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Entscheidungen

Verwaltungsrecht

Entziehung der Fahrerlaubnis, Drogenfahrt, E-Scooter, Einlassung

Gericht / Entscheidungsdatum: VG Berlin, Beschl. v. 17.07.2023 - VG 11 L 184/23

Eigener Leitsatz:

1. Auch beim (erlaubnisfreien) Fahren mit einem Elektrokleinstfahrzeug wie einem E-Scooter ist das Trennungsgebot zu beachten.
2. Die Grenze hinnehmbaren Cannabiskonsums ist überschritten, wenn auch nur die Möglichkeit einer cannabisbedingten Beeinträchtigung der Fahrsicherheit besteht.
3. Ggf. bedarf es eines Sachverständigengutachtens um zu klären, ob ein gelegentlich Cannabis konsumierende Antragsteller nur einmalig nicht zwischen dem Cannabiskonsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs getrennt habe oder dies auch in Zukunft nicht tun werde.


In der Verwaltungsstreitsache

hat die 11. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin

durch pp.

am 17. Juli 2023 beschlossen:

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 2.500.- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 20. Juni 2023 gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis und Verpflichtung zur Abgabe seines Führerscheins durch den Bescheid des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten vom 2. Juni 2023 wiederherzustellen, hat keinen Erfolg.

I. Soweit sich der Antrag auf die Entziehung der Fahrerlaubnis des Antragstellers bezieht, ist er zulässig. Insbesondere ist er nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO statthaft, da das Landesamt für Bürger und Ordnungsangelegenheiten in Ziffer 4 seines Bescheides vom 2. Juni 2023 die sofortige Vollziehung der Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet hat.

Der Antrag ist jedoch unbegründet.

1. Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung genügt den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Die Vorschrift, nach der das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen ist, normiert formelle Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsakts; ob die Erwägungen der Behörde auch inhaltlich zutreffen, ist im Rahmen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO unbeachtlich. Die Begründung darf zwar nicht bloß formelhaft, sondern muss einzelfallbezogen sein. Allerdings belegen bei Maßnahmen der Gefahrenabwehr – wie hier – die den Erlass des Verwaltungsakts rechtfertigenden Gründe in der Regel zugleich die Dringlichkeit der Vollziehung (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10. Juni 2009 – OVG 1 S 97.09 –, juris Rn. 3). Gemessen daran wird die im Bescheid vom 2. Juni 2023 gegebene Begründung den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO gerecht. Der Antragsgegner hat das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung damit begründet, dass mit einer weiteren Teilnahme des Antragstellers eine Gefährdung der Sicherheit des Straßenverkehrs verbunden sei. Da der Antragsteller an der Ausräumung der vorhandenen Eignungsbedenken nicht mitgewirkt habe, wolle er offenbar einen ihm bekannten Eignungsmangel verbergen. Der Antragsgegner hat damit hinreichend deutlich und einzelfallbezogen zu erkennen gegeben, dass er sich des Ausnahmecharakters der Anordnung der sofortigen Vollziehung bewusst war.

2. Das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Bescheides überwiegt das Interesse des Antragstellers, vorerst von der Vollziehung verschont zu bleiben. Bei der Interessenabwägung ist zu seinen Lasten zu berücksichtigen, dass nach – im vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein möglicher – summarischer Prüfung sein Widerspruch unbegründet ist, da die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtmäßig ist und ihn nicht in seinen Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

a) Der Entziehungsbescheid ist formell rechtmäßig. Insbesondere ist der Antragsteller mit Schreiben vom 16. Mai 2023 im Sinne des § 1 Abs. 1 VwVfG Bln i.V.m. § 28 Abs. 1 VwVfG ordnungsgemäß angehört worden.

b) Auch materiell erweist sich der Entziehungsbescheid nach summarischer Prüfung als rechtmäßig. Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis sind § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV). Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde demjenigen die Fahrerlaubnis zu entziehen, der sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Die Fahrungeeignetheit des Betroffenen muss nachgewiesen sein. Wenn Tatsachen bekannt werden, die Bedenken gegen die Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs begründen, kann die Fahrerlaubnisbehörde unter den in den §§ 11 bis 14 FeV genannten Voraussetzungen eine weitere Aufklärung, insbesondere durch Anordnung der Vorlage ärztlicher oder medizinisch-psychologischer Gutachten, betreiben (§§ 3 Abs. 1 Satz 3, 2 Abs. 8 StVG, § 46 Abs. 3 FeV). Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er das von der Fahrerlaubnisbehörde geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung schließen (§ 11 Abs. 8 Satz 1 FeV). Ein Schluss auf die Nichteignung ist dabei nur zulässig, wenn die Anordnung des Gutachtens formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist (st. Rspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2016 – BVerwG 3 C 20.15 –, juris Rn. 19). Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

