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Entscheidungen

StPO

Pflichtverteidiger, Schwere der Rechtsfolge, Gesamtstrafe, Nebenfolgen

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Neubrandenburg, Beschl. v. 10.10.2023 - 23 Qs 110/23

Eigener Leitsatz:

Die Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge erfordert eine Pflichtverteidigerbestellung dann, wenn eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr und darüber hinaus zu erwarten ist.


23 Qs 110/23

LG Neubrandenburg

Beschluss

In dem Strafverfahren
gegen pp.

Verteidiger

Rechtsanwalt

wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis u.a.

hat das Landgericht Neubrandenburg - 23. Strafkammer - durch die unterzeichnenden Richter am 10, Oktober 2023 beschlossen:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten pp. gegen den Beschluss des Amtsgerichts Waren (Müritz) vorn 15.09.2023 wird dieser aufgehoben.
2. Dem Angeklagten wird gemäß § 140 Abs. 2 StPO Rechtsanwalt pp. zum Pflichtverteidiger bestellt.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Angeklagten daraus entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse,

Gründe:

I.

Die Staatsanwaltschaft Neubrandenburg hat gegen den Angeklagten unter dem 07.06,2023 Anklage wegen des Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz, Fahrens ohne Fahrerlaubnis und Urkundenfälschung erhoben.

Das Amtsgericht Waren (Müritz) hat die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren vor dem dortigen Strafrichter eröffnet.

Der Verteidiger des Angeklagten hat mit Schriftsatz vom 16.08.2023 seine Beiordnung gemäß § 140 Abs.2 StPO beantragt, da eine Gesamtstrafe zu bilden sei.

Die Staatsanwaltschaft beantragte den Antrag zurückzuweisen, da kein Fall der notwendigen Verteidigung vorliege. Es sei nicht ersichtlich, inwiefern eine Gesamtstrafe zu bilden sei, zudem führe die Notwendigkeit der Bildung einer Gesamtstrafe nicht ohne weiteres dazu, dass ein Fall der notwendigen Verteidigung anzunehmen sei.

Das Amtsgericht Waren (Müritz) lehnte den Antrag auf Pflichtverteidigerbestellung mit Beschluss vom 15.09.2023 ab. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss Bezug genommen.

Mit Schriftsatz vom 25.09.2023 legte der Verteidiger des Beschuldigten sofortige Beschwerde gegen den vorgenannten Beschluss ein. Er führte aus, dass die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Beiordnung eine Pflichtverteidigers gebiete.

Der Angeklagte sei mit Urteil des Amtsgerichts Waren (Müritz) zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten zur Bewährung verurteilt worden. Die Bewährungszeit dauere bis zum 21.04.2024 an. Zudem sei er im Verfahren 743 Js 286/21 zu einer empfindlichen Geldstrafe und im Verfahren 743 Js 7976/22 zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt worden.

Und mit Urteil des Landgerichts Schwerin vom 28.03.2023 sowie der zurückgewiesenen Revision des Angeklagten gegen diese Entscheidung sei das Urteil des Amtsgerichts Ludwigslust vom 27.07.2022 in Höhe von 2 Jahren und 6 Monaten rechtskräftig geworden.

Es läge die notwendige Gesamtstrafenbildung und die Gefahr eines Widerrufs vor. Dies gebiete die Beiordnung.

Die Staatsanwaltschaft beantragte dem Antrag auf Pflichtverteidigung stattzugeben, da in dem Verfahren 743 Js 7976/22 (749) Haftbefehl erlassen worden sei, da sich der Angeklagte sich nicht zum Strafantritt gestellt habe. Zudem wurde auf die rechtskräftige Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verwiesen.

Die durch die Verteidigung benannte achtmonatige Freiheitsstrafe zur Bewährung wurde nicht durch Urteil, sondern im Rahmen einer nachträglichen durch Beschluss gebildeten Gesamtstrafe verhängt (Entscheidung des Amtsgerichts Waren (Müritz) vom 02.05.2022, Az.: 304 Ds 789/21, Bewährungszeit bis zum 21.04.2024). Diese Entscheidung hat bereits Eingang in die Entscheidung des Landgerichts Schwerin vom 27.07.2022 (Az.: 42 Ns 31/22; Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten, rechtskräftig seit dem 12.04.2023) gefunden.

II.

Die Beschwerde des Angeklagten ist statthaft und auch sonst zulässig, §§ 142 Abs.7 i.V.m 311 StPO.

Sie hat auch in der Sache Erfolg.

Nach § 140 Abs.2 StPO liegt ein Fall der notwendigen Verteidigung vor, wenn wegen der Schwere der Tat, der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge oder wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann.

Die Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge kommt dann in Betracht, wenn eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr und darüber hinaus zu erwarten ist (vgl. hierzu auch Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO, 66. Auflage, § 140 Rz. 23 ff. m.w.N.). Dabei sind alle sonstigen Rechtsfolgen, die in dem betreffenden Strafverfahren angeordnet werden können, und sonstige schwerwiegende Nachteile zu berücksichtigen, die der Angeklagte infolge der Verurteilung zu erwarten hat.; darunter fällt auch ein zu erwartender Bewährungswiderruf (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt aaO, Rn 23b, 23c m.w.N.).

Im vorliegenden Fall sind in die, in diesem Verfahren zu treffende Entscheidung die Strafen aus dem Urteil des Landgerichts Schwerin vom 27.07.2023 (Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Mona-ten), des Amtsgerichts Waren (Müritz) vom 22.11.2022 (Az.: 303 Ds 477/22 - 743 Js 7976/22; rechtskräftig seit dem 17.05.2023; Freiheitsstrafe von 8 Monaten) und des Amtsgerichts Ludwigs-lust vom 16.03.2023 (Az.: 33 Cs 152/23 - 743 Js 2600/23; rechtskräftig seit dem 05.04.2023; 80 Tagessätze) einzubeziehen.

Insoweit ist eine Freiheitsstrafe von über einem Jahr zu erwarten, so dass die Beiordnung des Verteidigers des Angeklagten als Pflichtverteidiger anzuordnen war.

II.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 467 StPO analog.


Einsender: RA T. Penneke, Rostock

Anmerkung:


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