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Entscheidungen

beA

beA, Rechtsbeschwerdebegründung, Rechtsanwalt in eigener Sache, Wiedereinsetzungsgrund, Substantiierungsanforderungen, technische Störung

Gericht / Entscheidungsdatum: BayObLG, Beschl. v. 14.07.2023 - 201 ObOWi 707/23

Leitsatz des Gerichts:

1. Die Pflicht zur Begründung der Rechtsbeschwerde durch ein elektronisches Dokument (§ 32d Satz 2 StPO i.V.m. § 110c Satz 1 OWiG) gilt zumindest dann auch für den Rechtsanwalt, der selbst Betroffener ist, wenn dieser als Rechtsanwalt auftritt.
2. Wird die Rechtsmittelbegründung ausnahmsweise nicht in elektronischer Form übersandt, ist darzulegen und glaubhaft zu machen, dass im Zeitpunkt der Übersendung eine grundsätzlich einsatzbereite technische Infrastruktur zur elektronischen Übermittlung von anwaltlichen Schriftsätzen an die Gerichte existierte und eine nur vorübergehende technische Störung gegeben war.


In pp.

I. Der Antrag des Betroffenen auf Wiedereinsetzung in den Stand vor Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Hof vom 05.04.2023 wird als unzulässig verworfen.
II. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das vorgenannte Urteil wird als unzulässig verworfen.
III. Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen, der Rechtsanwalt ist, in dessen Anwesenheit aufgrund der Hauptverhandlung vom 05.04.2023 wegen einer am 29.12.2020 begangenen Ordnungswidrigkeit des vorsätzlichen Verstoßes gegen § 3 der 11. BayIfSMV (nächtliche Ausgangssperre) zu einer Geldbuße von 500 Euro verurteilt. Gegen dieses Urteil legte der Betroffene zur Niederschrift der zuständigen Rechtspflegerin des Amtsgerichts am 12.04.2023 Rechtsbeschwerde ein. Nach Zustellung des Urteils an den Betroffenen am 19.04.2023 begründete der Betroffene die Rechtsbeschwerde mit Schriftsatz vom 16.05.2023, eingegangen am 18.05.2023 im Nachtbriefkasten per Einwurf. Die Generalstaatsanwaltschaft München hat mit Antragsschrift vom 19.06.2023 beantragt, die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Hof vom 05.04.2023 als unzulässig zu verwerfen, da die Begründung der Rechtsbeschwerde nicht in elektronischer Form eingereicht und damit formunwirksam sei. Dazu hat sich der Betroffene nach Zustellung der Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft München am 30.06.2023 mit Gegenerklärung vom 06.07.2023, eingegangen per beA am 07.07.2023, geäußert und ausgeführt, „wegen technischer Schwierigkeiten mit dem Laden“ seines Sicherheitstokens des beA-Postfachs die Beschwerdebegründung zur Fristwahrung in schriftlicher Form eingereicht zu haben. Zugleich übermittelte er die Rechtsbeschwerdebegründung per beA.

II.

Sowohl der als solcher auszulegende Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als auch die Rechtsbeschwerde erweisen sich als unzulässig.

1. Wie die Generalstaatsanwaltschaft München in ihrer Zuleitungsschrift vom 19.06.2023 zutreffend ausführt, ist die Rechtsbeschwerde unzulässig, weil sie nicht nach Maßgabe des § 32d Satz 2 StPO i.V.m. § 110c Satz 1 OWiG formgerecht begründet wurde. Nach § 32d Satz 2 StPO sind Rechtsanwälte seit 01.01.2022 verpflichtet, die Revision und ihre Begründung als elektronisches Dokument zu übermitteln. Dies gilt über § 110c Satz 1 OWiG für die Rechtsbeschwerde und deren Begründung in gleicher Weise. Wird die zwingend vorgeschriebene Form - wie hier - nicht eingehalten, so erweisen sich die entsprechenden Verfahrenshandlungen als unwirksam (vgl. BT-Drs. 18/9416 S. 51; BGH, Beschl. v. 20.4.2022 – 3 StR 86/22 = BeckRS 2022, 13173; BeckOK/Valerius StPO [47. Ed.] § 32d Rn. 4; Krenberger/Krumm OWiG 7. Aufl. § 110c Rn. 13).

a) Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Betroffene als zugelassener Rechtsanwalt die Begründungsschrift selbst unterzeichnet hat und zugleich der Betroffene ist. § 32d StPO gilt für Verteidiger und Rechtsanwälte. Der Behandlung des Betroffenen als Rechtsanwalt steht nicht entgegen, dass er vorliegend nicht für einen Dritten, sondern in eigener Angelegenheit auftritt.

