. 2021, § 18 Rn. 25).

Der Kläger hat seinen Wohnort im Rhein-Erft-Kreis. Bis zum Ausspruch der Fahrersperre hat er stets dort als Busfahrer gearbeitet und dementsprechend nur dort Arbeitsstellen nachgefragt. Das hat seinen Grund auch darin, dass er die Arbeitsplätze in dieser Region - anders als in anderen Regionen - von seinem Wohnsitz aus gut erreichen kann und gerade nicht auf zeit- und kostenintensives Pendeln angewiesen ist. Andere Landkreise - auch benachbarte Landkreise - sind für ihn deshalb nicht gleichwertig zu erreichen und auch nicht austauschbar in dem o.g. Sinne. Für ihn ist der räumlich relevante Markt nur der Rhein-Erft-Kreis. Auf die von der Beklagten aufgeworfene Frage, ob dem Kläger ein Umzug zumutbar wäre, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Das ist kein für die Bestimmung des relevanten Marktes maßgebliches Kriterium.

bb) Die Beklagte hat auf diesem Markt eine beherrschende Stellung.

Bei der Bewertung der Marktstellung eines Unternehmens sind gemäß § 18 Abs. 3 GWB u.a. sein Marktanteil (Nr. 1), seine Finanzkraft (Nr. 2), rechtliche oder tatsächliche Schranken für den Marktzutritt anderer Unternehmen (Nr. 6), der tatsächliche oder potenzielle Wettbewerb durch Unternehmen, die innerhalb oder außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ansässig sind (Nr. 7) sowie die Möglichkeit der Marktgegenseite, auf andere Unternehmen auszuweichen (Nr. 8) zu berücksichtigen. Nach § 18 Abs. 4 GWB wird vermutet, dass ein Unternehmen marktbeherrschend ist, wenn es einen Marktanteil von mindestens 40 % innehat.

Nach diesen Maßstäben ergibt sich, dass die Beklagte auf dem Markt "Arbeitsmarkt für Busfahrer im ÖPNV im Rhein-Erft-Kreis" beherrschend ist. Sie hat unstreitig innerhalb des Rhein-Erft-Kreises die Aufgabe, den ÖPNV zu organisieren und durchzuführen. In der Klageerwiderung trägt sie hierzu folgerichtig vor, sie betreibe "als lokales Verkehrsunternehmen einen Großteil der Verkehre innerhalb des Rhein-Erft-Kreises" (vgl. Rn. 32 der Klageerwiderung). Diesen Vortrag wiederholt sie in der Berufungsbegründung (vgl. Rn. 2 der Berufungsbegründung). Ferner trägt sie in der Klageerwiderung vor, einen Großteil der Verkehre erbringe sie selbst, einen Teil habe sie auf die C. übertragen (vgl. Rn. 2 der Klageerwiderung). In diesem Vorbringen, über das die Beklagte vor dem Landgericht in der mündlichen Verhandlung am 22.9.2022 verhandelt hat, liegt das gerichtliche Geständnis nach § 288 Abs. 1 ZPO für die Tatsachen, die den rechtlichen Rückschluss auf eine marktbeherrschende Stellung der Beklagten auf dem "Arbeitsmarkt für Busfahrer des ÖPNV im Rhein-Erft-Kreis" zulassen. Wenn die Beklagte einen Großteil der Verkehre innerhalb des Rhein-Erft-Kreises erbringt, gesteht sie zu, deutlich mehr als 50 % der Verkehre zu erbringen. Damit greift die Vermutung des § 18 Abs. 4 GWB ein. Nur das ist auch nachvollziehbar, weil ihre Aufgabe als Eigenbetrieb des Rhein-Erft-Kreises gerade die Organisation und Durchführung des ÖPNV im Rhein-Erft-Kreis ist. Für ihre marktbeherrschende Stellung sprechen zugleich die oben aufgeführten Gesichtspunkte, nämlich ihre erhebliche Finanzkraft als Eigenbetrieb des Rhein-Erft-Kreises, die bestehenden rechtlichen Schranken für den Marktzutritt anderer Unternehmen, der aufgrund ihrer umfassenden Tätigkeit ("Großteil der Verkehre") weitgehend fehlende tatsächliche und potenzielle Wettbewerb durch andere Unternehmen sowie die fehlende Möglichkeit der Marktgegenseite, auf andere ÖPNV-Unternehmen auszuweichen.

