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Entscheidungen

StPO

Wirksamkeit Berufungsbeschränkung, Rechtsfolgenausspruch

Gericht / Entscheidungsdatum: BayObLG, Beschl. v. 03.07.2023 - 202 StRR 34/23

Leitsatz des Gerichts:

1. Das Revisionsgericht hat die Zulässigkeit der vom Angeklagten gegen ein amtsgerichtliches Urteil eingelegten Berufung nur dann von Amts wegen zu prüfen, wenn (Teil-)Rechtskraft des Ersturteils eingetreten ist. Dies ist nicht der Fall, wenn die Staatsanwaltschaft ihrerseits eine unbeschränkte oder als unbeschränkt zu behandelnde Berufung eingelegt hat.
2. Eine Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch ist unter anderem dann unwirksam, wenn der Angeklagte vom Amtsgericht wegen eines versuchten Delikts verurteilt wurde, nach den Urteilsfeststellungen aber ein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch nach § 24 Abs. 1 StGB in Betracht kommt oder diese Frage aufgrund der unzulänglichen Feststellungen des Erstgerichts nicht beurteilt werden kann.
3. Liegt dem Angeklagten eine versuchte Erpressung zur Last, sind aber nach dem Urteilsfeststellungen noch keine Absprachen zu den Übergabemodalitäten getroffen worden, hat der Tatrichter diesen Umstand für die Frage, ob ein unbeendeter oder ein beendeter Versuch vorliegt, in seine Überlegungen einzubeziehen.


In pp.

I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hof vom 9. Februar 2023 mit den Feststellungen aufgehoben.
II. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere (kleine) Strafkammer des Landgerichts Hof zurückverwiesen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht – Strafrichter – Hof verurteilte den Angeklagten am 31.03.2022 wegen versuchter Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr. Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte mit ausschließlich per Telefax am 01.04.2022 dem Amtsgericht Hof übermitteltem Schriftsatz seines Verteidigers vom selben Tag Berufung ein. Mit beim Amtsgericht am 06.04.2022 eingegangenem Schreiben vom 04.04.2022 wandte sich auch die Staatsanwaltschaft gegen das erstinstanzliche Urteil mit dem Rechtsmittel der Berufung, die sie ausdrücklich auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte und damit begründete, dass das Strafmaß dem Unrechtsgehalt der Tat und der Persönlichkeit des Angeklagten nicht gerecht werde. Mit Urteil vom 09.02.2023 hat das Landgericht Hof die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft jeweils als unbegründet verworfen. Mit seiner gegen das Berufungsurteil gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Mit Zuleitungsschrift vom 07.05.2023 hat die Generalstaatsanwaltschaft München beantragt, die Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Revision des Angeklagten ist begründet. Sie führt auf die erhobene Sachrüge hin zur Aufhebung des angefochtenen Berufungsurteils (§ 349 Abs. 4 StPO).

III.

Wie die Generalstaatsanwaltschaft München in ihrer Zuleitungsschrift zutreffend ausführt, hat der Senat die Zulässigkeit der vom Angeklagten eingelegten Berufung, über die das Landgericht in Verkennung der formalen Anforderungen des § 32d Satz 2 StPO in der Sache entschieden hat, aufgrund der Besonderheiten des Verfahrens nicht von Amts wegen zu berücksichtigen.

1. Eine amtswegige Prüfung von Verfahrensverstößen durch das Revisionsgericht hat nur insoweit zu erfolgen, als ein etwaiges Verfahrenshindernis in Erwägung zu ziehen ist.

a) Ein Verfahrenshindernis, das im Falle einer unwirksamen Berufungseinlegung wegen der Rechtskraft der amtsgerichtlichen Entscheidung in Betracht käme, ist aber schon deshalb nicht gegeben, weil auch die Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Amtsgerichts Berufung eingelegt hatte, die den Eintritt der Rechtskraft des Ersturteils vollständig hemmte (vgl. hierzu BayObLG, Beschl. v. 03.08.1993 – 5St RR 63/93 = BayObLGSt 1993, 140 = NStZ 1994, 48 = Rpfleger 1994, 125).

