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Entscheidungen

Verwaltungsrecht

Entziehung der Fahrerlaubnis, Drogenkonsum, Medikamenteneinnahme

Gericht / Entscheidungsdatum: VG Düsseldorf, Beschl. v. 29.09.2023 – 6 L 2377/23

Leitsatz des Gerichts:

Ohne eine gaschromatographische Untersuchung der Blutprobe steht nicht hinreichend sicher fest, ob im Blut nachgewiesenes Amphetamin auf einer Einnahme des Medikaments Elvanse 70 mg Hartkapseln oder (zusätzlich) auf einem sonstigen Amphetaminkonsum beruht.


In pp.

Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Einzelrichterin ist zuständig, nachdem ihr die Kammer den Rechtsstreit zur Entscheidung übertragen hat, § 6 Abs. 1 VwGO.

Das Gericht lehnt den auf § 80 Abs. 5 VwGO gestützten − sinngemäß gestellten − Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seiner Klage (6 K 6393/23) gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 00. August 2023 hinsichtlich der Entziehung der Fahrerlaubnis und der Aufforderung zur Ablieferung des Führerscheins wiederherzustellen sowie hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung anzuordnen, ab. Der Antrag ist zulässig (I.), aber unbegründet (II.).

I. Der Antrag ist zulässig. Er ist insbesondere statthaft, weil der in der Hauptsache erhobenen Anfechtungsklage gegen die Ordnungsverfügung abweichend von § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO keine aufschiebende Wirkung zukommt. Denn der Antragsgegner hat gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO hinsichtlich der Fahrerlaubnisentziehung und der Aufforderung zur Ablieferung des Führerscheins die sofortige Vollziehung seiner Verfügung angeordnet. Hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung entfällt die aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 112 JustG NRW bereits von Gesetzes wegen.

II. Der Antrag ist jedoch unbegründet. Die Begründetheit eines auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gerichteten Antrags nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 2 VwGO beurteilt sich danach, ob die Anordnung der sofortigen Vollziehung formell ordnungsgemäß erfolgt ist und ob das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der angegriffenen Ordnungsverfügung das private Interesse des Antragstellers an einer Aussetzung überwiegt. Die Begründetheit eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 1 VwGO richtet sich nur nach dem Ergebnis der Interessenabwägung.

1. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Der Antragsgegner hat insbesondere das Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO beachtet. Nach dieser Vorschrift ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO schriftlich zu begründen. Das Begründungserfordernis dient dem Zweck, der Behörde den Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung vor Augen zu führen, den Betroffenen über die Gründe, die für die Anordnung der sofortigen Vollziehung maßgeblich gewesen sind, in Kenntnis zu setzen und schließlich das Gericht im Falle eines Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO über die behördlichen Erwägungen zu unterrichten. Die Begründung muss dementsprechend erkennen lassen, dass und warum die Behörde in dem konkreten Einzelfall dem sofortigen Vollziehbarkeitsinteresse Vorrang vor dem Aufschubinteresse des Betroffenen einräumt. Dabei reichen formelhafte, auf beliebige Fallgestaltungen passende Wendungen nicht aus. Ob die aufgeführten Gründe den Sofortvollzug inhaltlich rechtfertigen, ist hingegen keine Frage der formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, sondern der Interessenabwägung.
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 11. Oktober 2010 - 6 B 1057/10 -, juris, Rn. 18, vom 8. November 2011 - 16 B 24/11 -, juris, Rn. 3, sowie vom 18. November 2014 - 16 B 1282/14 -, juris, Rn. 3 m.w.N.