Die Vermutung des § 18 Abs. 4 GWB hat die Beklagte nicht widerlegt:

Der Umstand, dass sie Teile ihrer Tätigkeit auf die C. übertragen hat, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Deren Tätigkeit auf dem Markt ist ihr nach § 278 BGB zuzurechnen. Die C. nimmt lediglich die Aufgaben der Beklagten in deren Auftrag wahr. So hat die Beklagte mit der C. einen Subunternehmervertrag geschlossen, der diese nicht nur zur Zahlung von erheblichen Entgelten für die Überlassung der Buslinien verpflichtet. Vielmehr enthält der Vertrag zahlreiche Regelungen, die sicherstellen, dass der ÖPNV genau so organisiert und durchgeführt wird, wie es seitens der Beklagten selbst geschehen würde. In dem Vertrag wiederum sind Klauseln enthalten, die die C. ihrerseits verpflichten, die entsprechenden Pflichten auf ihre Subunternehmer zu übertragen.

Soweit sich die Beklagte in dem vom Landgericht zurückgewiesenen, nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 13.10.2022 gegen die Einschätzung des Landgerichts, sie habe eine marktbeherrschende Stellung, wendet, ist ihr Vorbringen unerheblich. Der Schriftsatz enthält keinen Tatsachenvortrag, sondern Rechtsansichten. Der dortige Vortrag bezieht sich nicht auf die von ihr zugestandene Tatsache, dass sie einen Großteil des ÖPNV-Verkehrs im Rhein-Erft-Kreis erbringt. Die Beklagte führt vielmehr ihre Rechtsansicht aus, dass sie als relevanten sachlichräumlichen Markt den gesamten bundesweiten Markt - ggf. auch noch mehr - für Busfahrer aller Art ansieht. Auf diesem Markt, so die Beklagte, nehme sie keine marktbeherrschende Stellung ein. Darauf kommt es jedoch, wie ausgeführt, nicht an.

Auch die Berufungserwiderung stellt die von der Beklagten zugestandene Tatsache, dass sie einen Großteil der ÖPNV-Verkehre im Rhein-Erft-Kreis erbringt, nicht in Frage. Hierzu hätte sie dartun müssen, wie viele weitere Genehmigungen es neben den von ihr gehaltenen 47 Genehmigungen für die Linien im Rhein-Erft-Kreis gibt.

b) Die Beklagte hat ihre marktbeherrschende Stellung missbraucht. Der Aussprucheiner lebenslangen Fahrersperre zu Lasten des Klägers behindert diesen unbillig. Das gilt auch für die vom Landgericht noch als angemessen angesehene Dauer der Sperrung von fünf Jahren.

aa) Unter einer Behinderung im Sinne des § 19 GWB ist jede Beeinträchtigung des Betroffenen in seinen Betätigungsmöglichkeiten im Wettbewerb zu verstehen, gleichgültig, ob dabei "wettbewerbsfremde" oder in sonstiger Weise anfechtbare Mittel angewendet werden (vgl. Immenga/Mestmäcker/Markert/Fuchs, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2020, GWB § 19 Rn. 84).

Das ist hier zu bejahen, weil der Kläger durch die Fahrersperre gehindert ist, sowohl mit der C. als auch mit jedem von dieser beauftragten Subunternehmen, das für die Beklagte deren Liniennetz mitbedient, einen Arbeitsvertrag zu schließen. Sein bis zu dem streitgegenständlichen Vorfall bestehendes Arbeitsverhältnis hat seine Arbeitgeberin mit Schreiben vom 7.7.2021 im Hinblick auf die von der C. ausgesprochene Sperrung außerordentlich, hilfsweise ordentlich gekündigt. Soweit die Beklagte in der Berufung bestreitet, dass die Kündigung und damit letztendlich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses kausal auf die Sperre zurückzuführen ist, ist dies nicht nachvollziehbar. In der Kündigung ist als Kündigungsgrund die Fahrersperre aufgeführt. Es besteht kein Anlass für die Annahme, dass die nachträglich ausgesprochene ordentliche Kündigung, die die außerordentliche Kündigung ersetzt hat, und der später vor dem Arbeitsgericht geschlossene Vergleich über die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses nicht auf die Fahrersperre zurückzuführen sind. Zudem wurden zumindest die Bewerbungen des Klägers bei der S-GmbH und bei der T-GmbH Co. KG ausdrücklich wegen der Fahrersperre zurückgewiesen. Dem diesbezüglichen Vortrag des Klägers ist die Beklagte nicht entgegengetreten.