(1) Die Gutachtenaufforderung vom 30. Januar 2023 ist formell rechtmäßig. Da sie nicht selbständig anfechtbar ist, sondern nur im Rahmen eines Rechtsbehelfsverfahrens inzident auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden kann, ist es ein Gebot effektiven Rechtsschutzes, strenge Anforderungen an sie zu stellen. Sie muss deshalb im Wesentlichen aus sich heraus verständlich sein. Für den Betroffenen muss klar erkennbar sein, was der Anlass für die angeordnete Untersuchung ist und ob die in ihr verlautbarten Gründe die behördlichen Bedenken an der Kraftfahreignung zu rechtfertigen vermögen. Denn nur auf der Grundlage dieser Information kann er sachgerecht einschätzen, ob er sich trotz der mit einer Untersuchung verbundenen Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts und der Kostenbelastung der Begutachtung stellen oder die mit der Verweigerung der Begutachtung verbundenen Risiken eingehen möchte. Vor diesem Hintergrund muss die Gutachtenanordnung hinreichend bestimmt erkennen lassen, aufgrund welcher Umstände die Behörde Eignungszweifel hegt. Ferner muss eine von der Behörde für die Gutachtenanordnung angegebene Rechtsgrundlage zutreffen; ein nachträgliches Austauschen der Rechtsgrundlage ist grundsätzlich unzulässig (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26. Februar 2016 – OVG 1 M 39.14 –, n.v.). Diesen Maßgaben wird die Aufforderung vom 30. Januar 2023, ein medizinisch-psychologisches Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung vorzulegen, gerecht.

Der Antragsgegner stellt darin hinreichend genau dar, weshalb er Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers hegt und auf welche Weise diese geklärt werden sollen. Er führt aus, dass der Antragsteller am 11. Juli 2022 ein Elektrokleinstfahrzeug (E-Scooter) im öffentlichen Straßenverkehr geführt habe, obwohl er Cannabis konsumiert habe. In der entnommenen Blutprobe seien 4,4 ng/ml THC, 33,0 ng/ml THC-Carbonsäure und 1,7 ng/ml 11-Hydroxy-THC festgestellt worden. Der gelegentliche Cannabiskonsum des Antragstellers ergebe sich aus dem Umstand, dass bereits die Verkehrsteilnahme unter dem Einfluss von Cannabis den Schluss auf eine mehr als einmalige, gleichsam experimentelle Cannabisaufnahme rechtfertige, wenn der auffällig gewordene Fahrerlaubnisinhaber die Umstände des Erstkonsums – wie hier – nicht einmal behaupte, geschweige denn die näheren Umstände konkret und glaubhaft darlege. Der Antragsteller habe zudem angegeben, dass er jeden Tag Cannabis konsumiere und jeden Tag Auto fahre. Die hiernach entstandenen Zweifel an der Fahreignung seien durch ein medizinisch-psychologisches Gutachten zu klären. Die Formulierung der im medizinisch-psychologischen Gutachten zu beantwortenden Frage begegnet keinen Bedenken. Gefragt wird zutreffend und nachvollziehbar danach, ob zu erwarten ist, dass der Antragsteller zukünftig ein Kraftfahrzeug unter dem Einfluss von Cannabis führen wird (Fähigkeit zum Trennen von Konsum und Verkehrsteilnahme) und ob psycho-funktionale Beeinträchtigungen vorliegen, die das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs der Klassen AM, B und L in Frage stellen.

Auch die Vorgaben des § 11 Abs. 6 Satz 2 Hs. 2 FeV sind erfüllt. Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde dem Betroffenen mitzuteilen, dass er die an den Gutachter zu versendenden Unterlagen einsehen kann. Ein solcher Hinweis findet sich in ausreichender Form auf Seite 2 der Gutachtenanordnung. Dort heißt es, dass der Antragsteller vor Übersendung der Unterlagen die Möglichkeit habe, Akteneinsicht zu nehmen. Bei verständiger Würdigung ist damit hinreichend klargestellt, dass die zu übersendenden Unterlagen aus der kompletten über den Antragsteller geführten Fahrerlaubnisakte bestehen.

