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Entscheidungen

StPO

Aufhebung der Pflichtverteidigerbestellung, grob prozessordnungswidriges Verhaltens des Pflichtverteidigers

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Köln, Beschl. v. 14.09.2023 – 321 Ks 1/23

Eigener Leitsatz:

Zur Aufhebung der Pflichtverteidigerbestellung wegen mehrfach grob prozessordnungswidrigem Verhalten des Pflichtverteidigers.


In pp.

Die mit Beschluss des Vorsitzenden der 21. gr. Strafkammer vom 21.10.2021 erfolgte Bestellung von Rechtsanwalt V. zum weiteren Pflichtverteidiger des Angeklagten D. wird aufgehoben.

Gründe

Die Bestellung von Rechtsanwalt V. als Pflichtverteidiger war gem. § 143a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 2. Alt. StPO aufzuheben, da ein sonstiger Grund i.S.d. Vorschrift vorliegt, der die Aufhebung der Bestellung gebietet. Ein solcher liegt vor, wenn sich der Verteidiger grobe Pflichtverletzungen zuschulden kommen lässt, die den Zweck der Pflichtverteidigung, nämlich dem Angeklagten einen geeigneten Beistand zu sichern und einen ordnungsgemäßen Verfahrensablauf sicherzustellen, ernsthaft gefährden. Der Verteidiger ist nämlich verpflichtet, an einer sachdienlichen und prozessual geordneten Verfahrensführung mitzuwirken sowie den Verfahrensabschluss in einer angemessenen Zeit zu fördern. Sein Vorgehen muss er auf verfahrensrechtlich erlaubte Mittel beschränken; er hat also insbesondere die verfahrensleitende Rolle des Vorsitzenden, wie sie sich aus §§ 238 Abs. 1, 240 Abs. 2 StPO ergibt, zu akzeptieren und sich rein obstruktiver Maßnahmen zu enthalten. Nehmen störende Unterbrechungen der Verhandlungsleitung des Vorsitzenden oder andere Maßnahmen ein nicht mehr hinnehmbares Ausmaß an, so kann der Pflichtverteidiger folglich im Ausnahmefall als ultima ratio "aus wichtigem Grund" entlassen werden.

Diese Voraussetzungen sind in mehrfacher Hinsicht erfüllt, da Rechtsanwalt V. auch nach bereits erfolgter Abmahnung vom 12.4.2023 sein grob prozessordnungswidriges Verhalten fortgesetzt hat, indem er den Vorsitzenden erneut in ehrverletzender Weise angegangen ist, diesem dienstpflichtwidrige Verhaltensweisen vorgeworfen, die Durchführung eines Hauptverhandlungstermins verhindert und eine falsche anwaltliche Versicherung abgegeben hat.

Im Einzelnen gilt Folgendes:

1.
Anlass für die Abmahnung vom 12.4.2023 waren eine Vielzahl seit Beginn der Hauptverhandlung abgegebener prozessual unzulässiger Äußerungen des Verteidigers, insbesondere solche mit unangemessenen, teilweise beleidigenden und die Autorität, Integrität und Person des Vorsitzenden herabsetzenden Zwischenbemerkungen. Aufgrund des anders nicht abstellbaren Verhaltens des Verteidigers, das insgesamt nicht als anlassbezogene Reaktion anderer Beteiligter oder des Verfahrensablaufs i.S.d. § 43a Abs. 3 BRAO aufzufassen war, wurde Rechtsanwalt V. die o.a. Abmahnung erteilt. Auf den Inhalt wird hiermit ergänzend Bezug genommen. Unter anderem enthielt die Abmahnung folgenden Hinweis:

"...Es wird weiter darauf hingewiesen, dass die vorstehenden herabsetzenden Äußerungen von Rechtsanwalt V. in einer Reihe mit in den vergangenen Hauptverhandlungstagen vielfach von ihm vorgebrachten unangemessenen, teilweise beleidigenden und die Autorität, Integrität und Person des Vorsitzenden herabsetzenden Zwischenbemerkungen waren. Teilweise richteten sich Äußerungen von Rechtsanwalt V. auch gegen die Autorität des gesamten Spruchkörpers. Hinzu kommt, dass Rechtsanwalt V. - verstärkt seit März 2023 - dazu übergegangen ist, dem Vorsitzenden bei seiner Verhandlungsleitung bei sich fast jeder bietenden Gelegenheit ins Wort zu fallen, so dass es für den Vorsitzenden mittlerweile nahezu unmöglich geworden ist, einen Satz ungestört zu Ende führen zu können. Diese Art der - unautorisierten - "Wortmeldung" ist ebenfalls grob prozessordnungswidrig und führt dazu, dass dem Vorsitzenden seine ihm gem. § 238 Abs. 1 StPO obliegende Prozessleitungsbefugnis erheblich erschwert, teilweise sogar unmöglich gemacht wird, da dieser Verhaltensweise - wie in der Vergangenheit mehrfach praktiziert - nur dadurch - wenn auch nur jeweils für kurze Zeit - begegnet werden kann, dass entweder das Mikrofon stumm geschaltet oder die Sitzung für einen kurzen Zeitraum unterbrochen wird.

Es wird darauf hingewiesen, dass weitere unsachliche, ehrverletzende Äußerungen die Grenze des zulässigen prozessualen Verhaltens weit überschreiten und als grobe Pflichtverletzungen Zweifel an der Bereitschaft zu einer sachgerechten Verteidigung begründen und daher Anlass geben können, die Rücknahme der Beiordnung von Rechtsanwalt V. als Pflichtverteidiger - ohne weitere Abmahnung - in Betracht zu ziehen. Es ist nämlich anerkannt, dass für einen Widerruf der Pflichtverteidigerbestellung jeder Umstand in Betracht kommt, der den Zweck der Bestellung, dem Angeklagten einen geeigneten Beistand und den ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens zu sichern, ernsthaft gefährdet (BGH NJW 2001, 625; BVerfG NJW 1998, 444.). Grobe Pflichtverletzungen - etwa die fehlende Bereitschaft zur sachgerechten Verteidigung - können daher die Aufhebung einer Beiordnung rechtfertigen (vgl. auch KG NStZ-RR 2009, 209; OLG Stuttgart, NStZ-RR 2009, 243 ff; OLG Köln NJW 2005, 3588 f. m.w.N.). Der Verteidiger ist verpflichtet, an einer sachdienlichen und prozessual geordneten Verfahrensführung mitzuwirken sowie den Verfahrensabschluss in einer angemessenen Zeit zu fördern (BGH 1 StR 544/09). Sein Vorgehen muss er auf verfahrensrechtlich erlaubte Mittel beschränken; er hat also insbesondere die verfahrensleitende Rolle des Vorsitzenden, wie sie sich aus § 238 Abs. 1, 240 Abs. 2 StPO ergibt, zu akzeptieren und sich rein obstruktiver Maßnahmen zu enthalten. Nehmen störende Unterbrechungen der Verhandlungsleitung des Vorsitzenden oder andere Maßnahmen ein nicht mehr hinnehmbares Ausmaß an, so kann der Pflichtverteidiger folglich im Ausnahmefall "aus wichtigem Grund" entlassen werden (BGH NStZ 1997, 46 f.; NStZ 1988, 510; BVerfG NJW 1975, 1015 ff.).

Der Vorsitzende geht davon aus, dass Rechtsanwalt V. nach dieser Abmahnung von weiteren grob prozessordnungswidrigen Verhaltensweisen einschließlich solcher Äußerungen absehen wird."