Das alles führt zu einer gravierenden wirtschaftlichen Beeinträchtigung des Klägers, dem es durch die Fahrersperre nahezu unmöglich gemacht wurde, seinen Arbeitsplatz als Busfahrer im ÖPNV im Rhein-Erft-Kreis zu erhalten und einen solchen neu zu finden. Sinn und Zweck der von ihr ausgesprochenen Fahrersperre ist, dass nicht nur der C., sondern auch deren Subunternehmer eine solche Sperre zu beachten haben.

bb) Die lebenslange Sperrung des Klägers auf den Linien der Beklagten ist unbillig. Das gilt auch für die vom Landgericht als angemessen angesehene Dauer der Sperrung von fünf Jahren.

Ob eine Behinderung unbillig ist, ist aufgrund einer Gesamtwürdigung und Abwägung aller beteiligten Interessen zu beurteilen, die sich an der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Funktion des Gesetzes zu orientieren hat (vgl. BGH, Urteil vom 23.1.2018, KZR 48/15, BeckRS 2018, 2279 Rn. 34). Für die Beurteilung der Billigkeit und sachlichen Rechtfertigung einer - wie hier vorliegenden - Sperre ist dem Stärkegrad der Marktmacht des Normadressaten einerseits und den Bezugs- bzw. Ausweichmöglichkeiten der betroffenen Marktgegenseite besonderes Gewicht beizumessen. Grundsätzlich gilt, dass solche Unternehmen, die über eine so starke Stellung verfügen, dass die Betroffenen praktisch keine wirtschaftlich sinnvollen Ausweichmöglichkeiten haben, den Betroffenen den Marktzugang nur dann verweigern dürfen, wenn dafür besonders schwerwiegende Gründe vorliegen (vgl. Immenga/Mestmäcker/Markert/Fuchs, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2020, GWB § 19 Rn. 129). Dies gilt erst recht bei Unternehmen mit monopolartiger Stellung.

Gemessen daran ist eine Fahrersperre, deren Dauer zwangsläufig zum Verlust des bestehenden Arbeitsverhältnisses des Klägers im ÖPNV im Rhein-Erft-Kreis führt, unbillig. Das sicherlich nachdrücklich zu beanstandende Verhalten des Klägers stellt keinen derart schwerwiegenden Grund dar, der eine solche Sanktion rechtfertigen würde.

(a) Zugunsten der Beklagten ist zwar zu berücksichtigen, dass der Kläger durch das Nutzen seines Handys bei laufender Fahrt einen erheblichen Verkehrs- und Pflichtenverstoß begangen hat. So hat der Kläger gegen die Vorschrift des § 23 Abs. 1a StVO verstoßen. Zu Recht führt das Landgericht aus, dass danach wegen des hohen Gefahrenpotentials im Straßenverkehr jede Art der Benutzung des Mobiltelefons während der Fahrt ohne Freisprecheinrichtung untersagt ist, soweit das Gerät insgesamt oder der Hörer aufgenommen oder in der Hand gehalten wird (vgl. MüKoStVR/Kettler, 2016, § 23 StVO, Rn. 11). Zudem verstieß der Kläger gegen § 7 der Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrunternehmen im Personenverkehr (BOKraft), wonach das im Fahrdienst eingesetzte Personal die besondere Sorgfalt anzuwenden hat, die sich daraus ergibt, dass ihm Personen zur Beförderung anvertraut sind. Die Beklagte hat dementsprechend ein grundsätzlich berechtigtes und nachvollziehbares Interesse daran, solche Verhaltensweisen auf ihren Linien nachhaltig zu unterbinden. Der Ausspruch einer zeitlich begrenzten, kurzen Fahrersperre kann daher grundsätzlich sachlich berechtigt sein.

