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Entscheidungen

StPO

Verletztenbeistand, Unfähigkeit der Selbstvertretung, Lese - oder Rechtschreibschwäche

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Berlin, Beschl. v. 05.09.2023 - 534 Qs 156/23

Eigener Leitsatz:

Eine nicht ausreichende Wahrnehmung der Interessen durch einen Verletzten kann grundsätzlich auch dann vorliegen, wenn der Betroffene an einer Lese- oder Rechtschreibschwäche leidet.


Landgericht Berlin
534 Qs 156/23

In der Strafsache
gegen pp.

hier: Beschwerde der pp.

Prozessbevollmächtigter:

Rechtsanwalt

wegen Nachstellung

hat die 34. allgemeine große Strafkammer des Landgerichts Berlin am 05.09.2023 beschlossen:

Die Beschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 03.07.2023 wird aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses auf ihre Kosten als unbegründet verworfen.

Lediglich ergänzend wird Folgendes ausgeführt:

Nach § 397a Abs. 2 §. 1 StPO ist dem Nebenkläger für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts auf Antrag Prozesskostenhilfe nach denselben Vorschriften wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zu bewilligen, wenn er seine Interessen selbst nicht ausreichend wahrnehmen kann oder ihm dies nicht zuzumuten ist. Nach § 406h Abs. 1 §. 1 StPO kann sich der zum Anschluss mit der Nebenklage Befugte auch vor Erhebung der öffentlichen Klage und ohne Erklärung eines

Anschlusses eines Rechtsanwalts als Beistand bedienen oder sich durch einen solchen vertreten lassen.

Die Beantwortung der Frage, ob der Verletzte seine Interessen selbst nicht ausreichend wahrnehmen kann, orientiert sich zunächst an der Auslegung von § 140 Abs. 2 StPO. Dieser entsprechend ist eine Beiordnung möglich. wenn das Opfer — analog der Situation des Angeklagten bei § 140 Abs. 2 StPO, der sich nicht selbst verteidigen kann — besondere persönliche Defizite bei der Wahrnehmung seiner Interessen, wie der eingeschränkter geistiger Kräfte und des (psychischen) Gesundheitszustands aufweist, vor allem wenn sie Folgen der Tat sind (BeckOK StPO/Weiner, 48. Ed. 1,7.2023, StPO § 397a Rn. 15).

Eine nicht ausreichende Wahrnehmung der Interessen kann grundsätzlich auch dann vorliegen, wenn der Betroffene an einer Lese- oder Rechtschreibschwäche leidet (vgl. LG Hildesheim für die Frage der Pflichtverteidigerbestellung, Beschluss vom 09.11.2007 - 12 Qs 57/07). Dies ist jedoch insbesondere bei einer durch die Legasthenie bedingten starken Beeinträchtigung des Betroffenen anzunehmen oder bei einem nicht unerheblichen Umfang der Verfahrensakte, die Niederschriften mehrerer polizeilicher Zeugenvernehmungen und verschiedene polizeiliche Vermerke enthält (vgl. (LG Hildesheim, ebd.).

Vorliegend ist nach den zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts nicht davon auszugehen, dass die nach eigenem Vortrag im Jahr 2011 festgestellte und noch immer andauernde Legasthenie der Betroffenen zu einer derart starken Beeinträchtigung führt, dass sie ihre Interessen im Strafprozess nicht ausreichend wahrnehmen kann. Auch im Verfahren vor dem Amtsgericht Schöneberg sah sich die zuständige Richterin trotz der in der Beschwerdeschrift genannten Schwierigkeiten im dortigen Anhörungstermin (noch) nicht veranlasst, der Betroffenen einen Beistand zu bestellen. Zudem weist die hiesige Verfahrensakte bisher keinen besonders erheblichen Umfang auf, sondern enthält größtenteils Kopien anderer polizeilicher Ermittlungsvorgänge und des durch die Antragstellerin geführten familienrechtiichen Verfahrens.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.


Einsender: RA F. Glaser, Berlin

Anmerkung:


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