Die Rechtsanwalt V. erteilte Abmahnung ist jedoch ohne dauerhafte Wirkung geblieben. Der Verteidiger hat sein erheblich prozessordnungswidriges Verhalten - wie im Folgenden ausgeführt wird - weiter fortgesetzt.

2. Rechtsanwalt V. hat den Vorsitzenden im Hauptverhandlungstermin vom 00.0.2023 (erneut) in unsachlicher, ehrverletzender Weise angegangen und zu Unrecht einer erheblichen Dienstpflichtverletzung beschuldigt.

a) Gegenstand der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung am 00.0.2023 war die (wiederholte) Befragung des Sachverständigen Prof. Dr. K.. Diese wurde vor der Unterbrechung zwecks Mittagspause maßgeblich von Rechtsanwalt V. durchgeführt, der den Sachverständigen ausführlich zu einer in dessen Gutachten erwähnten "Experimentalgruppe" (Menschen mit prothetischer Versorgung) befragte. In der dann eingelegten Mittagspause bestand innerhalb der Kammer Unklarheit, ob der Sachverständige die zur Experimentalgruppe gehörenden Personen - entweder bewusst oder versehentlich - mit "Kontrollgruppe" bezeichnet hatte, was für die Zulässigkeit der weiteren Befragung Auswirkungen gehabt hätte. Insofern hatte die Kammer in einem zuvor verkündeten Beschluss nämlich ausgeführt, dass abgesehen von den Kontrollgruppen kein inhaltlicher Zusammenhang zwischen den im Gutachten erwähnten Studien und dem im hiesigen Verfahren erstatteten Sachverständigengutachten besteht, sodass etwaige Fragen hierzu keinen Sachbezug aufweisen. Um zu klären, ob die vorherigen Äußerungen des Sachverständigen möglicherweise auf Seiten der Kammer falsch verstanden worden waren, begab sich der Vorsitzende vor Wiedereintritt in die Hauptverhandlung zum Sachverständigen, der sich - wie auch Frau Staatsanwältin A. und (zumindest zeitweise) Rechtsanwalt Z. - bereits im Sitzungssaal befand. Rechtsanwalt V. war zu diesem Zeitpunkt nicht zugegen.

Nachdem der Vorsitzende gegenüber dem Sachverständigen erklärt hatte, dass eine Unklarheit aufgetreten sei, fragte er bei diesem nach, ob er bei seinen vorherigen Ausführungen die Kontrollgruppe möglicherweise als Experimentalgruppe, also die prothetisch Versorgten dieser Gruppe, bezeichnet habe. Dieser entgegnete, dass er sich daran nicht erinnern könne, dies aber auch nicht gänzlich auszuschließen vermöge. Ferner stellte der Sachverständige erneut klar, dass die Experimentalgruppe Gegenstand seiner Studien gewesen sei, er aber dem Gutachten einen Vergleich mit der Kontrollgruppe zu Grunde gelegt habe. Diese bestünde aus 13 und weiteren 44 Personen. Der Vorsitzende erklärte dem Sachverständigen sodann, dass er diese Unklarheit zu Beginn der sogleich fortzusetzenden Hauptverhandlung noch einmal ansprechen und ihn anschließend dazu befragen werde. Danach war das Gespräch mit dem Sachverständigen beendet.

Nach Eintritt in die Hauptverhandlung wurden die Verfahrensbeteiligten von den aufgetretenen Unklarheiten unterrichtet. Insbesondere stellte der Vorsitzende voran, dass Unklarheit darüber bestanden habe, ob der Sachverständige die zur Experimentalgruppe gehörenden Personen mit "Kontrollgruppe" bezeichnet hatte und stellte daran anschließend klar, dass künftige Fragen, die die Experimentalgruppe beträfen, entsprechend dem zuvor verkündeten Kammerbeschluss als nicht zur Sache gehörend zurückgewiesen werden könnten. Rechtsanwalt Z. intervenierte, dass er die Unterhaltung mit dem Sachverständigen "über Dinge" habe beobachten können. Zwar habe er diese wegen der Entfernung "akustisch nicht genau verstehen können", habe aber deutlich dabei das Wort "Kontrollgruppe" wahrgenommen. Er bat sodann um Mitteilung des Gesprächsinhalts. Dieser Bitte ist der Vorsitzende nachgekommen und hat Rechtsanwalt Z. mitgeteilt, dass mit dem Sachverständigen "genau über dieses Thema" (sc. mögliche Verwechslung der Gruppen) gesprochen worden sei und alles, was besprochen worden sei, soeben bekannt gegeben worden sei. Im Fortgang der weiteren Diskussion, die dazu führte, dass der Vorsitzende wiederholt den Inhalt des Gesprächs wiedergab, jedoch eine weitere Stellungnahme ablehnte, äußerte Rechtsanwalt V., dies sei eine Salamitaktik. Der Vorsitzende habe (in dem Gespräch mit dem Sachverständigen Prof. Dr. K.) "wesentliche Teile der Beweisaufnahme durchgespielt" und dies den Verfahrensbeteiligten "verheimlicht", dies sei ein "Skandal", der Vorsitzende betreibe eine "Salamitaktik", was einem "Teilschweigen eines Beschuldigten" gleichkomme. Nachdem der Vorsitzende - unter Zurückweisung des Vorwurfs - erklärte, er verwahre sich gegen diese Vorwürfe, und erneut darauf hinwies, dass nunmehr aufgrund einer zwischenzeitlichen Stellungnahme des Sachverständigen zur Zusammensetzung der Kontrollgruppe ausreichend klargestellt sei, was Gegenstand der Besprechung mit dem Sachverständigen gewesen sei, rief Rechtsanwalt V. in den Raum, "... nachdem Sie dies mit ihm geübt haben!" Daraufhin forderte der Vorsitzende Rechtsanwalt V. erneut und eindringlich auf, die Unterstellung dolosen Verhaltens und den Vorwurf der Manipulation der Beweisaufnahme zu unterlassen. Rechtsanwalt V. erwiderte im weiteren Verlauf der Diskussion gegenüber dem Vorsitzenden, dass dieser sich jetzt "äußerst dünnhäutig" verhalte und äußerte weiter: "Der getroffene Hund bellt!".

Die in der Folge gestellten Ablehnungsgesuche der Angeklagten D. und X. wurden mit Beschluss der Kammer vom 00.0.2023 als unbegründet verworfen.

b) Dieses Verhalten von Rechtsanwalt V. ist erneut in erheblicher Weise prozessordnungswidrig, da dieser dem Vorsitzenden zu Unrecht eine Beeinflussung der Beweisaufnahme unterstellt hat. Über den Inhalt des Gesprächs hat der Vorsitzende die Verfahrensbeteiligten in der Hauptverhandlung unverzüglich und vollständig - wie oben wiedergegeben - unterrichtet. Danach bestand kein Grund zu der Annahme, in dem - in Anwesenheit der Sitzungsvertreterin - mit dem Sachverständigen geführten Gespräch sei der weitere Inhalt der Beweisaufnahme vorbesprochen und dem Sachverständigen etwaige Antworten vorgegeben worden. Dies, zumal Rechtsanwalt V. bei dem Gespräch selbst nicht anwesend war und sich lediglich auf die Angaben des Rechtsanwalts Z. stützen konnte, der selbst wiederum angegeben hat, er habe dieses wegen der Entfernung "akustisch nicht genau verstehen können" und lediglich einige Worte des Gesprächs mitbekommen.