Der Wortlaut des § 32d StPO lässt nicht erkennen, ob der Begriff des Rechtsanwalts status- oder rollenbezogen verwandt wird, ob also der Status als Rechtsanwalt genügt, um den Pflichten des § 32d StPO zu unterliegen oder ob darüber hinaus zu fordern ist, dass der Rechtsanwalt im konkreten Fall auch tatsächlich als solcher auftritt (vgl. zur Parallelvorschrift des § 55d VwGO VG Berlin, Beschl. v. 05.05.2022 - VG 12 L 25/22 = BeckRs 2022, 9921). Dies kann hier aber dahinstehen, denn der Betroffene ist hier als Rechtsanwalt aufgetreten und hat daher bewusst diese Rolle eingenommen, was im Hinblick auf § 345 Abs. 2 StPO zur Formwirksamkeit auch erforderlich ist. Deshalb gilt § 32d StPO auch dann, wenn der Betroffene selbst Rechtsanwalt ist und für sich selbst auftritt. Der im Straf-bzw. Bußgeldverfahren beschuldigte Rechtsanwalt kann zwar in eigener Sache nicht selbst Verteidiger sein (BVerfG NStZ 1998, 363, 364), wegen der Regelung des § 345 Abs. 2 StPO aber als Angeklagter bzw. Betroffener und Rechtsanwalt die Revisionsbegründungs- oder Rechtsbeschwerdebegründungsschrift selbst unterzeichnen (LR/Franke StPO 26. Aufl. § 345 Rn. 20 m.w.N.). Dann muss er sich aber auch daran festhalten lassen, wenn er dies als Rechtsanwalt tut.

Dies gereicht aus rechtsstaatlicher Sicht dem Betroffenen, der selbst Rechtsanwalt ist, auch nicht zum Nachteil, denn die Möglichkeit für den Betroffenen, die entsprechende Erklärung nicht in Schriftform abzugeben, sondern zu Protokoll der Geschäftsstelle zu erklären, wird durch § 32d StPO nicht eingeschränkt, weil die Vorschrift von vornherein nur die schriftliche Einreichung von Verfahrenserklärungen erfasst (BT-Drs. 18/9416 S. 51). Wenn der Betroffene aber als Rechtsanwalt auftritt, muss er auch die für Rechtsanwälte geltenden zwingenden Formvorschriften einhalten. Aus der Gesetzesbegründung des § 32d StPO wird deutlich, dass das besondere Formerfordernis nicht für Beschuldigte/Betroffene, nicht vertretene Nebenkläger und sonstige Verfahrensbeteiligte gelten soll (vgl. BT-Drs. 18/9416 S. 51). Ausgenommen werden sollte also vor allem der ‚einfache‘ Bürger in seinem Kontakt mit der Strafjustiz, dessen Zugang nicht erschwert werden sollte (vgl. auch BT-Drs. 18/9416, S. 2 f.). Das trifft für den Betroffenen, der selbst Rechtsanwalt ist, nicht zu. Für die Geltung spricht schließlich auch der Sinn und Zweck der Norm, denn eine elektronische Aktenführung kann nur dann die damit verbundenen Vorteile voll umfänglich entfalten, wenn möglichst alle Prozessbeteiligten ihre Beiträge systemgerecht einreichen (vgl. KK/Graf StPO 9. Aufl. § 32d Rn. 1), folglich sollte der davon ausgenommene Personenkreis möglichst klein bleiben (vgl. KG, Beschl. v. 22.06.2022 – 3 Ws [B] 123/22 = BeckRS 2022, 28719 zu Hochschulprofessoren).