Die hohe Bedeutung der Sicherheit des Straßenverkehrs und das erhebliche Gefährdungspotenzial ungeeigneter Verkehrsteilnehmer rechtfertigen in aller Regel nicht allein den Erlass gefahrenabwehrender Ordnungsverfügungen, sondern auch die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit. Denn die für den Sachbereich des Fahrerlaubnisrechts spezifischen Gefahren liegen nicht in unbestimmter Zukunft, sondern können sich jederzeit realisieren. Daraus folgt, dass sich die Begründung für die Ordnungsverfügung (Erlassinteresse) selbst und diejenige für die Anordnung der sofortigen Vollziehung (Vollzugsinteresse) typischerweise weitestgehend decken. Begründet die Behörde die Vollziehungsanordnung mit gewissen Wiederholungen und möglicherweise formelhaft klingenden Wendungen, liegt darin kein Verstoß gegen § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Hinzu kommt, dass Fahreignungsmängel (lediglich) abstrakte Gefahren darstellen, die sich bei der Verkehrsteilnahme aufgrund allgemeiner Erfahrungswerte realisieren können, ohne bei jeder einzelnen Fahrt auftreten zu müssen. Entsprechend können auch die Ausführungen der Fahrerlaubnisbehörde notwendigerweise nur auf diese abstrakte Gefahrenlage abstellen.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. November 2014 - 16 B 1282/14 -, juris, Rn. 5.

Diesen Anforderungen werden die Darlegungen des Antragsgegners in der Ordnungsverfügung vom 00. August 2023 gerecht. Der Antragsgegner hat darin zum Ausdruck gebracht, dass er sich des Ausnahmecharakters der Anordnung bewusst war und sich aus seiner Sicht die Gründe für die Entziehung der Fahrerlaubnis und der Aufforderung zur Abgabe des Führerscheins mit denen der Dringlichkeit der Vollziehung der Maßnahme decken. Indem der Antragsgegner in der Begründung auf die Gefahren für die Allgemeinheit im Falle einer weiteren Teilnahme des Antragstellers am motorisierten Straßenverkehr unter Betäubungsmitteleinfluss abstellt, gibt er die Erwägungen wieder, die für ihn maßgeblich waren, um den Antragsteller sofort vom motorisierten Straßenverkehr auszuschließen und somit einen wirksamen Schutz der Allgemeinheit zu gewährleisten. Auch hat der Antragsgegner mit Blick auf die mögliche missbräuchliche Nutzung des Führerscheins als Nachweis über den Besitz der Fahrerlaubnis die sofortige Vollziehung der Aufforderung zur Abgabe des Führerscheins hinreichend begründet.

2. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der angegriffenen Ordnungsverfügung überwiegt das private Interesse des Antragstellers an einer Aussetzung.

Im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 2 VwGO ist im Wege einer eigenen Abwägung des Gerichts das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung der Maßnahme mit dem Interesse der Allgemeinheit an ihrer Vollziehung abzuwägen. Maßgebliches Kriterium für die Abwägung sind die Erfolgsaussichten der Klage im Hauptsacheverfahren. Ergibt die im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes allein mögliche und gebotene summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, dass der Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist, überwiegt das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung. Denn an der Vollziehung rechtswidriger hoheitlicher Maßnahmen kann kein öffentliches Interesse bestehen. Ist der Verwaltungsakt hingegen offensichtlich rechtmäßig, überwiegt in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 3 und Abs. 2 Satz 2 VwGO das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit. Im Falle des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO muss darüber hinaus ein besonderes öffentliches Interesse am sofortigen Vollzug bestehen, das über jenes Interesse hinausgeht, das den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt. Die Offensichtlichkeit der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Maßnahme ist im vorläufigen Rechtsschutzverfahren feststellbar, wenn bereits bei der summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage und ohne eine dem Hauptsacheverfahren vorbehaltene Beweisaufnahme die Erfolgsaussichten in der Hauptsache beurteilt werden können. Lässt sich der Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache nach dem derzeitigen Verfahrensstand - nicht einmal summarisch - so sicher vorhersagen, dass das Gericht die ihm übertragene Ermessensentscheidung über die Vollziehbarkeit hinreichend zuverlässig auf eine Einschätzung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung stützen kann, k ann die Interessenabwägung nur im Wege einer Folgenabschätzung erfolgen.