Der vorbezeichnete Vorfall wiegt umso schwerer, als Rechtsanwalt V. bereits zu einem früheren Zeitpunkt dem Vorsitzenden zu Unrecht vorgeworfen hatte, in unlauterer Weise Einfluss auf die Beweisaufnahme nehmen zu wollen, weil er Aktenbestandteile vorenthalten habe. Dieser Behauptung liegt folgendes Geschehen zu Grunde:

In den Hauptverhandlungsterminen vom 00. und 00.0.2022 sollte der Sachverständige T. (geprüfter und zertifizierter Sachverständiger für Foto-/Video-Digitale-Forensik, Identifikation lebender Personen anhand von Lichtbildern und der kriminalistischen Forensik - DGuSV e.V.) sein Gutachten mündlich erstatten. Zur Vorbereitung der Gutachtenerstattung erkundigte sich der Sachverständige insbesondere danach, ob es möglich sei, im Saal seine Präsentation abzuspielen, insbesondere ob der Saal mit entsprechenden Beamern, Leinwänden und Audio-Technik ausgestattet sei. Er gedenke, sein Notebook mitzubringen und von diesem aus die Präsentation durchzuführen. Der Vorsitzende bestätigte dies, da die entsprechende Technik vorhanden sei, wies aber auch darauf hin, dass es möglicherweise zu Kompatibilitätsproblemen zwischen dem PC des Sachverständigen und der Beameranlage kommen könne. Daraufhin schlug der Sachverständige vor, die von ihm in einem gängigen Datenformat angefertigte Video-Präsentation auf einen USB-Stick zu kopieren und diesen für die Präsentation benutzen zu wollen, und zwar dergestalt, dass der Stick in den im Sitzungssaal vorhandenen Arbeitsplatzrechner eingesteckt werden solle, von wo aus dann die Beameranlage angesteuert werden könne. Der Sachverständige T. erschien am 00.0.2022 (28. Hauptverhandlungstermin) vor Aufruf der Sache um 9:15 Uhr im Sitzungssaal. Er übergab dem Vorsitzenden, wie abgesprochen, den mitgebrachten USB-Stick. Dieser wurde dann mit Unterstützung eines ebenfalls anwesenden Mitarbeiters der IT-Abteilung des Landgerichts in den im Saal befindlichen, mit der Beameranlage verbundenen Arbeitsplatzrechner des Vorsitzenden eingesteckt. Zur Erstattung des Gutachtens kam es zunächst nicht, weil die Hauptverhandlung wegen eingetretener Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten D. nicht fortgesetzt werden konnte.

In der Hauptverhandlung am 00.0.2022 (29. Hauptverhandlungstermin) wurde der Sachverständige zu seiner Person befragt und teilte einleitend mit, dass er seine Gutachtenerstattung mit der Präsentation des von ihm erstellten Videos beginnen wolle. Im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung kam es dann zu einer Diskussion unter den Verfahrensbeteiligten um die prozessuale Zulässigkeit einer solchen Vorgehensweise. Während der Vorsitzende durchgängig die Auffassung vertrat, dass der Sachverständige sich bei seiner Gutachtenerstattung Hilfsmitteln bedienen könne, wozu auch das von ihm gefertigte Video zähle, waren die Verteidiger der Auffassung, eine solche Art der Gutachtenerstattung sei "prozessual unzulässig", das Gutachten sei mündlich zu erstatten. Neben der Frage, ob der Sachverständige das Video abspielen dürfe, verlagerte sich das Thema der Diskussion auch auf die Frage, ob der von dem Sachverständigen übergebene USB-Stick bzw. das auf diesem vorhandene Video durch Übergabe an den Vorsitzenden Aktenbestandteil geworden sei. Ausgehend von diesem von der Verteidigung eingenommenen Standpunkt wurde beantragt, mit der Gutachtenerstattung nicht vor Gewährung von Akteneinsicht in das Video zu beginnen. Der Vorsitzende erörterte daraufhin mehrfach, wie es zur Anfertigung des USB-Sticks und dessen Übergabe gekommen sei und insbesondere, welcher Zweck hiermit verfolgt werden sollte. Hierbei vertrat der Vorsitzende die Auffassung, dass der USB-Stick bzw. dessen Inhalt kein Aktenbestandteil sei, sondern lediglich ein von dem Sachverständigen zurate gezogenes Hilfsmittel, welches er zur Gutachtenerstattung benutzen wolle. Der Sachverständige habe diesen Stick nicht zur Akte gereicht und auch nicht zur Akte reichen wollen. Vom Inhalt des USB-Sticks habe überdies keiner der Kammermitglieder Kenntnis genommen. In der Folge griff Rechtsanwalt V. die Frage der Akteneinsicht erneut auf und vertrat weiterhin die Ansicht, dass der Vorsitzende den USB-Stick in seiner Eigenschaft als Vorsitzender entgegengenommen habe und er damit ein der Akteneinsicht unterliegender Aktenbestandteil geworden sei. Da dieses bereits mehrfach und umfassend erörterte Thema zum wiederholten Male vorgetragen wurde, äußerte der Vorsitzende gegenüber Rechtsanwalt V., dass er "mal etwas Neues" beanstanden solle. Zur Verdeutlichung seiner Rolle bei der Entgegennahme des Sticks erklärte der Vorsitzende, dass er bei der Entgegennahme des USB-Sticks nicht in seiner Eigenschaft als Vorsitzender, sondern lediglich als "Handlanger" des Sachverständigen tätig geworden sei, wobei er hiermit die Erwartung verbunden hat, durch diese Wortwahl ausreichend verständlich gemacht zu haben, dass der Sachverständige den Stick nicht zur Akte reichen, sondern unter Mithilfe des Vorsitzenden nur die technischen Voraussetzungen für die von ihm beabsichtigte Videopräsentation schaffen wollte. Rechtsanwalt V. vertrat die Auffassung, wenn "etwas" zum Vorsitzenden gelange, sei dies in amtlicher Funktion als Vorsitzender und nicht als "Handlanger" des Sachverständigen geschehen. Der Stick sei bereits jetzt Aktenbestandteil. Weiter führte Rechtsanwalt V. wörtlich aus:

"... und wenn Sie und die übrigen Richter unserem Mandanten und seinen Verteidigern diese wesentlichen Akten weiterhin vorenthalten würden, vor einer Erstattung des Gutachtens, ...",

was den Vorsitzenden dazu veranlasste, mit der Hand auf den Tisch zu schlagen und Rechtsanwalt V. zu unterbrechen, und zwar mit den Worten:

"... Ich enthalte Ihnen hier überhaupt nichts vor! Lassen Sie diese Unverschämtheiten sein!" .

Weiter führte der Vorsitzende aus, Rechtsanwalt V. versuche seine Person und auch sein Vorgehen, eine vernünftige technische Projektion zu ermöglichen, durch die Behauptung einer Unterschlagung zu diffamieren. Rechtsanwalt V. stellte u.a. den Antrag, die Hauptverhandlung zu unterbrechen, damit mit seinem Mandanten erörtert werden könne, ob der Vorsitzende wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen sei. Im Übrigen führte er seine weiteren Beanstandungen aus, indem er das Verhalten des Vorsitzenden als "erbärmlich", wie er es noch nie erlebt habe, bezeichnete.

Das in der Hauptverhandlung vom 00.0.2023 gestellte Ablehnungsgesuch der Angeklagten X. und D. wurde durch Beschluss der Kammer vom 00.0.2023 als unbegründet zurückgewiesen.