b) Etwas anderes folgt auch nicht etwa daraus, dass die Staatsanwaltschaft ihre Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hatte. Infolge der Beschränkung des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft trat keine horizontale Teilrechtskraft des Ersturteils ein, was das Revisionsgericht ebenfalls von Amts wegen zu prüfen hat. Denn die Beschränkung des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft auf den Rechtsfolgenausspruch war unwirksam, weil die Feststellungen des Amtsgerichts ihrerseits derart unzureichend waren, dass unklar blieb, ob sich der Angeklagte überhaupt strafbar gemacht hat. Zwar ist eine Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch grundsätzlich zulässig und wirksam. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn die dem Schuldspruch im angefochtenen Urteil zugrunde liegenden Feststellungen tatsächlicher oder rechtlicher Art unklar, lückenhaft, widersprüchlich oder so knapp sind, dass sich Art und Umfang der Schuld nicht in dem zur Überprüfung des Strafausspruchs notwendigen Maße bestimmen lassen und die erstinstanzlichen Feststellungen deshalb keine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Berufungsgerichts sein können (vgl. nur BGH, Beschl. v. 27.04.2017 – 4 StR 547/16 = BGHSt 62, 155 = NJW 2017, 2482 = NZV 2017, 433 = StraFo 2017, 280; Urt. v. 02.12.2015 – 2 StR 258/15 = StV 2017, 314; BayObLG, Beschl. v. 18.03.2021 – 202 StRR 19/21, bei juris). Ebenso ist eine Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch unwirksam, wenn unklar bleibt, ob sich der Angeklagte überhaupt strafbar gemacht hat (vgl. etwa BGH, Urt. v. 09.11.2022 – 2 StR 250/22, bei juris; 06.08.2014 – 2 StR 60/14 = NStZ 2014, 635; 19.03.2013 – 1 StR 318/12 = wistra 2013, 463; BayObLG, Beschl. v. 18.03.2021 – 202 StRR 19/21), was unter anderem dann der Fall ist, wenn nach den tatrichterlichen Feststellungen eine Straffreiheit wegen Rücktritts vom Versuch gemäß § 24 Abs. 1 StGB in Betracht kommt (vgl. BGH, Urt. v. 14.05.1996 – 1 StR 51/96 = BGHSt 42, 158 = NJW 1996, 2663 = StV 1996, 546 = MDR 1996, 1168 = BGHR StGB § 251 Rücktritt 1 = JuS 1997, 178 = JZ 1997, 261).

2. Ein solcher Ausnahmefall, der zur Unwirksamkeit der Beschränkung der Berufung führte, war hier gegeben, weil aufgrund der unzulänglichen Feststellungen der amtsgerichtlichen Entscheidung nicht beurteilt werden kann, ob der Angeklagte vom Versuch der Erpressung gemäß § 24 Abs. 1 StGB strafbefreiend zurückgetreten ist.

a) Nach den Feststellungen des Amtsgerichts begab sich der Angeklagte am 08.07.2021 gegen 9.00 Uhr zu der geschlossenen Haftzelle des mit ihm auf der gleichen Abteilung der JVA A. inhaftierten Verletzten. Durch die Zellentür forderte der Angeklagte diesen auf, einen Betrag in Höhe von 15.000 Euro bis zum 10.08.2021 zu zahlen, obwohl er hierauf keinen Anspruch hatte. Das Geld sollte durch die Familie des Opfers an die Ehefrau des Angeklagten übergeben werde. Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, drohte der Angeklagte dem Geschädigten damit, dass er ihm oder dessen Familie „körperliche Gewalt antun“ würde. Insbesondere für den Fall einer Verlegung des Geschädigten in die JVA C drohte der Angeklagte dem Geschädigten, dass er, der Angeklagte, dort Kontakte habe, welche gegen den Geschädigten „Gewalt auf Geheiß des Angeklagten hin ausüben“ würden. Obwohl der Geschädigte die Drohungen ernst nahm und diesbezüglich auch seine Familie warnte, kam er der Geldforderung des Angeklagten nicht nach.