Unter Beachtung dieser Grundsätze fällt die Interessenabwägung vorliegend zulasten des Antragstellers aus. Die Erfolgsaussichten der Klage in der Hauptsache lassen sich derzeit nicht hinreichend sicher vorhersagen (a) und die deshalb anzustellende Folgenabschätzung geht zulasten des Antragstellers aus (b).

a) Der Ausgang des Hauptsacheverfahrens ist bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein gebotenen summarischen Prüfung nach Aktenlage offen. Es ist nicht hinreichend sicher, ob die mit der Ordnungsverfügung vom 00. August 2023 ergangenen Maßnahmen - die Entziehung der Fahrerlaubnis, die Aufforderung zur Führerscheinablieferung und die Zwangsgeldandrohung - rechtmäßig sind und den Antragsteller in seinen Rechten verletzen.

Nach Aktenlage ist die Ordnungsverfügung vom 00. August 2023 formell rechtmäßig ergangen. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller insbesondere mit Schreiben vom 00. Juli 2023 die Gelegenheit gegeben, sich zu der beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis zu äußern, und ihn somit im Einklang mit § 28 Abs. 1 VwVfG NRW angehört.

Ob die Entziehung der Fahrerlaubnis auch materiell rechtmäßig ist, vermag das Gericht nach summarischer Prüfung nach Aktenlage nicht mit der erforderlichen Zuverlässigkeit zu beurteilen.

Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 FeV. Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Maßgeblich für die Beurteilung der Kraftfahreignung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung.
Vgl. BVerwG, Urteile vom 9. Juni 2005 - 3 C 25.04 -, juris, Rn. 16, und vom 23. Oktober 2014 - 3 C 3/13 -, juris, Rn. 13; OVG NRW, Beschlüsse vom 22. Oktober 2003 - 19 A 2549/99 -, juris, Rn. 12, sowie vom 6. Juli 2012 - 16 A 1928/11 -, n.v., S. 2 des Beschlussabdrucks.

Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV gilt ein Fahrerlaubnisinhaber insbesondere dann als zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 (zu den §§ 11, 13 und 14 FeV) vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Gemäß Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV in Verbindung mit Nr. 3 der Vorbemerkung zu Anlage 4 zur FeV ist die Eignung bzw. die bedingte Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs regelmäßig ausgeschlossen bei Einnahme von Betäubungsmitteln i.S.d. BtMG, ausgenommen Cannabis. Wegen ihres hohen Suchtpotenzials und der Schwierigkeit, ihre Auswirkungen auf die Fahrtüchtigkeit einzuschätzen, rechtfertigt bereits ein einmaliger Konsum von sog. harten Drogen im Sinne des BtMG - zu denen Amphetamin zählt - im Regelfall die sofortige Entziehung der Fahrerlaubnis, und zwar unabhängig davon, ob unter dem Einfluss des Betäubungsmittels auch ein Kraftfahrzeug geführt wurde.
Vgl. nur BVerwG, Urteil vom 11. April 2019 - 3 C 9/18 -, juris, Rn. 30; OVG NRW, Beschlüsse vom 7. April 2014 - 16 B 89/14 - juris, Rn. 5, und vom 23. Juli 2015 - 16 B 656/15 -, juris, Rn. 5, jeweils m.w.N. zu der insoweit übereinstimmenden Rechtsprechung der Obergerichte anderer Bundesländer.

Entscheidend für die Verneinung der Kraftfahreignung ist demnach allein, ob feststeht, dass der Kläger jedenfalls einmal Amphetamin konsumiert hat, was einen willentlichen Konsum voraussetzt.

Laut des toxikologischen Gutachtens des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums der I. -I1. -Universität E. vom 00. Mai 2023 fiel die dem Antragsteller am 00. Februar 2023 entnommene Blutprobe positiv auf Amphetamin (338 ng/ml) aus. Die Gutachterin Univ.-Prof. Dr. X. -U. kommt in ihrer Beurteilung weiter zu dem Ergebnis, dass damit der Nachweis eines Konsums von Amphetamin (z.B. Pep) geführt wurde. Auch der am 00. Februar 2023 durchgeführte Drogenvortest verlief positiv auf Amphetamin/Metamphetamin.