3. Des Weiteren hat Rechtsanwalt V. die Durchführung des Hauptverhandlungstermins am 00.0.2023 - im kollusiven Zusammenwirken mit Rechtsanwalt N. - durch vorsätzliches - mithin unentschuldigtes - Fernbleiben von diesem Termin verhindert, was zur Folge hatte, dass die für diesen Termin geladene Sachverständige Dr. R., die bereits zum zehnten Mal vor der Kammer zwecks Befragung erschienen war, nicht vernommen werden und auch eine weitere Förderung des Verfahrens wegen des Fehlens von notwendigen Prozessbeteiligten nicht erfolgen konnte.

a) Mit Verfügung des Vorsitzenden vom 0.0.2023 (Bl. 5205 d.A.) wurden weitere Fortsetzungstermine für den Zeitraum vom 00.0.2023 bis 00.00.2023 bestimmt. In der Hauptverhandlung vom 00.0.2023 wurde ein Kammerbeschluss verkündet, mit dem das gegen den Angeklagten D. geführte Verfahren abgetrennt wurde (Anlage 3 zum Hauptverhandlungsprotokoll vom 00.0.2023 = Bl. 5288 d.A.). Der Beschlusstenor lautete:
Randnummer25

"Das Verfahren gegen den Angeklagten C. D. wird abgetrennt.

Die Bestimmung weiterer Termine sowie evtl. Aufhebungen bereits bestimmter Termine erfolgen von Amts wegen."

Die Hauptverhandlung wurde sodann in dem Ursprungsverfahren fortgesetzt.

Mit Verfügung vom 3.7.2023 (Bl. 5265 d.A.) teilte der Vorsitzende mit, dass der bereits bestimmte Hauptverhandlungstermin vom 0.0.2023 in der nunmehr abgetrennten Sache D. aufgehoben und die Hauptverhandlung am 00.0.2023 fortgesetzt werde. Mit Schriftsatz vom 5.7.2023 (Bl. 5329 d.A.) teilte Rechtsanwalt V. mit, dass er die ursprünglich erfolgte Terminierung wegen der vorgenommenen Abtrennung für unwirksam halte und dem Hinweis auf die Fortsetzung der Hauptverhandlung am 00.0.2023 keine Bedeutung zukomme. Zugleich versicherte er anwaltlich, am 00.0.2023 ganztägig verhindert zu sein. Gleiches teilte Rechtsanwalt N. mit Schriftsatz vom 5.7.2023 mit (Bl. 5350 d.A.). Mit Verfügung vom 6.7.2023 (Bl. 5331 d.A.) wies der Vorsitzende beide Verteidiger darauf hin, dass eine Aufhebung der Termine nicht erfolgt sei und die Ladungsverfügung weiterhin Geltung habe. Ferner teilte er mit, bereits am 5.7.2023 "zur Vermeidung etwaiger Unklarheiten" eine erneute Ladungsverfügung erlassen zu haben, die sich auf dem Postweg befinde.

Zu dem am 00.0.2023 stattgefundenen Hauptverhandlungstermin erschienen beide Verteidiger nicht.

b) aa) Die am 2.6.2023 erfolgte Ladungsverfügung des Vorsitzenden ist wirksam erfolgt; die Ladungen sind den Verfahrensbeteiligten, demnach auch den Verteidigern des Angeklagten D., per Empfangsbekenntnis zugegangen, was nicht im Streit ist. Zu den im Zeitraum vom 0.0.2023 bis 00.0.2023 durchgeführten Hauptverhandlungsterminen sind die Verteidiger erschienen.

bb) Die Ladungsverfügung und die damit verbundene Bestimmung des Hauptverhandlungstermins auch für den 00.0.2023 ist auch nach der mit Beschluss der Kammer vom 30.6.2023 erfolgten Abtrennung des gegen den Angeklagten D. geführten Verfahrens wirksam geblieben. Die Abtrennung des Verfahrens bewirkt lediglich eine prozessuale Selbständigkeit der ursprünglich verbunden geführten Strafverfahren, führt aber nicht dazu, dass einmal wirksame Prozesshandlungen erlöschen.

cc) Jedenfalls ergibt sich eine wirksame Terminierung gerade auch im Hinblick auf den Termin vom 00.0.2023 daraus, dass der Vorsitzende unter dem 5.7.2023 eine erneute Ladungsverfügung erlassen hat, mit der Termine für den Zeitraum vom nunmehr 00.0.2023 bis 00.00.2023 bestimmt wurden (Bl. 5323 ff. d.A.), die den Verfahrensbeteiligten, insbesondere den Verteidigern des Angeklagten D., auch zugegangen ist. Der Wirksamkeit steht nicht entgegen, dass die Termine mit den in dem Ursprungsverfahren 321 Ks 10/21 bestimmten Terminen identisch sind. Diese Tatsache war dem Umstand geschuldet, dass zum Zeitpunkt der Abtrennungsentscheidung noch nicht im Einzelnen vorhersehbar war, wie das Beweisprogramm in beiden Strafverfahren weiter durchzuführen war, denn das Erfordernis, eine Hauptverhandlung im Nachgang zu einer Abtrennung in Bezug auf einzelne Verhandlungstage anzupassen, geht mit einer Abtrennungsentscheidung zwangsläufig einher. So war insbesondere nicht abzusehen, ob einzelne Termine zugunsten der Beweisaufnahme in dem jeweils anderen Verfahren ganz aufgehoben werden mussten oder ob beide Hauptverhandlungen an einem Tag durchgeführt werden konnten, was lediglich eine zeitliche Anpassung der Termine (vormittags/nachmittags) erfordert hätte. Überdies wäre - je nach Zweckmäßigkeit - auch eine Verhandlung nach Maßgabe des § 237 StPO in Betracht zu ziehen gewesen. Dementsprechend sind dann in der Folgezeit die Hauptverhandlungstermine für den 00. und 00.0.2023 in dem Ursprungsverfahren 321 Ks 10/21 (Verfügung vom 3.7.2023 = Bl. 5266 d.A. und Verfügung vom 11.7.2023 = Bl. 5415 d.A.) und der Hauptverhandlungstermin vom 0.0.2023 (Verfügung vom 3.7.2023 = Bl. 5266 d.A.) in dem abgetrennten Verfahren zwecks Durchführung der Beweisaufnahme in dem jeweils anderen Verfahren aufgehoben worden.

c) Die ursprüngliche Ladungsverfügung vom 2.6.2023 ist nicht wieder aufgehoben worden. Soweit von Rechtsanwalt V. behauptet wurde, der Vorsitzende habe

"unmittelbar nach Verkündung des Abtrennungsbeschlusses eine Vorsitzendenanordnung bekannt gegeben, die bisherigen Termine würden aufgehoben, neue Termine würden von Amts wegen bestimmt." (Schriftsatz Rechtsanwalt V. vom 5.7.2023, Bl. 5329 d.A.)

ist dies falsch.

aa) Bereits dem Tenor des Abtrennungsbeschlusses vom 30.6.2023 lässt sich keine Terminsaufhebung entnehmen, sondern nur, dass eine nachträgliche Änderung der Terminslage (Aufhebung oder Bestimmung weiterer Termine) "evtl." von Amts wegen erfolgen werde. Eine unmittelbar nach Verkündung des Abtrennungsbeschlusses und vor Unterbrechung der Hauptverhandlung ergangene - dem Beschlusstenor widersprechende - Anordnung des Vorsitzenden, alle Termine in der abgetrennten Strafsache würden aufgehoben, hat es nicht gegeben, denn im unmittelbaren Anschluss an die Verkündung des Abtrennungsbeschlusses wurde die Unterbrechung der Hauptverhandlung bis 15:00 Uhr angeordnet und der Vorsitzende hat danach den Sitzungssaal unverzüglich und kommentarlos verlassen. Wegen der Vorgänge im Anschluss an die Verkündung des Beschlusses wird auf die beigefügten dienstlichen Stellungnahmen der beisitzenden Richterinnen, der Schöffinnen, des Protokollführers und des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft, OStA J. (Bl. 5536 bis 5544 d.A.), sowie den Inhalt des Entwurfs des Hauptverhandlungsprotokolls vom 00.0.2023 Bezug genommen. Im Übrigen spricht gegen die behauptete Terminsaufhebung, dass diese nicht aktenkundig gemacht worden ist, was allein schon aus Gründen der Rechtssicherheit erforderlich gewesen wäre.

