Gericht / Entscheidungsdatum: LG Freiburg, Beschl. v. 21.08.2023 - 16 Qs 30/23
Eigener Leitsatz:
Der Verteidiger ist nicht verpflichtet, auf eine Fortsetzung des Bußgeldverfahrens gegen seinen Mandanten in unverjährter Zeit hinzuwirken. Unterlässt er daher für die Fortsetzung des Verfahrens erforderliche Verfahrenshandlungen, kann ihm das nicht im Rahmen der Geltendmachung einer zusätzlichen Verfahrensgebühr entgegengehalten werden.
16 Qs 30/23
Landgericht Freiburg im Breisgau
Beschluss
In dem Bußgeldverfahren
gegen pp.
Verteidiger:
wegen OWi
hat das Landgericht Freiburg im Breisgau - 16. Große Strafkammer - durch die unterzeichnenden Richter am 21. August 2023 beschlossen:
1. Auf die sofortige Beschwerde der Betroffenen wird der Beschluss des Amtsgerichts Freiburg vom 10.05.2023 (76 OWi 48/23) aufgehoben
2. Der Kostenfestsetzungsbescheid der Stadt Freiburg vom 24.03.2023 wird dahingehend abgeändert, dass als zu erstattende notwendige Auslagen der Betroffenen zusätzlich auch die Gebühr Nr. 5115, 5101 VV RVG in Höhe von 176,00 € zuzüglich 19 % Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG) festgesetzt wird und die gesamten zu erstattenden Gebühren und Auslagen, also auch soweit bereits mit Bescheid vom 24.03.2023 festgesetzt, ab dem 17.03.2023 mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu verzinsen sind.
3. Die Kosten und notwendigen Auslagen der Betroffenen im Beschwerdeverfahren trägt die Staatskasse.
Gründe:
Die sofortige Beschwerde der Betroffenen gemäß § 108 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, S. 2 OWiG ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.
1. Die Voraussetzungen der Gebühr nach Nr. 5115, 5101 VV RVG liegen vor.
Anders als das Amtsgericht ist die Kammer der Auffassung, dass die Geltendmachung der Erledigungsgebühr nicht rechtsmissbräuchlich ist. Es liegt grundsätzlich im alleinigen Verantwortungsbereich der Bußgeldbehörde, wenn ein rechtzeitig und formwirksam eingelegter Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid nicht zur Bußgeldakte gelangt und daher fälschlicherweise von der Rechtskraft des Bußgeldbescheids ausgegangen wird. Wird in der Folge festgestellt, dass tatsächlich Einspruch eingelegt wurde, ist der Eintritt der Verfolgungsverjährung ausschließlich der Sphäre der Bußgeldbehörde zuzurechnen. Vorliegend war der Verteidiger gerade nicht verpflichtet, auf eine Fortsetzung des Bußgeldverfahrens gegen seine Mandantin in unverjährter Zeit hinzuwirken. Durch die mit Schreiben des Verteidigers vom 14.02.2023 erfolgte Vorlage des beA-Prüfprotokolls vom 20.07.2022 und dem Hinweis auf die zwischenzeitlich eingetretene Verfolgungsverjährung, konnte die Verteidigung die drohende Vollstreckung aus dem vermeintlich rechtskräftigen Bußgeldbescheid abwenden und eine endgültige Verfahrenseinstellung wegen Verjährung erreichen. Damit liegen die Voraussetzungen von Nr. 5115 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG aus Sicht der Kammer vor.
Die Höhe der Gebühr bemisst sich nach der Verfahrensgebühr Nr. 5101 VV RVG und beträgt somit 176,00 €.
2. Zutreffend weist der Verteidiger zudem darauf hin, dass die mit Schreiben vom 17.03.2023 beantragte Verzinsung der festgesetzten Gebühren und Auslagen entgegen § 106 Abs. 1 S. 2 OWiG unterblieben ist. Dies war abstellend auf den Zeitpunkt der Anbringung des Festsetzungsantrages (17.03.2023) nachzuholen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus entsprechender Anwendung von § 467 StPO.
Einsender: RA S. Kabus, Bad Saulgau
Anmerkung: Aufhebung von AG Freiburg, Beschl. v. 10.05.2023 - 76 OWi 48/23
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