b) In rechtlicher Hinsicht hat das Amtsgericht den Sachverhalt als versuchte Erpressung gewertet. Ein Rücktritt vom Versuch sei nicht erfolgt, weil der Angeklagte „keine Anstalten unternommen habe, die Erpressung, die nach der Verlegung des Angeklagten bezüglich deren Umsetzung nicht mehr in seiner Hand gelegen habe, zu stoppen“. Vielmehr habe er sich nach Ablauf des 10.08.2021 „bewusstwerden“ müssen, dass sich der Erpressungsversuch als gescheitert erwiesen habe.

c) Auf der Grundlage dieser Feststellungen des Ersturteils ist ein freiwilliger Rücktritt vom Versuch im Sinne des § 24 Abs. 1 StGB, der zur Straffreiheit führen würde, keineswegs ausgeschlossen.

aa) Da das Amtsgericht darauf abgestellt hat, dass der Angeklagte nichts unternommen habe, um die „Umsetzung“ der Erpressung zu „stoppen“, ging es ganz offensichtlich von einem beendeten Versuch aus. Denn nur in diesem Fall wäre es für einen freiwilligen Rücktritt gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Variante 1 StGB erforderlich gewesen, dass der Angeklagte aktive Maßnahmen zur Verhinderung der Vollendung der Tat ergriffen hätte. Dagegen hätte das bloße (freiwillige) Aufgeben der Tat gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Variante 1 StGB zur Straffreiheit führen können, wenn es sich um einen unbeendeten Versuch gehandelt hätte (st.Rspr., vgl. nur BGH, Beschl. v. 27.04.2022 – 4 StR 408/21 = StV 2023, 320; 16.06.2021 – 1 StR 58/21 = NStZ-RR 2021, 272; vom 06.05.2020 – 2 StR 543/19 = StV 2021, 307 = BGHR StGB § 184h Nr 1 Erheblichkeit 4; vom 17.12.2019 – 2 StR 340/19 = StV 2021, 90). Darauf, dass der Angeklagte keine Maßnahmen zur Verhinderung der Tatvollendung ergriffen hat, käme es bei dieser Konstellation für die Straffreiheit nach § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB nicht an.

bb) Den Feststellungen des Amtsgerichts kann aber mangels Darlegung des sogenannten Rücktrittshorizonts nicht entnommen werden, ob ein beendeter oder ein unbeendeter Versuch vorlag.

(1) Für die Beurteilung der Frage, ob ein Versuch unbeendet oder beendet ist, kommt es entscheidend darauf an, welche Vorstellung der Täter nach seiner letzten Ausführungshandlung von der Tat, dem sog. Rücktrittshorizont, hat (st.Rspr.; vgl. nur BGH a.a.O.). Ein unbeendeter Versuch ist gegeben, wenn der Täter nach seiner Vorstellung zu diesem Zeitpunkt noch nicht alles getan hat, was zur Tatbestandsverwirklichung erforderlich ist. Hält er dagegen den Eintritt des Taterfolgs ohne weiteres Zutun für möglich, so ist der Versuch beendet. Das Amtsgericht trifft zum Rücktrittshorizont indes keine Feststellungen. Bei lebensnaher Betrachtung spricht sogar einiges für einen unbeendeten Versuch. Den Gründen des amtsgerichtlichen Urteils kann auch in ihrer Gesamtheit nicht entnommen werden, wie es nach der Vorstellung des Angeklagten zur Geldübergabe, die über Familienangehörige des Angeklagten einerseits und des Opfers andererseits abgewickelt werden sollte, ohne weitere Absprachen kommen sollte. Es bleibt insbesondere gänzlich offen, ob die Familien sich gegenseitig kannten und wie die Geldübergabe konkret von statten gehen sollte. Nachdem sich das amtsgerichtliche Urteil aber dazu nicht verhält, liegt es nicht nur nahe, sondern drängt sich geradezu auf, dass auch aus der Sicht des Angeklagten noch weitere Anweisungen zu den Modalitäten des beabsichtigten Geldtransfers erforderlich waren. In einem solchen Fall hätte lediglich ein unbeendeter Versuch vorgelegen, sodass es für die Erlangung einer Straffreiheit wegen Rücktritts keineswegs notwendig gewesen wäre, dass der Angeklagte aktive Maßnahmen zur Erfolgsverhinderung ergriffen hätte.