(b) Der entsprechende Zeitraum ist jedoch jedenfalls heute - über zwei Jahre nach Ausspruch der Sperre - abgelaufen. Bei der Bemessung der Dauer der Fahrersperre wäre den Interessen des Klägers hinreichend Rechnung zu tragen gewesen. Das ist seitens der Beklagten nicht und seitens des Landgerichts nicht hinreichend geschehen.

(1) Zu berücksichtigen ist die für den Kläger enorme Tragweite einer lebenslangen, aber auch fünfjährigen Fahrersperre, die jedenfalls dann, wenn er weiter im Rhein-Erft-Kreis leben und in seinem Beruf als Busfahrer im ÖPNV arbeiten möchte. So hat der Kläger - wie von der Beklagten zumindest in Kauf genommen - tatsächlich seinen Arbeitsplatz aufgrund der dauerhaft ausgesprochenen Sperre verloren. Ferner ist es ihm unmöglich, im ÖPNV im Rhein-Erft-Kreis einen neuen Arbeitsplatz zu finden, weil er die Linien der Beklagten nicht befahren darf. Da die Beklagte dort eine marktbeherrschende, fast monopolähnliche Stellung innehat, kann der Kläger von Unternehmen, die als Subunternehmer der C. die Linien der Beklagten befahren, nicht neu eingestellt werden. Schon diese Erwägungen führen zu der Annahme, dass die Fahrersperre nur so lange hätte dauern dürfen, wie es seiner Arbeitgeberin möglich und zumutbar gewesen wäre, ihn vorübergehend vom Dienst freizustellen oder anderweitig einzusetzen. Jede längere Sperre, die zum Verlust des Arbeitsplatzes führt, stellt einen nicht gerechtfertigten, existenziellen Eingriff in die Rechte des Klägers dar.

(2) Zu bedenken sind insoweit auch die Wertungen der StVO. Die verbotswidrige Nutzung eines Mobiltelefons nach § 23 Abs. 1a StVO stellt gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 23 StVO eine Ordnungswidrigkeit im Sinne des § 24 Abs. 1 StVG dar. Nach Nr. 246.1 des derzeit gültigen, auf Grundlage des § 26a StVG erlassenen Bußgeldkatalogs ist die verbotene Handynutzung beim Führen eines Fahrzeugs mit 100 € zu ahnden. Kommt nach Nr. 246.2 eine - hier zwischen den Parteien streitige - Gefährdung des Straßenverkehrs hinzu, ist der Verstoß mit einem Monat Fahrverbot, einem Punkt und einer Geldbuße von 150 € zu ahnden. Soweit § 3 Abs. 4 des Bußgeldkatalogs eine Erhöhung der Regelsätze in bestimmten Fällen für Führer eines Kraftomnibusses mit Fahrgästen vorsieht, ist die unerlaubte Handynutzung nach Nr. 246.1 und Nr. 246.2 des Bußgeldkatalogs wiederum gerade nicht genannt. Im Einzelfall kann dem Betroffenen jedoch gemäß § 25 Abs. 1 StVG für die Dauer von bis zu drei Monaten verboten werden, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder oder einer bestimmten Art zu führen. Ein dreimonatiges Fahrverbot kommt danach allerdings nur bei groben oder beharrlichen Pflichtverletzungen in Betracht.

Dass eine derartige schwerwiegende Pflichtverletzung hier vorliegen würde, ist nicht dargelegt, weil der Kläger - nichts anderes ist substantiiert vorgetragen - Ersttäter ist. Seine anfängliche Weigerung, sein Fehlverhalten gegenüber seiner Arbeitgeberin einzuräumen, stellt in diesem Zusammenhang ein grundsätzlich nach § 55 StPO iVm § 46 Abs. 1 OWiG zulässiges Verteidigungsverhalten dar, das ihm nicht angelastet werden darf, da ihn keine Verpflichtung trifft, an seiner Überführung mitzuwirken (vgl. BayObLG, Beschluss vom 13.12.2022, 202 ObOWi 1458/22, NStZ-RR 2023, 88; ergänzend Bücherl, in: BeckOK-OWiG, 38. Edition, Stand: 1.4.2023, § 46 OWiG Rn. 8f.). Dass angesichts der nunmehr über zwei Jahre andauernden Sperre eine Wiederholung des Fehlverhaltens konkret drohen würde, ist nicht anzunehmen. Dementsprechend wäre das Verhalten des Klägers nach den Wertungen der StVO nicht im Ansatz so schwer zu ahnden gewesen, wie es seitens der Beklagten und auch seitens des Landgerichts geschehen ist.