In der Gutachtenanordnung wird der Antragsteller weiterhin gemäß § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV darauf hingewiesen, dass der Antragsgegner – sofern das Gutachten nicht fristgerecht beigebracht werde – davon ausgehe, dass er zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht geeignet sei. Schließlich ist die angegebene Rechtsgrundlage für die Aufforderung, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, zutreffend. Korrekt werden die §§ 46 Abs. 3, 14 Abs. 1 Satz 3 FeV zitiert.

(2) Die Gutachtenanordnung ist auch materiell rechtmäßig. Sie findet ihre Rechts-grundlage in § 46 Abs. 3 i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV. Hintergrund der Gutachtenanordnung ist die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach bei einem gelegentlichen Konsumenten von Cannabis, der erstmals unter einer fahrsicherheitsrelevanten Wirkung von Cannabis ein Kraftfahrzeug geführt hat, die Fahrerlaubnisbehörde in der Regel nicht ohne weitere Sachaufklärung von fehlender Fahreignung ausgehen darf. Erforderlich für die Fahrerlaubnisentziehung ist in solchen Fällen die Prognose, dass der Betroffene auch künftig nicht zwischen einem seine Fahrsicherheit möglicherweise beeinträchtigenden Cannabiskonsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs trennen wird. Damit diese Prognose auf eine hinreichend abgesicherte Grundlage gestützt werden kann, bedarf es in der Regel eines medizinisch-psychologischen Gutachtens, über dessen Einholung die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 46 Abs. 3 i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden hat (BVerwG, Urteil vom 11. April 2019 – BVerwG 3 C 14.17 –, juris Rn. 10). Nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV kann die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet werden, wenn gelegentliche Einnahme von Cannabis vorliegt und weitere Tatsachen Zweifel an der Eignung begründen. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

Bei dem Antragsteller handelt es sich um einen gelegentlichen Konsumenten von Cannabis. Gelegentlicher Konsum liegt vor, wenn der Betroffene in zumindest zwei selbstständigen Konsumvorgängen Cannabis zu sich genommen hat und diese Konsumvorgänge einen gewissen, auch zeitlichen Zusammenhang aufweisen (BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 2014 – BVerwG 3 C 3/13 –, juris Rn. 17 ff.). Die eigenen Angaben des Klägers legen hier einen solchen Gelegenheitskonsum nahe. Weder im Rahmen der polizeilichen Anhörung noch im Fahrerlaubnisentziehungsverfahren hat der Antragsteller einen erstmaligen Konsum behauptet. Nach den unwidersprochenen Feststellungen im polizeilichen Tätigkeitsbericht vom 11. Juli 2022 gab der Antragsteller vielmehr gegenüber der Polizei an, dass er „jeden Tag rauche", wobei er dem Kontext nach den Konsum von Cannabis gemeint hat. Hieraus kann auf einen regelmäßigen Cannabiskonsum geschlossen werden. Im Anschluss stellte er seine Aussage laut Polizeibericht zwar als Witz dar. Er widersprach indes seiner vorherigen Angabe auch nicht ernsthaft und muss sich vor diesem Hintergrund an dieser festhalten lassen.

Bei der Teilnahme am Straßenverkehr – wenn auch mit einem Elektrokleinstfahrzeug – unter Cannabiseinfluss am 11. Juli 2022 handelt es sich um eine weitere Tatsache, die Zweifel an der Fahreignung begründet.

Denn auch ein einmaliger Verstoß gegen das Trennungsgebot ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung eine Tatsache, die Bedenken gegen die Fahreignung begründet und nach § 46 Abs. 3 FeV zur Anwendung der §§ 11 bis 14 FeV, namentlich des § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV, führt (BVerwG, Urteil vom 11. April 2019 – BVerwG 3 C 14.17 –, juris Rn. 37). Dabei ist auch bei der Teilnahme am Straßenverkehr mit einem Elektrokleinstfahrzeug das Trennungsgebot zu beachten. Auch solche Elektro-kleinstfahrzeuge wie etwa E-Scooter sind – ungeachtet des Umstands, dass sie fahrerlaubnisfrei geführt werden dürfen (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a FeV) – Kraftfahrzeuge, wenn sie die in § 1 der Verordnung über die Teilnahme von Elektrokleinstfahrzeugen am Straßenverkehr (Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung - eKFV) vom 6. Juni 2019 (BGBl I S. 756), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. Juli 2021 (BGBl I S. 3091), festgelegten Voraussetzungen erfüllen. Für sie gilt daher – bezogen auf Cannabis – der Bußgeldtatbestand des § 24a Abs. 2, Abs. 3 StVG und damit auch das Trennungsgebot gemäß Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV (BayVGH, Beschluss vom 15. März 2023 – VGH 11 CS 23.59 –, juris Rn. 15).