Abgesehen davon spricht eine von Rechtsanwalt V. im unmittelbaren Anschluss an die Unterbrechung abgegebene Äußerung dafür, dass keine Aufhebung der Termine erfolgt ist. Dieser hat nach Anordnung der Unterbrechung der Hauptverhandlung bemerkt, dass unklar sei, welche Hauptverhandlung denn jetzt unterbrochen sei. Diese, von dem Vorsitzenden unkommentiert gebliebene Äußerung wird durch den eigenen Vortrag im Ablehnungsgesuch des Angeklagten D. vom 12.7.2023 (dort S. 44) bestätigt. Sie wäre indes sinnwidrig, wenn tatsächlich Terminsaufhebungen in dem abgetrennten Verfahren anlässlich der Hauptverhandlung vom 00.0.2023 erfolgt wären.

bb) Unerheblich sind in diesem Zusammenhang die angeblichen Äußerungen des Vorsitzenden gegenüber dem Sachverständigen Dr. U.. Die Behauptung, der Vorsitzende hätte

"... jedenfalls in der nach Verfahrensabtrennung angeordneten Unterbrechung der Sitzung in dem Verfahren 321 Ks 10/21 auf Frage erklärt, dass er die bisherigen Termine löschen könne und es in dem Verfahren gegen unseren Mandanten neue Termine gebe. ..." (Schriftsatz Rechtsanwalt V. vom 7.7.2023, Bl. 5353 d.A.),

ist zum einen unzutreffend und zum anderen unerheblich. Gegenüber dem Sachverständigen Dr. U. und der Dolmetscherin Q., die den Vorsitzenden in der Unterbrechung der Hauptverhandlung etwa zeitgleich auf den Fortbestand der Terminierung in der nunmehr abgetrennten Sache gegen den Angeklagten D. ansprachen, ist lediglich klargestellt worden, dass diese über den weiteren Fortgang der Sache, insbesondere die Notwendigkeit, zum Termin erscheinen zu müssen, noch gesondert unterrichtet würden, was vor dem oben geschilderten Hintergrund, dass der Inhalt der Beweisaufnahme in dem Verfahren gegen den Angeklagten D. noch nicht feststand, erforderlich war Im Übrigen wäre die behauptete Äußerung selbst bei Wahrunterstellung ohne jegliche Außenwirkung geblieben, da sie gerade nicht in der Hauptverhandlung verkündet worden ist.

cc) Gegen die behauptete Aufhebung der Termine in dem abgetrennten Verfahren spricht auch die zwischen Rechtsanwalt V. und dem Sachverständigen Dr. U. geführte Korrespondenz. Bereits aufgrund der im Schriftsatz vom 31.7.2023 anlässlich eines Telefonats vom 6.7.2023 mitgeteilten Äußerungen des Sachverständigen Dr. U. (Bl. 5474 d.A.) musste Rechtsanwalt V. von dem Fortbestand der Termine in dem gegen den Angeklagten D. geführten Verfahren ausgehen. Dies gilt umso mehr, als Rechtsanwalt V. am 6.7.2023 nicht nur telefonischen Kontakt mit dem Sachverständigen aufgenommen hatte, sondern - was im Schriftsatz vom 31.7.2023 nicht mitgeteilt wird - von dem Sachverständigen bereits mit E-Mail vom 6.7.2023 eine schriftlich vorformulierte eidesstattliche Versicherung angefordert hatte, mit der der Sachverständige bestätigen sollte, nach Verkündung des Beschlusses über die Abtrennung des Verfahrens gegen den Angeklagten D. eine Äußerung des Vorsitzenden wahrgenommen zu haben, wonach es zu neuen Terminen kommen werde und der Vorsitzende ihm in dem anschließenden persönlichen Gespräch erklärt habe, alle bereits bestimmten Termine seien gegenstandslos und es werde in dem Verfahren gegen den Angeklagten D. zu neuen Terminen kommen.

Der Sachverständige Dr. U., der dem Vorsitzenden noch am 6.7.2023 von dem Telefonat mit Rechtsanwalt V. berichtet hatte, hat die Abgabe einer solchen eidesstattlichen Versicherung jedoch abgelehnt und im Anschluss seine per E-Mail vom 12.7.2023 erfolgte Antwort an Rechtsanwalt V. dem Vorsitzenden übermittelt. Diese an Rechtsanwalt V. gerichtete E-Mail hat folgenden Wortlaut:

Von: "G. B. U. Dr."

Betreff: Terminaufhebung D.

Datum: 12. Juli 2023 um 18:11:28 MESZ
An: RA M. V. , E-Mail03

Sehr geehrter Herr V., sehr geehrter Herr N.,Ich habe mir nach meiner heutigen Gerichtsverhandlung bei Frau P. Zeit genommen, um die Ereignisse vom 00.00.2023 noch einmal detailliert Revue passieren zu lassen: Nach der Verkündung der Abtrennung der Verfahren X. und D. erhob sich Herr Dr. L. von seinem Sitz, hielt sich aber noch am Richtertisch auf und er sagte etwas, was ich nicht erinnere - oder auch gar nicht gehört habe. Jedenfalls fand da irgendeine Interaktion statt, was ich aber nur am Rande wahrnahm. Dann passierte folgendes: Die Dolmetscherin kam auf mich zu und frage mich, was jetzt los sei, ob wir gehen könnten. Daraufhin bin ich zum Vorsitzenden gegangen und wollte wissen, ob die Verhandlung denn nun beendet sei und wir gehen könnten. Zuvor hatte ich mit Dr. L. besprochen, ob ich in größeren Pausen oder gegen Ende der Verhandlung sofort in den Besprechungsraum der Vorführstelle gehen könnte, da ich dort kurzfristig eine Untersuchung für Frau P. mit einem Angeklagten geplant hatte. Der Vorsitzende stimmte dem zuvor zu. Für mich war dann nach dieser Aussage von Dr. L. klar, dass die HV am 00.00. beendet war. Dann interessierten mich ja aber auch noch die Folgetermine, die ja für X./D. gemeinsam angesetzt waren. Ich wollte also vom Vorsitzenden wissen, was damit jetzt sei. Herr Dr. L. erwähnte etwas von einem neuen Aktenzeichen und dass ich und die anderen Verfahrensbeteiligten Nachricht bezüglich dieser Termine "D." bekommen würden. Jetzt weiß ich aber tatsächlich nicht mehr, ob hier von einer "Aufhebung der Termine" gesprochen wurde, oder ob dies lediglich meine laienhafte Interpretation war. Jedenfalls bin ich danach zu unserer Dolmetscherin gegangen und muss ihr wohl sinngemäß gesagt haben, dass die "X.-Termine" für uns aufgehoben worden seien, da wir ja mit der Sache X. nichts zu tun haben. Dem stimmte sie dann auch zu. In dieser durchaus "tumulthaften" Situation am Richtertisch mit Zwischenrufen und Fragen schließe ich jetzt nicht aus, dass ich eigentlich derjenige bin, der von einer "Terminaufhebung" gesprochen hatte, was ich aber selbst nur auf die X.-Thematik bezogen habe wollte. Ich finde es jetzt angemessener, dass Sie mich bezüglich dieser ganzen Gemeingelage einfach in einer der nächsten Verhandlungen befragen, zumal mir jetzt, wo ich mir die ganze Situation noch einmal bildhaft in Erinnerung gerufen habe, Zweifel an einigen Details der skizzierten eidesstattlichen Versicherung aufgekommen sind und ich vor allem unsicher bin, ob ich nicht derjenige bin, der den Begriff "Terminaufhebung" in dieser schon chaotischen Situation benutzt habe.Gerne können wir darüber auch noch telefonieren. Mit freundlichen Grüßen G. B. U.