Es ist angesichts der beschränkten Aufklärungsmöglichkeiten im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach Aktenlage allerdings nicht hinreichend sicher, dass der Befund nicht - wie vom Antragsteller vorgetragen - auf einer bestimmungsgemäßen, nach ärztlicher Verordnung erfolgten Einnahme des Medikaments F. 00 mg Hartkapseln beruht. In einem solchen Fall würde sich die Frage der Kraftfahreignung nicht nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV, sondern nach Nr. 9.6 der Anlage 4 zur FeV richten. Bei einer ordnungsgemäßen Dauerbehandlung mit einem betäubungsmittelhaltigen Arzneimittel i.S.v. Nr. 9.6.2 der Anlage 4 FeV entfällt die Kraftfahreignung "nur" bei einer Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen unter das erforderliche Maß. Das Vorliegen einer solchen Beeinträchtigung dürfte wiederum lediglich durch die Einholung eines ärztlichen oder medizinisch-psychologischen Gutachtens aufzuklären sein.

Das Medikament F., das der Antragsteller nach eigenen Angaben zur Behandlung seiner XXX-Erkrankung einnimmt, enthält den Wirkstoff Lisdexamphetamin. Bei einer Einnahme kann es bei Tests auf Drogengebrauch - wie auch in der vom Antragsteller eingereichten ärztlichen Bescheinigung des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie I2. vom 00. August 2023 attestiert - zu falsch positiven Ergebnissen kommen.
Vgl. auch die entsprechende Angabe im Beipackzettel des Medikaments F. Hartkapseln, abrufbar unter https://www.takeda-produkte.de/system/files/produkt-info/gebrauchsinformation-elvanse-20-mg30-mg40-mg50-mg60-mg70-mg-hartkapseln.pdf, S. 4.

Eine Analyse der dem Antragsteller entnommenen Blutprobe mittels eines gaschromatographischen Untersuchungsverfahrens wurde bislang nicht durchgeführt. Nach der Beurteilung der Gutachterin Univ.-Prof. Dr. S. -U. im toxikologischen Gutachten vom 00. Mai 2023 sowie nach telefonischer Auskunft des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums der I. -I1. -Universität E. am 00. September 2023 gegenüber dem Antragsgegner (vgl. Bl. 31 VV) könnte bei einer solchen Untersuchung festgestellt werden, ob die im Blut des Antragstellers festgestellte Konzentration an Amphetamin auf der Einnahme des Medikaments F. oder (zusätzlich) auf einem sonstigen Amphetaminkonsum beruht.
Vgl. bezüglich der bei einer ADHS-Erkrankung ebenfalls eingesetzten Medikamente Ritalin und Medikinet dazu, dass bei einer gaschromatischen Untersuchung des Blutes eindeutig zwischen Amphetamin und dem in diesen Medikamenten enthaltenen Wirkstoff Methylphenidat unterschieden werden kann, nur OVG NRW, Beschluss vom 13. September 2019 - 16 B 730/19 -, n.v., S. 2; VG Düsseldorf, Beschluss vom 5. November 2019 - 6 L 2821/19 -, juris, Rn. 7 f. jeweils m.w.N.

Nach alledem vermag das Gericht ohne eine abschließende Klärung im Hauptsacheverfahren in Gestalt einer gaschromatographischen Untersuchung der dem Antragsteller am 00. Februar 2023 entnommen und laut des toxikologischen Gutachtens vom 00. Mai 2023 noch bis Mai 2025 beim V. E. lagernden Blutprobe nicht ausreichend zuverlässig zu beurteilen, ob der Antragsteller zum Zeitpunkt der Entziehung kraftfahrungeeignet und ihm daher (zwingend) die Fahrerlaubnis zu entziehen war.

b) Lässt sich demnach die Rechtmäßigkeit der Fahrerlaubnisentziehung nicht hinreichend sicher abschätzen, kann das Gericht lediglich eine Interessenabwägung in Form einer Folgenabschätzung vornehmen. Dabei sind die Folgen, die eintreten, wenn die aufschiebende Wirkung wiederhergestellt wird, die angefochtene Verfügung sich aber als rechtmäßig erweist, gegen die Folgen abzuwägen, die eintreten, wenn die aufschiebende Wirkung nicht wiederhergestellt wird, sich die Verfügung aber später als rechtswidrig erweist. Auf die betroffenen Grundrechte ist in besonderer Weise Bedacht zu nehmen.
Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 -, juris, Rn. 23 ff.