Die Grenze hinnehmbaren Cannabiskonsums ist nicht erst dann überschritten, wenn mit Gewissheit eine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit anzunehmen ist oder sich das Risiko von Beeinträchtigungen, die negative Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit haben, signifikant erhöht haben, sondern bereits dann, wenn die Möglichkeit einer cannabisbedingten Beeinträchtigung der Fahrsicherheit besteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 2014 – BVerwG 3 C 3.13 –, juris Rn. 32 ff). Dabei fehlt schon – jedenfalls bei einem Pkw – ab einem im Blutserum festgestellten THC-Wert von 1,0 ng/ml die Fahrtüchtigkeit (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. Juni 2016 – 1 B 37.14 –, juris Rn. 18). Diesen Wert hat der Antragsteller überschritten, weil er ein Elektrokleinstfahrzeug geführt hat und bei ihm eine THC-Konzentration von 4,4 ng/ml festgestellt wurde. Zweifel an der Richtigkeit des Behördengutachtens des Landeskriminalamtes vom 3. August 2022 sind weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
Zwar führte der Antragsteller bei dem dokumentierten Vorfall ein Elektrokleinstfahrzeug und nicht etwa einen Pkw. Hinzu tritt indes, dass ausweislich des vorliegenden Polizeiberichtes seine Fahrweise auf eine signifikante Beeinträchtigung seiner Fahrtüchtigkeit hindeutete und er die Sicherheit des Straßenverkehrs und das Eigentum an den in der betreffenden Straße abgestellten Fahrzeugen gefährdete, da er Schlangenlinien fuhr und mehrfach nah an geparkte Kfz geriet. Bei seiner Befragung durch die Polizei gab er zudem an, täglich sowohl Cannabis zu konsumieren als auch mit dem Auto zu fahren. Er räumte also selbst einen regelmäßigen Verstoß gegen das Trennungsgebot auch beim Autofahren ein.

Es lässt sich schließlich nicht feststellen, dass dem Antragsgegner Ermessensfehler beim Erlass der Gutachtenanordnung unterlaufen sind. Nur unter besonderen Umständen ist bei gelegentlichen Cannabiskonsumenten, die einmalig gegen das Trennungsgebot verstoßen haben, eine vertiefte Auseinandersetzung der Behörde mit den für und gegen eine Untersuchungsaufforderung sprechenden Gründen erforderlich. Es überschreitet weder die gesetzlichen Grenzen des durch § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV eingeräumten Ermessens noch widerspricht es dem Zweck der Ermächtigung (§ 114 Satz 1 VwGO), wenn bei einem dem Grenzwert von 1,0 ng/ml Blutserum entsprechenden oder nur geringfügig darüber liegenden THC-Wert die Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet wird (BayVGH, Beschluss vom 12. November 2021 – VGH 11 CS 21.2536 –, juris Rn. 20). Dies gilt auch für fahrerlaubnisfreie Kraftfahrzeuge (BayVGH, Beschluss vom 15. März 2023 – 11 CS 23.59 –, juris Rn. 34). In der Regel ist dies erforderlich, um aufzuklären, ob der Fahrerlaubnisinhaber künftig zwischen dem seine Fahrsicherheit möglicherweise beeinträchtigenden Cannabiskonsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs trennen wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. April 2019 – BVerwG 3 C 14.17 –, juris Rn. 34,). Derartige besondere Umstände hat der Antragsteller weder vorgetragen noch sind solche ersichtlich.

(3) Der Aufforderung zur Vorlage des Gutachtens ist er unentschuldigt innerhalb der gesetzten Frist von drei Monaten ab Zustellung der Aufforderung, die im vorliegenden Fall am 10 Mai 2023 ablief, nicht nachgekommen.

Vorzuwerfen ist ihm die Nichtvorlage nur, wenn die Frist für die Vorlage des Gutachtens angemessen und es dem Betroffenen unter Berücksichtigung aller Umstände möglich ist, der Aufforderung der Behörde nachzukommen (VGH München, Beschluss vom 23. April 2013 – 11 CS 13.219 –, juris Rn. 20). Dies ist hier der Fall. Dass es dem Antragssteller nicht möglich gewesen wäre, innerhalb von drei Monaten nach Erhalt der Gutachtenaufforderung ein Gutachten beizubringen, hat er weder behauptet noch glaubhaft gemacht.