Die Angaben des Sachverständigen Dr. U. in der E-Mail vom 12.7.2023 sprechen danach indiziell dafür, dass keine Aufhebung der bereits bestimmten Termine seitens des Vorsitzenden erfolgt ist.

dd) Weiter unzutreffend ist die Behauptung, dass Rechtsanwalt V.

"... unmittelbar nach Verkündung des Abtrennungsbeschlusses und der Mitteilung des Vorsitzenden über die Terminierung in dem Verfahren gegen unseren Mandanten [...] die Erteilung einer Abschrift des Beschlusses und die Unterbrechung der Hauptverhandlung ..."

beantragt habe (S. 44 des Ablehnungsgesuchs vom 12.7.2023). Eine solche Antragstellung ist gegenüber dem Vorsitzenden nicht erfolgt, denn dieser hatte unmittelbar nach Anordnung der Sitzungsunterbrechung den Saal verlassen.

ee) Andere Umstände, die auf eine ausdrücklich erklärte Aufhebung von Hauptverhandlungsterminen hindeuten können, liegen entgegen der Auffassung der Verteidigung nicht vor.

Der im Schriftsatz von Rechtsanwalt N. vom 31.7.2023 (Bl. 5481 d.A.) nur unvollständig wiedergegebene Inhalt der an die Dolmetscherin Q. und den Sachverständigen Dr. U. gerichteten Mail des Vorsitzenden vom 1.7.2023 (Bl. 5253 d.A.) spricht gerade nicht von einer Aufhebung von Verhandlungsterminen. Vielmehr wird im ersten Absatz der Mail darauf hingewiesen, dass "zunächst" der Hauptverhandlungstermin vom 0.0.2023 in der Sache D. aufgehoben werde und die Hauptverhandlung am 00.0.2023 fortgesetzt werden solle. Im Übrigen wird lediglich darauf hingewiesen, dass der "Termin- und Verhandlungsplan" in der Sache D. noch nicht feststehe. Eine solche Mitteilung über die Aufhebung des Termins vom 0.0.2023 und den Fortsetzungstermin wäre sinnwidrig, wenn eine Terminsaufhebung tatsächlich erfolgt wäre.

Auch die Tatsache, dass mit Verfügung vom 5.7.2023 (Bl. 5325 ff. d.A.) Hauptverhandlungstermine ab dem 00.0.2023 bestimmt wurden, lässt keinen Rückschluss auf eine zuvor erfolgte Terminsaufhebung zu. Auch insoweit ist der Sachvortrag unvollständig. Mit Schreiben vom 6.7.2023 (Bl. 5331 d.A.) hat der Vorsitzende darauf hingewiesen, dass die Terminsverfügung "zur Vermeidung etwaiger Unklarheiten" erlassen worden sei. Dieser Hinweis war deswegen veranlasst, weil Rechtsanwalt V. im Schriftsatz vom 5.7.2023 die Auffassung vertreten hatte, die bisherige Terminsverfügung sei durch die Abtrennungsentscheidung unwirksam geworden bzw. bestehende Termine seien durch den Vorsitzenden in der Hauptverhandlung vom 00.0.2023 aufgehoben worden.

Die Tatsache, dass die in dem Ursprungsverfahren 321 Ks 10/21 erlassene sitzungspolizeiliche Anordnung in der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten D. nicht zur Anwendung gekommen ist, ist für die Frage einer etwaigen Nichtgeltung der ursprünglichen Terminierung ohne Bedeutung, denn die erlassene Sicherheitsanordnung ist die Folge eines Sicherheitskonzepts der Polizei, welches von vornherein ausschließlich wegen des Angeklagten X. entwickelt worden ist. Die Person des Angeklagten D. war und ist hiervon nicht betroffen.

d) Der danach wirksam bestimmte Hauptverhandlungstermin vom 00.0.2023 ist von Rechtsanwalt V. und Rechtsanwalt N. schuldhaft, nämlich vorsätzlich, versäumt worden, indem diese dem Termin nach übereinstimmender vorheriger Ankündigung ferngeblieben sind und so eine ordnungsgemäße Durchführung der Hauptverhandlung verhindert haben.

aa) Wie bereits unter 3. c) ausgeführt, hat es eine ausdrückliche oder konkludente Aufhebung der bereits am 2.6.2023 bestimmten Termine durch den Vorsitzenden nicht gegeben. Daher ist der Sachvortrag, Rechtsanwalt V. habe eine solche Anordnung "zweifelsohne" gehört (Schriftsatz Rechtsanwalt N. vom 31.7.2023, Bl. 5482 d.A.) bzw.

"... ich bin mir sicher, gehört zu haben, dass Sie am 80. Sitzungstag ... äußerten, die Termine in dem abgetrennten Verfahren würden aufgehoben ..." (Schriftsatz Rechtsanwalt V. vom 31.7.2023, Bl. 5472 d.A.)

falsch. Abgesehen davon, dass der Sachvortrag im Schriftsatz vom 31.7.2023 (Bl. 5485 d.A.) dahingehend modifiziert wurde, dass Rechtsanwalt V. sich "allenfalls verhört" habe, ist dies ohne Bedeutung, weil es keinerlei Äußerung gab, die akustisch hätte missverstanden werden können.

Auch die Tatsache, dass der Vorsitzende im Schreiben vom 6.7.2023 (Bl. 5331 d.A.) auf die vorherige Mitteilung von Rechtsanwalt V. vom 5.7.2023 (Bl. 5329 d.A.) erwiderte, dessen behauptete Verhinderung zur Kenntnis genommen zu haben, entschuldigt das Ausbleiben nicht. Denn mit dieser Mitteilung war weder eine konkludente Aufhebung des Termins noch eine Entbindung des Verteidigers von seiner Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung verbunden. Vielmehr konnte Rechtsanwalt V. nach dem - insoweit nicht weiter mitgeteilten - Inhalt des Schreibens davon ausgehen, dass der Vorsitzende auch nach Abtrennung des Verfahrens an der Fortgeltung seiner einmal erfolgten Terminierungsverfügung festhielt und daher der Termin stattfinden würde. Hierzu heißt es wörtlich

"... Die Ihnen vorliegende Ladungsverfügung vom 2.6.2023 bleibt - entgegen Ihrer Rechtsansicht - auch nach Abtrennung des Verfahrens weiterhin wirksam. ..."