(2) Ein Rücktritt würde auch nicht wegen Fehlschlages des Versuchs scheitern. Zwar wäre im Falle eines fehlgeschlagenen Versuchs ein strafbefreiender Rücktritt von vornherein ausgeschlossen ist (vgl. nur BayObLG, Beschl. v. 23.03.2022 – 202 StRR 27/22 bei juris m.w.N.). Allerdings trifft das Amtsgericht für die Beurteilung dieser Frage ebenfalls keine ausreichenden Feststellungen. Ein Versuch ist fehlgeschlagen, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält (st.Rspr., vgl. nur BGH, Beschl. v. 24.11.2021 - 4 StR 345/21 = NStZ-RR 2022, 39 m.w.N.; BayObLG a.a.O.). Maßgeblich dafür ist nicht der ursprüngliche Tatplan, sondern dessen Vorstellung nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung, sodass es auch hierbei auf den Rücktrittshorizont ankommt. Dies wäre aber der 08.07.2021 gewesen, nachdem der Angeklagte sein Opfer zur Zahlung aufgefordert hatte. Ein etwaiges Vorstellungsbild des Angeklagten zu diesem Zeitpunkt kann dem amtsgerichtlichen Urteil indes nicht entnommen werden.

(3) Schließlich ist auch die bloße Einschätzung des Amtsgerichts, der Angeklagte „musste sich nach Ablauf des 10.08.2021 bewusstwerden, dass der Erpressungsversuch sich als gescheitert erwies“, nicht geeignet, einen strafbefreienden Rücktritt nach § 24 Abs. 1 StGB abzulehnen. Der Sache nach möchte das Amtsgericht mit seiner Wertung offensichtlich die Freiwilligkeit im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB verneinen, trifft aber auch hierzu keine Tatsachenfeststellungen. Dies wäre umso mehr geboten gewesen, als der Angeklagte nach den Urteilsgründen auch damit gedroht haben soll, dass er über Kontakte verfüge, um auf den Angeklagten weiterhin einwirken zu können. Überdies hat das Amtsgericht sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob der Angeklagte nicht bereits vorher den Tatentschluss aufgegeben hatte.

IV.

Da aus den genannten Gründen die Beschränkung der Berufung der Staatsanwaltschaft auf den Rechtsfolgenausspruch unwirksam war, musste die Berufungskammer das Rechtsmittel als unbeschränkt behandeln und deshalb auch Feststellungen zum Tatgeschehen treffen, was es, wenn auch aufgrund der (unzulässigen) Berufung des Angeklagten, getan hat.

Das Berufungsurteil kann aber schon deswegen keinen Bestand haben, weil das Landgericht die Rechtsfehler, die dem Amtsgericht im Zusammenhang mit der Frage eines Rücktritts vom Versuch unterlaufen sind, wiederholt. Die Berufungskammer hat ebenso wie das Amtsgericht zum Rücktrittshorizont keine Feststellungen getroffen und - in Übereinstimmung mit den rechtsfehlerhaften Erwägungen des Ausgangsgerichts - einen Rücktritt vom Versuch mit dem mangels Feststellungen zum Rücktrittshorizont nicht tragfähigen Hinweis verneint, der Angeklagte habe „keinerlei“ Anstalten unternommen, den Erfolgseintritt zu verhindern, der „durch die Nichtzahlung aufgrund mangelnder Geldmittel vereitelt worden sei“. Dazu, ob der Angeklagte von der fehlenden Zahlungsfähigkeit des Opfers Kenntnis erlangt hat oder er gegebenenfalls sogar bereits vorher seinen Tatplan aufgegeben hatte, verhält sich das Berufungsurteil nicht. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen des Senats zu den Rechtsmängeln, die dem amtsgerichtlichen Urteil in gleicher Weise anhaften, Bezug genommen.

V.

