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Die 13. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth erlässt in dem Strafverfahren gegen pp. wegen Pflichtverteidigerbestellung ohne mündliche Verhandlung am 19.01.2010 folgenden BESCHLUSS: Der Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vorn 16.11.2009 über die Ablehnung des Antrages auf Beiordnung des Rechtsanwalts B. als Pflichtverteidiger für den Angeschuldigten X. wird aufgehoben. Rechtsanwalt B. wird dem Angeschuldigten X. als Pflichtverteidiger beigeordnet. III. Die Staatskasse trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten.
Gründe: I. Mit Anklageschrift vom 10.06.2008 beim Amtsgericht Nürnberg eingegangen am 18.06.2008 erhob die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth gegen den Angeschuldigten Anklage wegen Leistungserschleichung in drei Fällen. Die Anklageschrift konnte dem Angeschuldigten nicht zugestellt werden, da dieser ohne festen Wohnsitz und unbekannten Aufenthalts war.
Am 30.06.2008 wurde daraufhin das Verfahren vorläufig nach § 205 StPO eingestellt und Fahndungsmaßnahmen ergriffen.
Nachdem bekannt geworden war, dass der Angeschuldigte seit 12.05.2009 sich in Strafhaft in der JVA Bamberg befand, nahm das Gericht mit Verfügung vom 03.08.2009 das Verfahren wieder auf und verfügte die Zustellung der Anklageschrift an den Angeschuldigten mit Hinweis auf Pflichtverteidigerbestellung.
Die Anklageschrift wurde dem Angeschuldigten am 10.08.2009 zugestellt, mit Schriftsatz vom 12.08.2009 eingegangen beim Amtsgericht Nürnberg am selben Tage beantragte Rechtsanwalt B. die Beiordnung als Pflichtverteidiger und Akteneinsicht, die ihm gewährt wurde.
Mit Schriftsatz vom 21.09.2009 erinnerte Rechtsanwalt B. an seinen Antrag auf Pflichtverteidigerbestellung und regte gleichzeitig die Einstellung des Verfahrens nach § 154 II StPO an, da der Angeschuldigte zwei Jahre Strafhaft zu verbüßen habe und außerdem gegen ihn zwei weitere Verfahren wegen Verstoßes gegen das BtMG anhängig seien.
Mit Verfügung vom 28.09.2009 leitete das Gericht diesen Antrag an die Staatsanwaltschaft mit der Bitte um Stellungnahme weiter; die Staatsanwaltschaft stimmte einer Einstellung nach § 154 II StPO zu.
Mit Beschluss vorn 26.10.2009 wurde daraufhin das Verfahren endgültig nach § 154 StPO eingestellt.
Mit Schreiben vorn 09.11.2009 erinnerte Rechtsanwalt B. an seinen noch nicht verbeschiedenen Antrag auf Bestellung zum Pflichtverteidiger.
Mit Beschluss vom 16.11.2009 lehnte das Amtsgericht Nürnberg den Antrag ab, vgl. BI. 44 d.A.
Dieser Beschluss wurde am 21.12.2009 zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 22.12.2009 legte der Verteidiger Beschwerde ein; auf die Begründung BI.46ff wird verwiesen.
II. Die zulässige Beschwerde war begründet.
Im Zeitpunkt des Antrages auf Pflichtverteidigerbestellung lagen die Voraussetzungen des § 140 I Nr. 5 StPO vor: Der angeschuldigte befand sich schon mehr als drei Monate in Strafhaft und es war absehbar, da diese voraussichtlich bis 01.04.2011 dauern würde, dass der Angeschuldigte vor einem eventuellen Hauptverhandlungstermin in dieser Sache keine zwei Wochen auf freiem Fuß sein würde.
Es war auch zunächst keine Sachbehandlung nach § 154 StPO angedacht, wie daraus ersichtlich wird, dass die Zustellung der Anklageschrift mit Pflichtverteidigerhinweis verfügt wurde.
Erst auf Anregung des Verteidigers erfolgte eine Einstellung des Verfahrens nach § 154 StPO lange nachdem er beantragt hatte als Pflichtverteidiger beigeordnet zu werden. Wenn - wie im vorliegenden Fall - aus den Umständen der Ermittlung des Aufenthalts des Angeschuldigten und der Mitteilung, dass sich dieser in Strafhaft befindet und der Auskunft aus dem Bundeszentralregister dem Gericht bekannt ist, dass der Betroffene in absehbarer Zeit sich nicht auf freiem Fuß befinden wird und in dieser Situation das Gericht sich entscheidet, die Anklage zuzustellen und gar selbst noch darauf hinweist, dass ein Pflichtverteidiger zu bestellen sei, und damit kundtut, dass eine Sachbehandlung nach § 154 StPO gerade nicht erwogen wird, umgehend ein Antrag auf Beiordnung als Pflichtverteidiger gestellt wird und dieser aus aus der Akte nicht nachvollziehbaren Gründen nicht beachtet wird, kann der Antrag nach Einstellung des Verfahrens nach § 154 II StPO auf Anregung des Verteidigers hin nicht abgelehnt werden mit der Begründung aus ex- post-Sicht -, es hätte gar keine Hauptverhandlung stattfinden sollen.
Erstens kann dieser Argumentation nicht gefolgt werden, weil das Gericht durch Zustellung der Anklageschrift mit Pflichtverteidigerzusatz gegenüber dem Angeschuldigten einen anderen Eindruck, nämlich, dass das Verfahren verhandelt werden solle, erweckt hat.
Zum anderen ist die Frage, ob eine Hauptverhandlung stattfinden solle oder nicht im Hinblick auf die Voraussetzungen des § 140 1 Nr. 5 StPO irrelevant.
Unbestritten steht schon im Ermittlungsverfahren dem Beschuldigten ein Pflichtverteidiger zu. obwohl im Ermittlungsverfahren noch gar nicht absehbar ist, ob das Verfahren mit Anklageerhebung abgeschlossen werden wird oder mit Einstellung nach § 170 StPO.
Ziel der Regelung des § 140 1 Nr. 5 StPO ist es, dem in seinen Verteidigungsmöglichkeiten durch Haft eingeschränkten Beschuldigten/Angeschuldigten/Angeklagten eine effektive Verteidigungsmöglichkeit zu sichern und zwar von Beginn des Ermittlungsverfahrens bis zum Abschluss des Strafverfahrens.
Liegen also die Voraussetzungen des § 140 1 Nr. 5 StPO wie hier vor, und wird der Antrag auf Beiordnung rechtzeitig vor Sachbehandlung nach § 154 StPO gestellt, ist dem Antrag stattzugeben.
Erfolgt die Entscheidung über den Antrag aus gerichtsinternen Gründen erst nach Abschluss des Verfahrens kann der Antrag nicht mit der Begründung abgelehnt werden, das Verfahren sei zwischenzeitlich eingestellt worden, eine Verteidigung sei deshalb nicht notwendig gewesen.
Der Beschluss des Amtsgerichtes Nürnberg vom 16.11.2009 war daher aufzuheben und dem Antrag auf Beiordnung als Pflichtverteidiger war zu entsprechen. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 473 I StPO.
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