Diese Abwägung fällt zulasten des Antragstellers aus.

Für den Antragsteller streitet sein Interesse an motorisierter Fortbewegung, eine vom Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) geschützte Rechtsposition, und seine damit verbundenen persönlichen Belange.

Hiergegen stehen die höchstwertigen Rechtsgüter, zu deren Schutz die Entziehung der Fahrerlaubnis erfolgt, nämlich vor allem Leib und Leben der übrigen Verkehrsteilnehmer, der Verkehrssicherheit an sich sowie bedeutenden Sachwerten der Allgemeinheit.

Diese Rechtsgüter wägt das Gericht folgendermaßen gegeneinander ab:

Sollte der Antragsteller kraftfahrungeeignet sein, dürfte aber gleichwohl vorläufig weiter Kraftfahrzeuge führen, würde dies ein erhebliches Gefährdungspotenzial des Antragstellers nicht nur für die Sicherheit des Straßenverkehrs, sondern auch konkret für höchstrangige Rechtsgüter einer nicht eingrenzbaren Zahl anderer Verkehrsteilnehmer bedeuten. Wird umgekehrt die aufschiebende Wirkung nicht wiederhergestellt, obwohl der Antragsteller weiterhin kraftfahrgeeignet ist, wird er in seinen persönlichen Belangen zwar beeinträchtigt. In vergleichender Abwägung dazu wiegt aber der möglicherweise eintretende - gegebenenfalls nicht mehr wiedergutzumachende - Schaden an der potentiellen Vielzahl der geschützten hoch- und höchstwertigen Rechtsgüter der übrigen Verkehrsteilnehmer zu schwer, als dass es verantwortbar wäre, dem Antragsteller bis zur definitiven Klärung seiner Kraftfahreignung vorerst die weitere Verkehrsteilnahme zu erlauben.
Vgl. zur Interessenabwägung: OVG NRW, Beschlüsse vom 17. Oktober 2011 - 16 B 595/11 -, n.v., S. 4 f. des Beschlussabdrucks, sowie vom 19. Februar 2013 - 16 B 1229/12 -, juris, Rn. 12.

Entsprechend dieser Folgenabwägung war auch der Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der Aufforderung zur Führerscheinablieferung und der Zwangsgeldandrohung abzulehnen, weil deren Rechtmäßigkeit maßgeblich von der offenen Rechtmäßigkeit der Entziehungsverfügung abhängt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG. Das Interesse an der Fahrerlaubnis wird im Hauptsacheverfahren mit dem Betrag des Auffangstreitwertes des § 52 Abs. 2 GKG angesetzt, weil der Antragsteller - soweit ersichtlich - nicht in qualifizierter Weise (etwa als Berufskraftfahrer) auf seine Fahrerlaubnis angewiesen ist. In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ermäßigt sich der danach zu berücksichtigende Betrag von 5.000,00 Euro aufgrund der Vorläufigkeit der Entscheidung um die Hälfte (vgl. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs des Bundesverwaltungsgerichts für die Verwaltungsgerichtsbarkeit). Der auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Zwangsgeldandrohung gerichtete Antrag wirkt sich nicht streitwerterhöhend aus, vgl. Ziffer 1.7.2 des Streitwertkatalogs. Mit Blick auf § 80 Abs. 6 VwGO geht das Gericht in Ansehung von § 6a Abs. 3 Satz 1 StVG i.V.m. § 22 Abs. 1 Verwaltungskostengesetz in der bis zum 31. August 2013 gültigen Fassung weiter davon aus, dass die Kostenfestsetzung nicht Gegenstand des Eilverfahrens ist und daher den Streitwert nicht erhöht.


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