(3) Die von der Beklagten angestellten Parallelwertungen aus dem Arbeitsrecht sprechen gegen eine lebenslange oder auch nur über mehrere Jahre währende Sperrfrist.

Wenn die Beklagte Arbeitgeberin des Klägers gewesen wäre, hätte sie ihm aufgrund seines Fehlverhaltens nicht fristlos kündigen können. Eine außerordentliche fristlose verhaltensbedingte Kündigung eines Arbeitsverhältnisses kommt nach § 626 Abs. 1, 2 BGB in Betracht, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Geeignet hierfür sind u.a. erhebliche Pflichtverletzungen und der damit verbundene Vertrauensbruch. Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung müssen dem Arbeitgeber sämtliche mildere Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sein. Eine fristlose Kündigung scheidet aus, wenn es ein schonenderes Gestaltungsmittel, etwa eine Abmahnung, gibt.

Bei einer Pflichtverletzung, die auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers beruht, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Eine Abmahnung ist daher im Regelfall erforderlich. Einer Abmahnung bedarf es nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst danach nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (vgl. BAG, Urteil vom 25.10.2012, 2 AZR 495/11, APNews 2013, 53 ff.; LAG Köln, Urteil vom 19.6.2020, 4 Sa 655/19, BeckRS 2020, 200021 Rn. 44-48). Gemessen daran erscheint es fernliegend, dass die Beklagte dem Kläger ohne Abmahnung hätte kündigen dürfen. Zum einen kann jedenfalls aus seinem anfänglichen Bestreiten der Tat nicht geschlossen werden, dass er sein Verhalten in Zukunft nicht geändert hätte und es zu Wiederholungen gekommen wäre. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen. Zum anderen ist der dem Kläger vorgeworfene - soweit ersichtlich erstmalige - Verkehrsverstoß nicht von einem derartigen Gewicht, dass er eine fristlose Kündigung ohne Abmahnung gerechtfertigt hätte. Das zeigt ein Vergleich mit den oben genannten Entscheidungen (vgl. BAG, Urteil vom 25.10.2012, 2 AZR 495/11, APNews 2013, 53ff.; LAG Köln, Urteil vom 19.6.2020, 4 Sa 655/19, BeckRS 2020, 200021 Rn. 44-48). Insbesondere dem vom LAG Köln entschiedenen Fall, in dem ausnahmsweise eine fristlose Kündigung ohne Abmahnung zulässig war, liegt ein mit Abstand schwerer wiegender Verkehrsverstoß des Berufskraftfahrers bei gleichzeitiger erheblicher Sachbeschädigung und Fahrerflucht zugrunde.

Soweit die Beklagte weitere vermeintliche Nebenpflichtverletzungen des Klägers aufführt, wie etwa einmaliges Rauchen während des Dienstes, stehen diese mit der vorliegenden Pflichtverletzung weder inhaltlich noch zeitlich im Zusammenhang und erscheinen im Übrigen nicht gravierend.

(4) Demgegenüber kommt es auf die von dem Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung herangezogene Parallelwertung, wonach für die Beklagte kein Kontrahierungszwang zum Abschluss eines Arbeitsvertrages mit dem Kläger bestehen könne, nicht an. Ob dies zutrifft oder ob sich bei einer marktbeherrschenden Stellung, wie sie die Beklagte innehat, im Einzelfall durchaus ein solcher Anspruch aus § 33 Abs. 1 GWB iVm § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 GWB ergeben kann, braucht nicht entschieden zu werden. Zum einen ist das Begehren des Klägers nicht auf einen Vertragsschluss mit der Beklagten gerichtet. Zum anderen entspricht diese Fallkonstellation nicht der hier gegebenen Ausgangslage. Hier stand der Kläger nämlich bereits in einem Arbeitsverhältnis, das - bedingt durch die Sperre der Beklagten - beendet wurde.

3. In der Rechtsfolge kann der Kläger von der Beklagten die Beseitigung der Fahrersperre verlangen.

II.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

III.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 42 Abs. 2 GKG, 3 ZPO und im allseitigen Einvernehmen der Parteien auf 7.032,48 € festgesetzt.


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