Ebenso wenig konnte Rechtsanwalt V. aufgrund der Tatsache, dass der Vorsitzende nicht auf sein Schreiben vom 7.7.2023 (Bl. 5353 ff. d.A.) reagierte, insbesondere zunächst nicht die hiermit verbundene Beschwerdeeinlegung für den Fall der Aufrechterhaltung der durch den Vorsitzenden getroffenen Entscheidung beschied, davon ausgehen, der Termin werde nicht stattfinden. Denn die gleichzeitig beantragte Aufhebung des Termins vom 00.0.2023 ist gerade nicht erfolgt.

bb) Im Übrigen ergeben sich die Zweifel an einer Wahrnehmung der (angeblichen) Äußerungen des Vorsitzenden im Termin vom 00.0.2023 auch daraus, dass Rechtsanwalt V. hierzu nach eigenem Vortrag sowohl einen anwesenden Saalwachtmeister sowie den Sachverständigen Dr. U., die Dolmetscherin Q. sowie die Rechtsanwälte W., Z. und N. befragt hat. Warum eine Nachfrage bei dem Vorsitzenden nach dem Termin und den aufgekommenen Zweifeln unterblieben ist, erschließt sich nicht.

cc) Die mit Schriftsätzen vom 5.7.2023 mitgeteilte und anwaltlich versicherte ganztägige Verhinderung beider Verteidiger für den Hauptverhandlungstermin vom 00.0.2023 (Bl. 5330, 5350 d.A.) entschuldigt ein Fernbleiben zum Termin nicht. Die darin abgegebenen anwaltlichen Versicherungen ersetzen einen substantiierten Sachvortrag zu Art, Umfang und Dauer der Verhinderung nicht; sie sind allenfalls ein Mittel der Glaubhaftmachung eines - hier nicht erfolgten - Sachvortrags. Dem Vorsitzenden steht von Rechts wegen bei der Entscheidung über die Terminierung ein pflichtgemäßes Ermessen zu, das in erster Linie unter Berücksichtigung der eigenen Terminplanung, der Gesamtbelastung des Spruchkörpers, des Gebots zur Verfahrensbeschleunigung und der berechtigten Interessen aller Prozessbeteiligten auszuüben ist. Eine solche Ausübung ist aber dann nicht möglich, wenn - wie hier - dem Vorsitzenden mit der Verhinderungsanzeige keinerlei Tatsachen an die Hand gegeben werden, so dass er berechtigte Interessen überhaupt nicht in eine Abwägung einstellen kann.

Abgesehen davon erklärt sich nicht, warum beide Verteidiger im Zeitraum zwischen Sitzungsende am 00.0.2023 bis zur Abfassung der Verhinderungsanzeige am 5.7.2023 synchron verhindert waren. Beide Verteidiger hatten mit Schreiben vom 11.5.2023 bzw. 12.5.2023 (Bl. 5163, 5166 d.A.) mitgeteilt, am Hauptverhandlungstermin vom 00.0.2023 mindestens (abwechselnd) bis 13.00 Uhr zur Verfügung stehen zu können. Was sich an dieser Verfügbarkeit im o.a. Zeitraum geändert hat - noch dazu bei beiden Verteidigern gleichzeitig - wird in den anwaltlichen Versicherungen nicht mitgeteilt. Soweit in dem Schriftsatz von Rechtsanwalt N. vom 31.7.2023 (Bl. 5484 d.A.) ausgeführt wird, nach einem Gespräch den Termin in seinem Kalender gestrichen und anders geplant zu haben und dass Rechtsanwalt V. ihm später mitgeteilt habe, am 00.0.2023 nicht mehr verfügbar zu sein, ist dem ebenfalls kein substantiierter Sachvortrag in Bezug auf die (angeblich) zwischenzeitliche Verhinderung zu entnehmen.

In diesem Zusammenhang ist auch von Bedeutung, dass gerade für den Hauptverhandlungstermin vom 00.0.2023 von der Möglichkeit, einen Vertreter gem. § 53 BRAO in die Hauptverhandlung zu entsenden, kein Gebrauch gemacht worden ist, obwohl dies in der Vergangenheit öfter so praktiziert wurde, u.a. auch in den Fällen, in denen nur ein Verteidiger verhindert war und der andere Verteidiger den Termin wahrgenommen hatte.

dd) Der mit Schriftsatz vom 31.7.2023 überreichten "fachärztlichen Bescheinigung" kommt keine Bedeutung zu, denn eine Verhinderung von Rechtsanwalt V. durch angebliche Arbeitsunfähigkeit ist vor dem Hintergrund des vorstehend Ausgeführten unglaubhaft.

So erschließt sich bereits nicht, aus welchem Grund, unter welchen Umständen und in welcher Art und Weise es zu der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gekommen ist. Diese kann jedenfalls nicht zum Nachweis der mit Schriftsatz vom 5.7.2023 (behaupteten) Verhinderung erstellt worden sein, denn zu diesem Zeitpunkt konnte Rechtsanwalt V. noch nicht davon ausgehen, in der Zukunft durch Arbeitsunfähigkeit "ganztags" verhindert zu sein. Naheliegend ist vielmehr, dass Rechtsanwalt V. die auf den 10.7.2023 datierte Bescheinigung zur Vorlage bei der Kammer benötigte, wobei dann wiederum nicht erklärbar ist, warum die Vorlage der Bescheinigung erst mit Schriftsatz vom 31.7.2023, 23.59 Uhr, erfolgte. Nach seinem eigenen Vortrag war Rechtsanwalt V. bereits am 10.7.2023 bekannt, dass die Geschäftsstelle der Kammer versucht hatte, ihn telefonisch zu erreichen. Dann hätte es auch nahe gelegen, das Attest entweder unmittelbar nach diesem Telefonat oder zumindest nach Ablauf des Zeitraums der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit zu übersenden oder telefonische oder schriftliche Mitteilung über die Tatsache der Verhinderung zu machen.

Die behauptete Arbeitsunfähigkeit ist überdies zu keinem Zeitpunkt vor dem 31.7.2023, 23:59 Uhr, gegenüber der Kammer thematisiert worden. Sowohl im Ablehnungsgesuch vom 12.7.2023 als auch in dem weiteren Ablehnungsgesuch vom 25.7.2023 finden sich keine Ausführungen zu einer angeblichen Erkrankung, die einem Erscheinen zum Termin am 00.0.2023 entgegengestanden haben soll, was allerdings naheliegend und zu erwarten gewesen wäre, hätte diese tatsächlich vorgelegen.

Schließlich spricht entscheidend gegen das Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit die Tatsache, dass am 12.7.2023, 23:52 Uhr, ein 55-seitiges Ablehnungsgesuch des Angeklagten D. gegen den Vorsitzenden eingegangen ist, das von Rechtsanwalt V. und Rechtsanwalt N. signiert, mithin also von Rechtsanwalt V. zumindest mitverantwortet worden ist. Inwieweit sich die Mitwirkung an dem umfangreichen Ablehnungsgesuch mit der bis zum 13.7.2023 bescheinigten Arbeitsunfähigkeit vereinbaren lässt, erschließt sich wiederum nicht.

e) Nach einer Gesamtbetrachtung der vorstehend aufgezeigten Umstände kann bei der Abgabe der Verhinderungsanzeigen aufgrund der nach dem 30.6.2023 vorliegenden Synchronizität der behaupteten Verhinderungen, der Inhaltsleere der hierzu abgegebenen anwaltlichen Versicherungen, der erst sprichwörtlich "in letzter Minute" vor Fristablauf eingereichten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sowie des zuvor unternommenen untauglichen Versuchs, dem Vorsitzenden eine Äußerung im Hinblick auf die Aufhebung von Hauptverhandlungsterminen zu unterstellen bzw. zu konstruieren, nur davon ausgegangen werden, dass beide Verteidiger nach Verkündung der Abtrennungsentscheidung vom 00.0.2023 den nächsten Hauptverhandlungstermin im kollusiven Zusammenwirken verhindern wollten.