b) Zwar wäre gemäß § 32d Satz 3 StPO i.V.m. § 110c Satz 1 OWiG die Übermittlung in Papierform ausnahmsweise zulässig gewesen, falls eine Übermittlung als elektronisches Dokument aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich gewesen sein sollte. Der Betroffene bringt in der Gegenerklärung technische Schwierigkeiten mit dem beA vor. Dies hätte aber der Beschwerdeführer nach § 32d Satz 4 StPO bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft machen müssen. Das ist hier nicht der Fall. War der Verteidiger verhindert, die zeitliche Vorgabe zu erfüllen, etwa weil er erst kurz vor Fristablauf feststellt, dass eine elektronische Einreichung nicht möglich ist, muss er unverzüglich danach den erforderlichen Vortrag einschließlich der Umstände seiner Verhinderung, die ebenfalls glaubhaft zu machen sind, dem Gericht mitteilen (vgl. BT-Drs. 18/9416 S. 51). Unverzüglich bedeutet dabei ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB; vgl. Bosbach in Dölling/Duttge/Rössner, Gesamtes Strafrecht, 5. Aufl., § 32d StPO Rn. 4; BT-Drucks. 18/9416 S. 51). Der per Einwurf in den Nachtbriefkasten am 18.05.2023 übermittelte Schriftsatz vom 16.05.2023 enthält weder einen Tatsachenvortrag zu der vorübergehenden technischen Unmöglichkeit der elektronischen Übermittlung noch eine entsprechende Glaubhaftmachung. Auch die Gegenerklärung vom 06.07.2023 erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 32d Satz 4 StPO. Der bloße Vortrag technischer Schwierigkeiten stellt nicht ansatzweise einen ordentlichen Sachvortrag dar, der die Einschätzung zuließe, dass die Übermittlung des Schriftsatzes als elektronisches Dokument zum damaligen Zeitpunkt nicht möglich war. Es unterbleibt jeder substantiierte Vortrag dazu, ob zunächst der Versuch unternommen wurde, den Schriftsatz elektronisch zu übermitteln, und ob dies gescheitert ist (vgl. auch BGH, Beschl. v. 30.08.2022 - 4 StR 104/22 = BeckRS 2022, 25316).

2. Eine Gewährung von Wiedereinsetzung in den Stand vor Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde, die voraussetzt, dass der Betroffene ohne Verschulden verhindert war, diese Frist einzuhalten (§ 44 Satz 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG), kommt nicht in Betracht. Der als solcher auszulegende Wiedereinsetzungsantrag des Betroffenen leidet schon an durchgreifenden Mängeln im Tatsachenvortrag und dessen Glaubhaftmachung im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist demjenigen zu gewähren, der ohne Verschulden verhindert war, eine Frist einzuhalten (§ 44 Satz 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG). Der Antrag ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Innerhalb der Wochenfrist muss der Antragsteller auch Angaben über den Wiedereinsetzungsgrund machen. Die erforderlichen Angaben sind, ebenso wie ihre Glaubhaftmachung, Voraussetzung der Zulässigkeit des Antrags (vgl. BGH, Beschl. v. 14.01.2015 - 1 StR 573/14 = NStZ-RR 2015, 145 f.). Ein Wiedereinsetzungsantrag muss daher unter konkreter Behauptung von Tatsachen so vollständig begründet werden, dass ihm die unverschuldete Verhinderung des Antragstellers entnommen werden kann (vgl. LR/Graalmann-Scheerer StPO 27. Aufl. § 45 Rn. 13). Vorzutragen ist stets ein Sachverhalt, der ein der Wiedereinsetzung entgegenstehendes Verschulden ausschließt. Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Der Betroffene hat in seinem Antrag nicht glaubhaft gemacht, dass das Fristversäumnis nicht auf sein Verschulden zurückgeht. Dem Vorbringen lässt sich nämlich nicht entnehmen, dass es dem Betroffenen vor Fristablauf tatsächlich unmöglich gewesen ist, die Begründung rechtzeitig per beA einzureichen. „Technische Schwierigkeiten“ sind nicht mit Unmöglichkeit gleichzusetzen. Ebenso fehlt das Vorbringen, warum es ihm nicht möglich gewesen ist, noch vor der Gegenerklärung zu den „technischen Schwierigkeiten“ vorzutragen.

3. Nur der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass die Rechtsbeschwerde, wie die Generalstaatsanwaltschaft München zutreffend dargelegt hat, auch unbegründet wäre.

III.

Die Verwerfung des Wiedereinsetzungsantrags bedarf keiner gesonderten Kostenentscheidung, wenn - wie hier - bereits die Ausgangsentscheidung dem Antragsteller die Kosten auferlegt (Meyer-Goßner/Schmitt StPO 66. Aufl. § 473 Rn. 38; KK/Gieg a.a.O. § 473 Rn. 16).

Im Übrigen beruht die Kostenentscheidung auf § 473 Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG.

Gemäß § 80a Abs. 1 OWiG entscheidet der Einzelrichter.


Einsender: RiBayObLG Dr. G. Gieg, Bamberg

Anmerkung:


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