Seiner erst nach Ablauf der Frist mit Schreiben vom 30. Mai 2023 vorgetragenen Bitte um Einräumung einer weiteren Stellungnahmefrist war schon deshalb nicht nachzukommen, weil sie erst nach Ablauf der Frist ohne Angabe der Gründe, warum sie nicht bereits vor Ablauf der Frist gestellt wurde, beim Antragsgegner eingegangen ist. Die ursprüngliche Frist von drei Monaten Frist war auch ausreichend bemessen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13. November 2019 – OVG 1 S 93.19 –) und in der Gutachtenaufforderung vom 30. Januar 2023 hatte der Antragsgegner bereits darauf hingewiesen, dass Fristverlängerungen nicht gewährt würden. Der Antragsgegner hat auf diese Weise dem ihm höchstrichterlich aufgegebenem Gebot beanstandungsfrei entsprochen, wonach er eine rasche Klärung von Eignungszweifeln, die durch einen Verstoß gegen das Trennungsverbot ausgelöst wurde, herbeizuführen hat und nach Fristablauf zeitnah über eine Fahrerlaubnisentziehung entscheiden soll (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. April 2019 – BVerwG 3 C 13/17 – , juris Rn. 35).

Selbst unterstellt, es gäbe ausreichende Gründe dafür, dass der Fristverlängerungsantrag nicht vor Ablauf der Frist gestellt wurde, so könnte dies allenfalls relevant sein, wenn der Antragsteller innerhalb der Frist ansonsten alles getan hätte, um das Gutachten fristgerecht beizubringen. Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Vielmehr hat der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers erstmals im Rahmen seines Fristverlängerungsantrags vom 30. Mai 2023 mitgeteilt, dass der Antragsteller mit „der TÜV Nord gesprochen“ habe. Hieraus geht hervor, dass sogar zu diesem Zeitpunkt noch keine ausreichenden Schritte zur Begutachtung unternommen worden waren. Zum Zeitpunkt des Fristablaufs lagen – ebensowenig wie bei Beantragung der Fristverlängerung – weder eine unterschriebene schriftliche Zustimmungserklärung über die Wahl der Begutachtungsstelle noch ein Einverständnis mit der Aktenübersendung noch das Gutachten selbst vor. Letzteres ist im Übrigen selbst im hiesigen Verfahren noch nicht beigebracht worden.

(4) Steht die Nichteignung des Antragstellers hiernach fest, hat der Antragsgegner ihm nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV die Fahrerlaubnis zu entziehen. Ermessen ist insoweit nicht eröffnet.

3. Dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des nach summarischer Prüfung rechtmäßigen Bescheides kommt der Vorrang gegenüber dem Interesse des Antragstellers, vorerst von der Vollziehung verschont zu bleiben, zu. Die Abwägung der gegenläufigen Interessen der Beteiligten führt vorliegend dazu, dass das öffentliche Interesse, schwere Sach- und Personenschäden zu vermeiden, die mit Verkehrsunfällen aufgrund einer Drogeneinnahme verbunden sein können, das Interesse des Antragstellers überwiegt, vorläufig weiterhin ein Kraftfahrzeug führen zu dürfen. Vor dem Hintergrund, dass er als zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet angesehen werden darf und unter Einfluss von Cannabis ein Kraftfahrzeug fuhr, braucht nicht erst der Ausgang des Widerspruchs- und ggf. Klageverfahrens abgewartet und währenddessen eine weitere Gefährdung für Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer in Kauf genommen werden. Die für den Antragsteller damit verbundenen Beeinträchtigungen haben demgegenüber geringeres Gewicht. Etwaige private oder wirtschaftliche Nachteile, die für ihn mit der Entziehung der Fahrerlaubnis verbunden sind, müssen im Hinblick auf den hohen Rang der durch die Verkehrsteilnahme eines ungeeigneten Fahrerlaubnisinhabers gefährdeten Rechtsgüter zurücktreten (vgl. VG Berlin, Beschluss vom 2. Juni 2014 – VG 11 L 79.14 –, juris Rn. 15).

II. Begegnet die unter Sofortvollzug verfügte Entziehung der Fahrerlaubnis keinen rechtlichen Bedenken, so gilt dies auch für die Aufforderung, die Fahrerlaubnis ab-zugeben. Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG bzw. § 47 Abs. 1 Satz 1 FeV ist der Führerschein nach der Entziehung der Fahrerlaubnis bei der Fahrerlaubnisbehörde abzuliefern.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 39 ff., 52 f. GKG, wobei das Gericht für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Hälfte des für das Hauptsacheverfahren anzusetzenden Auf-fangstreitwertes festgesetzt hat.


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