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Entscheidungen

StPO

Pflichtverteidiger, rückwirkende Bestellung, Zulässigkeit

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Amberg, Beschl. v. 18.10.2023 - 11 Qs 73/23

Eigener Leitsatz:

Die nachträgliche Bestellung eines Pflichtverteidigers ist unzulässig. Zudem ist ein Zeitraum von einem Monat zwischen dem Antrag auf Bestellung eines Pflichtverteidigers und der AG-Entscheidung „noch“ unverzüglich“.


LG Amberg
11 Qs 73/23
6b Gs 1711/23 AG Amberg

In dem Ermittlungsverfahren

gegen pp.

Verteidiger: Rechtsanwalt

wegen Diebstahls
erlässt das Landgericht Amberg - 1. Strafkammer - durch die unterzeichnenden Richter am 18. Oktober 2023 folgenden


Beschluss

1. Die sofortige Beschwerde des Beschuldigten pp. gegen den Beschluss des Amtsgerichts Amberg vom 21.07.2023 wird als unbegründet verworfen.
2. Der Beschuldigte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

I.

Die Staatsanwaltschaft Amberg führte gegen den Beschuldigten ein Verfahren wegen des Ver-dachts des Diebstahls gemäß § 242 Abs. 1 StGB.

Mit Schriftsatz vom 22.06.2023 beantragte der Verteidiger die Beiordnung als Pflichtverteidiger, da der Beschwerdeführer betäubungsmittelabhängig sei und daher Zweifel an dessen Verteidigungsfähigkeit bestünden.

Mit Verfügung vom 05.07.2023 stellte die Staatsanwaltschaft Amberg das Verfahren gemäß § 154 Abs. 1 StPO ein.

Mit Schriftsatz vom 19.07.2023 erkundigte sich der Verteidiger bei der Staatsanwaltschaft Am-berg nach seinem Antrag auf Pflichtverteidigerbestellung vom 22.06.2023. Mit Verfügung vom 20.07.2023 legte die Staatsanwaltschaft die Akten dem Amtsgericht Amberg zur Entscheidung über den Antrag vom 22.06.2023 vor.

Mit Beschluss vom 21.07.2023 lehnte das Amtsgericht Amberg den Antrag auf Pflichtverteidiger-bestellung ab.

Mit Schriftsatz vom 31.07.2023 legte der Verteidiger gegen die Ablehnung der Pflichtverteidigerbestellung sofortige Beschwerde ein.

Das Amtsgericht Amberg half der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 08.08.2023 nicht ab und legte die Akten der Staatsanwaltschaft Amberg zur Weiterleitung an das Landgericht Amberg vor.

Die Staatsanwaltschaft Amberg beantragte, das Rechtsmittel kostenpflichtig als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die sofortige Beschwerde des Beschuldigten ist nicht widerlegbar fristgerecht eingegangen. Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung entspricht der Sach- und Rechtslage.

Die Kammer hält an ihrer bisherigen Rechtsprechung fest, wonach eine nachträgliche, rückwirkende Bestellung (für den Zeitraum ab Antragstellung) für ein abgeschlossenes Verfahren oder einen abgeschlossenen Instanzenzug unzulässig ist und zwar auch dann, wenn der Beiordnungsantrag rechtzeitig gestellt wurde und in der Sache hätte Erfolg haben können. Denn die Bestellung des Pflichtverteidigers dient nicht dem Kosteninteresse des Betroffenen oder seines Verteidigers, sondern verfolgt allein den Zweck, im öffentlichen Interesse dafür zu sorgen, dass ein Betroffener in schwerwiegenden Fällen rechtskundigen Beistand erhält und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gewährleistet ist.

Soweit in der obergerichtlichen Rechtsprechung (vergleiche OLG Nürnberg, Entscheidung vom 06.11.2020, Aktenzeichen Ws 962, 963/20, OLG Bamberg, Entscheidung vom 29.04.2021, Aktenzeichen 1 Ws 260/21) - nunmehr auch mit Blick auf den mit dem am 13.12.2019 in Kraft getretenen Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019 verfolgten Zweck - teilweise die Auffassung vertreten wird, unter besonderen Umständen sei eine Ausnahme von dem Grundsatz der Unzulässigkeit einer nachträglichen Beiordnung zu machen, namentlich wenn der Antrag auf Beiordnung rechtzeitig vor Abschluss des Verfahrens gestellt wurde, die Voraussetzungen für eine Beiordnung vorlagen und das Begehren in verfahrensfehlerhafter Weise, insbesondere wesentlich verzögert, behandelt wurde, führt dies vorliegend nicht zu einem anderen Ergebnis: Der Antrag auf Bestellung als Pflichtverteidiger erfolgte am 22.06.2023, die Entscheidung über die Ablehnung der Beiordnung als Pflichtverteidiger erging am 21.07.2023. Selbst wenn danach entgegen § 142 Abs. 1 S. 2 StPO der Antrag nicht unverzüglich und auch erst auf Nachfrage dem Gericht vorgelegt worden sein sollte - worüber vorliegend nicht entschieden werden muss - kann von einer wesentlichen Verzögerung der Entscheidung über den Beiordnungsantrag (noch) keine Rede sein.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 473 Abs. 1 StPO.


Einsender: RA J. Jendricke, Amberg

Anmerkung:


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