4. Eine weitere erhebliche Pflichtverletzung i.S.d. § 43a Abs. 3 BRAO besteht darin, dass Rechtsanwalt V. - wie unter Ziffer 3. geschildert - falsche anwaltliche Versicherungen abgegeben hat. Sowohl im Schriftsatz vom 7.7.20232 (Bl. 5354 d.A.) als auch im Ablehnungsgesuch vom 12.7.2023 (Seite 45) wird behauptet und anwaltlich versichert, der Vorsitzende habe unmittelbar nach Verkündung des Abtrennungsbeschlusses eine Anordnung getroffen, dass die Termine in dem abgetrennten Verfahren gegen den Angeklagten D. aufgehoben würden, neue Termine würden von Amts wegen bestimmt werden. Diese Behauptung ist falsch, da außer der im Anschluss an die Verkündung des Abtrennungsbeschlusses verfügten Unterbrechung der Hauptverhandlung bis 15.00 Uhr keinerlei Äußerungen durch den Vorsitzenden mehr gemacht wurden. Auf die oben unter 3. c) bb) angegebenen Beweismittel sowie die hierzu gemachten Ausführungen wird Bezug genommen.

Soweit die von Rechtsanwalt V. abgegebene anwaltliche Versicherung durch den Inhalt der weiteren anwaltlichen Versicherungen der Rechtsanwälte N. vom 7.7.2023 (Bl. 5354 d.A.) und 31.7.2023 (Bl. 5481 und 5483 d.A.), Z. vom 10.7.2023 (Anlage zum Ablehnungsgesuch des Angeklagten D. vom 12.7.2023) und W. vom 6.7.2023 (Anlage zum Ablehnungsgesuch des Angeklagten D. vom 12.7.2023 = Bl. 5352 d.A.) gestützt wird, kommt dem keine Bedeutung zu, denn auch diese Erklärungen sind falsch. Den Versicherungen kommt gegenüber der gegenteiligen Behauptung des Kammervorsitzenden auch keine erhöhte Beweiskraft zu. Soweit in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen wird, dass die Abgabe einer falschen anwaltlichen Versicherung berufsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen könne, gilt die Pflicht zur Wahrhaftigkeit für Richter gleichermaßen.

5. a) Dem Angeklagten ist in ausreichender Weise rechtliches Gehör gewährt worden. Der Antrag der Staatsanwaltschaft Köln auf Rücknahme der Bestellung von Rechtsanwalt V. als Pflichtverteidiger ist im Hauptverhandlungstermin vom 00.0.2023 gestellt und dem Angeklagten D. im vollständigen Wortlaut übersetzt worden. Mit Schreiben des Vorsitzenden vom 10.7.2023 (Bl. 5373 d.A.), welches auch in niederländischer Sprache abgefasst wurde, ist dem Angeklagten D. eine Frist zur Stellungnahme auf den Antrag der Staatsanwaltschaft gesetzt worden. Innerhalb der auf Antrag der Verteidiger verlängerten Frist haben beide Rechtsanwälte mit den Schriftsätzen vom 31.7.2023 eine Stellungnahme abgegeben (Bl. 5472 ff. d.A.). Zudem ist beiden Verteidigern zuvor in der Hauptverhandlung vom 00.0.2023 der genaue Inhalt des Antrags der Staatsanwaltschaft vom 10.7.2023 erneut durch die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft zur Kenntnis gebracht worden. Die eingeholten dienstlichen Stellungnahmen der beisitzenden Richterinnen, der Schöffinnen, des Protokollführers und des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft sind dem Verteidiger des Angeklagten mit E-Mail des Vorsitzenden vom 16.8.2023 (Bl. 5534 ff. d.A.) zur Kenntnisnahme übersandt worden.

b) Durch diese Entscheidung werden Rechte des Angeklagten auf effektive Verteidigung nicht beeinträchtigt. Denn auch nach der Rücknahme der Bestellung von Rechtsanwalt V. ist die Verteidigung des Angeklagten durch die weitere Mitwirkung durch Rechtsanwalt N. in ausreichendem Maße gewährleistet. Rechtsanwalt N. wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 12.4.2021 (Bl. 1889 d.A.) dem damaligen Beschuldigten D. noch im Ermittlungsverfahren als Pflichtverteidiger beigeordnet. Er ist daher bereits seit einem frühen Ermittlungsstadium mit dem Verfahren betraut und hat - bis auf wenige Ausnahmen - an sämtlichen Hauptverhandlungsterminen als Verteidiger teilgenommen. Die Hauptverhandlung kann daher ohne Unterbrechung fortgesetzt werden. Abgesehen davon hat die Kammer ihr wesentliches Beweisprogramm abgearbeitet, so dass für die Anzahl der noch ausstehenden Hauptverhandlungstermine die Mitwirkung nur eines Verteidigers als ausreichend angesehen werden kann.

6. Der Vorsitzende ist an einer Entscheidung zum jetzigen Zeitpunkt trotz einer noch nicht vollständigen Bescheidung der gegen ihn angebrachten Ablehnungsgesuche des Angeklagten D. nicht gehindert. Zwar darf ein abgelehnter Richter vor Entscheidung über das Ablehnungsgesuch keine Entscheidungen treffen. Dies gilt allerdings nicht für die Mitwirkung an solchen Entscheidungen, die keinen Aufschub gestatten (§ 29 Abs. 1 und 2 StPO). In diesem Zusammenhang ist bedeutsam, dass die Durchführung der Hauptverhandlung gem. § 29 Abs. 2 S. 1 1. Hs. StPO generell als unaufschiebbar anzusehen ist, was zur Folge hat, dass der abgelehnte Richter an allen Entscheidungen, die im sachlichen Zusammenhang mit der Hauptverhandlung stehen, insbesondere ihren Fortschritt bewirken sollen, mitzuwirken in der Lage ist. So liegt der Fall hier, weil die Entpflichtungsentscheidung gerade die ordnungsgemäße Verteidigung des Angeklagten, mithin die beschleunigte und prozessordnungsgemäße Weiterführung des Verfahrens betreffend den Angeklagten D., bewirken soll.

Abgesehen davon wird dem Richter bei der Beurteilung des Begriffs "Unaufschiebbarkeit" ein Spielraum dahingehend eingeräumt, dass seine Entscheidung vertretbar und ermessensfehlerfrei zu sein hat (BGH NStZ 2002, 429). Dabei kommt dem Umstand, dass die nach § 29 StPO vorgeschriebene Wartepflicht nicht die Wirkung haben soll, den Abgelehnten sogleich von jeder Mitwirkung in der Sache auszuschließen, für die Ermessensausübung entscheidende Bedeutung zu, denn andernfalls hätte es ein Verfahrensbeteiligter in der Hand, den Fortgang des Verfahrens durch Vorbringen unbegründeter Ablehnungsgesuche zu verhindern (BGH NJW 2003, 2396). Aus diesem Grund war eine Entscheidung bereits zum jetzigen Zeitpunkt veranlasst.


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