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Entscheidungen

StPO

vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis, dringender Tatverdacht, Auslesen der Bewegungsdaten

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Itzehoe, Beschl. v. 11.10.2023 - 2 Qs 137/23

Leitsatz des Gerichts:

Zum (verneinten) Vorliegen eines dringenden Tatverdachts für die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis (hier: Auslesen der Bewegungsdaten des Fahrzeugs).


2 Qs 137/23

Landgericht Itzehoe

Beschluss

In dem Strafverfahren
gegen pp.

Verteidiger:

wegen Verdachts der Trunkenheitsfahrt

hat das Landgericht Itzehoe - 2. Große Strafkammer - durch den Vizepräsidenten des Landgerichts pp., die Richterin am Landgericht pp. und die Richterin pp. am 11. Oktober 2023 beschlossen:

1. Auf die Beschwerde des Angeklagten werden der Beschluss des Amtsgerichts Elmshorn vom 7. August 2023 sowie der diesem zugrunde liegende Beschluss des Amtsgerichts Itzehoe vom 15. Juni 2023 aufgehoben.
2. Die Herausgabe des vom Kreis Pinneberg am 11.05.2020 ausgestellten Führerscheins des Angeklagten wird angeordnet.
3. Die Staatskasse hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die dem Angeklagten darin entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

I.
Mit Beschluss vom 15.06.2023, Az. 40 Gs 1467/23, hat das Amtsgericht Itzehoe dem Angeklagten gemäß §§ 111a StPO, 69 StGB die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen, da der dringende Tatverdacht der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr bestehe.

Gegen diesen Beschluss legte der Verteidiger des Angeklagten mit Schriftsatz vom 03.07.2023 Beschwerde ein.

Mit Verfügung vom 13.07.2023 beantragte die Staatsanwaltschaft - bevor eine Entscheidung über die Beschwerde getroffen werden konnte - beim Amtsgericht Elmshorn den Erlass eines Strafbefehls gegen den Angeklagten, was antragsgemäß passierte. Gegen den Strafbefehl legte der Verteidiger für den Angeklagten fristgemäß Einspruch ein und erinnerte an die Beschwerde gegen die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis.

Das Amtsgericht Elmshorn erließ am 07.08.2023 einen Beschluss, nach dessen Tenor dem Angeklagten die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen wird, wobei es in der Begründung ausführte, dass die nicht beschiedene Beschwerde wegen Erhebung der öffentlichen Klage als Antrag an das erstinstanzliche Gericht auszulegen sei.
Auch gegen diesen Beschluss hat der Verteidiger Beschwerde eingelegt.

II.

Soweit das Amtsgericht Elmshorn erneut die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet hat, ist dies bei zutreffender Würdigung dahingehend auszulegen, dass die Aufhebung der vorläufigen Entziehung abgelehnt wird. Die am 03.07.2023 eingelegte Beschwerde des Angeklagten gegen die von der Ermittlungsrichterin angeordnete Entziehung der Fahrerlaubnis war angesichts des Mitte Juli gestellten Antrags auf Erlass eines Strafbefehls – wie geschehen – als Antrag an das nunmehr zuständige Gericht auf Aufhebung der Maßnahme zu verstehen. Dieser Antrag wurde durch die Entscheidung des Amtsgerichts Elmshorn vom 07.08.2023 auch beschieden.

Die dagegen gerichtete, gemäß § 304 StPO zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

Die Voraussetzungen der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis und der darauf beruhenden Beschlagnahme des Führerscheins liegen nicht vor.

Voraussetzung einer Maßnahme nach § 111a Abs. 1 Satz 1 StPO ist das Vorliegen von dringenden Gründen für die Annahme, dass in einem Urteil die Maßregel nach § 69 StGB angeordnet werden wird. Dies erfordert dringenden Tatverdacht und einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit, dass das Gericht den Beschuldigten für ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen halten und ihm daher die Fahrerlaubnis entziehen werde (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl. 2023, § 111a Rn. 2). Nach § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB ist der Täter in der Regel als ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeugs anzusehen und die Fahrerlaubnis deshalb zu entziehen, wenn er ein Vergehen nach § 316 StGB (Trunkenheit im Verkehr) begangen hat.

Derzeit ist aber nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass dem Angeklagten die Fahrerlaubnis gemäß § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB entzogen werden wird. Denn es liegen keine dringenden Gründe für die Annahme vor, dass der Angeklagte im Verkehr ein Fahrzeug geführt hat, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der war, das Fahrzeug sicher zu führen.

Die Zeugen pp. und pp. haben zwar angegeben, dass der Angeklagte mit seinem Fahrzeug neben ihnen (ein)parkte. Die vorgelegten Bewegungsdaten des Fahrzeugs, mit dem der Angeklagte sich auf den Parkplatz begeben hatte und bei dem es sich um einen Firmenwagen handelt, widersprechen dem aber. Danach ist nicht davon auszugehen, dass der Angeklagte zu einem Zeitpunkt um kurz vor 13.20 Uhr das Fahrzeug führte. Aus ihnen ergibt sich lediglich, dass das Fahrzeug um 11.27 Uhr entriegelt und um 13.16 Uhr verriegelt wurde. Eine Bewegung in der Zwischenzeit ist dem nicht zu entnehmen. Die Bewegungsdaten hat ausweislich der schriftlichen Angaben des Herrn pp. des Arbeitsgebers des Angeklagten, er selbst und nicht der Angeklagte ausgelesen. Dem Privatgutachten liegen zwar nur diese von Herrn pp. an den Angeklagten übermittelten Screenshots der Bewegungsdaten zugrunde, allerdings lässt sich dem Gutachten zumindest entnehmen, dass man die Daten nicht manipulieren könne. Der den 02.06.2023 betreffenden Übersicht kann man zudem auch geringe Entfernungen von unter einem Kilometer entnehmen, das System erfasst also auch sehr kurze Strecken.

Letztlich muss die Klärung des Sachverhalts der Hauptverhandlung vorbehalten bleiben und der Widerspruch dort geklärt werden. Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen ist aber nicht davon auszugehen, dass dem Angeklagten die Fahrerlaubnis gemäß § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB entzogen werden wird.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung von § 467 Abs. 1 StPO


Einsender: RA T. Frings, Itzehoe

Anmerkung:


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