Aufgrund der aufgezeigten Rechtsfehler ist das angefochtene Urteil aufzuheben (§ 353 StPO) und die Sache gemäß § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere (kleine) Strafkammer des Landgerichts Hof zurückzuverweisen. Mitaufgehoben werden auch die tatsächlichen Feststellungen, um der zur Entscheidung berufenen Strafkammer Gelegenheit zu geben, widerspruchsfreie Feststellungen zu treffen.

VI.

Für die neue Hauptverhandlung wird auf Folgendes hingewiesen:

1. Über die Berufung des Angeklagten ist erneut unter Beachtung des § 32d Satz 2 StPO eine Entscheidung zu treffen.

2. Über die Berufung der Staatsanwaltschaft wird unter Berücksichtigung des § 301 StPO zu entscheiden sein.

3. Im Falle einer erneuten Verurteilung sind die Feststellungen so zu treffen, wie sie den tatsächlichen Geschehnissen entsprochen haben. Die bisherigen Feststellungen des aufgehobenen Berufungsurteils lassen bei lebensnaher Betrachtung befürchten, dass es sich nicht um die Wiedergabe der vom Angeklagten ausgesprochenen Drohungen, sondern um eine Schilderung der Tat mit dem Worten des Gerichts handelt, was schon mit Blick auf die Plausibilität des Tatgeschehens untunlich ist. Denn es ist äußerst unwahrscheinlich, dass der Angeklagte, der in einem arabischen Land geboren wurde, dort aufgewachsen ist und erst im Erwachsenenalter nach Deutschland kam, sich bei einem Erpressungsversuch so ausgedrückt hat, wie dies nach den Feststellungen des Berufungsurteils der Fall gewesen sein soll. So erscheint die Verwendung der Worte, er werde dem Angeklagten oder seiner Familie „körperliche Gewalt antun“ oder er verfüge über „Kontakte“, die gegen den Geschädigten „Gewalt auf Geheiß des Angeklagten hin ausüben würden“, lebensfern, was besorgen lässt, dass es sich nicht um aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung gemäß § 261 StPO getroffene Tatsachenfeststellungen, sondern um die Schilderung eines Geschehens handelt, wie es sich aus Sicht des Gerichts ereignet haben könnte.

4. Im Rahmen der Beweiswürdigung wäre auch die Plausibilität insofern zu überdenken, als der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen dem Zeugen gedroht haben soll, dass er über Kontakte in der JVA C. verfüge, falls der Zeuge dorthin verlegt werde, sich nicht aber dazu geäußert hat, was für den Fall der Nichtverlegung des Zeugen in eine andere Justizvollzugsanstalt geschehen sollte. Denn nach den Gründen des Berufungsurteils sollte auch der Angeklagte genau an dem Tag, an dem er den Erpressungsversuch verwirklicht haben soll, in eine andere Justizvollzugsanstalt verlegt werden. Bei Zugrundelegung dieser Feststellungen bleibt völlig im Dunkeln, wie die Androhung von Gewalt gegenüber dem Zeugen hätte verwirklicht werden sollen, falls dieser nicht nach C. verlegt werden, sondern in der JVA A. verbleiben sollte.

5. Sollte die neue Strafkammer zu dem Ergebnis gelangen, dass ein Rücktritt vom Versuch im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB nicht erfolgt ist, wäre eine Verurteilung wegen versuchter räuberischer Erpressung gemäß den §§ 255, 253, 22 StGB in Betracht ziehen, weil spätestens zum Ablauf der Zahlungsfrist die (weiterhin aufrecht erhaltene) Drohung mit einer Dauergefahr eine Ankündigung einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben darstellen würde. Da es sich hierbei um ein Verbrechen handeln würde und deshalb der Strafrichter sachlich nicht zuständig gewesen wäre (§ 25 GVG), müsste ein Vorgehen nach § 328 Abs. 2 StPO in Erwägung gezogen werden.

VII.

Die Entscheidung ergeht durch einstimmigen Beschluss gemäß § 349 Abs. 4 StPO.


Einsender: RiBayObLG Dr. G. Gieg, Bamberg

Anmerkung:


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