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Entscheidungen

StPO

Pflichtverteidiger, rückwirkende Bestellung, Zulässigkeit

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Dresden, Beschl. v. 24.02.2023 - 2 Ws 33/23

Eigener Leitsatz:

Die nachträgliche Bestellung eines Pflichtverteidigers ist nicht zulässig.


2 Ws 33/23

BESCHLUSS

In dem Strafverfahren
Gegen pp.

hier: Ablehnung der nachträglichen Bestellung zur Pflichtverteidigerin

hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Dresden am 24.02.2023 beschlossen:

1. Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Landgerichts Leipzig vom 5. Januar 2023 wird als unbegründet verworfen.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 473 Abs. 1 Satz 1 StPO).

Eine rückwirkende Bestellung der Verteidigerin kommt nicht in Betracht, auch wenn zwischenzeitlich die Voraussetzungen einer notwendigen Verteidigung gegeben waren und die Bestellung rechtzeitig beantragt war.

Denn der Zweck der notwendigen Verteidigung besteht darin, im öffentlichen Interesse dafür zu sorgen, dass der Beschuldigte in schwerwiegenden Fällen (§ 140 StPO) rechtskundigen Beistand erhält und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gewährleistet wird (vgl. BGH, Beschluss vom 18. August 2020 – StB 25/20 – juris, m.w.N.). Dieser Zweck der Sicherung einer ordnungsgemäßen Verteidigung kann nachträglich durch die Bestellung nicht mehr rückwirkend erreicht werden (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 2. März 2021 – 1 Ws 12/21 – juris; OLG Hamburg, Beschluss vom 16. September 2020 – 2 Ws 112/20 – juris; OLG Brandenburg, Beschluss vom 9. März 2020 – 1 Ws 19/20 – juris). Dies gilt insbesondere dann, wenn das Ziel der verfahrenssichernden Verteidigung aufgrund der Mitwirkung der Rechtsanwältin als Wahlverteidigerin bereits bewirkt ist.
Nach anderer Auffassung soll mit Blick auf die Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/1919 vom 26. Oktober 2016 (über Prozesskostenhilfe für Verdächtige und beschuldigte Personen in Strafverfahren sowie für gesuchte Personen in Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls), die durch das Gesetz zur Neuregelung der notwendigen Verteidigung vom 10. Dezember 2019 in nationales Recht umgesetzt wurde, zwar eine nachträgliche Beiordnung möglich sein, weil Zweck der Richtlinie auch sei, einen mittellosen Beschuldigten von den Kosten der Verteidigung freizustellen (vgl. z. Bsp. OLG Bamberg, Beschluss vom 29. April 2021 – 1 Ws 260/21 – juris; OLG Nürnberg, Beschluss vom 6. November 2020 – Ws 962/20 – juris; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 142 Rn. 20).

Dieser Auffassung folgt der Senat aber nicht.

Denn gemäß Art. 4 Abs. 1, Art. 3 der PKH-Richtlinie soll zwar sichergestellt werden, dass der Beschuldigte Zugang zu einem Rechtsbeistand erhält und dieser nicht an fehlenden finanziellen Mitteln scheitern darf, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist. Die Richtlinie sieht aber nicht vor, den Beschuldigten generell von Kosten der Verteidigung freizuhalten oder nach erfolgter Verurteilung noch eine Bestellung eines bereits tätigen Verteidigers vorzunehmen. Zudem beabsichtigte der Gesetzgeber bei der Umsetzung der Richtlinie, dass an der Beachtung sachlicher Kriterien ohne Rücksicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse ausgerichtete System der notwendigen Verteidigung beizubehalten und lediglich Anpassungen vorzunehmen (vgl. BT-Drucksache 19/13829, S. 22). In der gesetzlichen Neuregelung wurden prekäre wirtschaftliche Verhältnisse oder berechtigte Kosteninteressen nicht zur Voraussetzung einer Bestellung normiert. Dem steht die Richtlinie nicht entgegen, weil es gemäß Art. 4 Abs. 2 der PKH-Richtlinie den Mitgliedsstaaten freigestellt ist, ob sie bei der Umsetzung als Anknüpfungspunkt für die Bestellung eine Bedürftigkeitsprüfung, eine Prüfung der materiellen Kriterien (vor allem Schwere der Straftat, Komplexität des Falles, Schwere der zu erwartenden Strafe) oder beides vornehmen.
Nach Art. 4 Abs. 1, Art. 3 der PKH-Richtlinie soll die Bereitstellung finanzieller Mittel für die Unterstützung durch einen Rechtsbeistand im Übrigen (nur) dann erfolgen, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist. Nach bereits erfolgtem Verfahrensabschluss besteht ein solches Interesse für die Rechtspflege aber nicht (mehr) (vgl. OLG Braunschweig, a.a.O.; Beutel, NStZ 2022, Bl. 330).

Letztlich war die Mitwirkung der Verteidigerin im erstinstanzlichen Verfahren nicht geboten, sodass in der Zustellung des erstinstanzlichen Urteils an sie auch keine stillschweigende Bestellung gesehen werden kann.


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